S 7 SF 110/16 E

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 7 SF 110/16 E
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Widerspruchsverfahren und Klageverfahren stellen unterschiedliche Angelegenheiten im Sinne des § 15 RVG dar. Maßgebender Zeitpunkt für die Frage, ob die Vergütung nach der ab dem 01.08.2013 geltenden Fassung des RVG zu berechnen ist, ist der unbedingte Auftrag zur Vertretung im Klageverfahren.

2. Eine fiktive Terminsgebühr nach Ziffer 3106 Satz 2 Nr. 1 2. Alt. VV RVG setzt einen auf Veranlassung des Gerichts nach § 278 Abs. 6 ZPO oder 101 Abs. 1 S. 2 SGG geschlossenen, gerichtlichen Vergleich voraus (Sächsisches LSG v. 19.05.2017- L 8 R 682/15 B KO, Bayer. LSG v. 29.11.2016 - L 15 SF 97/16 E; LSG NRW v. 11.03.2015 - L 9 AL 277/14 B).

3. Bei der Anrechnung von Zahlungen nach § 58 Abs. 2 RVG kommt es nicht darauf an, in welcher Höhe Zahlungen geschuldet sind, sondern darauf, in welcher Höhe die Zahlungen tatsächlich geleistet wurden (Hess. LSG, Beschluss vom 23.06.2014 – L 2 AS 568/13 B).
In Abänderung der Festsetzung vom 12.05.2016 wird die Vergütung für das Verfahren S 6 R 134/13 auf 1163,58 Euro festgesetzt.

Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.
 

Gründe:

I.

Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe des Rechtsanwaltshonorars nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das dem Rechtsanwalt des Klägers Erinnerungsführer - nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Staatskasse zusteht. Der Erinnerungsführer wendet sich insbesondere gegen die Höhe der von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Verfahren S 6 R 134/13 mit Vergütungsfestsetzung vom 12.05.2016 festgesetzten Verfahrensgebühr und Terminsgebühr.

In dem am 25.03.2013 zunächst vom Kläger selbst erhobenen Klageverfahren begehrte dieser die Feststellung einer Berufsunfähigkeit aufgrund eines Leistungsfalls vom 18.06.1978. Auf Antrag des Klägers wurde diesem mit Beschluss vom 08.08.2013 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten gewährt. Der Klägerbevollmächtigte bestellte sich mit Schriftsatz vom 12.08.2013 unter Vorlage einer Vollmacht. Nach Einholung eines orthopädischen Gutachtens und einer Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts in dem Verfahren L 2 R 138/12 (SG Frankfurt a.M. S 6 R 134/13) endete das Verfahren am 22.02.2016 durch Zustimmung der Klägerseite zu einem vom Beklagten vorgeschlagenen Vergleich, wonach der Beklagte ½ der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt.

Der Klägerbevollmächtigte machte in seiner Kostenrechnung folgende Vergütung geltend:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 RVGVZ 500,00 EUR
Abschlag Vorverfahren - 175,00 EUR
Terminsgebühr Nr. 3106 RVGVZ 270,00 EUR
Einigungsgebühr Nr. 1006 RVGVZ 550,00 EUR
Pauschale Nr. 7002 RVGVZ 20,00 EUR
Fahrtkosten Nr. 7003 RVGVZ 32,80 EUR
Zwischensumme 1247,80 EUR
Umsatzsteuer 19 % Nr. 7008 RVGVZ 237,08 EUR
Gesamtsumme 1484,88 EUR
Davon ½ 742,44 EUR

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte die Vergütung am 12.05.2016 wie folgt fest:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 RVGVZ 320,00 EUR
Einigungsgebühr Nr. 1006 RVGVZ 350,00 EUR
Pauschale Nr. 7002 RVGVZ 20,00 EUR
Fahrtkosten Nr. 7003 RVGVZ 32,80 EUR
Zwischensumme 722,80 EUR
Umsatzsteuer 19 % Nr. 7008 RVGVZ 137,33 EUR
Gesamtsumme 860,13 EUR
Davon ½ 430,06 EUR

Sie führte aus, die Gebühren seien nach dem RVG alter Fassung festzusetzen, da das Klageverfahren vor dem 01.08.2013 eingereicht worden sei. Die Tätigkeit des Anwalts, die Schwierigkeit und die Bedeutung lägen im Bereich für ein mit der Höchstgebühr festzusetzenden Verfahren, allerdings nach VV 3103, ohne die Anrechnung im neuen Recht. Dem Klägervertreter stehe nach RVG a. F. keine (fiktive) Terminsgebühr zu; eine solche sei nach Nr. 3106 Satz 1 VV-RVG i.V.m. Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV-RVG a.F. nicht angefallen. Eine analoge Anwendung der Vorschrift des Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3. VV-RVG komme nicht in Betracht, weil die dafür erforderliche planwidrige Regelungslücke nicht bestehe. In diesem Zusammenhang werde auf die zutreffenden Ausführungen des Kostensenats des LSG Hessen in der Entscheidung vom 10. September 2009 - L 2 SF 222/09 E - Bezug genommen.

Mit der am 13.05.2016 erhobenen Erinnerung macht der Erinnerungsführer geltend, der Kläger habe zwar im März 2013 selbst Klage eingereicht, diese sei jedoch zum Zeitpunkt der Klageerhebung mangels durchgeführten Vorverfahrens unzulässig gewesen. Der Erinnerungsführer sei im Hinblick auf die Aussichtslosigkeit der Klage damals nicht für den Kläger tätig gewesen. Erst nach Erlass des Widerspruchsbescheides (30.07.2013), nach dem 01.08.2013 habe er den Kläger vertreten, dem am 08.08.2013 Prozesskostenhilfe bewilligt worden sei.

Einen konkreten Antrag hat der Erinnerungsführer im Kostenverfahren nicht gestellt.

Der Erinnerungsgegner beantragt,

die Kostenfestsetzung der Urkundsbeamtin des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12.05.2016, Az.: S 6 R 134/13 – abzuändern und die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 925,58 Euro festzusetzen, abzüglich der Zahlung der Beklagten (742,44 EUR).

Dem lag folgende Berechnung zugrunde:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 RVGVZ 450,00 EUR
Abschlag Vorverfahren - 175,00 EUR
Einigungsgebühr Nr. 1006 RVGVZ 450,00 EUR
Pauschale Nr. 7002 RVGVZ 20,00 EUR
Dokumentenpauschale Nr. 7000 RVGVZ 32,80 EUR
Zwischensumme 777,80 EUR
Umsatzsteuer 19 % Nr. 7008 RVGVZ 147,78 EUR
Gesamtsumme 925,58 EUR
Anrechnung der Bekl.-Zahlung - 742,44 EUR
Restsumme 183,14 EUR

Nach gerichtlichem Hinweis sei die Vergütung nach dem ab 01.08.2013 geltenden RVG zu berechnen. Die geltend gemachte Höchstgebühr sei jedoch unbillig. Die anwaltliche Tätigkeit habe im Hinblick auf Umfang und Schwierigkeit im üblichen Rahmen eines Klageverfahrens auf dem Gebiet der Rentenversicherung gelegen. Die medizinischen Ermittlungen des Gerichts seien mit der Einholung eines Gutachtens eher unterdurchschnittlich gewesen. Aufgrund des existenzsichernden Charakters der begehrten Leistung sei die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger des Ausgangsverfahrens überdurchschnittlich gewesen, die zu berücksichtigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse erheblich unterdurchschnittlich. Im Hinblick auf den für sozialgerichtliche Verfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatz, sei auch von einem unterdurchschnittlichem Haftungsrisiko auszugehen. Wie aus den Schreiben des Klägers ersichtlich, sei die Kommunikation mit diesem erschwerend für die anwaltliche Tätigkeit zu berücksichtigen.

Eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 S. 2 Ziff. 1-3 VV-RVG sei nicht entstanden, weil insbesondere kein schriftlicher Vergleich in diesem Sinne geschlossen worden sei. Er verweist auf eine Entscheidung des SG Fulda v. 08.12.2017, S 4 SF 23/17 E mit der dort genannten obergerichtlichen Rechtsprechung.

Der Klägerbevollmächtigte wendet sich gegen die nach Auffassung des Erinnerungsgegners gegenüber der Mittelgebühr nur um 50 % erhöhte Verfahrensgebühr. Nicht nur das Kommunikationsbedürfnis des Klägers sei zu berücksichtigen, sondern auch mehrere 1000 Blatt umfassenden Akten mit Handgekritzel des Klägers. Das Verfahren sei für den Kläger nicht nur finanziell von höchster Bedeutung gewesen, sondern auch emotional mit entsprechend häufigen Vorsprachen im Büro des Erinnerungsführers. Ob eine Terminsgebühr angefallen sei, habe das Gericht zu entscheiden.

Die beklagte Rentenversicherung hat auf Nachfrage angegeben, die 7 Bände Verwaltungsakten hätten 1432 Seiten umfasst, die für zwei weitere Klageverfahren geführten Hilfsakten 2049 Blatt. Die vorliegenden Klageakten umfassten mittlerweile 14 Bände.

II.

Die zulässige Erinnerung ist im tenorierten Umfang begründet.

Die Rechtsanwaltskosten waren nach der ab dem 01.08.2013 geltenden Fassung des RVG zu berechnen. Nach der Übergangsregelung des § 60 RVG ist die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt bestellt oder beigeordnet worden ist. Der Prozessbevollmächtigte war zwar zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits mit der Durchführung des Widerspruchsverfahrens beauftragt worden, Widerspruchsverfahren und Klageverfahren stellen aber unterschiedliche Angelegenheiten im Sinne des § 15 RVG dar. Für das Klageverfahren war ein neuer Auftrag zu erteilen. Dieser ist ausweislich der im Klageverfahren vorgelegten Vollmacht vom 12.08.2013 und nach den übereinstimmenden Angaben des Prozessbevollmächtigten und des Klägers erst am 12.08.2013 erteilt worden. Auch die Beiordnung des Prozessbevollmächtigten ist erst nach dem 01.08.2018, durch PKH-Beschluss vom 08.08.2018, erfolgt.

Das Gericht hält in Übereinstimmung mit der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle eine Verfahrensgebühr in Umfang der Höchstgebühr für gerechtfertigt. Diese beträgt nach Nr. 3102 VV RVG 550,00 Euro. Umfang und Schwierigkeit des Verfahrens waren ganz wesentlich durch eine schwierige Kommunikation mit dem Kläger bestimmt, wodurch nachvollziehbar mehrere Termine zwischen Anwalt und Kläger stattgefunden haben. Diese Schwierigkeit zeigt sich deutlich an den klägerischen, teils handgeschriebenen Schriftsätzen. Insbesondere der Umfang der Verwaltungsakten (1432 Blatt) sowie der Umfang der ebenfalls zu sichtenden weiteren Klageverfahren des Klägers mit insgesamt 14 Bänden Klage- und Verwaltungsakte bedeuten einen enormen zeitlichen Aufwand für den Klägerbevollmächtigten, der unter Berücksichtigung der übrigen Kriterien des § 14 RVG mit der Höchstgebühr zu entschädigen ist. Die Höhe der unstreitig entstandenen Einigungsgebühr (Nr. 1006 VV RVG) richtet sich nach der Höhe der Verfahrensgebühr.

Eine Terminsgebühr ist nicht entstanden. Eine sogenannte "fiktive" Terminsgebühr fällt nach Nr. 3106 S. 2 Ziffer 1 VV RVG an, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird.

Das Gericht folgt der überwiegenden sozialgerichtlichen Rechtsprechung, wonach unter einem "schriftlichen Vergleich" im Sinne von Ziffer 3106 Satz 2 Nr. 1 2. Alt. VV RVG nur ein - hier nicht vorliegender - unter Mitwirkung oder auf Veranlassung des Gerichts geschlossener Vergleich nach § 202 SGG i.V.m. § 278 Abs. 6 ZPO (vgl. insoweit BSG, Urt. v. 12.12.2013 - B 4 AS 17/13 R -, juris Rn. 22) oder nach § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG gemeint ist. Das folgt aus der Entstehungsgeschichte, dem systematischen Zusammenhang sowie dem Sinn und Zweck der Gebührenziffer (Sächsisches LSG, Beschluss v. 19.05.2017- L 8 R 682/15 B KO; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 11.03.2015 - L 9 AL 277/14 B; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 20.07.2015 L 7/14 AS 64/14 B; Bayerisches LSG, Beschluss v. 29.11.2016 - L 15 SF 97/16 E; SG Fulda, Beschluss v. 08.12.2017 - S 4 SF 23/17 E; SG Marburg, Beschluss v. 05.07.2016 - S 10 SF 96/14; a.A.: LSG Neustrelitz, Beschluss v. 14.03.2018 - L 13 SB 1/17; SG Neuruppin, Beschluss v. 16.09.2016 - S 31 SF 56/16 E; SG Dessau, Beschluss v. 15.03.2017- S 1 R 535/13; Loytved, jurisPR-SozR 8/2018 Anm. 5).

Nach der Begründung des Entwurfs zum 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz sollte durch die Ergänzung der Ziffer 3106 Satz 2 Nr. 1 2. Alt. VV RVG eine Angleichung an Ziffer 3104 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. VV RVG erfolgen (vgl. BT-Drucks 17/11471, S. 275 zu Nr. 29). Ein schriftlicher Vergleich im Sinne dieser Vorschrift ist nach herrschender Rechtsprechung indes nur ein Vergleich, der nach § 278 Abs. 6 ZPO oder § 106 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) unter konstitutiver Mitwirkung des Gerichts geschlossen wird (BGH, Beschluss v. 27.10.2005 - III ZB 42/05 -; v. 10.07.2006 - II ZB 28/05; OVG Berlin, Beschl. v. 16.03.2009 - OVG 1 K 72.08; VG Berlin, Beschl. v. 23.06.2008 - 14 KE 227.06, 14 V 29.05).

Die Verwendung des Terminus "Vergleich" in Nr. 3104 Nr. 1 VV RVG und Nr. 3106 Nr. 1 VV RVG macht deutlich, dass es sich um einen bereits seiner äußeren Form nach als Vergleich erkennbaren Prozessvergleich handeln soll. In Nr. 1000 VV RVG hat der Gesetzgeber bewusst das Kriterium des gegenseitigen Nachgebens und damit eines Vergleichs im Sinne von § 779 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aufgegeben, um den zuvor häufig ausgetragenen Streit darüber zu vermeiden, in welchem Umfang ein gegenseitiges Nachgeben für einen solchen Vergleich zu fordern ist. Würde in Nr. 3104 Nr. 1 VV RVG und Nr. 3106 Nr. 1 VV RVG jeder schriftliche, außergerichtliche Vergleich eine fiktive Terminsgebühr auslösen, wäre wiederum die Frage nach den an einen solchen Vergleich zu stellenden Anforderungen in jedem Einzelfall zu lösen. Das soll aber gerade vermieden werden.

Obgleich das Erfordernis der Schriftlichkeit als Unterschied zu einem gerichtlichen Vergleich auch von der Gegenauffassung als Argument herangezogen wird, wird hierdurch betont, dass Vergleiche nach § 278 Abs. 6 ZPO, § 106 Satz 2 VwGO und § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG gemeint sind. Auch in diesen Vorschriften wird die Schriftlichkeit des Vergleichsvorschlags bzw. seiner Annahme betont, was nahe legt, dass nur die in diesen Vorschriften geregelten "schriftlichen" Prozessvergleiche eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3104 Nr. 1 VV RVG und Nr. 3106 Nr. 1 VV RVG auslösen können. Die tatbestandliche Forderung, dass außergerichtliche Vergleiche schriftlich zu schließen sind, um eine Terminsgebühr auszulösen, wäre überflüssig, da der schriftliche Abschluss einer solchen Vereinbarung selbstverständlich ist (LSG Nordrhein-Westfalen v. 11.03.2015, B 9 AL 277/14 B; LSG Niedersachsen-Bremen v. 20.07.2015 - L 7/14 AS 64/14 B).

Schließlich ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Gebührenziffer, dass nur ein gerichtlicher Vergleich eine fiktive Terminsgebühr auslösen soll. Das Bestreben, den Rechtsstreit unstreitig zu beenden, wird bereits durch die Einigungsgebühr nach den Nrn. 1000 ff. VV RVG hinreichend honoriert (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 11.03.2015 - L 9 AL 277/14 B; Bayerisches LSG, Beschluss v. 22.05.2015 - L 15 SF 115/14 E). Die fiktive Terminsgebühr dient dazu, dem Anwalt das gebührenrechtliche Interesse an der Durchführung eines Termins in den Fällen zu nehmen, in denen das Gericht von den im Prozessrecht vorgesehenen Möglichkeiten Gebrauch machen will, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung zu beenden (BT-Drs. 17/11471, S. 275 zu Nr. 28 Buchst. a und S. 276 zu Nr. 29 a, dd). Der Anwalt soll keinen Gebührennachteil dadurch erleiden, dass durch eine in der Hand des Gerichts liegende Verfahrensgestaltung auf eine mündliche Verhandlung verzichtet wird (BGH, Beschluss v. 25.09.2007 - VI ZB 53/06). Besonders deutlich wird dies durch die Änderungen der Nr. 3104 Nr. 2 und der Nr. 3106 Nr. 2 VV RVG durch das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz, wonach die fiktive Terminsgebühr bei Entscheidung durch Gerichtsbescheid nur noch entsteht, wenn mündliche Verhandlung beantragt werden kann. Die genannten Gebührenziffern setzen ein Handeln des Gerichts voraus, das auf die Vermeidung einer mündlichen Verhandlung gerichtet ist. Der Abschluss eines außerhalb eines Gerichtstermins geschlossenen Vergleichs erfordert nicht die Mitwirkung des Gerichts. Lediglich in den Fällen, in denen die Beteiligten einen gerichtlichen Vergleich wünschen, zum Beispiel um einen vollstreckbaren Titel zu erhalten, ist die fiktive Terminsgebühr als Steuerungsinstrument erforderlich. Durch die Anordnung der fiktiven Terminsgebühr bei Abschluss des gerichtlichen Vergleichs im schriftlichen Verfahren nach § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG , § 106 Satz 2 VwGO und § 278 Abs. 6 ZPO wird dem Rechtsanwalt der Anreiz genommen, allein zwecks Protokollierung des Vergleichs in die mündliche Verhandlung zu gehen. Nur in diesem Fall erscheint die fiktive Terminsgebühr zur Schonung der gerichtlichen Ressourcen geboten und angemessen (Sächsisches Landessozialgericht v. 19. Mai 2017 - L 8 R 682/15 B KO).

Der Beklagte hat die Kosten des Widerspruchsverfahrens, hier eine Geschäftsgebühr im Umfang der Höchstgebühr nach Nr. 2500 VV RVG von 520,00 Euro, erstattet. Diese ist nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 S. 1 und 2 zur Hälfte, höchstens jedoch mit 175,00 Euro auf die Verfahrensgebühr anzurechnen.

Insgesamt war die Vergütung wie folgt festzusetzen.

Verfahrensgebühr Nr. 3102 RVGVZ 550,00 EUR
Abschlag Vorverfahren - 175,00 EUR
Einigungsgebühr Nr. 1006 RVGVZ 550,00 EUR
Pauschale Nr. 7002 RVGVZ 20,00 EUR
Dokumentenpauschale Nr. 7000 RVGVZ 32,80 EUR
Zwischensumme 977,80 EUR
Umsatzsteuer 19 % Nr. 7008 RVGVZ 185,78 EUR
Gesamtsumme 1163,58 EUR
Anrechnung der Bekl.-Zahlung - 742,44 EUR
Restsumme 421,14 EUR

Die vom Beklagten für das Verfahren geleistete, tatsächliche Zahlung in Höhe von 1484,88 Euro war zu ½, d.h. in Höhe von 742,44 Euro auf die von der Staatskasse zu gewährende Vergütung anzurechnen, so dass sich ein von der Staatskasse auszuzahlender Betrag von 421,14 Euro ergibt. Die Anrechnung von Zahlungen nach § 58 Abs. 2 RVG wirkt sich nicht auf die festzusetzende Vergütung aus, sondern nur auf die Zahlungsverpflichtung der Staatskasse (Hess. LSG, Beschluss vom 23.06.2014 L 2 AS 568/13 B). Bei der Anrechnung von Zahlungen nach § 58 Abs. 2 RVG kommt es nicht darauf an, in welcher Höhe Zahlungen geschuldet sind, sondern darauf, in welcher Höhe die Zahlungen tatsächlich geleistet wurden. Damit soll erreicht werden, dass der beigeordnete Rechtsanwalt nicht aufgrund der Vergütung durch die Staatskasse besser gestellt wird, als ein nicht beigeordneter Rechtsanwalt.

Gerichtskosten werden gem. § 56 Abs. 2 S. 2 RVG im Verfahren über die Erinnerung nicht erhoben, Kosten gem. § 56 Abs. 2 S. 3 RVG nicht erstattet.

Gegen diese Entscheidung ist die Beschwerde statthaft, wenn der Beschwerdewert die erforderliche Grenze von 200,00 EUR (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG) übersteigt. Die Beschwerde ist schriftlich, elektronisch oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Frankfurt am Main einzulegen (§ 33 Abs. 7 RVG). Sie ist jedoch nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung eingelegt wird (§ 33 Abs. 3 Satz 3).
Rechtskraft
Aus
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