L 3 R 387/17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 22 R 157/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 R 387/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beklagte erstattet der Klägerin deren notwendige außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung einer Rentennachzahlung.

Nachdem die Klägerin nach einem im Mai 2012 erlittenen Unfall zunächst von der Bahn-BKK Krankengeld, ab dem 01. Juli 2014 von der Beigeladenen Arbeitslosengeld und vom JobCenter B ergänzend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den Vorschriften des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB II) bezogen hatte, gewährte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 27. März 2015 rückwirkend ab dem 01. Dezember 2012 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Als Nachzahlung für die Zeit vom 01. Dezember 2012 bis zum 30. April 2015 wies sie als – wegen möglicher Erstattungsansprüche anderer Sozialleistungsträger vorläufig nicht auszuzahlenden - Nachzahlungsbetrag 18.137,91 EUR aus. Im bereits am 25. September 2014 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben der Beigeladenen vom 03. September 2014 heißt es:

"(die Klägerin) hat am 01. Juli 2014 Arbeitslosengeld beantragt.

Nach meinen Feststellungen reicht ihr Leistungsvermögen für eine Beschäftigung von mindesten 15 Stunden wöchentlich nicht mehr aus.

Leistungen zur Rehabilitation bzw. eine Rente wegen Erwerbsminderung wurden bereits beantragt

Bitte prüfen Sie, ob Leistungen zur Rehabilitation in Betracht kommen oder eine Erwerbsminderung vorliegt, und geben Sie mir Ihre Entscheidung bekannt. Falls Ihre Einschätzung zum Leistungsvermögen von meinen Feststellungen abweicht, stimmen Sie sich bitte vor Ihrer Entscheidung mit dem Arzt der Agentur für Arbeit ab.

Bei Feststellung einer Erwerbsminderung bitte ich um Mitteilung, ob das verbleibende Leistungsvermögen infolge der Erwerbsminderung nur noch Beschäftigungen mit einem Umfang von weniger als 15 Stunden wöchentlich oder mindestens 15 bis unter 30 Stunden wöchentlich zulässt.

Bitte informieren Sie mich, wenn Sie Leistungen zur Rehabilitation bewilligen oder eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung. Bei Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung bitte ich Sie, in Ihre Mitteilung einen Hinweis aufzunehmen, ob das der Rentenbewilligung zugrunde liegende Leistungsvermögen nur noch Beschäftigungen mit einem Umfang von weniger als 15 Stunden wöchentlich oder mindestens 15 bis unter 30 Stunden wöchentlich zulässt. Bitte beachten Sie meinen Erstattungsanspruch nach § 145 Abs. 3 SGB III bzw. § 156 Abs. 2 SGB III in Verbindung mit § 103 des SGB X. Der Erstattungsanspruch schließt auch die von mir entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ein (§ 335 Abs. 2 SGB III).

Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht, wenn (die Klägerin) ihren Mitwirkungspflichten nicht nachkommt "

Nachdem die Beklagte zwischenzeitlich von der Bahn-BKK und vom JobCenter B geltend gemachte Erstattungsansprüche abgerechnet hatte, teilte sie der Klägerin mit Schreiben vom 11. Mai 2015 eben dies und den hiernach an sie zu überweisenden Rentennachzahlungsbetrag von 3.987,16 EUR mit. Es kam sodann zur Auszahlung dieses Betrags an die Klägerin.

Mit Schreiben vom 17. Juni 2015 machte die Beigeladene der Beklagten gegenüber einen Erstattungsanspruch für das der Klägerin vom 01. Juli 2014 bis zum 20. April 2015 in Höhe von 5.462,51 EUR gezahlte Arbeitslosengeld zuzüglich der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung geltend. Daraufhin rechnete die Beklagte mit der Beigeladenen ab, forderte vom JobCenter einen Teil des an ihn bereits ausgezahlten Erstattungsbetrag zurück und hörte die Klägerin mit Schreiben vom 22. Juli und 12. August 2015 zur beabsichtigten Rückforderung von 3.333,50 EUR an. Es handele sich hierbei um zu Unrecht erbrachte Leistungen, die nach § 50 Abs. 2 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) zu erstatten seien.

Mit Bescheid vom 14. September 2015 forderte die Beklagte von der Klägerin die Erstattung von 3.333,50 EUR. Hiergegen erhob die Klägerin am 24. September 2015 Widerspruch. Mit Bescheid vom 21. Dezember 2015 ermäßigte die Beklagte den Erstattungsbetrag auf 2.500,12 EUR und verwies zur Begründung auf ihr Mitverschulden bzgl. der voreiligen Auszahlung der Rentennachzahlung. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. März 2016 wies die Beklagte den im Übrigen aufrecht erhaltenen Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück.

Die Klägerin hat ihr Begehren mit der am 07. April 2016 zum Sozialgericht Frankfurt (Oder) (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt und sich auf Vertrauensschutz sowie auf den Verbrauch der Rentennachzahlung berufen. Das SG hat der Klage mit Urteil vom 29. März 2017 stattgegeben und die Bescheide der Beklagten vom 14. September 2015 und 21. Dezember 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 16. März 2016 aufgehoben. Es hat im Wesentlichen zur Begründung ausgeführt, dass die Voraussetzungen von § 50 Abs. 2 SGB X nicht vorlägen, weil vorliegend nicht Leistungen zu Unrecht erbracht worden seien. Denn die sich aus § 107 SGB X ergebende Erfüllungsfiktion sei im Zeitpunkt der Auszahlung der Rentennachzahlung an die Klägerin noch nicht eingetreten gewesen. Die Beigeladene habe gegen die Beklagte damals keinen Erstattungsanspruch gehabt, weil die Beklagte geleistet habe, bevor sie Kenntnis von der Leistung erhalten habe. Die Erstattungsanzeige der Beigeladenen vom 03. September 2014 sei nicht vor dem 11. Mai 2015 bei der Beklagten eingegangen. Das Kommunikationsdefizit zwischen der Beklagten und der Beigeladenen hätte zudem in die Ermessensabwägung der Beklagten mit eingestellt werden müssen. Dies sei nicht geschehen und deshalb auch ein Ermessensfehlgebrauch gegeben.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 10. April 2017 zugestellte Urteil am 09. Mai 2017 Berufung eingelegt und darauf verwiesen, dass das Schreiben der Beigeladenen vom 03. September 2014 sehr wohl vor der Auszahlung der Rentennachzahlung an die Klägerin bei ihr eingegangen sei, so dass auch die Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X eingetreten sei. Das Schreiben vom 03. September 2014 habe bei ihr zu einer positiven Kenntnis von der Arbeitslosengeldgewährung der Beigeladenen geführt. Die vom Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 19. März 1992 vertretene Rechtsansicht, dass die Kenntnis im Sinne der §§ 103 ff. SGB X voraussetze, dass der um Erstattung ersuchte Leistungsträger wisse, welche Leistungen der andere Leistungsträger für welche Zeiträume und in welcher Höhe erbracht habe, werde nicht geteilt. Diese Rechtsauffassung stehe im Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers. Vielmehr sei der Auffassung des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg in dessen Urteil vom 22. Januar 2009 – L 31 U 398/08 – zu folgen, wonach die vom BSG gestellten Anforderungen an die Kenntnis nur bei laufenden Sozialleistungen, nicht aber in Fällen gälten, wo es um die Frage gehe, ob ein um Erstattung ersuchter Leistungsträger berechtigt gewesen sei, eine Nachzahlung mit befreiender Wirkung gegenüber einem um Erstattung ersuchenden Sozialleistungsträger an den Leistungsberechtigte auszuzahlen. In solchen Fällen müsse es ausreichen, dass der um Erstattung ersuchende Leistungsträger zunächst nur anzeige, dass ein Erstattungsanspruch dem Grund nach bestehe und dieser später beziffert werde. Es sei hingegen nicht erforderlich, dass bereits die konkrete Leistungshöhe mitgeteilt werde.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 29. März 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag und schließt sich dem Vorbringen der Beklagten an.

Die Beteiligten haben im Erörterungstermin vom 12. September 2018 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Berichterstatter kann, weil die vorliegende Streitsache weder besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist noch von grundsätzlicher Bedeutung ist, in Ausübung des insofern eröffneten richterlichen Ermessens anstelle des Senats im schriftlichen Verfahren ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben, vgl. §§ 155 Abs. 3 und 4, 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des SG vom 29. März 2017 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das SG hat im Ergebnis zu Recht der Klage stattgegeben und die Bescheide der Beklagten vom 14. September 2015 und 21. Dezember 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 16. März 2016 aufgehoben. Die Voraussetzungen der hier einzig in Betracht kommenden Ermächtigungsgrundlage aus § 50 Abs. 2 SGB X liegen nicht vor. Diese Vorschrift bestimmt, dass, soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, diese zu erstatten sind (Satz 1) und §§ 45 und 48 entsprechend gelten (Satz 2).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Denn vorliegend wurden keine Leistungen (ohne Verwaltungsakt) zu Unrecht erbracht. Vielmehr zahlte die Beklagte die mit dem Rentenbescheid vom 27. März 2015 bindend festgestellte Rentennachzahlung in Höhe von 3.987,16 EUR zu Recht an die Klägerin aus. Insbesondere galt der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Auszahlung dieses Betrags nicht gemäß § 107 Abs. 1 SGB X als erfüllt. Dies ist nach dieser Vorschrift nur der Fall, soweit ein Erstattungsanspruch eines anderen Leistungsträgers bestand.

Ein Erstattungsanspruch der Beigeladenen gegen die Beklagte lag nicht vor. Soweit ein solcher hier einzig aus § 145 Abs. 3 S. 1 des Dritten Buchs des Sozialgesetzbuchs i.V.m. § 103 Abs. 1 SGB X in Betracht kam, liegen die Voraussetzungen nicht vor. § 103 Abs. 1 SGB X bestimmt, dass, wenn ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat und der Anspruch auf diese nachträglich ganz oder teilweise entfallen ist, der für die entsprechende Leistung zuständige Leistungsträger erstattungspflichtig ist, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat.

Vorliegend scheitert der Erstattungsanspruch daran, dass die Beklagte bereits geleistet hatte, bevor sie von der Leistung der Beigeladenen Kenntnis erlangte. Da sich ein Erstattungsanspruch aus § 103 ff. SGB X nur im Hinblick auf Leistungen ergeben kann, die von anderen Leistungsträgern zeitgleich zu erbringen waren und von der Leistungsart her vergleichbar sind, setzt die Kenntnis nach diesen Vorschriften voraus, dass der um Erstattung ersuchte Leistungsträger weiß, welche Leistungen der andere Leistungsträger für welche Zeiträume und in welcher Höhe erbracht hat. Nur dann ist er in der Lage, ohne weitere Nachforschungen zu entscheiden, welche Leistungsbestandteile zur Erfüllung des Erstattungsanspruchs einzubehalten und welche weiterhin an den Versicherten/ Arbeitslosen auszubezahlen sind (vgl. BSG, Urteil vom 19. März 1992 – 7 RAr 26/91 –, zitiert nach juris Rn. 41; so auch Kater in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 101. Erg.-Lfg. 2018, § 103 Rn. 31).

Dies zugrunde gelegt hatte die Beklagte im Zeitpunkt der Auszahlung der Rentennachzahlung in der Tat noch keine Kenntnis von der Leistungserbringung der Beigeladenen. Eine solche Kenntnis wurde insbesondere auch nicht durch das Schreiben der Beigeladenen vom 03. September 2014 begründet. Zwar hat der Senat nach der Aktenlage keine Zweifel, dass dieses Schreiben bereits am 25. September 2014 und damit lange vor der Auszahlung der Rentennachzahlung bei der Beklagten eingegangen war. Diesem Schreiben lässt sich aber nicht entnehmen, ob nun die Beigeladene überhaupt bereits Arbeitslosengeld an die Klägerin zahlte oder nicht. In tatsächlicher Hinsicht wird nur darauf verwiesen, dass die Klägerin am 01. Juli 2014 Arbeitslosengeld beantragte. Eine positive Aussage über die tatsächliche Aufnahme der Arbeitslosengeldzahlung lässt sich dem Schreiben schlichtweg nicht entnehmen. Vielmehr lässt die Abfassung des Schreibens mit dem in ihm enthaltenen wiederholten Hinweis auf die sozialmedizinische Fragestellung ebenso gut auch den Schluss zu, dass sich die Gewährung von Arbeitslosengeld derzeit in Prüfung befindet und insbesondere auch von der sozialmedizinischen Einschätzung der Beklagten abhängig gemacht werden soll. Nicht nachzuvollziehen vermag der Senat den Hinweis der Beklagten, die Rechtsprechung des BSG entspreche nicht dem gesetzgeberischen Willen. Laut der Bundestagsdrucksache 9/95 S. 24 f. sollte eine Erstattungspflicht bestehen, wenn der letztlich zur Leistung verpflichtete Leistungsträger noch geleistet hat, obwohl ihm bereits eine Nachricht über die Leistung zugegangen ist oder sonst von dessen Leistung Kenntnis erlangt hat, bzw. eine Erstattung nicht zu gewähren sein, wenn dieser bereits selbst geleistet hat, bevor ihm eine Nachricht über die Leistung des anderen zugegangen ist oder er sonst von dessen Leistung Kenntnis erlangt hat. Diesen von der Beklagten angeführten Auszügen aus der Gesetzesbegründung lässt sich nichts für ihren rechtlichen Standpunkt entnehmen. Vielmehrlässt die wiederholte Formulierung "Nachricht über die Leistung" den Schluss zu, dass der um Erstattung ersuchte Leistungsträger von einer konkreten Leistung in Kenntnis gesetzt gewesen sein muss, anderenfalls der Gesetzgeber "Nachricht über eine Leistung" formuliert hätte.

Auch folgt aus der von der Beklagten und der Beigeladenen angeführten Rechtsprechung des LSG Berlin-Brandenburg jedenfalls für den vorliegenden Fall nichts anderes. Danach habe zwar hat das BSG u.a. in seinem Urteil vom 19. März 1992 - 7 RAr 26/91 - entschieden, dass die positive Kenntnis zu Leistungsart, -zeit und -höhe notwendig sei, da die Beklagte nur dann in der Lage sei, ohne weitere Nachforschungen zu entscheiden, welche Leistungsbestandteile zur Erfüllung des Erstattungsanspruches einzubehalten und welche weiterhin an den Beigeladenen auszubezahlen seien. In beiden Fällen handele es sich jedoch um einen Erstattungsanspruch im Hinblick auf laufende Leistungen, auf die der Anspruchsberechtigte teilweise auch zeitnah angewiesen gewesen sei. In diesen Fällen der Erstattungsansprüche auf laufende Leistungen sei eine unverzügliche Entscheidung über die weitere Gewährung von Leistungen, die gegebenenfalls erst getroffen werden könne, wenn Leistungszeit und -höhe bekannt seien, unabdingbar. Anders sei es, wenn es um die Frage gehe, ob die Beklagte berechtigt gewesen sei, eine Nachzahlung, bei der allen Beteiligten klar gewesen sei, dass diese der Beigeladenen jedenfalls nicht in voller Höhe zustehen würde, habe auszahlen dürfen. In diesen Fällen müsse es ausreichen, dass der erstattungsberechtigte Leistungsträger dem erstattungspflichtigen Leistungsträger anzeige, dass ein Erstattungsanspruch dem Grunde nach bestehe und er diesen alsbald beziffern werde (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. Januar 2009 – L 31 U 398/08 –, zitiert nach juris Rn. 24).

Vom wörtlichen Verständnis dieser Rechtsprechung ausgehend kann im vorliegenden Fall nicht von einer durch das Schreiben vom 03. September 2014 begründeten Kenntnis ausgegangen werden. Denn dem besagten Schreiben lässt sich gerade nicht mit der gebotenen Deutlichkeit entnehmen, dass ein Erstattungsanspruch dem Grunde nach tatsächlich bestand. Es heißt dort nur: "Bitte beachten Sie meinen Erstattungsanspruch nach § 145 Abs. 3 SGB III bzw. § 156 Abs. 2 SGB III in Verbindung mit § 103 SGB X." Hieraus lässt sich nach Auffassung des Senats im Gesamtkontext des Schreibens gerade noch nicht schließen, dass ein Erstattungsanspruch bereits dem Grunde nach tatsächlich entstanden war. Hierfür hätte es der unmissverständlichen Information bedurft, dass die Zahlung von Arbeitslosengeld aufgenommen wurde. Dies ist nach den obigen Ausführungen indes gerade nicht der Fall. Im Zeitpunkt der Auskehrung der Rentennachzahlung an die Klägerin konnte die Beklagte so gerade noch nicht davon ausgehen, dass sie aktuell einem Erstattungsanspruch der Beigeladenen ausgesetzt war. Vielmehr erscheint die vorstehende Formulierung im Wesentlichen nur als vorsorglicher rechtlicher Hinweis. Davon abgesehen kündigte die Beigeladene mit dem besagten Schreiben – entgegen der oben zitierten Rechtsprechung des LSG Berlin-Brandenburg - nicht die alsbaldige Bezifferung an, die ja dann im Übrigen auch auf Monate hinweg ausblieb.

Dessen ungeachtet überzeugt es nicht, soweit sich das LSG Berlin-Brandenburg von der Rechtsprechung des BSG jedenfalls in einer für Fälle wie den vorliegenden bedeutsamen Weise abkehren, m.a.W. an die Kenntnis noch geringere Anforderungen stellen sollte. Rechtserhebliche Kenntnis i.S.v. § 103 Abs. 1 und § 104 Abs. 1 SGB X kann nur bestehen, wenn der erstattungspflichtige Leistungsträger aufgrund der ihm mitgeteilten Tatsachen rechtlich in der Lage ist, dem Leistungsanspruch des (vermeintlich) Sozialleistungsberechtigten die Erfüllungswirkung des § 107 Abs. 1 SGB X entgegenzuhalten, so dass der erstattungspflichtige Leistungsträger die Leistung gegenüber dem Leistungsberechtigten verweigern und anstelle dessen den Erstattungsanspruch des erstattungsberechtigten Trägers befriedigen kann. Dies folgt aus Regelungszweck und -systematik in Einklang mit den Gesetzesmaterialien, ohne dass der Gesetzeswortlaut entgegensteht (so BSG, Urteil vom 22. Juni 2010 – B 1 KR 21/09 R –, zitiert nach juris Rn. 23). Die Folgen dieses Regelungssystems bewirken, dass z.B. ein Leistungsträger, der von der subsidiären Leistung eines nach dem Rechtssystem aufgrund einer Auffangzuständigkeit nachrangig zur Leistung verpflichteten, anderen Leistungsträgers im betroffenen Leistungszeitraum erfährt, allein aufgrund dieser Kenntnis eine sofortige Leistung gegenüber dem Berechtigten verweigern darf, weil er von einer teilweisen Erfüllung nach § 107 Abs. 1 SGB X ausgehen kann. Fehlt es dagegen an hinreichenden Anknüpfungstatsachen, um von einer Erfüllungsfiktion auszugehen, darf der solcher Art zur Leistung verpflichtete Leistungsträger auch nicht im Nachhinein in den Fällen des § 103 oder § 104 SGB X mit Erstattungsansprüchen belastet werden: Er ist im Vergleich zum anderen Leistungsträger nicht gegenüber der Belastung näherstehend, eine überzahlte Leistung vom insoweit nicht berechtigten Empfänger zurückzufordern (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 27).

Soweit nun in der Tat auch die Rechtsprechung des BSG für eine differenzierende Betrachtung Raum lässt und die Frage, welche "Kenntnis" für Erstattungsansprüche nach § 103 Abs. 1 und § 104 Abs. 1 SGB X rechtserheblich ist, von der betroffenen Erstattungskonstellation abhängig macht (vgl. BSG, ebd.), führt dies jedenfalls in der vorliegenden Konstellation zu keinem anderen Ergebnis. Denn das Schreiben der Beigeladenen vom 03. September 2014 enthält nach jeder Betrachtungsweise nicht die erforderlichen Anknüpfungstatsachen, um von einer Erfüllungsfiktion auszugehen. Ohne weitere Angaben der Beigeladenen bzw. Nachfragen der Beklagten bei der Beigeladenen hätte der Klägerin der Einwand der Erfüllungsfiktion allein aufgrund der aus dem Schreiben vom 03. September 2014 folgenden bloßen Möglichkeit einer Arbeitslosengeldzahlung nicht entgegengehalten werden können, zumal die Leistungsträger verpflichtet sind, darauf hinzuwirken, dass jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise, umfassend und zügig erhält, vgl. § 17 Abs. 1 Nr. 1 des Ersten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB I).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Die Revision ist mangels Vorliegens eines Revisionszulassungsgrunds gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
Saved