S 112 KR 1247/17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
112
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 112 KR 1247/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 371/18
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Aus den Vorschriften des SGB V ergibt sich kein Anspruch auf Versorgung mit psychotherapeutischen Leistungen in einer nichtdeutschen Muttersprache.
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin Anspruch auf Versorgung mit psychotherapeutischen Leistungen in ihrer Muttersprache Türkisch hat.

Die 1962 in der Türkei geborene und seit mehr als vierzig Jahren in Deutschland lebende Klägerin ist Mitglied der beklagten Krankenkasse. Sie leidet an einer mittelgradigen depressiven Episode und befindet sich deswegen in fachärztlicher psychiatrischer Behandlung bei den Ärzten Dr. M. /Dipl.-Med. B. Nach den Angaben der Ärzte erfolgt die Verständigung mit der Klägerin in Deutsch, bei schwierigen Passagen dolmetsche die Tochter der Klägerin.

Am 26. Januar 2017 beantragte die Klägerin, die Kosten für eine ambulante Psychotherapie bei der türkischsprachigen Diplom - Psychologin (Dipl.-Psych.) I. zu übernehmen, die über keine Zulassung zur gesetzlichen Krankenversicherung verfügt. Den Antrag begründete die Klägerin damit, es sei für sie mangels ausreichender Deutschkenntnisse wichtig, in türkischer Sprache psychotherapeutisch behandelt zu werden. Sie habe vergeblich versucht, eine zugelassene Therapeutin mit dieser sprachlichen Qualifikation zu finden, die sie rechtzeitig behandeln könne. Die Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass die Psychotherapeutin I. kein Vertragspartner der gesetzlichen Krankenkassen sei und somit keine Psychotherapie im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erbringen könne (Bescheid vom 27. Januar 2017). Die Klägerin widersprach und machte geltend, sie habe einen Primäranspruch auf psychotherapeutische Leistungen in ihrer türkischen Muttersprache. Die Beklagte wies den Rechtsbehelf als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2017). Während des Vorverfahrens hatte sich die Klägerin die probatorischen Leistungen selbst beschafft. Die Sitzungen fanden am 10., 16., 20. und 27. (Doppelstunde) April 2017 statt. Den von der Dipl.-Psych. I. hierfür in Rechnung gestellten Betrag von 502,80 EUR hat die Klägerin bisher nicht beglichen.

Mit der Klage begehrt die Klägerin zunächst die Freistellung von den Kosten für die bereits durchgeführten probatorischen Sitzungen. Sie begehrt ferner die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für eine ambulante Verhaltenstherapie bei Frau Dipl.-Psych. I. nach der Gebührenordnung für Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (GOP) zu erstatten. Zur Begründung wiederholt und vertieft die rechtskundig vertretene Klägerin ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren. Auf die Ausführungen in den Schriftsätzen vom 4. August 2017, 12. Oktober 2017 und 23. Mai 2018 (jeweils nebst Anlagen) wird verwiesen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

1. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2017 zu verurteilen, sie (die Klägerin) von den Kosten für die im April 2017 bei der Dipl.-Psych. I. durchgeführten probatorischen Sitzungen in Höhe von 502,80 EUR freizustellen und 2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für eine ambulante Verhaltenstherapie in dem erforderlichen Umfang bei Frau Dipl.-Psych. I. nach der GOP zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, die sie für unbegründet hält.

Das Gericht hat einen Befundbericht eingeholt, den die Fachärztin für Psychiatrie & Psychotherapie Dipl.-Med. K. B. erstellt hat. Von dieser Ärztin wurde die Klägerin zuletzt behandelt. Dem Befundbericht beigefügt war der Entlassungsbericht der S. Kliniken, wo die Klägerin vom 3. August bis 7. September 2016 stationär rehabilitativ behandelt worden war. Auf die Unterlagen wird verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens und zur Ergänzung des Sachverhalts wird schließlich Bezug genommen auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, die vorgelegen hat.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden. Denn die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher Art auf und der Sachverhalt ist geklärt. Die Beteiligten sind vorher gehört worden. Entgegen der Auffassung der Klägerin liegen auch keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten vor. Der Fall wirft weder komplizierte Rechtsfragen auf, die höchstrichterlich noch nicht entschieden sind, noch geht es um die Auslegung und Anwendung vom bisherigen Rechtszustand abweichender neuer Rechtsnormen, zu denen eine oberstgerichtliche Klärung noch aussteht. Die Rechtsfrage, ob unter dem Gesichtspunkt des Systemversagens Ansprüche auf vertragspsychotherapeutische Versorgung in nichtdeutschen Muttersprachen gegeben sein können, ist nicht klärungsbedürftig. Das Bundessozialgericht (BSG) hat es bereits 2006 für unzweifelhaft gehalten, dass die gesetzlichen Sicherstellungsregelungen nicht dazu verpflichten, die vertragsärztliche Versorgung mit ambulanter Psychotherapie so zu regeln, dass für einen Versicherten mit unzureichenden Kenntnissen der deutschen Sprache ein dessen Muttersprache beherrschender Psychotherapeut zur Verfügung steht (BSG, Beschluss vom 19. Juli 2006 – B 6 KA 33/05 B – juris, Rn. 6f.). Soweit die Klägerin hierzu anführt, die sprachliche Verständigung bei der Psychotherapie sei deren Kernbestandteil und also Behandlungsmethode, womit sich das BSG bislang nicht auseinandergesetzt habe, bezeichnet sie keine Umstände, die die zu beantwortenden Rechtsfragen schwierig erscheinen lassen. Die Bedeutung der Sprachkenntnisse für eine sinnvolle psychotherapeutische Behandlung hat das BSG im Rahmen der Prüfung eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz ausführlich thematisiert (Urteil vom 6. Februar 2008 – B 6 KA 40/06 RSozR 4-5520 § 31 Nr. 3).

Die auf Freistellung von den Kosten der probatorischen Sitzungen gerichtete Klage ist zulässig, aber unbegründet (dazu 2.). Die Feststellungsklage ist unzulässig (dazu 1.).

1. Mit der Feststellungsklage kann nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Ein Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens des den Gegenstand des Prozesses bildenden Rechtsverhältnisses ist regelmäßig zu verneinen, wenn der Kläger seine Rechte mit einer Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), stv. Urteil vom 20. November 2001 – B 1 KR 31/00 R –, SozR 3-5915 § 3 Nr. 1; Urteil vom 25. März 2003 – B 1 KR 29/02 R –, SozR 4-1500 § 55 Nr. 1; Keller, in: Meyer-Ladewig u. a., SGG, 12. Aufl. 2018, § 55, Rn. 19a). So liegt es hier. Im Rahmen der streitgegenständlichen Leistungsklage (Klageantrag zu 1.) ist über die Rechtsfragen zu entscheiden, die der begehrten Feststellung zu Grunde liegen. Ein darüber hinausgehendes Feststellungsinteresse ist nicht erkennbar.

2. Die zulässige Leistungsklage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Freistellung von den Kosten der bereits erbrachten probatorischen Sitzungen von 502,80 EUR. Der als Rechtsgrundlage in Betracht kommende § 13 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) Gesetzliche Krankenversicherung (i. d. F. durch Art. 1 Nr. 5 Buchst. b des Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsstrukturgesetz) vom 21. Dezember 1992, BGBl. I 2266) bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Das Unvermögen der Krankenkasse, die Leistung rechtzeitig zu erbringen, sowie die rechtswidrige Verweigerung der Sachleistung berechtigen den Versicherten, sich die Leistung in Durchbrechung des Sachleistungsprinzips selbst zu beschaffen. Deshalb besteht ein Anspruch auf Kostenerstattung bzw. auf Kostenfreistellung (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 28. März 2000 – B 1 KR 11/98 R –, BSGE 86, 54-66, SozR 3-2500 § 135 Nr. 14) grundsätzlich nach beiden Tatbeständen des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V nur dann, wenn die Voraussetzungen des primären Sachleistungsanspruchs vorliegen (st. Rechtsprechung, vgl. z. B. BSGE 70, 24, 26 = SozR 3-2500 § 12 Nr. 2 S. 1, 3; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr. 19 RdNr. 12 m. w. N.; BSG SozR 4-2500 § 116b Nr. 1 RdNr. 10 m. w. N.). Daran fehlt es im zu entscheidenden Fall.

Der Sachleistungsanspruch auf eine psychotherapeutische Behandlung setzt nach § 28 Abs. 3 SGB V voraus, dass die Behandlung durch einen zugelassenen Psychotherapeuten oder durch einen Vertragsarzt durchgeführt wird. Nach § 76 Abs. 1 SGB V, der gemäß § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V u. a. für die Psychologischen Psychotherapeuten entsprechend gilt, können die Versicherten unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten, den medizinischen Versorgungszentren, den ermächtigten Ärzten, den ermächtigten oder nach § 116b SGB V an der ambulanten Versorgung teilnehmenden Einrichtungen, den Zahnkliniken der Krankenkassen, den Eigeneinrichtungen der Krankenkassen nach § 140 Abs. 2 Satz 2 SGB V, den nach § 72a Abs. 3 SGB V vertraglich zur ärztlichen Behandlung verpflichteten Ärzten und Zahnärzten, den zum ambulanten Operieren zugelassenen Krankenhäusern sowie den Einrichtungen nach § 75 Abs. 9 SGB V frei wählen (Satz 1). Andere Ärzte dürfen nur in Notfällen in Anspruch genommen werden (Satz 2).

Die Dipl.-Psych. I. verfügt zwar über eine Approbation als Psychologische Psychotherapeutin (zur Erforderlichkeit auch im Falle des Systemversagens vgl. BSG, Urteil vom 13. Dezember 2016 - B 1 KR 4/16 R -, juris Rn. 10 ff.), sie ist aber nicht zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassen. Ein Notfall im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V, der überdies einen Kostenerstattungsanspruch bzw. einen Freistellungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V ausschließen würde, liegt nicht vor. Dieser würde voraussetzen, dass die Behandlung aus medizinischen Gründen so dringlich ist, dass es bereits an der Zeit für die Auswahl eines geeigneten Therapeuten und dessen Behandlung – sei es durch dessen Aufsuchen oder Herbeirufen – fehlt (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 18. Juli 2006 – B 1 KR 9/05 R -, juris Rn. 18; Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 20/14 R -, juris Rn. 13). Das ist bei einer psychotherapeutischen Langzeittherapie von vornherein nicht denkbar (vgl. auch Stellpflug/Wipperfürth, ZMGR 2017, 225, 227 f.). Schon die fehlende medizinische Dringlichkeit der in Rede stehenden Behandlung schließt es aus, den Tatbestand einer i. S. v. § 13 Abs. 3 Satz 1 Regelung 1 SGB V unaufschiebbaren Leistung zu bejahen. Überdies fehlt es an der weiteren Voraussetzung, dass die Krankenkasse die Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte. Für das Gericht besteht kein Zweifel daran, dass die Beklagte in der Lage war (und ist), der Klägerin die geschuldete notwendige Behandlung durch zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene deutschsprachige Psychologische Psychotherapeuten rechtzeitig zu erbringen. Ein Unvermögen in diesem Sinne wird von der Klägerin auch nicht behauptet. Ob es für sie unmöglich war, die Leistung durch einen zugelassenen türkischsprachigen Psychotherapeuten zu erhalten, kann dahinstehen. Denn selbst wenn ein Unvermögen in diesem Sinne festzustellen wäre, würde dies nicht zur Annahme eines Systemversagens führen. Ein Mangel im Leistungssystem läge nicht vor, weil die Beklagte keine Behandlung in türkischer Sprache schuldet.

Der Leistungsanspruch der Versicherten umfasst, wie der 1. Senat des BSG bereits 1995 entschieden hat, nicht die Ermöglichung einer sprachlichen Verständigung zwischen Therapeut und Patient in einer nichtdeutschen Sprache (BSG, Urteil vom 10. Mai 1995 – 1 RK 20/94 –, BSGE 76, 109-113 = SozR 3-2500 § 28 Nr. 1). Für den Bereich der vertragspsychotherapeutischen Versorgung hat der 6. Senat diesen Grundsatz mit ausführlicher Begründung bekräftigt (BSG, Beschluss vom 19. Juli 2006 – B 6 KA 33/05 B – juris, Rn. 6f.; BSG, Urteil vom 6. Februar 2008 – B 6 KA 40/06 R –, SozR 4-5520 § 31 Nr. 3). Das erkennende Gericht hält diese Ausführungen, auf die verwiesen wird, nach wie vor für überzeugend und schließt sich ihnen an.

Ergänzend ist zur Begründung das Folgende auszuführen: Einem (allgemeinen) Anspruch auf die Ermöglichung sprachlicher Verständigung im Rahmen des SGB V steht schon § 31 Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil – entgegen. Danach dürfen Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen dieses Gesetzbuchs nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt. Die Norm erstreckt für den Bereich der Sozialverwaltung den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes als allgemeinen Gesetzesvorbehalt auf das gewährende und leistende Verwaltungshandeln. Neben dem Ziel, die Gleichbehandlung der Bürger bei der Verwirklichung sozialer Sicherung, sozialer Förderung und sozialer Entschädigung sicherzustellen bezweckt die Vorschrift auch, dass dabei anfallende Finanzvolumen unter Kontrolle zu halten (Hauck in: Hauck/Noftz, SGB, § 31 SGB I, Rn. 2). Das SGB V enthält keine (allgemeinen) Regelungen, wonach die Krankenkassen bei der Erfüllung von Leistungsansprüchen auch die sprachliche Verständigung zu ermöglichen haben.

Für den Bereich der psychotherapeutischen Versorgung gelten insoweit keine Besonderheiten. Soweit die Klägerin meint, hier umfasse der Behandlungsanspruch bereits nach geltendem Recht auch die Gewährleistung der sprachlichen Verständigung, weil die Kommunikation Wirkbestandteil der Therapie sei, kann ihr nicht gefolgt werden. Richtig dürfte zwar sein, dass eine sinnvolle psychotherapeutische Behandlung ein Mindestmaß an sprachlicher Verständigung voraussetzt. Hieraus kann jedoch, wie das BSG bereits im Urteil vom 6. Februar 2008 (B 6 KA 40/06 RSozR 4-5520 § 31 Nr. 3, Rn. 19 f.) ausgeführt hat, nicht abgeleitet werden, die Behandlung könne nur in der jeweiligen Muttersprache des Patienten erfolgversprechend durchgeführt werden. Die Bedeutung der Sprachkenntnisse darf nicht schematisch, sondern muss differenziert gesehen werden (BSG, a. a. O., Rn. 20). Schon dies steht der Annahme entgegen, in der psychotherapeutischen Versorgung sei der Behandlungsanspruch notwendig verbunden mit dem Anspruch auf Gewährleistung einer (optimalen) sprachlichen Verständigung.

Eine (erweiternde) Auslegung des § 28 Abs. 3 SGB V im Sinne der Klägerin kommt im Übrigen aus methodischen Gründen nicht in Betracht. Die Befugnis zur (gesetzesimmanenten) Rechtsfortbildung steht den Gerichten nur zu, als das Gesetz "lückenhaft" ist. Der Begriff der "Lücke" bedeutet in diesem Zusammenhang das Fehlen einer bestimmten, nach dem Regelungsplan oder dem Gesamtzusammenhang des Gesetzes zu erwartenden Regel. Ein Gesetz ist lückenhaft oder unvollständig immer nur im Hinblick auf die von ihm erstrebte, sachlich erschöpfende und in diesem Sinne vollständige sowie sachgerechte Regelung. Eine Lückenhaftigkeit in diesem Sinne ist vorliegend nicht gegeben (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 1995 – 1 RK 20/94 –, BSGE 76, 109-113 = SozR 3-2500 § 28 Nr. 1, Rn. 21). Der streitgegenständliche Anspruch kann auch nicht mittels gesetzesübersteigender Rechtsfortbildung begründet werden (vgl. hierzu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 413 ff.). Ein Anspruch auf psychotherapeutische Behandlung in der jeweiligen Muttersprache ist weder mit Rücksicht auf die "Natur der Sache" noch mit Rücksicht auf ein rechtsethisches Prinzip zwingend geboten. Es ist vielmehr Sache des Gesetzgebers, derartige Ansprüche zu begründen.

Die Klägerin kann die erhobenen Ansprüche schließlich nicht aus einer fiktiven Genehmigung im Sinne von § 13 Abs. 3a Satz 6, 7 SGB V herleiten. Betreffend die ambulante Verhaltenstherapie musste das Gericht nicht entscheiden, ob aus einer fingierten Genehmigung überhaupt ein Naturalleistungsanspruch als eigenständig durchsetzbarer Anspruch erwachsen kann (so das BSG, Urteil vom 8. März 2016 – B 1 KR 25/15 R –, BSGE 121, 40-49, SozR 4-2500 § 13 Nr. 33; Urteil vom 11. Juli 2017 – B 1 KR 26/16 R – juris, dessen Auslegung jedoch nicht zu überzeugen vermag). Eine Genehmigungsfiktion ist hier nicht eingetreten, weil die Beklagte schon einen Tag nach Antragseingang entschieden hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Mit Rücksicht auf den Feststellungsantrag ist die Berufung unbeschränkt statthaft (§ 143 SGG).
Rechtskraft
Aus
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