S 14 P 2053/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 P 2053/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§ 40 Abs. 4 Satz 1 SGB XI schließt eine Bezuschussung von wohnumfeldverbessernden Maßnahmen in Mietwohnungen auch dann nicht aus, wenn es sich um betreute Wohneinrichtungen, bzw. Wohnungen in Alten- oder Behindertenwohnheimen, in denen der Betroffene ein Mindestmaß an Selbständigkeit genießt und die keine Pflegeheime i.S.d. SGB XI sind, soweit die Bereitstellung der Wohnung in diesen Wohneinrichtungen nicht zur sozialrechtlichen Leistungserbringung gehört.
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 07.03.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2018 verurteilt, über den Antrag vom 26.02.2018 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu ent-scheiden. 2. Die Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer ablehnenden Entscheidung über die Gewährung eines Zuschusses für eine wohnumfeldverbessernde Maßnahme.

Die Klägerin bewohnt eine Wohnung in der "Seniorenwohnanlage XXXX" in XXXX. Die Seniorenwohnanlage wird von der AWO XXXX betrieben und versteht sich als alternative Wohnform, in welcher ein beschützter Wohnraum innerhalb einer Gemeinschaft und mit der Möglichkeit zur selbstständigen Lebens- und Haushaltsführung, gewährleistet wird.

Die Klägerin beantragte, vertreten durch ihren Schwiegersohn, am 28.02.2018 die Anpas-sung des Wohnumfeldes zur Ermöglichung der häuslichen Pflege bzw. zur Widerherstellung einer möglichst selbständigen Lebensführung. Der Gesundheitszustand habe sich verschlech-tert, es sei ein Umbau des Bades, konkret der Einbau einer Dusche notwendig. Das Bad verfüge nur über eine Badewanne, welche weder alleine noch mit Hilfe eines Badewannen-sitzes benutzt werden könne. Überlassen wurden Kostenvoranschläge von Sanitärbetrieben in Höhe von 2.574,08 Euro und in Höhe von 1.251,88 Euro sowie Lichtbilder des Bades.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 07.03.2018 ab. Voraussetzung für die Gewährung des Zuschusses sei die Verbesserung des häuslichen Umfeldes, also der selbst genutzten Wohnung bzw. Mietwohnung. Die Klägerin wohne in einem betreuten Wohnen im XXXXXX. Es handele sich um eine Wohneinrichtung, die vom Vermieter gewerbsmäßig an Pflegebedürftige vermietet werde. Eine Wohnung/ein Haushalt im geforderten Sinne liege daher nicht vor.

Hiergegen widersprach die Klägerin. Das XXXXX stelle keine Pflegeeinrichtung dar, son-dern vermiete Wohnungen an sozial schwach gestellte ältere Bürger. Es sei ein Nachweis über die finanzielle Situation erbracht worden. Pflegeleistungen biete das XXXX nicht an. Es könnten hier nur ältere Menschen wohnen, die noch in der Lage seien, einen eigenen Haushalt zu führen.

Mit Schreiben vom 14.03.2018 teilte die Beklagte mit, nach Information der AWO Senio-renwohnanlage XXXXXXXXX müsse die Klägerin eine Betreuungspauschale gemäß Be-treuungsvertrag der AWO Wohnanlage entrichten. Es handele sich also um eine Einrichtung für betreutes Wohnen.

Die Klägerin hielt an ihrem Widerspruch fest und überließ ihren Wohnraummietvertrag mit der XXXXXX. Dort wurde Bezug genommen auf einen "in eigener Urkunde abgeschlosse-ner Betreuungsvertrag", welcher Gegenstand des Mietvertrages sei. Für die dort ausgewie-senen Leistungen schulde der Mieter/Bewohner ein monatliches Entgelt in Höhe von 119,10 Euro. Die Klägerin habe die Wohnung über das Sozialamt XXXXX erhalten, was belege, dass diese Wohnungen nur aus finanziellen Aspekten vergeben würden. Die AWO selbst sei Mieter der Immobilie und stelle keinerlei Geld für Umbauten im Sinne des Sozialgesetzbu-ches zur Verfügung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.05.2018 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch dennoch zurück. Die Klägerin zahle eine Betreuungspauschale, also han-dele es sich um eine Einrichtung des betreuten Wohnens.

Hiergegen richtet sich die am 27.06.2018 zum Sozialgericht Karlsruhe erhobene Klage, mit welcher die Klägerin ihr Begehren fortführt. Sie hat ergänzend den Betreuungsvertrag vom 03.11.2017 vorgelegt. Dieser enthält auszugsweise folgende Regelungen:

3. Leistungen Der folgende Abschnitt beinhaltet Leistungen, die im Rahmen der monatlichen Be-treuungspauschale enthalten sind:

3.1. Informations- und Beratungsdienste Für die Beratung in allen sozialen Fragen sowie des Informationsaustausches steht den Mietern der Seniorenwohnanlage ein/e Ansprechpartner/in zu festgesetzten Zeiten zur Verfügung.

3.2. Soziale Dienste Die/der Ansprechpartner/in vermittelt und koordiniert Hilfen der verschiedensten Art: 1. Auskunft und Beratung in Fragen des täglichen Lebens durch Sprechstunden oder bei Bedarf mittels Hausbesuch. 2. Programmgestaltung und Durchführung von gemeinsamen Aktivitäten, wie z. B. Gedächtnistraining, Ausflüge, Angebote zur Freizeitgestaltung; entstehende Kosten werden auf die Teilnehmer umgelegt. 3. Organisation von Gottesdiensten 4. Hilfestellung beim Schriftverkehr 5. Organisation von hauswirtschaftlichen Hilfen 6. Vermittlung von Besuchsdiensten 7. Vermittlung von Mittagessen

3.3. Pflegerische Hilfen 1. Vermittlung von Heilhilfsmitteln nach ärztlicher Verordnung 2. Organisation der pflegerischen und ärztlichen Versorgung 3. Organisation von Hilfen an Wochenenden und Feiertagen 3.3.1. Bei einer kurzfristigen Erkrankung oder vorübergehender leichter Pflege wird pflege-rische Hilfe (Grundpflege) an bis zu 12 Kalendertagen im Kalenderjahr geleistet, so-fern kein Anspruch auf Kassenleistung besteht.

3.4. Notrufanlage ( )

4. Zusatzleistungen Gegen Einzelabrechnung sind folgende Zusatzleistungen durch den Mobilen Sozialen Dienst, die Aktion Nächstenhilfe und die Sozialstation der AWO oder andere Dienste möglich: 1. Hauswirtschaftliche Versorgung wie Wohnungsreinigung, Wäschedienst, Hausar-beiten, Einkauf usw. 2. Allgemeine Betreuungsdienste, wie Behördengänge, Besuchsdienste, Begleithilfen usw. 3. Essen auf Rädern 4. stationärer Mittagstisch 5. Pflegeleistungen für die Pflegegra-de 1 — 5 6. Grundpflege (Hilfen bei der Körperpflege und beim An- oder Auskleiden) 7. Behandlungspflege, die ärztlich verordnet werden muss (Einreibungen, Spritzen, Verbände ...) 8. Andere Dienstleistungen, die individuell nach Bedarf ermöglicht werden Dabei gelten die jeweils gültigen Preise der Dienste oder die mit den Kranken- und Pflegekassen vereinbarten Entgelte.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 07.03.2018 in der Gestalt des Wi-derspruchsbescheides vom 30.05.2018 zu verurteilen, über den Antrag vom 26.02.2018 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu ent-scheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Aus § 40 Abs. 4 SGB XI in Zusammenhang mit dem Gemeinsamen Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes zu den leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB XI vom 13.02.2018, dort Seite 203 f., ergebe sich, dass Bewohner in betreuten Wohneinrichtungen grundsätzlich von den streitigen Leistungen ausgeschlossen seien. Die Beklagte habe keine MDK-Stellungnahme bezüglich der beantragten wohnumfeldverbessernden Maßnahmen (bodenebene Dusche) eingeholt. Diesbezüglich sei hier keine Prüfung der Beklagten erfolgt.

Auf Anforderung der Kammer hat die Beklagte den Rahmenvertrag für vollstationäre Pflege gemäß § 75 Abs. 1 SGB XI für das Land Baden-Württemberg überlassen. Auf den Inhalt wird verwiesen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die von der Beklagten beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auf Neubescheidung unter Beach-tung der Rechtsauffassung des Gerichts gem. § 54 Abs. 1 i.V.m. § 131 Abs. 3 Sozialge-richtsgesetz (SGG) ist begründet. Der Bescheid vom 07.03.2018 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 30.05.2018 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rech-ten (§ 54 Abs. 2 SGG). Die Klägerin hat Anspruch auf Neubescheidung unter pflichtgemä-ßer Ermessensausübung durch die Beklagte (vgl. zur statthaften Klageart: Krauskopf, Sozia-le Krankenversicherung, Pflegeversicherung, SGB XI § 40 Rn. 64).

1. Anspruchsgrundlage für das vorliegende Begehren eines Zuschusses für den Badumbau stellt § 40 Abs. 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) in der Fassung vom 17.12.2014 dar. Demnach können die Pflegekassen subsidiär finanzielle Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen gewähren, beispielsweise für technische Hilfen im Haushalt, wenn dadurch im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbständi-ge Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederhergestellt wird. Nach § 40 Abs. 4 Satz 2 SGb XI dürfen die Zuschüsse einen Betrag in Höhe von 4.000, - Euro je Maßnahme nicht übersteigen.

Streitig ist vorliegend die Voraussetzung des Vorliegens eines "individuellen Wohnum-feldes" im Sinne des § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB XI. Die Beklagte ist der Auffassung, dass es sich bei der von der Klägerin bewohnten Wohnung im XXXXX nicht um ein von § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB XI umfasstes individuelles Wohnumfeld handelt, da die Klägerin eine Betreuungspauschale zahle und es sich aus diesem Grund bei der bewohnten Woh-nung um eine Einrichtung des betreuten Wohnens handele. Die Beklagte stützt sich zur Begründung ihrer Auffassung auf ein Gemeinsames Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes zu den leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB XI vom 13.02.2018, dort Seite 203 f. Demnach liegt eine Wohnung/Haushalt nicht vor in Alten- und Pflegeheimen sowie Wohneinrichtungen, die vom Vermieter gewerbsmäßig nur an Pflegebedürftige vermietet werden und in denen Leistungen angeboten oder gewährleistet werden, die dem im jeweiligen Rahmenvertrag nach § 75 Abs. 1 SGB XI für die vollsta-tionäre Pflege vereinbarten Leistungsumfang weitgehend entsprechen.

Nach § 40 Abs. 4 SGB XI steht die Gewährung von Zuschüssen zwar im Ermessen der Pflegekassen, wie sich hier aus dem Wortlaut "können gewähren" sowie daraus ergibt, dass die Höhe nicht vorgeschrieben, sondern nur nach oben begrenzt wird. Das Ermes-sen bezieht sich allerdings nicht schon darauf, was als "Maßnahme zur Verbesserung des Wohnumfeldes" anzusehen ist. Hierbei handelt es sich vielmehr um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der Überprüfung durch das Gericht unterliegt (BSG, Urteil vom 03. November 1999 – B 3 P 3/99 R –, SozR 3-3300 § 40 Nr. 1, juris Rn. 19). Wenn eine Maßnahme den beschriebenen Zielen des Gesetzes entspricht, hat die Pflegekasse kein Ermessen, eine Bezuschussung schon dem Grunde nach abzulehnen (BSG, a.a.o.). Ins-besondere haben die in Gemeinsamen Rundschreiben des GKV Spitzenverbandes zu den Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen nach § 40 Abs. 4 SGB XI aufgestellten Grundsätze keinen Einfluss auf das von der gesetzlichen Rege-lung verfolgte Ziel und können daher nicht als abschließend verstanden werden (vgl. BSG, a.a.o.).

2. Die Kammer kann sich der Auffassung der Beklagten nicht anschließen. Die bewohnte Wohnung der Klägerin stellt als Mietwohnung ein "individuelles Wohnumfeld" im Sinne des § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB XI dar. Ein wie von der Beklagten vorgenommener Aus-schluss ist dem Gesetz weder nach Wortlaut noch nach Sinn und Zweck zu entnehmen.

Als Maßnahmen des individuellen Wohnumfeldes bezuschusst werden können sowohl Maßnahmen an gemietetem Wohnraum oder am Eigentum des Pflegebedürftigen (Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, SGB XI § 40 Rn. 40). Das individuelle Wohnumfeld ist betroffen, wenn es sich um eine Maßnahme in der Wohnung des Pflegebedürftigen oder zumindest in dem Haushalt, in den er aufgenom-men ist und in dem er gepflegt werden soll, handelt (LSG SHS, Urteil vom 13.03.2009 - L 10 P 10/08 m.w.N.). Die Regelung ist Ausdruck des allgemeinen Vorrangs der häusli-chen Pflege vor der stationären Pflege (§ 3 SGB XI) und des Grundsatzes, dass die Leis-tungen der Pflegeversicherung dem Pflegebedürftigen helfen sollen, trotz des Pflegebe-darfs ein möglichst selbständiges und selbstbestimmtes Leben führen zu können (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB XI). Der Begriff des "individuellen Wohnumfeldes" des Pflegebedürf-tigen ist daher nicht auf die vorhandene Wohnung (Mietwohnung, Eigentumswohnung oder Eigenheim) begrenzt, sondern umfasst - in Abgrenzung zum dauerhaften Aufenthalt in einer stationären Einrichtung - jedes Wohnen in einem privaten häuslichen Bereich (BSG, Urteil vom 26. April 2001, B 3 P 24/00 R, SozR 3-3300 § 40 Nr. 5). Nach der wohl herrschenden Auffassung in der Kommentarliteratur, welcher sich die Kammer nach eigener Urteilsbildung vollumfänglich anschließt, können insbesondere auch Maß-nahmen in betreuten Wohneinrichtungen, Alten- oder Behindertenwohnheimen, in denen der Betroffene ein Mindestmaß an Selbständigkeit genießt und die keine Pflegeheime i.S.d. SGB XI sind, nach § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB XI bezuschusst werden, soweit die Be-reitstellung der Wohnung in diesen Wohneinrichtungen nicht zur sozialrechtlichen Leis-tungserbringung gehört (Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, SGB XI § 40 Rn. 42 m.w.N.; Udsching/Schütze/Lungstras SGB XI § 40 Rn. 33; BeckOK SozR/Streppel-Molitor SGB XI § 40 Rn. 40; Behrend in: Schlegel/Voelzke, ju-risPK-SGB XI, 2. Aufl. 2017, § 40 SGB XI, Rn. 32; Spickhoff/Udsching SGB XI § 40 Rn. 31).

Nach diesen Maßstäben hindert der Umstand, dass die Klägerin eine Wohnung in der sog. "Seniorenwohnanlage XXXX" bewohnt, eine Zuschussgewährung nicht bereits auf tatbestandlicher Ebene; vielmehr betrifft die in Rede stehende Maßnahme das individuel-le Wohnumfeld der Klägerin. Denn die Klägerin bewohnt - wie auch der Mietvertrag be-legt - eine private Mietwohnung. Dass es sich um eine Wohnung in einer Seniorenwohn-anlage handelt, in der die AWO gewisse Betreuungsleistungen anbietet, ändert hieran zur Überzeugung der Kammer nichts. Die angebotenen Betreuungsleistungen der AWO ma-chen die Wohnanlage nicht zu einem Pflegeheim. Insbesondere pflegerische Hilfen sind nach dem vorliegenden Betreuungsvertrag nicht zu erbringen. Bei der von der Klägerin in Anspruch genommenen Wohnform handelt es sich daher nicht um den dauerhaften Aufenthalt in einer stationären Einrichtung; vielmehr steht die selbstbestimmte und ak-tive Lebensgestaltung in der selbst genutzten Mietwohnung im Vordergrund. Nach den Maßstäben der zitierten Rechtsprechung des BSG muss deshalb davon ausgegangen werden, dass die Maßnahme das individuelle Wohnumfeld der Klägerin betrifft.

3. Soweit sich die Beklagte auf das Gemeinsamen Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes beruft, so kann dies nicht zu einem Ausschluss des hier maßgeblichen Wohnraumes führen.

Dem Wortlaut des § 40 Abs. 4 SGB XI ist kein Ausschluss für entsprechenden Wohn-raum zu entnehmen. Das Gemeinsame Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes ver-mag die gesetzliche Regelung nicht wirksam einzuschränken. Auch sind die Gerichte bei der Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen nicht an ein solches Rundschreiben gebunden. Im Übrigen widerspricht der pauschale Ausschluss entsprechender Wohn-formen dem gesetzgeberischen Willen, neue ambulante Wohnformen zu fördern (z.B. § 45e SGB XI, der in Abs. 1 Satz 1 ausdrücklich die Anwendbarkeit von § 40 Absatz 4 auf ambulant betreute Wohngruppen voraussetzt; § 38a SGB XI; zum gesetzgeberischen Ziel der Förderung alternativer Wohnformen insgesamt: BT-Drucksache 18/10707).

Die Auffassung der Beklagten ist darüber hinaus auch durch die Regelungen in dem be-nannten Gemeinsamen Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes nicht gestützt. Dieses sieht auf Seiten 203 ff. konkret vor, dass eine Wohnung/Haushalt nicht vorliege in Al-ten- und Pflegeheimen sowie Wohneinrichtungen, die vom Vermieter gewerbsmäßig nur an Pflegebedürftige vermietet werden und in denen Leistungen angeboten oder gewähr-leistet werden, die dem im jeweiligen Rahmenvertrag nach § 75 Abs. 1 SGB XI für die vollstationäre Pflege vereinbarten Leistungsumfang weitgehend entsprechen. Dem gel-tenden Rahmenvertrag für vollstationäre Pflege gemäß § 75 Abs. 1 SGB XI ist im Ab-schnitt I zu entnehmen, dass im Rahmen der vollstationären Pflege umfangreiche Pflege-leistungen (Hilfen bei der Körperpflege, Hilfen bei der Ernährung, Hilfen bei der Mobili-tät, Hilfen bei der persönlichen Lebensführung, Leistungen der sozialen Betreuung, Leis-tungen der medizinischen Behandlungspflege) zu erbringen sind. Entsprechende Leistun-gen/Hilfen sind nach dem vorliegenden Wohnraummietvertrag bzw. Betreuungsvertrag jedoch durch die AWO weder anzubieten noch zu gewährleisten. Insbesondere pflegeri-sche Hilfen sind nicht zu erbringen.

Der Beklagten steht somit nicht zu, die beantragte Bezuschussung schon dem Grunde nach abzulehnen, so dass die angefochtene Entscheidung rechtswidrig ist. Nachdem je-doch die Entscheidung über das "Ob" sowie die Höhe des Zuschusses im pflichtgemäßen Ermessen der Pflegekassen steht, hat die Klägerin gem. § 39 Abs. 1 Erstes Buch Sozial-gesetzbuch (SGB I) einen Anspruch auf (erneute) ermessensfehlerfreie Entscheidung durch die Beklagte.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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