L 1 SF 1194/18 E

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 SF 1194/18 E
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Bei einer Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ermäßigt sich die Pauschgebühr nicht um die Hälfte.
Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers wird die Pauschgebühr unter der Nummer 92 des Gebührenverzeichnisses des Thüringer Landessozialgerichts vom 26. Februar 2018 für Januar bis Dezember 2017 auf 225,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe von Pauschgebühren nach § 184 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Zugrunde liegt eine Entscheidung des 12. Senats des Thüringer Landessozialgerichts im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (L 12 R 555/17 B ER). Mit Beschluss vom 19. Juli 2017 hatte der 12. Senat im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 29. Dezember 2016 abgeändert und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Klägers gegen den Erinnerungsgegner angeordnet.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) forderte von der Erinnerungsgegnerin mit dem Gebührenverzeichnis vom 26. Februar 2018 für Januar bis Dezember 2017 unter der laufenden Nr. 92 (L 12 R 555/17 B ER) die halbe Pauschgebühr in Höhe von 112,50 Euro; die Sache sei ohne Urteil/Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG erledigt worden.

Mit seiner Erinnerung hat der Erinnerungsführer vorgetragen, für das Verfahren L 12 R 555/17 B ER komme keine ermäßigte Pauschgebühr nach § 186 SGG in Betracht. Zielsetzung des § 186 SGG sei, dass eine Halbierung der Gebühr nur eintreten solle, wenn durch die Erledigung eines Rechtsstreites auf andere Weise das Gericht von der Notwendigkeit entbunden werde, das Verfahren streitig zu entscheiden. Der Zweck trete nur ein, wenn das Gericht nicht streitig entscheiden müsse. Entsprechend führen streitige Entscheidungen im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zur Ermäßigung der Pauschgebühr. Dies gelte umso mehr, als dass das Gericht im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes regelmäßig durch Beschluss zu entscheiden habe, und es sonst auf eine - gesetzlich nicht geregelte - generelle Halbierung der Pauschgebühr hinaus liefe.

Der Erinnerungsführer beantragt,

die Pauschgebühr unter der Nummer 92 des Gebührenverzeichnisses des Thüringer Landessozialgerichts vom 26. Februar 2018 für Januar bis Dezember 2017 auf 225,00 Euro festzusetzen.

Die Erinnerungsgegnerin beantragt,

die Erinnerung zurückzuweisen.

Nach ihrer Ansicht ist in § 186 SGG eindeutig geregelt, dass sich der Gebührensatz auf die Hälfte ermäßigt, sofern eine Sache nicht durch Urteil, sondern auf andere Weise beendet werde. Nach der Kommentarliteratur sei auch ein Beschluss eine Erledigung auf andere Weise und begründe damit eine Gebührenhalbierung.

Die UdG hat der Erinnerung nicht abgeholfen und sie dem Thüringer Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Erinnerung ist nach § 189 Abs. 2 Satz 2 SGG zulässig. Danach kann gegen die Feststellung der Gebührenschuld durch Mitteilung das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.

Die Erinnerung bezüglich der Nummer 92 des Gebührenverzeichnisses ist begründet.

Nach § 184 Abs. 1 SGG haben Kläger und Beklagte, die nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören, für jede Streitsache eine Gebühr zu entrichten (Satz 1). Sie entsteht, sobald die Streitsache rechtshängig geworden ist; sie ist für jeden Rechtszug zu zahlen (Satz 2). § 184 Abs. 2 SGG bestimmt unter anderem, dass die Gebühr für das Verfahren vor den Landessozialgerichten auf 225,00 Euro festgesetzt wird. Nach § 185 SGG wird die Gebühr fällig, soweit die Streitsache durch Zurücknahme des Rechtsbehelfs, durch Vergleich, Anerkenntnis, Beschluss oder durch Urteil erledigt ist. Nach § 186 SGG ermäßigt sich die Gebühr auf die Hälfte, wenn eine Sache nicht durch Urteil erledigt wird (Satz 1); sie entfällt, wenn die Erledigung auf einer Rechtsänderung beruht (Satz 2).

Die Erinnerung ist begründet. Auch wenn sich das zugrundeliegende Beschwerdeverfahren nicht durch Urteil, sondern durch Beschluss erledigt hat, liegt ein Fall des § 186 SGG gleichwohl nicht vor.

§ 186 SGG kann nicht allein nach dem Wortlaut befriedigend ausgelegt werden (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 8. Mai 2000 - L 6 SF 477/99). Die Vorschrift soll vielmehr - worauf der Erinnerungsführer zutreffend hinweist - durch Ermäßigung oder Wegfall der Pauschgebühr die Bereitschaft der gebührenpflichtigen Leistungsträger fördern, eine aussichtslose Rechtsverfolgung aufzugeben und auf diese Weise die Gerichte entlasten (BT-Drucks. I/4357, S. 33 zu § 133). Ein weiteres Motiv des Gesetzgebers dürfte es gewesen sein, die dem Staat hierdurch entstehenden Kosten der Gerichtshaltung zu senken (vgl. BSG in SGb 1965, S. 62, 63 = SozR SGG § 186 Nr. 1). Nach dem Zweck der Vorschrift sind Urteilen in § 186 SGG "kontradiktorische" urteilsvertretende Gerichtsentscheidungen in der Hauptsache gleichzusetzen, wenn die Beteiligten auf einer Entscheidung bestanden haben, denn auch in diesen Fällen hat die Aussicht auf Ermäßigung der Pauschgebühr ihr Ziel verfehlt, dass Gericht zu entlasten (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 8. Mai 2000 - L 6 SF 477/99).

Zu diesen Entscheidungen zählt auch ein Beschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach §§ 86a und b SGG (so Hartmut Lange in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 186 SGG, Rn. 18; a.A. Thüringer LSG, Beschluss vom 8. Mai 2000 - L 6 SF 477/99 (keine urteilsvertretende Gerichtsentscheidung in der Hauptsache)). Er erledigt den Rechtsstreit kontradiktorisch und für die betreffende Instanz im einstweiligen Rechtsschutz endgültig (anderes gilt z.B. bei Verbindungsbeschlüssen, vgl. Thüringer LSG, Beschlüsse vom 22. September 1999 – L 6 SF 95/99 sowie vom 8. Mai 2000 - L 6 SF 477/99, beide nach juris; Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 186 SGG Rn. 2). Dann ist für die Ermäßigung kein Raum. Dass eine Entscheidung in der Hauptsache, also auf Klage oder Berufung hin ergeht, ist in § 186 SGG nicht Tatbestandsvoraussetzung. Entscheidend ist die Erledigung der Sache und das kann gleichermaßen ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren sein. Unerheblich ist der verursachte Gerichts- oder Prüfungsaufwand (so auch Thüringer LSG, Beschluss vom 8. Mai 2000 - L 6 SF 477/99 Rn. 20, nach juris; a.A. Krauß in Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Auflage 2014, § 186 Rn. 16, wonach die Pauschgebühr bei einem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes generell zu ermäßigen sei). Eine solche Einschränkung findet sich weder im Gesetzeswortlaut noch lässt sie sich der Gesetzesbegründung entnehmen. Entscheidend ist hiernach allein die Entlastung der Gerichte überhaupt durch Aufgabe einer aussichtslosen Rechtsverfolgung (BT-Drucks. I/4357, S. 33 zu § 133). Dieses gesetzgeberische Ziel wird auch erreicht, wenn das zunächst verfolgte Begehren im einstweiligen Rechtsschutzverfahren aufgegeben wird. Dann kommt es zur Halbierung nach § 186 SGG; nicht aber - wie vorliegend - bei einer gerichtlichen Entscheidung über das einstweilige Rechtsschutzbegehren.

Diese Entscheidung ist nach §§ 189 Abs. 2 Satz 2, 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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