L 1 SF 979/16 B

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 41 SF 328/15
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 SF 979/16 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 12. Juli 2016 (S 41 SF 328/15 E) und die Anschlussbeschwerde des Beschwer-degegners werden als unzulässig verworfen.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für das Berufungsverfahren vor dem Thüringer Landessozialgericht ((LSG) L 7 AS 1298/13) streitig.

Die vom Beschwerdeführer vertretene Klägerin erhob am 29. April 2011 Klage (S 41 AS 1687/11) vor dem Sozialgericht Altenburg (SG). Sie begehrte unter Abänderung des Bescheides vom 25. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2011 für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2010 weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 43,67 EUR monatlich zu zahlen. Die Beklagte verweigere die Zahlung der kompletten Kosten der Unterkunft unter Hinweis auf ihre Richtlinie zu den Kosten der Unterkunft (KdU-Richtlinie), wonach nur 283,50 EUR zzgl. Heizkosten angemessen seien. Die KdU-Richtlinie der Beklagten entspreche nicht den Anforderungen des Bundessozialgerichts (BSG). Sie ließe kein schlüssiges Konzept erkennen. Mit Urteil vom 13. August 2012 verurteilte das SG die Beklagte, der Klägerin für die Monate Juli bis Dezember 2010 jeweils monatlich weitere 41,00 EUR als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu zahlen. Gegen die Nichtzulassung der Berufung erhob die Beklagte am 14. September 2012 Beschwerde beim LSG. Mit Beschluss vom 1. August 2013 ließ das LSG die Berufung zu. Das Beschwerdeverfahren werde als Berufungsverfahren fortgesetzt (L 7 AS 1298/13). Mit Beschluss vom 12. Mai 2014 bewilligte das LSG der Klägerin Prozesskostenhilfe (PKH).

Der Beschwerdeführer nahm zur Berufungsbegründung der Beklagten Stellung und führte aus, die Beklagte habe nicht nachweisen können, dass ihre KdU-Richtlinie auf einem nachvollziehbaren Konzept beruhe. Sie habe auch die für eigene Feststellungen erforderliche Datengrundlage nicht zur Verfügung gestellt. Die Kosten für die Wohnung der Klägerin lägen mit Ausnahme der Baujahresklassen 1963 bis 1990 jeweils unter dem Mittelwert der Mietspiegelwerte. Mit weiterem Schriftsatz verwies er auf ein Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen. Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 3. September 2014, der um 11:20 Uhr begann, nahm die Beklagte die Berufung in diesem Verfahren und zwei weiteren Verfahren der Klägerin (L 7 AS 1296/13 und L 7 AS 1297/13) zurück. Gegenstand des Berufungsverfahrens L 7 AS 1296/13 war der Bewilligungszeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2010. Die dortigen Schriftsätze des Beschwerdeführers entsprachen inhaltlich den Schriftsätzen in den Verfahren L 7 AS 1297/13 und L 7 AS 1298/13. Dem Beschwerdeführer wurde antragsgemäß eine Vergütung in Höhe von insgesamt 1.044,90 EUR aus der Staatskasse erstattet.

In seiner Kostenrechnung vom 7. Oktober 2014 beantragte er die Festsetzung folgender Kosten für das zweitinstanzliche Verfahren (L 7 AS 1298/13):

Verfahrensgebühr Nr. 3204 VV RVG 310,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3205 VV RVG 200,00 EUR Fahrtkosten Nr. 7003 VV RVG 11,40 EUR Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV RVG 6,66 EUR Pauschale für Post-und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 104,13 EUR abzüglich Vorschusszahlung vom 2. Juli 2014 -392,70 EUR Gesamtbetrag 259,49 EUR

Im Oktober 2014 veranlasste die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Auszahlung der beantragten Vergütung.

Hiergegen erhob der Beschwerdegegner Erinnerung und beantragte die Festsetzung der Vergütung auf 287,25 EUR. Die Verfahrensgebühr Nr. 3204 VV RVG sei lediglich in Höhe von 1/3 der Mittelgebühr (=103,33 EUR) angemessen. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien als weit unterdurchschnittlich einzuschätzen. Der Beschwerdeführer habe drei kurze Schriftsätze verfasst; die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sei angesichts der gängigen Probleme (Kosten der Unterkunft) ebenfalls unterdurchschnittlich, auch wenn die Klage beziffert wurde. Die überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin werde durch deren unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse kompensiert. Ein besonderes Haftungsrisiko liege nicht vor. Es müsse weiterhin berücksichtigt werden, dass der Beschwerdeführer die Klägerin in einer Vielzahl gleich gelagerter Verfahren vertrete u.a. auch in dem Berufungsverfahren L 7 AS 1296/13. Sämtliche Klageverfahren, die bis in das Jahr 2010 zurückreichten, beträfen jeweils die Kosten der Unterkunft. Synergieeffekte rechtfertigten ein Absetzen der Gebühr. Die Terminsgebühr Nr. 3205 VV RVG sei in Höhe der hälftigen Mittelgebühr (=100,00 EUR) angemessen. Im Erörterungstermin, dessen Dauer sich dem Protokoll nicht entnehmen lasse, ließen sich keine Anhaltspunkte für einen durchschnittlichen Umfang und eine durchschnittliche Schwierigkeit entnehmen. Der Beschwerdeführer vertrat die Auffassung, es bestehe kein Anlass zur Gebührenkürzung der geltend gemachten Mittelgebühren. Die Schwierigkeit der Angelegenheit sei überdurchschnittlich gewesen. Es sei nicht nur lapidar um irgendwelche Kosten der Unterkunft, sondern um die Feststellung der Rechtswidrigkeit der KdU-Richtlinie der Beklagten gegangen. Man sollte nicht nur die Schriftsätze zählen sondern auch den Inhalt zur Kenntnis nehmen.

Mit Beschluss vom 12. Juli 2016, dem Beschwerdeführer laut Empfangsbekenntnis zugestellt am 29. Juli 2016 (dem Beschwerdegegner am 27. Juli 2016), hat das SG die zu erstattende Vergütung des Beschwerdeführers auf 449,89 EUR festgesetzt.

Hiergegen hat der Beschwerdeführer am 3. August 2016 beim LSG Beschwerde eingelegt. Die Verfahrensgebühr Nr. 3204 VV RVG und die Terminsgebühr Nr. 3205 VV RVG seien in Höhe der Mittelgebühr angemessen. Der Beschwerdegegner hat am 8. Februar 2017 Anschlussbeschwerde eingelegt und beantragt, die Vergütung auf 287,25 EUR festzusetzen. Alle gefertigten Schriftsätze des Beschwerdeführers in den (oben genannten) Berufungsverfahren sowie in den jeweiligen NZB-Verfahren jeweils vom gleichen Tag seien bis auf die jeweiligen Aktenzeichens identisch.

Mit Verfügung vom 9. November 2018 hat die Berichterstatterin den Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass die beim Thüringer Landessozialgericht eingelegte Beschwerde die Frist nach § 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG nicht wahrt. II. Zuständig für die Entscheidung ist nach der aktuellen Geschäftsverteilung des Thüringer Landessozialgerichts in Verbindung mit der Geschäftsverteilung des 1. Senats die Berichterstatterin des Senats.

Anzuwenden ist das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in der Fassung ab 1. August 2013, denn die Beiordnung des Beschwerdeführers ist nach dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung am 1. August 2013 (§ 60 Abs. 1 Satz 1 RVG) erfolgt. Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung ist nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft. Der Beschwerdewert übersteigt 200,00 EUR.

Die Beschwerde ist unzulässig, weil sie nicht fristwahrend erhoben worden ist.

Der Beschluss der Vorinstanz ist dem Beschwerdeführer laut Empfangsbekenntnis am 29. Juli 2016 zugestellt worden. Die Zwei-Wochen-Frist des §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG begann am 30. Juli 2016 und endete am 13. August 2016 bzw. wegen des Wochenendes spä-testens am 15. August 2016. Bis zum Ablauf der Beschwerdefrist ist die Beschwerde nicht beim SG eingegangen. Der Eingang der Beschwerde am 3. August 2016 beim Thüringer Landessozialgericht wahrt angesichts der gesetzlichen Regelung in §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 7 Satz 3 RVG die Frist nicht (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 25. November 2014 - L 6 SF 1191/14 B m.w.N., nach juris).

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist dem Beschwerdeführer nicht zu gewähren. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung richten sich hier nach Maßgabe der über § 73a Abs. 1 Satz 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG anwendbaren §§ 1 Abs. 3, 33 Abs. 5 RVG, die als spezialgesetzliche Regelung den allgemeinen Bestimmungen zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in §§ 66, 67 SGG vorgehen (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Mai 2017 - L 6 AS 1225/16 B, nach juris). Nach § 33 Abs. 5 Satz 1 RVG ist dem Beschwerdeführer, wenn er ohne sein Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten, auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn einer Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist (Satz 2). Letzteres ist hier nicht der Fall. Einen Wiedereinsetzungsantrag hat der fachkundige Beschwerdeführer - auch nach dem Hinweis der Berichterstatterin vom 9. November 2018 - nicht gestellt. Er hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass er ohne sein Verschulden gehindert war, die Frist einzuhalten. Er hat sich hierzu überhaupt nicht geäußert. Im Übrigen bedarf der Beschwerdeführer - aufgrund einer Vielzahl von Verfahren im Kostenrecht zu unterstellender Rechtskenntnis bezüglich des Rechtsmittelgerichts - keines weitergehenden Schutzes. Insoweit war das Thüringer Landessozialgericht im Rahmen einer nachwirkenden Fürsorgepflicht (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 23. Juli 2012 - B 13 R 280/12 B, nach juris) unabhängig davon, ob diese Rechtsprechung auf das Kostenrecht übertragbar ist, auch nicht gehalten, im Rahmen des normalen Geschäftsganges außerordentliche Maßnahmen zu ergreifen um den rechtzeitigen Eingang der vom Rechtsmittelführer beim unzuständigen Gericht eingereichten Beschwerdeschrift bei dem zuständigen Gericht zu gewährleisten (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Juli 2018 - L 1 SF 1175/16 B, Rn. 13 bis 19, nach juris).

Über die Anschlussbeschwerde des Beschwerdegegners, die ebenfalls außerhalb der Frist nach §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 7 Satz 3 RVG eingegangen ist, ist daher ebenfalls nicht zu ent-scheiden.

Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG). Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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