Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 4012/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 3538/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29.07.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 v. H.
Der 1968 geborene Kläger war ab März 2010 bei der E. Schweißtechnik GmbH H. als Monteur beschäftigt. Am 26.06.2010 fiel der Kläger zwei bis drei Meter tief, als bei von ihm verrichteten Montagearbeiten auf einer Baustelle im Kraftwerk J. an einem Baugerüst in ca. sieben Metern Höhe eine lose Gerüstdiele wegrutschte. Es gelang dem Kläger nach eigenen Angaben, sich an parallel verlaufenden Rohrleitungen fest- und einen weiteren Absturz aufzuhalten (Bl. 628). Dabei prallte er mit der linken Körperseite an Leitungen und Träger (Unfallanzeige des Arbeitgebers, Bl. 461 VwA) und verlor dabei seinen Schutzhelm und die Schutzbrille (Bl. 628 VwA). Am gleichen Tag erfolgte eine notfallmäßige stationäre Aufnahme in der Chirurgischen Abteilung des C.-T. -Krankenhauses C. (Bl. 342 VwA). Dort wurden eine Prellung und ein Hämatom der linken Niere, eine Affektion der Tränendrüse, eine Verstauchung und Zerrung der Halswirbelsäule, eine Thoraxprellung, eine Bauchdeckenprellung, eine Prellung der Schulter und des Oberarms, eine Prellung des Unterarms sowie eine Schürfwunde an der Hüfte und am Oberschenkel diagnostiziert (Bl. 341 VwA). Im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen (Röntgen HWS, BWS, LWS, Thorax, Unterarm und Ellenbogen links; Sonographie Abdomen; CT Schädel und Thorax; EEG, augenärztliche Untersuchung) ergab sich kein Anhalt für traumatische Schädigungen, so dass der Kläger am 02.07.2010 entlassen wurde (Bericht Dr. D. , Bl. 336 ff. VwA). Am 05.07.2010 stellte sich der Kläger wegen massiver Schmerzen besonders im linken Schultergelenk bei dem Orthopäden Dr. K. vor, der weitere Untersuchungen veranlasste, die aber keinen Nachweis überdauernder substanzieller Schäden erbrachten (vgl. D-Arzt Bericht vom 22.10.2010, Bl. 435 VwA; Arztbrief des Radiologen Dr. Müller vom Juli 2010: keine Sehnenschäden, Bl. 439 VwA; Arztbrief des Radiologen Dr. K. vom Dezember 2010: keine Partialruptur der Supraspinatussehne, keine knöcherne Verletzung, Bl. 556 VwA). Bei beklagter Atemnot und Herzschmerzen konnten ein Infiltrat, eine traumatische Läsion sowie ein Pneumothorax ausgeschlossen werden (Bericht des Radiologen Dr. S. , Bl. 409 VwA). Der behandelnde Urologe Dr. S. , den der Kläger ab August 2010 mehrmals wegen einer Harndrangsymptomatik und zunehmender erektiler Dysfunktion aufgesucht hatte, ging im November 2010 von einer gut überstandenen Becken- und Nierenprellung, ohne Nachweise von Nierenretentionswertveränderungen bzw. Hämaturie aus und äußerte den Verdacht auf eine psychogen bedingte erektile Dysfunktion (Bl. 496 VwA). Wegen anhaltender Kopfschmerzen, Migräneattacken, Schmerzen im Bereich der HWS und Erschöpfung stellte sich der Kläger Ende Juli 2010 bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. A. vor, der eine Cervicocephalgie sowie eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) mit Somatisierungsstörung - ohne Hinweise auf ein hirnorganisches Syndrom - diagnostizierte (Bl. 359 f. VwA) und eine begleitende psychotherapeutische Behandlung empfahl, die der Kläger Ende August 2010 bei dem Dipl.-Psych. G. aufnahm (Bericht Bl. 463 ff. VwA). Der von Dr. A. geäußerte Verdacht auf eine Schädigung der Nervenwurzel C7 bestätigte sich in einer nachgehenden Kernspintomographie der HWS nicht (Arztbrief der Radiologin Dr. K.: diskrete Protrusion C5/C6, Bl. 498 VwA). Die Ärzte für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde Drs. O. und H. behandelten den Kläger wegen einer ca, 1,5 Monate nach dem Unfall aufgetretenen Hörminderung und diagnostizierten eine Innenohrschwerhörigkeit links sowie eine pancochleare Hörminderung links bei Zustand nach Unfall am 26.06.2010 (Bl. 546, 601 VwA).
Auf Veranlassung der Beklagten begutachtete die Neurologin und Psychiaterin Dr. H. den Kläger im Januar 2011. Sie konnte auf neurologischem Fachgebiet keine Unfallfolgen, insbesondere kein Schädel-Hirn-Trauma, keine Verletzung peripherer Nerven, Nervenwurzeln oder Plexusschädigungen feststellen (Bl. 650 VwA). Auf psychiatrischen Fachgebiet diagnostizierte sie bei Besserung der Ängste und des Vermeidungsverhalten unter psychotherapeutischer Betreuung eine unfallbedingte Anpassungsstörung (eine PTBS liege nicht mehr vor) und eine Somatisierungsstörung mit dieser zugeordnetem Spannungskopfschmerz, schätzte die MdE mit 20 v. H. ein (Bl. 659 VwA) und empfahl eine Arbeits- und Belastungserprobung im stationären Rahmen (Bl. 660 VwA).
Der Orthopäde Prof. Dr. K. , der den Kläger im April 2011 im Auftrag der Beklagten begutachtete, diagnostizierte auf unfallchirurgischem Fachgebiet eine HWS-Störung Typ I WAD Quebec, eine Schulterprellung links mit unfallunabhängig bestehender Omarthose und eine Prellung der LWS. Es lägen nur noch Residuen dieser Schädigungen vor, die nach sechs Wochen keine MdE mehr rechtfertigten (Bl. 759 f. VwA).
Da der Kläger auch über ein schlechteres Sehen und ein Fremdkörpergefühl im linken Auge geklagt (vgl. hierzu Bericht des Augenarztes Dr. P.-K. vom Oktober 2010: vorderer Augenabschnitt kein Fremdkörper, hinterer Augenabschnitt regelrecht, S. 474 VwA) und sich während einer stationären Behandlung seiner psychischen Beschwerden (s. u.) eine Verletzung am rechten Auge zugezogen hatte (Bericht der Augenärztin K. vom Mai 2011: rechtes Auge Contusion bulbi mit Monokelhämatom und Bindehauthyposphagma, Bl. 770 VwA), ließ die Beklagte den Kläger im Dezember 2011 durch den Augenarzt Dr. W. begutachten, der als Unfallfolge eine kleine Narbe unterhalb der rechten Augenbraue beschrieb und die MdE hierfür mit unter 10 v. H. einschätzte (Bl. 300 VwA).
Nachdem beim Kläger im Jahr 2011 eine bikuspide Aortenklappe sowie ein Aneurysma diagnostiziert worden waren (vgl. Bericht Klinikum P. vom 01.07.2011, Bl. 802 VwA), holte die Beklagte ein kardiologisches Gutachten bei Prof. Dr. S. ein, der beim Kläger nach einer Untersuchung im März 2012 eine angeborene biskupide Aortenklappe mit leichtgradiger Aortenklappenstenose, ein nicht unfallbedingtes Aneurysma der Aorta ascendens sowie eine unfallunabhängige atypische Angina pectoris feststellte (Gutachten Bl. 963 bis 974 VwA).
Wegen der beklagten Hörminderung und des bei Dr. H. angegebenen Tinnitus holte die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme des HNO-Arztes Prof. Dr. T. ein, der die im Oktober 2010 vordiagnostizierte Hörstörung links (bei Normalhörigkeit rechts) und den Tinnitus als Folge der am 26.06.2010 erlittenen HWS-Distorsion passend ansah und die MdE bei einem Hörverlust von 43% nach Rösner-73 für das linke Ohr mit 10 v. H. einschätzte (Bl. 212 ff. VwA). Zwar könne nicht ausgeschlossen werden, dass es unfallbedingt auch zu einem Schädeltrauma gekommen sein, mangels Prellmarken und unfallbedingter Veränderungen im Schädel-CT ging er jedoch nicht von einem ins Gewicht fallenden Schädeltrauma aus (Bl. 214 VwA).
Vom 09.05.2011 bis 11.11.2011 absolvierte der Kläger in der B. Klinik F. auf Kosten der Beklagten eine medizinisch-berufliche Rehabilitationsmaßnahme (Bl. 172 ff. VwA, im psychischen Aufnahmebefund kein Hinweis auf alltagsrelevante kognitive Einschränkungen oder formale bzw. inhaltliche Denkstörungen, Bl. 177 VwA; MRT Neurocranium: kein Hinweis auf intracranielle Blutung oder Traumafolge, Bl. 180 VwA; deutlicher Leistungsabfall am Maßnahmenende, Bl. 182 VwA). Die Entlassung erfolgte leistungsunfähig (unter drei Stunden täglich). Vom 21.09. bis 12.10.2011 nahm der Kläger an einer auf Kosten der Beklagten durchgeführten Maßnahme zur erweiterten Abklärung der beruflichen Eignung und Arbeitserprobung teil (Bericht E. S. vom 27.10.2012, Ergebnis: eingeschränkte quantitative und qualitative Belastbarkeit, Leistungsvermögen drei bis unter sechs Stunden täglich, aktuell keine berufsfördernden Maßnahmen möglich, Bl. 76 ff. VwA). Grundlage dieser Beurteilung war auch ein Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. , der auf seinem Fachgebiet ein reaktives depressives Syndrom, eine PTBS mit dysthymer Stimmungslage und ausgeprägten Somatisierungsneigungen diagnostizierte (Bl. 110 ff. VwA).
Mit bestandskräftigem Bescheid von 11.11.2011 stellte die Beklagte das bis dahin gezahlte Verletztengeld mit Ablauf des 24.12.2011ein (Bl. 275 VwA) und mit ebenfalls bestandskräftigem Bescheid vom 26.07.2012 gewährte sie dem Kläger eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 20 v. H. ab 25.12.2011 (Bl. 1012 VwA).
Im März 2013 ließ die Beklagte den Kläger nach Beiziehung HNO-ärztlicher Befunde (Bericht Dr. O. , zuletzt im August 2011 nahezu identischer Hörverlust beidseits für durchschnittlich 40 dB, Bl. 1203 bis 1205 VwA) von dem HNO-Arzt Dr. Z. begutachten, der aufgrund des Unfallhergangs (keine Hinweise auf ein klinisch relevantes Schädeltrauma, Bl. 1259 VwA), der zeitlichen Latenz (Bemerken der Hörminderung ca. eineinhalb Monate nach dem Unfall, Bl. 1260, 1256 VwA) und der hochsignifikanten Progredienz (Bl. 1261 VwA) eine unfallbedingte Hörminderung für nicht nachvollziehbar hielt und den Verdacht einer psychogenen Hörstörung, die er mit der MdE um 20 v. H. auf neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet als ausreichend mitberücksichtigt erachtete, äußerte (Bl. 1262 VwA).
Auf Veranlassung der Beklagten begutachtete die Neurologin und Psychologin Dr. H. den Kläger im Januar 2013 erneut (Bl. 1229 ff. VwA), diagnostizierte unfallbedingt weiterhin eine Anpassungsstörung mit emotionaler Symptomatik sowie eine Somatisierungsstörung und bestätigte - unter Würdigung der unfallunabhängigen neurotischen Anteile - auf ihrem Fachgebiet eine MdE um 20 v. H.
Mit Bescheid vom 11.04.2013 (Bl. 1293 VwA) bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 20 v. H. anstelle der vorläufigen Entschädigung. Den hiergegen erhobenen Widerspruch, mit dem der Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE um 100 v. H. geltend machte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.2013 zurück.
Mit seiner hiergegen am 18.06.2013 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage (S 1 U 4012/13) hat der Kläger dieses Begehren weiterverfolgt. Das SG hat die Klage - nach Vorlage weiterer Behandlungsberichte des Dipl.-Psych. G. (Bl. 49, 65 SG-Akte) und des Neurologen und Psychologen Dr. A. (Bl. 62 SG-Akte) durch die Beklagte - mit Urteil vom 29.07.2015 abgewiesen.
Gegen das ihm am 11.08.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.08.2015 Berufung beim LSG Baden-Württemberg mit der Begründung eingelegt, das SG habe unzureichend zu den unfallbedingten, insbesondere psychischen Auswirkungen ermittelt. Ergänzend hat er aktuelle Behandlungsberichte des Dipl.- Psych. G. vorgelegt (Bl. 81 f., 117 f., 165 f. LSG-Akte).
Der Senat hat den Kläger im März 2016 von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. Dr. W. begutachten lassen, der Restsymptome einer PTBS mit spezifischen Ängsten, gelegentlich spezifischen Albträumen, pathologischen Wiedererinnerungen sowie auch leichtgradigen depressiven Symptomen, eine ausgeprägte Somatisierungsstörung sowie einen medikamenteninduzierten Kopfschmerz auf dem Boden einer gemischten "sensitiven" Persönlichkeitsstörung diagnostiziert hat (Bl. 76 LSG-Akte). Nur die spezifischen Traumafolgen ließen sich auf das Unfallereignis zurückführen. Die vordergründige Somatisierungsstörung, einschließlich der Kopfschmerzsymptomatik sei in überwiegendem Maße nicht unfallbedingten konkurrierenden Faktoren (Erkrankung der Ehefrau, Diagnose des Aortenaneurysmas) zuzuordnen (Bl. 76 LSG-Akte). Die unfallbedingte MdE hat er mit 15 bis 20 v. H. eingeschätzt und die Bewertung von Dr. H. als schlüssig erachtet (Bl. 77 LSG-Akte).
Auf Antrag und Kosten des Klägers hat der Senat den Facharzt u. a. für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. mit der Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens beauftragt. Zum ersten Begutachtungstermin (Januar 2017) hat Dr. N. mitgeteilt, dass eine ordentliche testpsychologische Untersuchung des Klägers wegen dessen - nicht vorbekannter - paranoider Wahrnehmungen habe abgebrochen werden müssen (Bl. 120 LSG-Akte). Daraufhin hat der Senat einen aktuellen Befund beim behandelnden Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. A. eingeholt, der eine paranoide Entwicklung i. S. einer paranoiden Psychose diagnostiziert hat (Bl. 126 LSG-Akte). Trotz Verabreichung eines Neuroleptikums sei es zu keiner Besserung der Symptomatik gekommen. Ein MRT des Schädels habe keine hirnorganische Ursache ergeben.
Im zweiten Begutachtungstermin (Juli 2017) hat Dr. N. die Diagnose einer (aktuell akuten) paranoiden Psychose gestellt und daher die durchgeführte psychologische Testung für nicht verwertbar erachtet. Da sich die psychische Gesamtsituation trotz medikamentöser Behandlung nicht gebessert hat, ist ein neuer Begutachtungstermin nicht vereinbart worden. Die Entwicklung einer Psychose im ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfall hat Dr. N. als eher unwahrscheinlich erachtet, weil der Unfall zeitlich weit zurückliege und MRT-Untersuchungen kein bildmorphologisches Korrelat ergeben hätten (Bl. 154 LSG-Akte). Zu etwaigen Unfallfolgen könne mangels Testungsfähigkeit des Klägers keine definitive Aussage getroffen werden. Zwar bestünden mögliche Anhaltspunkte für eine unfallbedingte hirnorganische Schädigung (Unfallmechanik, Ergebnisbericht der E. S. mit schon damals bestehenden intellektuellen Einschränkungen), allerdings seien diese auf Grund der floriden Psychose derzeit nicht verifizierbar. Ausgehend von den diagnostischen Einordnungen von Prof. Dr. Dr. W. werde der dortigen MdE-Bewertung zugestimmt.
Zu den Ausführungen von Dr. N. trägt der Kläger vor, dass sich bereits im Testbericht der E. S. Einschränkungen der intellektuellen Leistungsfähigkeit gezeigt hätten, was eine unfallbedingte Hirnschädigung vermuten lasse. Auch liege nunmehr (nach dem Gutachten von Dr. N.) eine unfallbedingte paranoide Psychose vor, so dass die Beklagte verpflichtet sei, einen Zusammenhang zwischen dem Unfall und Gesundheitsfolgen differentialdiagnostisch noch weiter zu erfassen. Auch Dr. B. (beratungsärztliche Stellungnahme Bl. 509 VwA) und Prof. Dr. T. (beratungsärztliche Stellungnahme Bl. 212 VwA) hätten ein unfallbedingtes Schädel-Hirn-Trauma nicht ausgeschlossen. Vor dem Unfall sei er ein lebhafter und fröhlicher Mensch ohne Einschränkungen und Vorerkrankungen gewesen.
Der Kläger beantragt (Schriftsatz vom 20.11.2015 und vom 08.10.2017, sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29.07.2015, Az: S 1 U 4012/13 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 11.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2013 zu verurteilen, ihm Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 100 v. H. zu zahlen,
hilfsweise den Bescheid vom 11.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2013 aufzuheben und das Verfahren zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an die Beklagte zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 11.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2013 über die Gewährung einer Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 20 v. H. Hiergegen wendet sich der Kläger zulässigerweise mit seiner kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 31.10.2007, B 2 U 4/06 R, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 5).
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 11.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht wegen der Folgen des am 06.06.2010 erlittenen Arbeitsunfalls keine Verletztenrente nach einer MdE um mehr als 20 v. H. zu.
Rechtsgrundlage des klägerischen Begehrens auf höhere Verletztenrente ist § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird Vollrente geleistet, bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wird Teilrente in Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente geleistet, der dem Grad der MdE entspricht (§ 56 Abs. 3 SGB VII).
Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).
Der Kläger erlitt am 26.06.2010 einen Arbeitsunfall in diesem Sinn, als er bei Montagearbeiten ca. zwei bis drei Meter tief abstürzte, bevor er sich an parallel verlaufenden Rohrleitungen festhalten konnte. Dadurch erlitt er multiple Kontusionen und Schürfungen (im einzelnen Entlassungsanzeige des CTK Cottbus, vgl. Bl. 341 VwA). Dieser Unfallhergang ergibt sich für den Senat aus den übereinstimmenden frühen Angaben des Klägers (Bl. 359, 463, 628 VwA) und der Unfallanzeige des Arbeitgebers (Bl. 461 VwA). Das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Streitig ist lediglich, ob weitere als die von der Beklagten bisher berücksichtigten Unfallfolgen vorliegen und die Unfallfolgen die Bemessung mit einer MdE um mehr als 20 v. H. rechtfertigen. Dies ist nicht der Fall.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Hat ein Arbeitsunfall Schäden an mehreren Körperteilen gebracht, so ist die MdE im Ganzen zu würdigen. Dabei ist entscheidend eine "Gesamtschau" der "Gesamteinwirkung" aller einzelnen Schäden auf die Erwerbsfähigkeit (BSG, Beschluss vom 24.11.1988, 2 BU 139/88 unter Hinweis auf Rechtsprechung zum Schwerbehindertenrecht). Dementsprechend sind mathematische Formeln kein rechtlich zulässiges oder gar gebotenes Beurteilungsmittel zur Feststellung der Gesamt-MdE (BSG, Urteil vom 15.03.1979, 9 RVs 6/77 in SozR 3870 § 3 Nr. 4), vielmehr muss bei der Gesamtbeurteilung bemessen werden, wie im Einzelfall die durch alle Störungen bedingten Funktionsausfälle, teilweise einander verstärkend, gemeinsam die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigen (BSG, a. a. O.).
In Anwendung dieser Grundsätze hat das SG unter Bezugnahme auf die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten der Neurologin und Psychiaterin Dr. H. (Gutachten vom 15.02.2011, Bl. 627 ff. VwA und vom 22.02.2013, Bl. 1229 ff. VwA), des Orthopäden Prof. Dr. K. (Gutachten vom 23.05.2011, Bl. 750 ff. VwA) und des HNO-Arztes Dr. Z. (Gutachten vom 10.03.2013, Bl. 1253 ff. VwA) zutreffend entschieden, dass die als Folgen des Unfalls vom 26.06.2010 verbleibenden funktionellen Beeinträchtigungen nicht mit einer höheren MdE als 20 v. H. zu bewerten sind.
Hinsichtlich der unfallbedingten orthopädischen Beschwerden (HWS-Distorsion, Schulterprellung links, Prellung des lumbosakralen Übergangs) ist das SG zutreffend von einer Ausheilung dieser Unfallfolgen (nach drei Monaten, Bl. 758 VwA) ausgegangen und hat eine daraus resultierende MdE verneint. Der Senat sieht deshalb insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass Prof. Dr. K. bei der Untersuchung des Klägers (im April 2011) eine freie Beweglichkeit der HWS (Inklination/Reklination 40-0-60°, re/li/Seitrotation 70-0-70°, re/li/Seitneigung 30-0-30°, Bl. 754 VwA) sowie eine unkompromittierte Beweglichkeit der BWS/LWS (re/li/Seitrotation 30-0-30°; re/li/Seitneigung 30-0-30°, differenzierte Geh- und Stehbilder können ausgeführt werden, tiefe Hocke ist möglich, Bl. 754 VwA) befundete. Die festgestellte Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk (Abduktion bis 45°, Elevation bis 100°, Retroversion bis 30°, Bl. 754 VwA), die sich röntgenologisch als milde Omarthrose darstellte, sah er als nicht unfallbedingt an, da das unfallnah angefertigte MRT (vom 09.07.2010) lediglich Prellungszeichen der Sehnen, jedoch kein Knochenmarksödem in den knöchernen Strukturen von Humeruskopf und Glenoid beschrieben hatte. Der Senat sieht keine Veranlassung, diese Ausführungen in Zweifel zu ziehen, zumal der Kläger auch keine anhaltenden unfallbedingten orthopädischen Beschwerden mehr behauptet.
Zur Überzeugung des Senats bedingen auch die Hörstörungen keine berücksichtigungsfähige MdE, worauf das SG bereits zutreffend hingewiesen hat. Auf der Grundlage der gutachterlichen Ausführungen von Dr. Z. vermag der Senat einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der festgestellten Hörminderung/ Ohrgeräusche nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit festzustellen.
Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob neben der versicherten Ursache weitere Ursachen im naturwissenschaftlichen Sinn (erste Stufe) zum Gesundheitsschaden beitrugen. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.
Hiervon ausgehend vermag sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass die geltend gemachte Hörminderung mit Wahrscheinlichkeit Folge des streitigen Arbeitsunfalles ist. Unter Berücksichtigung der Beschwerdeschilderungen des Klägers (Bemerken einer Hörminderung links ca. 1,5 Monate nach dem Unfall, Bl. 546 VwA), den HNO-ärztlichen Befunden im Verlauf (Dr. O. Befund Oktober 2010: rechts annähernde Normalhörigkeit, links bei etwa 40 dB pancochleär verlaufende Hörminderung, Bl. 62, 213 VwA; Befund August 2011: nahezu identischer Hörverlust beidseits für durchschnittlich 40 dB, Bl. 1272 VwA; Befund 05.03.2013: nahezu identischer Hörverlust beidseits für durchschnittlich 50 dB, Bl. 1250 VwA) und den von ihm selbst erhobenen Befunden (Befund am 10.03.2013: Hörschwelle links bei 4 kHz bei 70 dB, Bl.1264 VwA) verneinte Dr. Z. einen unfallbedingten Zusammenhang. Er ging davon aus, dass eine Hörminderung, die auf ein stumpfes Kopftrauma zurückzuführen ist, sofort in vollem Umfang vorliegt, worauf bereits der beratende Arzt Prof. Dr. T. hingewiesen hatte (Bl. 215 VwA). Nach den Ausführungen von Dr. Z. gilt dies ebenso für eine zervikal bedingte Hörminderung. Unter Auswertung der unfallzeitnahen Arztberichte, in denen keine Hörstörung dokumentiert ist, bestehen für die Annahme einer unmittelbar nach dem Unfall vorhandenen Hörminderung keine Anknüpfungspunkte. Im Hinblick auf die erlittene HWS-Distorsion wies Dr. Z. zudem darauf hin, dass ein damit verbundener etwaiger Haarzellschaden mit Untergang von Sinneszellen im Innenohr nicht erklärbar (Bl. 1260 VwA) ist. Auch die massive, objektiv nicht erklärbare Progredienz sowie die zeitliche Latenz sprechen aus medizinsicher Sicht - so Dr. Z. - gegen einen im Wesentlichen unfallbedingten Organbefund (Bl. 1261 VwA). Hinsichtlich des beklagten Tinnitus, der als wechselndes Brummen und Zischen angegeben wurde, gilt Ähnliches. Auch dieses Hörgeräusch bemerkte der Kläger nicht unmittelbar nach dem Unfall (Angaben gegenüber Dr. Z. , Bl. 1255 VwA), was - wie bei der Hörstörung - gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht. Im Übrigen waren die Ohrgeräusche in der durchgeführten Tinnitusanalyse nicht ermittelbar (Bl. 1258 VwA), so dass ihr Vorliegen nicht erwiesen ist. Schließlich würde sich hieraus bei fehlenden funktionellen Einschränkungen auch keine MdE ergeben, worauf Prof. Dr. T. zutreffend hingewiesen hat. Der Senat teilt diese Einschätzung. Soweit der beratende Arzt Prof. Dr. T. in seiner Stellungnahme nach Aktenlage die vordiagnostizierte Hörstörung als zur erlittenen HWS-Distorsion passend ansah und hieraus eine MdE von 10 v. H. folgerte, überzeugt dies den Senat nicht. Prof. Dr. T. hat eingeräumt, dass mangels Voraudiogramm nicht mit letzter Sicherheit ein Vorschaden ausgeschlossen werden könne und der zeitliche Versatz der Hörminderung relativ groß sei. Zudem war Prof. Dr. T. nicht bekannt, dass sich nachträglich auch auf dem rechten Ohr eine Hörminderung einstellte und sich das Hörvermögen beidseits nach den Verlaufsaudiogrammen massiv verschlechterte, was Dr. Z. als maßgebenden gegen einen Ursachenzusammenhang sprechenden Umstand anführte.
Die beklagten urologischen Beschwerden - Harndrangsymptomatik und erektile Dysfunktion - bedingen zur Überzeugung des Senats keine MdE. Der vom Kläger konsultierte Urologe Dr. S. fand in seinen Untersuchungen keine Hinweise auf eine andauernde unfallbedingte Restsymptomatik (gut überstandene Becken- und Nierenprellung). Die geschilderte Harndrangsymptomatik ließ sich durch die erhobenen Befunde nicht objektivieren (Laborbefund: völlig unauffälliger Harnstatus, Sediment ohne zelluläre Bestandteile, Retentionswerte, kleines Blutbild und Testosteronwert unauffällig, Nierenlager beidseits frei, Genitale unauffällig, Prostata unauffällig, Bl. 496 VwA), so dass insoweit bereits keine Gesundheitsstörung nachgewiesen ist. Auch für eine erektile Dysfunktion fand Dr. S. keine organische Ursache. Soweit Dr. S. die erektile Dysfunktion als psychogen bedingt ansah, wertete auch Dr. H. diese als unfallbedingt (Libidoverlust, Bl. 649 VwA) und berücksichtigte sie angemessen bei ihrer MdE-Bewertung (Somatisierungsstörung in mittelgradiger Ausprägung, Bl. 654 VwA).
Der Senat vermag auch für die vom Kläger angeführten kardiologischen Beschwerden - Atemnot, Herzschmerzen, Aortenaneurysma - wegen des fehlenden naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhangs zwischen dem Unfall und der kardiologischen Erkrankungen keine unfallbedingte MdE anzunehmen. Hierbei stützt er sich auf die Ausführungen des Kardiologen Prof. Dr. S. , der alle kardiologischen Beschwerden als nicht unfallbedingt erachtete. Er führte an, dass die angeborene bikuspide Aortenklappe häufig mit einer Aorta ascendens assoziiere, weshalb er davon ausing, dass das Aneurysma bereits vor dem Unfall bestand. Hinsichtlich der beklagten brennenden thorakalen Schmerzen äußerte er den Verdacht auf eine nicht unfallbedingte koronare Funktionsstörung.
Schließlich rechtfertigen die vom Kläger angeführten Augenbeschwerden - schlechteres Sehen links und Fremdkörpergefühl - und die während einer stationären Behandlung der psychischen Unfallfolgen erlittene Augenverletzung - contusio bulbi mit Monokelhämatom - (vgl. hierzu § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII: mittelbare Unfallfolgen) keine MdE. Hierbei stützt sich der Senat auf die Ausführungen des Gutachters Dr. W. , der bei der Untersuchung des Klägers im Dezember 2011 unfallbedingt lediglich noch eine kleine Narbe unterhalb der rechten Augenbraue (als Rest eines Hämatoms), resultierend aus dem Sturz während der Rehabehandlung im Mai 2011, feststellen konnte (im Übrigen freie Beweglichkeit in allen Blickrichtungen, beidäugiges Simultansehen nachweisbar, Bl. 298 VwA) und die MdE durchgehend mit unter 10 v. H. bewertete. Soweit der Kläger bei der Untersuchung von einem seit 2010 bestehenden Fremdkörpergefühl im linken Auge und einer Sehverschlechterung links berichtete, schloss Dr. W. einen Fremdkörper im linken Auge, wie vorhergehend bereits Dr. P.-K. (augenärztliche Untersuchung im Oktober 2010: vorderer Augenabschnitt subtarsal kein Fremdkörper, Bl. 474 VwA), aus. In Bezug auf die Sehschärfe erhob Dr. W. nahezu seitengleiche Befunde (links geringfügig schlechter), und er sah hierfür ausschließlich unfallunabhängige Ursachen (Bl. 299 VwA). Dem schließt sich der Senat an.
In Übereinstimmung mit dem SG geht auch der Senat davon aus, dass die Beklagte die unfallbedingten Funktionsbeeinträchtigungen auf neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet zutreffend und umfassend mit einer MdE um 20 v. H. bewertete. Unter Würdigung der gutachterlichen Ausführungen von Dr. H. (Gutachten aus Februar 2011 und Februar 2013, Bl. 627 ff, 1229 ff. VwA) hat das SG zutreffend ausgeführt, dass das Beschwerdebild des Klägers neben unfallbedingten Störungen (Anpassungsstörung, Angst- und Vermeidungsverhalten, sozialer Rückzug, depressive Symptomatik) durch eine Reihe unfallunabhängiger Persönlichkeitsauffälligkeiten (leicht narzisstisch geprägte Persönlichkeit mit vermehrter Kränkbarkeit, erhöhter Vulnerabilität und angestrengter Introspektionsfähigkeit) und unfallunabhängigen Ängsten (Diagnose eines größenprogredienten Aortenaneurysmas mit entsprechenden Zukunftsängsten) geprägt und aufrechterhalten wird und ein stark ausgeprägtes Störungsbild, das eine höhere MdE rechtfertigen könnte, nicht vorliegt. Der Senat sieht deshalb auch insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Ergänzend stützt sich der Senat auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W. , der zwar abweichend von Dr. H. Restsymptome einer PTBS (anstelle einer Anpassungsstörung) diagnostiziert hat, jedoch in Übereinstimmung mit Dr. H. zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der weitaus größere Teil des "dysfunktionellen Verhaltens" (Somatisierungsstörung mit hypochondrischen Ängsten und körperlich-psychischen Symptomen, Bl. 75 LSG-Akte) keinesfalls unfallbedingt ist. In diesem Zusammenhang hat er ausgeführt, dass konkurrierenden Problemen (u. a. Erkrankung der Ehefrau und vor allem die bedrohliche Diagnose des Aortenaneurysmas) bei Weitem eine überwiegende Bedeutung zukommt. Dies steht in Einklang mit den anamnestischen Erhebungen, nach denen der Kläger als aktuelle Beschwerden u. a. die Angst vor dem OP-Risiko (Bl. 64 LSG-Akte) und Probleme in der Familie (Bl. 64 LSG-Akte) geschildert hat. Auch in den Berichten des behandelnden Dipl.-Psych. G. (Bl. 49, 65 Rückseite SG-Akte, Bl. 81, 118 Rückseite LSG-Akte) werden eine erhöhte Reizbarkeit im Umgang mit der Familie, Ängste und Sorgen wegen der erkrankten Ehefrau, Ängste vor Vergrößerung des Aortenaneurysmas und Zukunftsängste als zentrale, die Therapie zur Überwindung der unfallbedingten Höhenangst überlagernde Belastungsfaktoren beschrieben. Hinsichtlich der unfallbezogenen MdE-Bewertung (20 v. H.) stimmt Prof. Dr. Dr. W. der Einschätzung von Dr. H. zu. Auch der auf Veranlassung und Kosten des Klägers beauftragte Sachverständige Dr. N. bestätigt die gutachterliche Einschätzung (einschließlich der MdE-Bewertung) von Prof. Dr. Dr. W. , soweit dieser als Grunderkrankung eine PTBS zu Grunde gelegt hat. Der Senat sieht sich in Anbetracht dessen, nicht veranlasst, die MdE-Bewertung in Zweifel zu ziehen.
Die Gewährung einer höheren Verletztenrente ist auch nicht vor dem Hintergrund der im Laufe des Berufungsverfahrens diagnostizierten paranoiden Psychose gerechtfertigt, denn diese stellt zur Überzeugung des Senats keine Unfallfolge dar. Nach den gutachterlichen Ausführungen von Dr. N. entwickelte sich das psychotische Krankheitsbild mit einer zeitlichen Latenz zum Unfallereignis von ca. sieben Jahren. Entsprechende Symptome, die auf den Unfall zurückzuführen sind, hätten nach den Ausführungen des Sachverständigen erfahrungsgemäß deutlich früher vorliegen müssen. Auch die im Zusammenhang mit dem Unfallereignis angefertigten MRT-Aufnahmen (Bl. 180 VwA) zeigten diesbezüglich kein morphologisches Korrelat. Einen Ursachenzusammenhang hält Dr. N. daher für eher unwahrscheinlich. Die entgegenstehende, nicht begründete Behauptung des Klägers, die Psychose sei unfallbedingt (Bl. 160 LSG-Akte), trifft somit nicht zu.
Darüber hinaus folgt der Senat der Behauptung des Klägers, durch den Unfall eine hirnorganische Schädigung (Schädel-Hirn-Trauma) mit daraus resultierenden Hirnleistungseinschränkungen erlitten zu haben, nicht.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Gesundheitsschaden geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können; sie müssen daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 20.12.2016, B 2 U 16/15 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 60). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
In Anwendung dieser Grundsätze sieht der Senat den erforderlichen Vollbeweis dafür, dass der Kläger bei dem Sturz vom Baugerüst ein nach Dr. N. möglicherweise Hirnleistungsstörungen auslösendes Schädel-Hirn-Trauma erlitten hat, als nicht erbracht an. Aus dem während der stationären Akutbehandlung im CTK C. angefertigten Schädel-CT ergaben sich keine Hinweise auf traumatische Läsionen. Auch lagen keine Prellmarken im Kopfbereich vor, worauf Prof. Dr. T. zutreffend hinwies. Ein auf Grund persistierender Kopfschmerzen veranlasstes MRT-Neurocranium im Juni 2011 ergab keinen Hinweis auf eine intracranielle Blutung oder Traumafolge (Bl. 180 VwA). Der behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. A. fand im Juli 2010 keine Hinweise auf ein hirnorganisches Syndrom. Dr. Hund, die den Kläger als durchgehend konzentriert, ohne mnestische oder kognitive Störungen und ohne Auffassungsstörungen beschrieb, konnte in ihrer Begutachtung im Januar 2011 keine Hinweise auf ein stattgehabtes Hirn-Schädel-Trauma feststellen. Eine abweichende Beurteilung resultiert auch nicht aus den differentialdiagnostischen Überlegungen von Dr. N. , der aus dem Umstand, dass nach klägerischen Angaben der Helm kaputtgegangen sei, ein gravierenderes Unfallereignis - gerade für den Kopfbereich - ableitet. Hierzu ist anzumerken, dass der Kläger in vorangegangenen Unfallschilderungen übereinstimmend lediglich vom Verlust des Helmes während des Sturzes berichtet hat und unklar aber auch irrelevant ist, was mit dem Helm dann (etwa durch den Aufprall) passierte. Der Kläger selbst ist unstrittig nicht auf dem Boden aufgeschlagen, da es ihm gelang, sich rechtzeitig an Rohrleitungen festzuhalten. Soweit Dr. N. von den im Jahr 2011 beschriebenen kognitiven Minderleistungen (während der berufsfördernden Maßnahme in den E. S , Bl. 76 ff. VwA) auf ein relevantes unfallbedingtes hirnorganischen Geschehen schließt, stehen dieser Annahme die diesbezüglich unauffälligen objektiven Befunde (CT-Schädel und MRT-Neurocranium, keine Hinweise auf traumatische Läsionen, intracranielle Blutung oder Traumafolge, keine äußeren Kopfverletzungen) und die im Juli 2010 von Dr. A. und im Januar 2011 von Dr. H. erhobenen unauffälligen Befunde entgegen. Auch die beratungsärztlichen Stellungnahmen des Neurologen und Psychiaters Dr. B. (Bl. 509, 151 VwA) und des HNO-Arztes Prof. Dr. T. (Bl. 212 VwA) führen zu keiner abweichenden Kausalitätsbewertung durch den Senat. Dr. B. und Prof. Dr. T. bestätigten übereinstimmend, dass sich aus den durchgeführten Untersuchungen gerade keine Hinweise für eine Hirnverletzung ergaben (Bl. 151, 214 VwA). Prof. T. wertete dies zutreffend dahingehend, dass ein ins Gewicht fallendes Schädeltrauma nicht stattfand.
Soweit der Kläger im Berufungsverfahren vorgetragen hat, vor dem Unfall ein lebhafter und fröhlicher Mensch gewesen zu sein und die Beklagte für das Gegenteil beweispflichtig sei, ändert dies nichts an den im Unfallversicherungsrecht geltenden und bereits dargestellten Beweislastregeln, nach denen Nachweis- und Wahrscheinlichkeitsdefizite zu Lasten desjenigen Beteiligten gehen, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11). Vorliegend sieht der Senat nach den vorstehenden Ausführungen weder den Nachweis für das behauptete Schädel-Hirn-Trauma als erbracht an, noch kann im Hinblick auf das Erkrankungsbild der paranoiden Psychose der notwendige naturwissenschaftliche Kausalzusammenhang bejaht werden.
Soweit der Kläger die Zurückverweisung des Verfahrens an die Beklagte beantragt, ist dieser Antrag bereits aus Rechtsgründen unbegründet, da einer etwaigen Aufhebung der Verwaltungsentscheidung und Zurückverweisung an die Behörde nach § 131 Abs. 5 Abs. 1 SGG die Regelung des § 131 Abs. 5 S. 5 SGG entgegensteht. Danach kann eine Entscheidung nach § 131 Abs. 5 S. 1 SGG nur binnen sechs Monaten seit dem Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen. Vorliegend wurden die angeforderten Verwaltungsakten bereits am 02.08.2013 vollständig beim SG vorgelegt (vier Bände Verwaltungsakten, Bl. 20 SG-Akte), so dass die maßgebende Sechs-Monats-Frist für eine Entscheidung nach § 131 Abs. 5 S. 1 SGG bereits im Februar 2014 endete.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 v. H.
Der 1968 geborene Kläger war ab März 2010 bei der E. Schweißtechnik GmbH H. als Monteur beschäftigt. Am 26.06.2010 fiel der Kläger zwei bis drei Meter tief, als bei von ihm verrichteten Montagearbeiten auf einer Baustelle im Kraftwerk J. an einem Baugerüst in ca. sieben Metern Höhe eine lose Gerüstdiele wegrutschte. Es gelang dem Kläger nach eigenen Angaben, sich an parallel verlaufenden Rohrleitungen fest- und einen weiteren Absturz aufzuhalten (Bl. 628). Dabei prallte er mit der linken Körperseite an Leitungen und Träger (Unfallanzeige des Arbeitgebers, Bl. 461 VwA) und verlor dabei seinen Schutzhelm und die Schutzbrille (Bl. 628 VwA). Am gleichen Tag erfolgte eine notfallmäßige stationäre Aufnahme in der Chirurgischen Abteilung des C.-T. -Krankenhauses C. (Bl. 342 VwA). Dort wurden eine Prellung und ein Hämatom der linken Niere, eine Affektion der Tränendrüse, eine Verstauchung und Zerrung der Halswirbelsäule, eine Thoraxprellung, eine Bauchdeckenprellung, eine Prellung der Schulter und des Oberarms, eine Prellung des Unterarms sowie eine Schürfwunde an der Hüfte und am Oberschenkel diagnostiziert (Bl. 341 VwA). Im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen (Röntgen HWS, BWS, LWS, Thorax, Unterarm und Ellenbogen links; Sonographie Abdomen; CT Schädel und Thorax; EEG, augenärztliche Untersuchung) ergab sich kein Anhalt für traumatische Schädigungen, so dass der Kläger am 02.07.2010 entlassen wurde (Bericht Dr. D. , Bl. 336 ff. VwA). Am 05.07.2010 stellte sich der Kläger wegen massiver Schmerzen besonders im linken Schultergelenk bei dem Orthopäden Dr. K. vor, der weitere Untersuchungen veranlasste, die aber keinen Nachweis überdauernder substanzieller Schäden erbrachten (vgl. D-Arzt Bericht vom 22.10.2010, Bl. 435 VwA; Arztbrief des Radiologen Dr. Müller vom Juli 2010: keine Sehnenschäden, Bl. 439 VwA; Arztbrief des Radiologen Dr. K. vom Dezember 2010: keine Partialruptur der Supraspinatussehne, keine knöcherne Verletzung, Bl. 556 VwA). Bei beklagter Atemnot und Herzschmerzen konnten ein Infiltrat, eine traumatische Läsion sowie ein Pneumothorax ausgeschlossen werden (Bericht des Radiologen Dr. S. , Bl. 409 VwA). Der behandelnde Urologe Dr. S. , den der Kläger ab August 2010 mehrmals wegen einer Harndrangsymptomatik und zunehmender erektiler Dysfunktion aufgesucht hatte, ging im November 2010 von einer gut überstandenen Becken- und Nierenprellung, ohne Nachweise von Nierenretentionswertveränderungen bzw. Hämaturie aus und äußerte den Verdacht auf eine psychogen bedingte erektile Dysfunktion (Bl. 496 VwA). Wegen anhaltender Kopfschmerzen, Migräneattacken, Schmerzen im Bereich der HWS und Erschöpfung stellte sich der Kläger Ende Juli 2010 bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. A. vor, der eine Cervicocephalgie sowie eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) mit Somatisierungsstörung - ohne Hinweise auf ein hirnorganisches Syndrom - diagnostizierte (Bl. 359 f. VwA) und eine begleitende psychotherapeutische Behandlung empfahl, die der Kläger Ende August 2010 bei dem Dipl.-Psych. G. aufnahm (Bericht Bl. 463 ff. VwA). Der von Dr. A. geäußerte Verdacht auf eine Schädigung der Nervenwurzel C7 bestätigte sich in einer nachgehenden Kernspintomographie der HWS nicht (Arztbrief der Radiologin Dr. K.: diskrete Protrusion C5/C6, Bl. 498 VwA). Die Ärzte für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde Drs. O. und H. behandelten den Kläger wegen einer ca, 1,5 Monate nach dem Unfall aufgetretenen Hörminderung und diagnostizierten eine Innenohrschwerhörigkeit links sowie eine pancochleare Hörminderung links bei Zustand nach Unfall am 26.06.2010 (Bl. 546, 601 VwA).
Auf Veranlassung der Beklagten begutachtete die Neurologin und Psychiaterin Dr. H. den Kläger im Januar 2011. Sie konnte auf neurologischem Fachgebiet keine Unfallfolgen, insbesondere kein Schädel-Hirn-Trauma, keine Verletzung peripherer Nerven, Nervenwurzeln oder Plexusschädigungen feststellen (Bl. 650 VwA). Auf psychiatrischen Fachgebiet diagnostizierte sie bei Besserung der Ängste und des Vermeidungsverhalten unter psychotherapeutischer Betreuung eine unfallbedingte Anpassungsstörung (eine PTBS liege nicht mehr vor) und eine Somatisierungsstörung mit dieser zugeordnetem Spannungskopfschmerz, schätzte die MdE mit 20 v. H. ein (Bl. 659 VwA) und empfahl eine Arbeits- und Belastungserprobung im stationären Rahmen (Bl. 660 VwA).
Der Orthopäde Prof. Dr. K. , der den Kläger im April 2011 im Auftrag der Beklagten begutachtete, diagnostizierte auf unfallchirurgischem Fachgebiet eine HWS-Störung Typ I WAD Quebec, eine Schulterprellung links mit unfallunabhängig bestehender Omarthose und eine Prellung der LWS. Es lägen nur noch Residuen dieser Schädigungen vor, die nach sechs Wochen keine MdE mehr rechtfertigten (Bl. 759 f. VwA).
Da der Kläger auch über ein schlechteres Sehen und ein Fremdkörpergefühl im linken Auge geklagt (vgl. hierzu Bericht des Augenarztes Dr. P.-K. vom Oktober 2010: vorderer Augenabschnitt kein Fremdkörper, hinterer Augenabschnitt regelrecht, S. 474 VwA) und sich während einer stationären Behandlung seiner psychischen Beschwerden (s. u.) eine Verletzung am rechten Auge zugezogen hatte (Bericht der Augenärztin K. vom Mai 2011: rechtes Auge Contusion bulbi mit Monokelhämatom und Bindehauthyposphagma, Bl. 770 VwA), ließ die Beklagte den Kläger im Dezember 2011 durch den Augenarzt Dr. W. begutachten, der als Unfallfolge eine kleine Narbe unterhalb der rechten Augenbraue beschrieb und die MdE hierfür mit unter 10 v. H. einschätzte (Bl. 300 VwA).
Nachdem beim Kläger im Jahr 2011 eine bikuspide Aortenklappe sowie ein Aneurysma diagnostiziert worden waren (vgl. Bericht Klinikum P. vom 01.07.2011, Bl. 802 VwA), holte die Beklagte ein kardiologisches Gutachten bei Prof. Dr. S. ein, der beim Kläger nach einer Untersuchung im März 2012 eine angeborene biskupide Aortenklappe mit leichtgradiger Aortenklappenstenose, ein nicht unfallbedingtes Aneurysma der Aorta ascendens sowie eine unfallunabhängige atypische Angina pectoris feststellte (Gutachten Bl. 963 bis 974 VwA).
Wegen der beklagten Hörminderung und des bei Dr. H. angegebenen Tinnitus holte die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme des HNO-Arztes Prof. Dr. T. ein, der die im Oktober 2010 vordiagnostizierte Hörstörung links (bei Normalhörigkeit rechts) und den Tinnitus als Folge der am 26.06.2010 erlittenen HWS-Distorsion passend ansah und die MdE bei einem Hörverlust von 43% nach Rösner-73 für das linke Ohr mit 10 v. H. einschätzte (Bl. 212 ff. VwA). Zwar könne nicht ausgeschlossen werden, dass es unfallbedingt auch zu einem Schädeltrauma gekommen sein, mangels Prellmarken und unfallbedingter Veränderungen im Schädel-CT ging er jedoch nicht von einem ins Gewicht fallenden Schädeltrauma aus (Bl. 214 VwA).
Vom 09.05.2011 bis 11.11.2011 absolvierte der Kläger in der B. Klinik F. auf Kosten der Beklagten eine medizinisch-berufliche Rehabilitationsmaßnahme (Bl. 172 ff. VwA, im psychischen Aufnahmebefund kein Hinweis auf alltagsrelevante kognitive Einschränkungen oder formale bzw. inhaltliche Denkstörungen, Bl. 177 VwA; MRT Neurocranium: kein Hinweis auf intracranielle Blutung oder Traumafolge, Bl. 180 VwA; deutlicher Leistungsabfall am Maßnahmenende, Bl. 182 VwA). Die Entlassung erfolgte leistungsunfähig (unter drei Stunden täglich). Vom 21.09. bis 12.10.2011 nahm der Kläger an einer auf Kosten der Beklagten durchgeführten Maßnahme zur erweiterten Abklärung der beruflichen Eignung und Arbeitserprobung teil (Bericht E. S. vom 27.10.2012, Ergebnis: eingeschränkte quantitative und qualitative Belastbarkeit, Leistungsvermögen drei bis unter sechs Stunden täglich, aktuell keine berufsfördernden Maßnahmen möglich, Bl. 76 ff. VwA). Grundlage dieser Beurteilung war auch ein Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. , der auf seinem Fachgebiet ein reaktives depressives Syndrom, eine PTBS mit dysthymer Stimmungslage und ausgeprägten Somatisierungsneigungen diagnostizierte (Bl. 110 ff. VwA).
Mit bestandskräftigem Bescheid von 11.11.2011 stellte die Beklagte das bis dahin gezahlte Verletztengeld mit Ablauf des 24.12.2011ein (Bl. 275 VwA) und mit ebenfalls bestandskräftigem Bescheid vom 26.07.2012 gewährte sie dem Kläger eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 20 v. H. ab 25.12.2011 (Bl. 1012 VwA).
Im März 2013 ließ die Beklagte den Kläger nach Beiziehung HNO-ärztlicher Befunde (Bericht Dr. O. , zuletzt im August 2011 nahezu identischer Hörverlust beidseits für durchschnittlich 40 dB, Bl. 1203 bis 1205 VwA) von dem HNO-Arzt Dr. Z. begutachten, der aufgrund des Unfallhergangs (keine Hinweise auf ein klinisch relevantes Schädeltrauma, Bl. 1259 VwA), der zeitlichen Latenz (Bemerken der Hörminderung ca. eineinhalb Monate nach dem Unfall, Bl. 1260, 1256 VwA) und der hochsignifikanten Progredienz (Bl. 1261 VwA) eine unfallbedingte Hörminderung für nicht nachvollziehbar hielt und den Verdacht einer psychogenen Hörstörung, die er mit der MdE um 20 v. H. auf neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet als ausreichend mitberücksichtigt erachtete, äußerte (Bl. 1262 VwA).
Auf Veranlassung der Beklagten begutachtete die Neurologin und Psychologin Dr. H. den Kläger im Januar 2013 erneut (Bl. 1229 ff. VwA), diagnostizierte unfallbedingt weiterhin eine Anpassungsstörung mit emotionaler Symptomatik sowie eine Somatisierungsstörung und bestätigte - unter Würdigung der unfallunabhängigen neurotischen Anteile - auf ihrem Fachgebiet eine MdE um 20 v. H.
Mit Bescheid vom 11.04.2013 (Bl. 1293 VwA) bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 20 v. H. anstelle der vorläufigen Entschädigung. Den hiergegen erhobenen Widerspruch, mit dem der Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE um 100 v. H. geltend machte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.2013 zurück.
Mit seiner hiergegen am 18.06.2013 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage (S 1 U 4012/13) hat der Kläger dieses Begehren weiterverfolgt. Das SG hat die Klage - nach Vorlage weiterer Behandlungsberichte des Dipl.-Psych. G. (Bl. 49, 65 SG-Akte) und des Neurologen und Psychologen Dr. A. (Bl. 62 SG-Akte) durch die Beklagte - mit Urteil vom 29.07.2015 abgewiesen.
Gegen das ihm am 11.08.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.08.2015 Berufung beim LSG Baden-Württemberg mit der Begründung eingelegt, das SG habe unzureichend zu den unfallbedingten, insbesondere psychischen Auswirkungen ermittelt. Ergänzend hat er aktuelle Behandlungsberichte des Dipl.- Psych. G. vorgelegt (Bl. 81 f., 117 f., 165 f. LSG-Akte).
Der Senat hat den Kläger im März 2016 von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. Dr. W. begutachten lassen, der Restsymptome einer PTBS mit spezifischen Ängsten, gelegentlich spezifischen Albträumen, pathologischen Wiedererinnerungen sowie auch leichtgradigen depressiven Symptomen, eine ausgeprägte Somatisierungsstörung sowie einen medikamenteninduzierten Kopfschmerz auf dem Boden einer gemischten "sensitiven" Persönlichkeitsstörung diagnostiziert hat (Bl. 76 LSG-Akte). Nur die spezifischen Traumafolgen ließen sich auf das Unfallereignis zurückführen. Die vordergründige Somatisierungsstörung, einschließlich der Kopfschmerzsymptomatik sei in überwiegendem Maße nicht unfallbedingten konkurrierenden Faktoren (Erkrankung der Ehefrau, Diagnose des Aortenaneurysmas) zuzuordnen (Bl. 76 LSG-Akte). Die unfallbedingte MdE hat er mit 15 bis 20 v. H. eingeschätzt und die Bewertung von Dr. H. als schlüssig erachtet (Bl. 77 LSG-Akte).
Auf Antrag und Kosten des Klägers hat der Senat den Facharzt u. a. für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. mit der Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens beauftragt. Zum ersten Begutachtungstermin (Januar 2017) hat Dr. N. mitgeteilt, dass eine ordentliche testpsychologische Untersuchung des Klägers wegen dessen - nicht vorbekannter - paranoider Wahrnehmungen habe abgebrochen werden müssen (Bl. 120 LSG-Akte). Daraufhin hat der Senat einen aktuellen Befund beim behandelnden Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. A. eingeholt, der eine paranoide Entwicklung i. S. einer paranoiden Psychose diagnostiziert hat (Bl. 126 LSG-Akte). Trotz Verabreichung eines Neuroleptikums sei es zu keiner Besserung der Symptomatik gekommen. Ein MRT des Schädels habe keine hirnorganische Ursache ergeben.
Im zweiten Begutachtungstermin (Juli 2017) hat Dr. N. die Diagnose einer (aktuell akuten) paranoiden Psychose gestellt und daher die durchgeführte psychologische Testung für nicht verwertbar erachtet. Da sich die psychische Gesamtsituation trotz medikamentöser Behandlung nicht gebessert hat, ist ein neuer Begutachtungstermin nicht vereinbart worden. Die Entwicklung einer Psychose im ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfall hat Dr. N. als eher unwahrscheinlich erachtet, weil der Unfall zeitlich weit zurückliege und MRT-Untersuchungen kein bildmorphologisches Korrelat ergeben hätten (Bl. 154 LSG-Akte). Zu etwaigen Unfallfolgen könne mangels Testungsfähigkeit des Klägers keine definitive Aussage getroffen werden. Zwar bestünden mögliche Anhaltspunkte für eine unfallbedingte hirnorganische Schädigung (Unfallmechanik, Ergebnisbericht der E. S. mit schon damals bestehenden intellektuellen Einschränkungen), allerdings seien diese auf Grund der floriden Psychose derzeit nicht verifizierbar. Ausgehend von den diagnostischen Einordnungen von Prof. Dr. Dr. W. werde der dortigen MdE-Bewertung zugestimmt.
Zu den Ausführungen von Dr. N. trägt der Kläger vor, dass sich bereits im Testbericht der E. S. Einschränkungen der intellektuellen Leistungsfähigkeit gezeigt hätten, was eine unfallbedingte Hirnschädigung vermuten lasse. Auch liege nunmehr (nach dem Gutachten von Dr. N.) eine unfallbedingte paranoide Psychose vor, so dass die Beklagte verpflichtet sei, einen Zusammenhang zwischen dem Unfall und Gesundheitsfolgen differentialdiagnostisch noch weiter zu erfassen. Auch Dr. B. (beratungsärztliche Stellungnahme Bl. 509 VwA) und Prof. Dr. T. (beratungsärztliche Stellungnahme Bl. 212 VwA) hätten ein unfallbedingtes Schädel-Hirn-Trauma nicht ausgeschlossen. Vor dem Unfall sei er ein lebhafter und fröhlicher Mensch ohne Einschränkungen und Vorerkrankungen gewesen.
Der Kläger beantragt (Schriftsatz vom 20.11.2015 und vom 08.10.2017, sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29.07.2015, Az: S 1 U 4012/13 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 11.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2013 zu verurteilen, ihm Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 100 v. H. zu zahlen,
hilfsweise den Bescheid vom 11.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2013 aufzuheben und das Verfahren zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an die Beklagte zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 11.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2013 über die Gewährung einer Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 20 v. H. Hiergegen wendet sich der Kläger zulässigerweise mit seiner kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 31.10.2007, B 2 U 4/06 R, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 5).
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 11.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht wegen der Folgen des am 06.06.2010 erlittenen Arbeitsunfalls keine Verletztenrente nach einer MdE um mehr als 20 v. H. zu.
Rechtsgrundlage des klägerischen Begehrens auf höhere Verletztenrente ist § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird Vollrente geleistet, bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wird Teilrente in Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente geleistet, der dem Grad der MdE entspricht (§ 56 Abs. 3 SGB VII).
Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).
Der Kläger erlitt am 26.06.2010 einen Arbeitsunfall in diesem Sinn, als er bei Montagearbeiten ca. zwei bis drei Meter tief abstürzte, bevor er sich an parallel verlaufenden Rohrleitungen festhalten konnte. Dadurch erlitt er multiple Kontusionen und Schürfungen (im einzelnen Entlassungsanzeige des CTK Cottbus, vgl. Bl. 341 VwA). Dieser Unfallhergang ergibt sich für den Senat aus den übereinstimmenden frühen Angaben des Klägers (Bl. 359, 463, 628 VwA) und der Unfallanzeige des Arbeitgebers (Bl. 461 VwA). Das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Streitig ist lediglich, ob weitere als die von der Beklagten bisher berücksichtigten Unfallfolgen vorliegen und die Unfallfolgen die Bemessung mit einer MdE um mehr als 20 v. H. rechtfertigen. Dies ist nicht der Fall.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Hat ein Arbeitsunfall Schäden an mehreren Körperteilen gebracht, so ist die MdE im Ganzen zu würdigen. Dabei ist entscheidend eine "Gesamtschau" der "Gesamteinwirkung" aller einzelnen Schäden auf die Erwerbsfähigkeit (BSG, Beschluss vom 24.11.1988, 2 BU 139/88 unter Hinweis auf Rechtsprechung zum Schwerbehindertenrecht). Dementsprechend sind mathematische Formeln kein rechtlich zulässiges oder gar gebotenes Beurteilungsmittel zur Feststellung der Gesamt-MdE (BSG, Urteil vom 15.03.1979, 9 RVs 6/77 in SozR 3870 § 3 Nr. 4), vielmehr muss bei der Gesamtbeurteilung bemessen werden, wie im Einzelfall die durch alle Störungen bedingten Funktionsausfälle, teilweise einander verstärkend, gemeinsam die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigen (BSG, a. a. O.).
In Anwendung dieser Grundsätze hat das SG unter Bezugnahme auf die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten der Neurologin und Psychiaterin Dr. H. (Gutachten vom 15.02.2011, Bl. 627 ff. VwA und vom 22.02.2013, Bl. 1229 ff. VwA), des Orthopäden Prof. Dr. K. (Gutachten vom 23.05.2011, Bl. 750 ff. VwA) und des HNO-Arztes Dr. Z. (Gutachten vom 10.03.2013, Bl. 1253 ff. VwA) zutreffend entschieden, dass die als Folgen des Unfalls vom 26.06.2010 verbleibenden funktionellen Beeinträchtigungen nicht mit einer höheren MdE als 20 v. H. zu bewerten sind.
Hinsichtlich der unfallbedingten orthopädischen Beschwerden (HWS-Distorsion, Schulterprellung links, Prellung des lumbosakralen Übergangs) ist das SG zutreffend von einer Ausheilung dieser Unfallfolgen (nach drei Monaten, Bl. 758 VwA) ausgegangen und hat eine daraus resultierende MdE verneint. Der Senat sieht deshalb insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass Prof. Dr. K. bei der Untersuchung des Klägers (im April 2011) eine freie Beweglichkeit der HWS (Inklination/Reklination 40-0-60°, re/li/Seitrotation 70-0-70°, re/li/Seitneigung 30-0-30°, Bl. 754 VwA) sowie eine unkompromittierte Beweglichkeit der BWS/LWS (re/li/Seitrotation 30-0-30°; re/li/Seitneigung 30-0-30°, differenzierte Geh- und Stehbilder können ausgeführt werden, tiefe Hocke ist möglich, Bl. 754 VwA) befundete. Die festgestellte Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk (Abduktion bis 45°, Elevation bis 100°, Retroversion bis 30°, Bl. 754 VwA), die sich röntgenologisch als milde Omarthrose darstellte, sah er als nicht unfallbedingt an, da das unfallnah angefertigte MRT (vom 09.07.2010) lediglich Prellungszeichen der Sehnen, jedoch kein Knochenmarksödem in den knöchernen Strukturen von Humeruskopf und Glenoid beschrieben hatte. Der Senat sieht keine Veranlassung, diese Ausführungen in Zweifel zu ziehen, zumal der Kläger auch keine anhaltenden unfallbedingten orthopädischen Beschwerden mehr behauptet.
Zur Überzeugung des Senats bedingen auch die Hörstörungen keine berücksichtigungsfähige MdE, worauf das SG bereits zutreffend hingewiesen hat. Auf der Grundlage der gutachterlichen Ausführungen von Dr. Z. vermag der Senat einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der festgestellten Hörminderung/ Ohrgeräusche nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit festzustellen.
Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob neben der versicherten Ursache weitere Ursachen im naturwissenschaftlichen Sinn (erste Stufe) zum Gesundheitsschaden beitrugen. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.
Hiervon ausgehend vermag sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass die geltend gemachte Hörminderung mit Wahrscheinlichkeit Folge des streitigen Arbeitsunfalles ist. Unter Berücksichtigung der Beschwerdeschilderungen des Klägers (Bemerken einer Hörminderung links ca. 1,5 Monate nach dem Unfall, Bl. 546 VwA), den HNO-ärztlichen Befunden im Verlauf (Dr. O. Befund Oktober 2010: rechts annähernde Normalhörigkeit, links bei etwa 40 dB pancochleär verlaufende Hörminderung, Bl. 62, 213 VwA; Befund August 2011: nahezu identischer Hörverlust beidseits für durchschnittlich 40 dB, Bl. 1272 VwA; Befund 05.03.2013: nahezu identischer Hörverlust beidseits für durchschnittlich 50 dB, Bl. 1250 VwA) und den von ihm selbst erhobenen Befunden (Befund am 10.03.2013: Hörschwelle links bei 4 kHz bei 70 dB, Bl.1264 VwA) verneinte Dr. Z. einen unfallbedingten Zusammenhang. Er ging davon aus, dass eine Hörminderung, die auf ein stumpfes Kopftrauma zurückzuführen ist, sofort in vollem Umfang vorliegt, worauf bereits der beratende Arzt Prof. Dr. T. hingewiesen hatte (Bl. 215 VwA). Nach den Ausführungen von Dr. Z. gilt dies ebenso für eine zervikal bedingte Hörminderung. Unter Auswertung der unfallzeitnahen Arztberichte, in denen keine Hörstörung dokumentiert ist, bestehen für die Annahme einer unmittelbar nach dem Unfall vorhandenen Hörminderung keine Anknüpfungspunkte. Im Hinblick auf die erlittene HWS-Distorsion wies Dr. Z. zudem darauf hin, dass ein damit verbundener etwaiger Haarzellschaden mit Untergang von Sinneszellen im Innenohr nicht erklärbar (Bl. 1260 VwA) ist. Auch die massive, objektiv nicht erklärbare Progredienz sowie die zeitliche Latenz sprechen aus medizinsicher Sicht - so Dr. Z. - gegen einen im Wesentlichen unfallbedingten Organbefund (Bl. 1261 VwA). Hinsichtlich des beklagten Tinnitus, der als wechselndes Brummen und Zischen angegeben wurde, gilt Ähnliches. Auch dieses Hörgeräusch bemerkte der Kläger nicht unmittelbar nach dem Unfall (Angaben gegenüber Dr. Z. , Bl. 1255 VwA), was - wie bei der Hörstörung - gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht. Im Übrigen waren die Ohrgeräusche in der durchgeführten Tinnitusanalyse nicht ermittelbar (Bl. 1258 VwA), so dass ihr Vorliegen nicht erwiesen ist. Schließlich würde sich hieraus bei fehlenden funktionellen Einschränkungen auch keine MdE ergeben, worauf Prof. Dr. T. zutreffend hingewiesen hat. Der Senat teilt diese Einschätzung. Soweit der beratende Arzt Prof. Dr. T. in seiner Stellungnahme nach Aktenlage die vordiagnostizierte Hörstörung als zur erlittenen HWS-Distorsion passend ansah und hieraus eine MdE von 10 v. H. folgerte, überzeugt dies den Senat nicht. Prof. Dr. T. hat eingeräumt, dass mangels Voraudiogramm nicht mit letzter Sicherheit ein Vorschaden ausgeschlossen werden könne und der zeitliche Versatz der Hörminderung relativ groß sei. Zudem war Prof. Dr. T. nicht bekannt, dass sich nachträglich auch auf dem rechten Ohr eine Hörminderung einstellte und sich das Hörvermögen beidseits nach den Verlaufsaudiogrammen massiv verschlechterte, was Dr. Z. als maßgebenden gegen einen Ursachenzusammenhang sprechenden Umstand anführte.
Die beklagten urologischen Beschwerden - Harndrangsymptomatik und erektile Dysfunktion - bedingen zur Überzeugung des Senats keine MdE. Der vom Kläger konsultierte Urologe Dr. S. fand in seinen Untersuchungen keine Hinweise auf eine andauernde unfallbedingte Restsymptomatik (gut überstandene Becken- und Nierenprellung). Die geschilderte Harndrangsymptomatik ließ sich durch die erhobenen Befunde nicht objektivieren (Laborbefund: völlig unauffälliger Harnstatus, Sediment ohne zelluläre Bestandteile, Retentionswerte, kleines Blutbild und Testosteronwert unauffällig, Nierenlager beidseits frei, Genitale unauffällig, Prostata unauffällig, Bl. 496 VwA), so dass insoweit bereits keine Gesundheitsstörung nachgewiesen ist. Auch für eine erektile Dysfunktion fand Dr. S. keine organische Ursache. Soweit Dr. S. die erektile Dysfunktion als psychogen bedingt ansah, wertete auch Dr. H. diese als unfallbedingt (Libidoverlust, Bl. 649 VwA) und berücksichtigte sie angemessen bei ihrer MdE-Bewertung (Somatisierungsstörung in mittelgradiger Ausprägung, Bl. 654 VwA).
Der Senat vermag auch für die vom Kläger angeführten kardiologischen Beschwerden - Atemnot, Herzschmerzen, Aortenaneurysma - wegen des fehlenden naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhangs zwischen dem Unfall und der kardiologischen Erkrankungen keine unfallbedingte MdE anzunehmen. Hierbei stützt er sich auf die Ausführungen des Kardiologen Prof. Dr. S. , der alle kardiologischen Beschwerden als nicht unfallbedingt erachtete. Er führte an, dass die angeborene bikuspide Aortenklappe häufig mit einer Aorta ascendens assoziiere, weshalb er davon ausing, dass das Aneurysma bereits vor dem Unfall bestand. Hinsichtlich der beklagten brennenden thorakalen Schmerzen äußerte er den Verdacht auf eine nicht unfallbedingte koronare Funktionsstörung.
Schließlich rechtfertigen die vom Kläger angeführten Augenbeschwerden - schlechteres Sehen links und Fremdkörpergefühl - und die während einer stationären Behandlung der psychischen Unfallfolgen erlittene Augenverletzung - contusio bulbi mit Monokelhämatom - (vgl. hierzu § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII: mittelbare Unfallfolgen) keine MdE. Hierbei stützt sich der Senat auf die Ausführungen des Gutachters Dr. W. , der bei der Untersuchung des Klägers im Dezember 2011 unfallbedingt lediglich noch eine kleine Narbe unterhalb der rechten Augenbraue (als Rest eines Hämatoms), resultierend aus dem Sturz während der Rehabehandlung im Mai 2011, feststellen konnte (im Übrigen freie Beweglichkeit in allen Blickrichtungen, beidäugiges Simultansehen nachweisbar, Bl. 298 VwA) und die MdE durchgehend mit unter 10 v. H. bewertete. Soweit der Kläger bei der Untersuchung von einem seit 2010 bestehenden Fremdkörpergefühl im linken Auge und einer Sehverschlechterung links berichtete, schloss Dr. W. einen Fremdkörper im linken Auge, wie vorhergehend bereits Dr. P.-K. (augenärztliche Untersuchung im Oktober 2010: vorderer Augenabschnitt subtarsal kein Fremdkörper, Bl. 474 VwA), aus. In Bezug auf die Sehschärfe erhob Dr. W. nahezu seitengleiche Befunde (links geringfügig schlechter), und er sah hierfür ausschließlich unfallunabhängige Ursachen (Bl. 299 VwA). Dem schließt sich der Senat an.
In Übereinstimmung mit dem SG geht auch der Senat davon aus, dass die Beklagte die unfallbedingten Funktionsbeeinträchtigungen auf neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet zutreffend und umfassend mit einer MdE um 20 v. H. bewertete. Unter Würdigung der gutachterlichen Ausführungen von Dr. H. (Gutachten aus Februar 2011 und Februar 2013, Bl. 627 ff, 1229 ff. VwA) hat das SG zutreffend ausgeführt, dass das Beschwerdebild des Klägers neben unfallbedingten Störungen (Anpassungsstörung, Angst- und Vermeidungsverhalten, sozialer Rückzug, depressive Symptomatik) durch eine Reihe unfallunabhängiger Persönlichkeitsauffälligkeiten (leicht narzisstisch geprägte Persönlichkeit mit vermehrter Kränkbarkeit, erhöhter Vulnerabilität und angestrengter Introspektionsfähigkeit) und unfallunabhängigen Ängsten (Diagnose eines größenprogredienten Aortenaneurysmas mit entsprechenden Zukunftsängsten) geprägt und aufrechterhalten wird und ein stark ausgeprägtes Störungsbild, das eine höhere MdE rechtfertigen könnte, nicht vorliegt. Der Senat sieht deshalb auch insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Ergänzend stützt sich der Senat auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W. , der zwar abweichend von Dr. H. Restsymptome einer PTBS (anstelle einer Anpassungsstörung) diagnostiziert hat, jedoch in Übereinstimmung mit Dr. H. zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der weitaus größere Teil des "dysfunktionellen Verhaltens" (Somatisierungsstörung mit hypochondrischen Ängsten und körperlich-psychischen Symptomen, Bl. 75 LSG-Akte) keinesfalls unfallbedingt ist. In diesem Zusammenhang hat er ausgeführt, dass konkurrierenden Problemen (u. a. Erkrankung der Ehefrau und vor allem die bedrohliche Diagnose des Aortenaneurysmas) bei Weitem eine überwiegende Bedeutung zukommt. Dies steht in Einklang mit den anamnestischen Erhebungen, nach denen der Kläger als aktuelle Beschwerden u. a. die Angst vor dem OP-Risiko (Bl. 64 LSG-Akte) und Probleme in der Familie (Bl. 64 LSG-Akte) geschildert hat. Auch in den Berichten des behandelnden Dipl.-Psych. G. (Bl. 49, 65 Rückseite SG-Akte, Bl. 81, 118 Rückseite LSG-Akte) werden eine erhöhte Reizbarkeit im Umgang mit der Familie, Ängste und Sorgen wegen der erkrankten Ehefrau, Ängste vor Vergrößerung des Aortenaneurysmas und Zukunftsängste als zentrale, die Therapie zur Überwindung der unfallbedingten Höhenangst überlagernde Belastungsfaktoren beschrieben. Hinsichtlich der unfallbezogenen MdE-Bewertung (20 v. H.) stimmt Prof. Dr. Dr. W. der Einschätzung von Dr. H. zu. Auch der auf Veranlassung und Kosten des Klägers beauftragte Sachverständige Dr. N. bestätigt die gutachterliche Einschätzung (einschließlich der MdE-Bewertung) von Prof. Dr. Dr. W. , soweit dieser als Grunderkrankung eine PTBS zu Grunde gelegt hat. Der Senat sieht sich in Anbetracht dessen, nicht veranlasst, die MdE-Bewertung in Zweifel zu ziehen.
Die Gewährung einer höheren Verletztenrente ist auch nicht vor dem Hintergrund der im Laufe des Berufungsverfahrens diagnostizierten paranoiden Psychose gerechtfertigt, denn diese stellt zur Überzeugung des Senats keine Unfallfolge dar. Nach den gutachterlichen Ausführungen von Dr. N. entwickelte sich das psychotische Krankheitsbild mit einer zeitlichen Latenz zum Unfallereignis von ca. sieben Jahren. Entsprechende Symptome, die auf den Unfall zurückzuführen sind, hätten nach den Ausführungen des Sachverständigen erfahrungsgemäß deutlich früher vorliegen müssen. Auch die im Zusammenhang mit dem Unfallereignis angefertigten MRT-Aufnahmen (Bl. 180 VwA) zeigten diesbezüglich kein morphologisches Korrelat. Einen Ursachenzusammenhang hält Dr. N. daher für eher unwahrscheinlich. Die entgegenstehende, nicht begründete Behauptung des Klägers, die Psychose sei unfallbedingt (Bl. 160 LSG-Akte), trifft somit nicht zu.
Darüber hinaus folgt der Senat der Behauptung des Klägers, durch den Unfall eine hirnorganische Schädigung (Schädel-Hirn-Trauma) mit daraus resultierenden Hirnleistungseinschränkungen erlitten zu haben, nicht.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Gesundheitsschaden geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können; sie müssen daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 20.12.2016, B 2 U 16/15 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 60). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
In Anwendung dieser Grundsätze sieht der Senat den erforderlichen Vollbeweis dafür, dass der Kläger bei dem Sturz vom Baugerüst ein nach Dr. N. möglicherweise Hirnleistungsstörungen auslösendes Schädel-Hirn-Trauma erlitten hat, als nicht erbracht an. Aus dem während der stationären Akutbehandlung im CTK C. angefertigten Schädel-CT ergaben sich keine Hinweise auf traumatische Läsionen. Auch lagen keine Prellmarken im Kopfbereich vor, worauf Prof. Dr. T. zutreffend hinwies. Ein auf Grund persistierender Kopfschmerzen veranlasstes MRT-Neurocranium im Juni 2011 ergab keinen Hinweis auf eine intracranielle Blutung oder Traumafolge (Bl. 180 VwA). Der behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. A. fand im Juli 2010 keine Hinweise auf ein hirnorganisches Syndrom. Dr. Hund, die den Kläger als durchgehend konzentriert, ohne mnestische oder kognitive Störungen und ohne Auffassungsstörungen beschrieb, konnte in ihrer Begutachtung im Januar 2011 keine Hinweise auf ein stattgehabtes Hirn-Schädel-Trauma feststellen. Eine abweichende Beurteilung resultiert auch nicht aus den differentialdiagnostischen Überlegungen von Dr. N. , der aus dem Umstand, dass nach klägerischen Angaben der Helm kaputtgegangen sei, ein gravierenderes Unfallereignis - gerade für den Kopfbereich - ableitet. Hierzu ist anzumerken, dass der Kläger in vorangegangenen Unfallschilderungen übereinstimmend lediglich vom Verlust des Helmes während des Sturzes berichtet hat und unklar aber auch irrelevant ist, was mit dem Helm dann (etwa durch den Aufprall) passierte. Der Kläger selbst ist unstrittig nicht auf dem Boden aufgeschlagen, da es ihm gelang, sich rechtzeitig an Rohrleitungen festzuhalten. Soweit Dr. N. von den im Jahr 2011 beschriebenen kognitiven Minderleistungen (während der berufsfördernden Maßnahme in den E. S , Bl. 76 ff. VwA) auf ein relevantes unfallbedingtes hirnorganischen Geschehen schließt, stehen dieser Annahme die diesbezüglich unauffälligen objektiven Befunde (CT-Schädel und MRT-Neurocranium, keine Hinweise auf traumatische Läsionen, intracranielle Blutung oder Traumafolge, keine äußeren Kopfverletzungen) und die im Juli 2010 von Dr. A. und im Januar 2011 von Dr. H. erhobenen unauffälligen Befunde entgegen. Auch die beratungsärztlichen Stellungnahmen des Neurologen und Psychiaters Dr. B. (Bl. 509, 151 VwA) und des HNO-Arztes Prof. Dr. T. (Bl. 212 VwA) führen zu keiner abweichenden Kausalitätsbewertung durch den Senat. Dr. B. und Prof. Dr. T. bestätigten übereinstimmend, dass sich aus den durchgeführten Untersuchungen gerade keine Hinweise für eine Hirnverletzung ergaben (Bl. 151, 214 VwA). Prof. T. wertete dies zutreffend dahingehend, dass ein ins Gewicht fallendes Schädeltrauma nicht stattfand.
Soweit der Kläger im Berufungsverfahren vorgetragen hat, vor dem Unfall ein lebhafter und fröhlicher Mensch gewesen zu sein und die Beklagte für das Gegenteil beweispflichtig sei, ändert dies nichts an den im Unfallversicherungsrecht geltenden und bereits dargestellten Beweislastregeln, nach denen Nachweis- und Wahrscheinlichkeitsdefizite zu Lasten desjenigen Beteiligten gehen, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11). Vorliegend sieht der Senat nach den vorstehenden Ausführungen weder den Nachweis für das behauptete Schädel-Hirn-Trauma als erbracht an, noch kann im Hinblick auf das Erkrankungsbild der paranoiden Psychose der notwendige naturwissenschaftliche Kausalzusammenhang bejaht werden.
Soweit der Kläger die Zurückverweisung des Verfahrens an die Beklagte beantragt, ist dieser Antrag bereits aus Rechtsgründen unbegründet, da einer etwaigen Aufhebung der Verwaltungsentscheidung und Zurückverweisung an die Behörde nach § 131 Abs. 5 Abs. 1 SGG die Regelung des § 131 Abs. 5 S. 5 SGG entgegensteht. Danach kann eine Entscheidung nach § 131 Abs. 5 S. 1 SGG nur binnen sechs Monaten seit dem Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen. Vorliegend wurden die angeforderten Verwaltungsakten bereits am 02.08.2013 vollständig beim SG vorgelegt (vier Bände Verwaltungsakten, Bl. 20 SG-Akte), so dass die maßgebende Sechs-Monats-Frist für eine Entscheidung nach § 131 Abs. 5 S. 1 SGG bereits im Februar 2014 endete.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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