Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
16
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 16 KA 5/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Der Streitwert wird auf 67.634,18 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Der am 17.07.1957 geborene Kläger wendet sich mit der Klage gegen die Entziehung der Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 95 Abs. 6 SGB V i. V. m. § 27 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV).
Der Kläger legte am 29.12.1982 das Medizinische Staatsexamen ab. Die Approbation als Arzt erhielt er am 10.09.1992 durch das Regierungspräsidium E ... Die Facharztanerkennung für Urologie wurde ihm am 16.12.1993 erteilt. Seit dem 11.04.1995 ist der Kläger als Facharzt für Urologie in D., zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er verfügt u.a. über die Genehmigung zur sonographischen Untersuchung der Uro-Genitalorgane. Aufgrund von Hinweisen von Patienten prüfte die Beigeladene zu 7) das Abrechnungsverhalten des Klägers bezüglich der sonographischen Untersuchungen. Nach den Feststellungen der Beigeladenen zu 7) rechnete der Kläger in den Quartalen III/2007 bis II/2011 eine Vielzahl von nicht erbrachten sonographischen Untersuchungen ab. Zudem hatte der Kläger u.a. Bilddokumentationen über angeblich durchgeführte sonographische Untersuchungen manipuliert. Bei einem Gesamthonorar von 547.292,00 EUR ergab sich eine Rückforderungssumme von über 77.000,00 EUR. Am 19.11.2012 erließ das Amtsgericht Dortmund einen Strafbefehl und verhängte gegen den Kläger wegen gewerbsmäßigen Betrugs in 12 Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten, die für zwei Jahre unter Auflagen zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Beigeladene zu 7) beantragte am 27.08.2013 beim Zulassungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen für den Regierungsbezirk N. (im folgenden Zulassungsausschuss) den Entzug der Zulassung für den Kläger für den Vertragsarztsitz in D. Im September beantragten auch die Beigeladenen zu 1), 2), 3) und 5) den Entzug der Zulassung. Die Zulassung sei wegen gröblicher Verletzung der vertragsärztlichen Pflichten zu entziehen. Dies ergebe sich aus den strafgerichtlichen Feststellungen und den Ermittlungen des Beigeladenen zu 7). Nach der Rechtskraft des Strafbefehls seien die Abrechnungen für die Quartale llI/2007 bis lI/2011 teilweise berichtigt und aufgehoben worden. Es würden über 77.000,00 EUR an Honorar zurückgefordert. Das sich über einen längeren Zeitraum erstreckende Verhalten des Klägers habe das Vertrauen in die ordnungsgemäße Behandlung der Versicherten und die fehlerfreie Abrechnung von erbrachten Leistungen so gestört, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zumutbar sei.
Mit Beschluss vom 18.02.2014, welcher dem Kläger am 22.03.2014 zugestellt wurde, entzog der Zulassungsausschuss dem Kläger seine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung als Facharzt für Urologie in D. wegen gröblicher Pflichtverletzungen gemäß § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V. Hiergegen legte der Kläger am 18.04.2014 beim Beklagten Widerspruch ein. Diesen begründete er im Wesentlichen damit, die Voraussetzungen für eine Entziehung würden nicht mehr vorliegen. Die Verstöße, welche der Kläger auch zugegeben habe, tagen nunmehr drei Jahre zurück. Weitere Verstöße seien seit damals nicht mehr erfolgt. Eine Störung des vertragsärztlichen Versorgungssystems sei daher nicht mehr gegeben. Unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes seien mildere Mittel als die Entziehung der Zulassung in Betracht zu ziehen, z.B. weitere regelmäßige Kontrollen. Mit Beschluss vom 22.10.2014 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück und ordnete die sofortige Vollziehung der Entscheidung des Zulassungsausschusses vom 18.02.2014 an. Der angefochtene Beschluss des Zulassungsausschusses sei rechtmäßig. Die Voraussetzungen für einen Entzug der Zulassung nach § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V und § 27 Ärzte-ZV lägen vor. Der Kläger habe seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Während eines Zeitraums von vier Jahren habe er auf gezielte und systematische Art und Weise wegen privater Probleme eine Vielzahl von nicht erbrachten sonographischen Untersuchungen abgerechnet und Honorare.in einer Gesamthöhe von über 77.000,00 EUR zu Unrecht abgerechnet. Das Wohlverhalten des Klägers während der Dauer des Entziehungsverfahrens sei nicht geeignet, eine andere Prognose zu rechtfertigen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Kläger während dieser Zeit verstärkt durch die Beigeladene zu 7) kontrolliert worden sei. Da die Voraussetzungen des § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V vorliegen würden, sei die Zulassung zu entziehen. Für eine nur hälftige Entziehung der Zulassung gemäß § 95 Abs. 6 Satz 2 SGB V gebe es keinen Anlass. Die Versorgung der bisherigen Patienten des Klägers könnte im notwendigen Umfang durch andere Urologen im Planungsbereich des Kreises Recklinghausen sichergesteilt werden.
Mit seiner am 15.12.2014 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er ist der Auffassung, die Entscheidung des Beklagten sei rechtswidrig. Insbesondere sei sie vor dem Hintergrund des inzwischen nicht mehr gezeigten Fehlverhaltens vollkommen unverhältnismäßig. Das Gericht hat den Kläger mit Verfügung vom 11.10.2016, welche dem Kläger am 13.10.2016 per Postzustellungsurkunde zugestellt wurde, zu dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 14.11.2016 unter Anordnung seines persönlichen Erscheinens geladen. Am Morgen des 14.11,2016 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers telefonisch mitteilen lassen, er sei erkrankt und würde nicht kommen. Der Kläger ist nicht zum Verhandlungstermin erschienen.
Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt, den Beschluss des Zulassungsausschusses der Ärzte und Krankenkassen für den Regierungsbezirk Münster vom 18.02.2014 in Gestalt der Entscheidung des Berufungsausschusses vom 22.10.2014 aufzuheben. Der Beklagte zu 2) und die Beigeladene zu 7) beantragen, die Klage abzuweisen. Der Beklagte zu 2} und die Beigeladene Zu 7) sind der Auffassung, dass der Entzug der Zulassung rechtmäßig sei und verweisen insofern auf die Begründung des Beschlusses vom 22.10.2014. Die Beigeladene zu 7} hat dem Gericht auf Anfrage mitgeteilt, dass der Kläger in dem letzten Jahr vor dem Zulassungsentzug Honorarforderungen von insgesamt 133.189,91 EUR abgerechnet gehabt habe. Der Praxiskostenanteil belaufe sich nach ihrer Informationen bei Urologen auf 48,02 %. T Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten der Beklagten und der beigezogenen Akte S 16 KA 4/14 ER verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte trotz Ausbleibens des Klägers im Termin entscheiden, denn in der den Beteiligten ordnungsgemäß zugegangenen Ladung zur mündlichen Verhandlung war auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (§ T10 Abs. 1 Satz 2 SGG); dass der Kläger die Ladung erhalten hat, ergibt sich aus der Zustellungsurkunde (Bl. 42 der Gerichtsakte). Die Anfechtungsklage gegen den Beschluss des Beklagten zu 1) vom 18.02.2014 ist unzulässig. Streitgegenstand ist allein der Beschluss des Berufungsausschusses. Die Entscheidung des Zulassungsausschusses ist in der Entscheidung des Berufungsausschusses aufgegangen. Die Kombination der ausschließlichen funktionellen Zuständigkeit des Berufungsausschusses ab Anrufung mit der für beide Ausschüsse identischen sachlichen Zuständigkeit hat zur Folge, dass der Bescheid des Berufungsausschusses keine bloße Oberprüfungsentscheidung darstellt, die lediglich als Modifikation des Bescheids des Zulassungsausschusses bedeutsam ist und nur zusammen mit diesem Gegenstand der Klage sein kann. Der Bescheid des Berufungsausschusses tritt vielmehr als Regelung der Zulassungssache an die Stelle des vorangegangenen Bescheids des Zulassungsausschusses und bildet den alleinigen Gegenstand der weiteren - gerichtlichen, bei aufhebendem Gerichtsurteil jedoch auch erneuten verwaltungsmäßigen - Beurteilung der Zulassungssache (BSG, Urteil vom 27.01.1993 ~ 6 RKa 40/91). Aus diesem Grund ist die Klage gegen die Entscheidung des Zulassungsausschusses unzulässig, da eine solche nicht mehr existent ist. Die Anfechtungsklage gegen den Beschluss des Beklagten zu 2) vom 22.10,2014 ist zulässig, aber unbegründet. Dieser Beschluss ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen subjektiven Rechten, vgl. § 54 SGG. Die Zulassung des Klägers wurde diesem zu Recht entzogen. Gemäß § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V ist einem Vertragsarzt die Zulassung unter anderem dann zu entziehen, wenn er seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Eine Pflichtverletzung ist gröblich, wenn sie so schwer wiegt, dass ihretwegen die Entziehung zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung notwendig ist. Davon ist nach der Rechtsprechung des BSG auszugehen, wenn die gesetzliche Ordnung der vertragsärztlichen Versorgung durch das Verhalten des Arztes in erheblichem Maße verletzt wird und das
Vertrauensverhältnis zu den vertragsärztlichen Institutionen tiefgreifend und nachhaltig gestört ist, sodass ihnen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertrags(zahn)arzt nicht mehr zugemutet werden kann (BSG, Urteil vom 17.10.2012 - B 6 KA 49/11 R) Wiederholt unkorrekte Abrechnungen können die Zufassungsentziehung rechtfertigen, insbesondere deswegen, weil das Abrechnungs- und Honorierungssystem der vertragsärztlichen Versorgung auf Vertrauen aufbaut und das Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben des Leistungserbringers ein Fundament des Systems der vertragsärztlichen Versorgung darstellt. Für den Tatbestand einer gröblichen Pflichtverletzung i.S.v. § 95 Abs. 6 SGB V ist nicht erforderlich, dass den Vertragsarzt ein Verschulden trifft; auch unverschuldete Pflichtverletzungen können zur Zulassungsentziehung führen {BSG, Urteil vom 17.10.2012, a.a.O.). Vorliegend hat der Kläger eine Vielzahl von nicht erbrachten sonographischen Untersuchungen abgerechnet. Zur Überzeugung der Kammer ist es vor dem Hintergrund der aufgrund der Falschabrechnung erfolgten strafrechtlichen Bewertung der Tat {Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten, ausgesetzt zur Bewährung), welche der Kläger auch akzeptiert hat, unerheblich, ob tatsächlich ein Schaden in Höhe von über 77.000,00 EUR entstanden ist oder der Schaden geringer ist. Denn der Kläger hat durch sein Verhalten das Vertrauen der am Abrechnungssystem Beteiligten tiefgreifend gestört. Er hat nachweislich und von ihm auch eingeräumt Leistungen abgerechnet, ohne diese erbracht zu haben. Dabei hat er sogar Bildmaterial in Patientenakten mit der Folge manipuliert, dass zur Überzeugung der Kammer nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch Patienten durch sein Verhalten gefährdet wurden, weil sich falsches sonographisches Bildmaterial in den Akten befand. Vor diesem Hintergrund kommt auch eine nur hälftige Entziehung der Zulassung nach § 95 Abs. 6 Satz 2 SGB V zur Überzeugung des Gerichts nicht in Betracht. Auf sein "Wohlverhalten" nach der Entdeckung der Tat kann sich der Kläger vorliegend auch nicht mit Erfolg berufen. Nach der Rechtsprechung des BSG kommt es auf ein Wohlverhalten von 5 Jahren seit der Entscheidung des Berufungsausschusses an (vgl. beispielhaft BSG, Beschluss vom 15.08.2012 - B 6 KA 3/12 B). Diese Frist ist noch nicht abgelaufen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus § 53 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m, § 52 Abs. 1 GKG, wobei das Gericht die Jahreshonorarforderung des Klägers in dem Jahr vor dem Zulassungsentzug aus vertragsärztlicher Tätigkeit in Höhe von 133.189,91 EUR abzüglich eines Praxiskostenanteils von 48,02 EUR berücksichtigt hat.
Tatbestand:
Der am 17.07.1957 geborene Kläger wendet sich mit der Klage gegen die Entziehung der Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 95 Abs. 6 SGB V i. V. m. § 27 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV).
Der Kläger legte am 29.12.1982 das Medizinische Staatsexamen ab. Die Approbation als Arzt erhielt er am 10.09.1992 durch das Regierungspräsidium E ... Die Facharztanerkennung für Urologie wurde ihm am 16.12.1993 erteilt. Seit dem 11.04.1995 ist der Kläger als Facharzt für Urologie in D., zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er verfügt u.a. über die Genehmigung zur sonographischen Untersuchung der Uro-Genitalorgane. Aufgrund von Hinweisen von Patienten prüfte die Beigeladene zu 7) das Abrechnungsverhalten des Klägers bezüglich der sonographischen Untersuchungen. Nach den Feststellungen der Beigeladenen zu 7) rechnete der Kläger in den Quartalen III/2007 bis II/2011 eine Vielzahl von nicht erbrachten sonographischen Untersuchungen ab. Zudem hatte der Kläger u.a. Bilddokumentationen über angeblich durchgeführte sonographische Untersuchungen manipuliert. Bei einem Gesamthonorar von 547.292,00 EUR ergab sich eine Rückforderungssumme von über 77.000,00 EUR. Am 19.11.2012 erließ das Amtsgericht Dortmund einen Strafbefehl und verhängte gegen den Kläger wegen gewerbsmäßigen Betrugs in 12 Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten, die für zwei Jahre unter Auflagen zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Beigeladene zu 7) beantragte am 27.08.2013 beim Zulassungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen für den Regierungsbezirk N. (im folgenden Zulassungsausschuss) den Entzug der Zulassung für den Kläger für den Vertragsarztsitz in D. Im September beantragten auch die Beigeladenen zu 1), 2), 3) und 5) den Entzug der Zulassung. Die Zulassung sei wegen gröblicher Verletzung der vertragsärztlichen Pflichten zu entziehen. Dies ergebe sich aus den strafgerichtlichen Feststellungen und den Ermittlungen des Beigeladenen zu 7). Nach der Rechtskraft des Strafbefehls seien die Abrechnungen für die Quartale llI/2007 bis lI/2011 teilweise berichtigt und aufgehoben worden. Es würden über 77.000,00 EUR an Honorar zurückgefordert. Das sich über einen längeren Zeitraum erstreckende Verhalten des Klägers habe das Vertrauen in die ordnungsgemäße Behandlung der Versicherten und die fehlerfreie Abrechnung von erbrachten Leistungen so gestört, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zumutbar sei.
Mit Beschluss vom 18.02.2014, welcher dem Kläger am 22.03.2014 zugestellt wurde, entzog der Zulassungsausschuss dem Kläger seine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung als Facharzt für Urologie in D. wegen gröblicher Pflichtverletzungen gemäß § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V. Hiergegen legte der Kläger am 18.04.2014 beim Beklagten Widerspruch ein. Diesen begründete er im Wesentlichen damit, die Voraussetzungen für eine Entziehung würden nicht mehr vorliegen. Die Verstöße, welche der Kläger auch zugegeben habe, tagen nunmehr drei Jahre zurück. Weitere Verstöße seien seit damals nicht mehr erfolgt. Eine Störung des vertragsärztlichen Versorgungssystems sei daher nicht mehr gegeben. Unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes seien mildere Mittel als die Entziehung der Zulassung in Betracht zu ziehen, z.B. weitere regelmäßige Kontrollen. Mit Beschluss vom 22.10.2014 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück und ordnete die sofortige Vollziehung der Entscheidung des Zulassungsausschusses vom 18.02.2014 an. Der angefochtene Beschluss des Zulassungsausschusses sei rechtmäßig. Die Voraussetzungen für einen Entzug der Zulassung nach § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V und § 27 Ärzte-ZV lägen vor. Der Kläger habe seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Während eines Zeitraums von vier Jahren habe er auf gezielte und systematische Art und Weise wegen privater Probleme eine Vielzahl von nicht erbrachten sonographischen Untersuchungen abgerechnet und Honorare.in einer Gesamthöhe von über 77.000,00 EUR zu Unrecht abgerechnet. Das Wohlverhalten des Klägers während der Dauer des Entziehungsverfahrens sei nicht geeignet, eine andere Prognose zu rechtfertigen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Kläger während dieser Zeit verstärkt durch die Beigeladene zu 7) kontrolliert worden sei. Da die Voraussetzungen des § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V vorliegen würden, sei die Zulassung zu entziehen. Für eine nur hälftige Entziehung der Zulassung gemäß § 95 Abs. 6 Satz 2 SGB V gebe es keinen Anlass. Die Versorgung der bisherigen Patienten des Klägers könnte im notwendigen Umfang durch andere Urologen im Planungsbereich des Kreises Recklinghausen sichergesteilt werden.
Mit seiner am 15.12.2014 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er ist der Auffassung, die Entscheidung des Beklagten sei rechtswidrig. Insbesondere sei sie vor dem Hintergrund des inzwischen nicht mehr gezeigten Fehlverhaltens vollkommen unverhältnismäßig. Das Gericht hat den Kläger mit Verfügung vom 11.10.2016, welche dem Kläger am 13.10.2016 per Postzustellungsurkunde zugestellt wurde, zu dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 14.11.2016 unter Anordnung seines persönlichen Erscheinens geladen. Am Morgen des 14.11,2016 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers telefonisch mitteilen lassen, er sei erkrankt und würde nicht kommen. Der Kläger ist nicht zum Verhandlungstermin erschienen.
Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt, den Beschluss des Zulassungsausschusses der Ärzte und Krankenkassen für den Regierungsbezirk Münster vom 18.02.2014 in Gestalt der Entscheidung des Berufungsausschusses vom 22.10.2014 aufzuheben. Der Beklagte zu 2) und die Beigeladene zu 7) beantragen, die Klage abzuweisen. Der Beklagte zu 2} und die Beigeladene Zu 7) sind der Auffassung, dass der Entzug der Zulassung rechtmäßig sei und verweisen insofern auf die Begründung des Beschlusses vom 22.10.2014. Die Beigeladene zu 7} hat dem Gericht auf Anfrage mitgeteilt, dass der Kläger in dem letzten Jahr vor dem Zulassungsentzug Honorarforderungen von insgesamt 133.189,91 EUR abgerechnet gehabt habe. Der Praxiskostenanteil belaufe sich nach ihrer Informationen bei Urologen auf 48,02 %. T Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten der Beklagten und der beigezogenen Akte S 16 KA 4/14 ER verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte trotz Ausbleibens des Klägers im Termin entscheiden, denn in der den Beteiligten ordnungsgemäß zugegangenen Ladung zur mündlichen Verhandlung war auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (§ T10 Abs. 1 Satz 2 SGG); dass der Kläger die Ladung erhalten hat, ergibt sich aus der Zustellungsurkunde (Bl. 42 der Gerichtsakte). Die Anfechtungsklage gegen den Beschluss des Beklagten zu 1) vom 18.02.2014 ist unzulässig. Streitgegenstand ist allein der Beschluss des Berufungsausschusses. Die Entscheidung des Zulassungsausschusses ist in der Entscheidung des Berufungsausschusses aufgegangen. Die Kombination der ausschließlichen funktionellen Zuständigkeit des Berufungsausschusses ab Anrufung mit der für beide Ausschüsse identischen sachlichen Zuständigkeit hat zur Folge, dass der Bescheid des Berufungsausschusses keine bloße Oberprüfungsentscheidung darstellt, die lediglich als Modifikation des Bescheids des Zulassungsausschusses bedeutsam ist und nur zusammen mit diesem Gegenstand der Klage sein kann. Der Bescheid des Berufungsausschusses tritt vielmehr als Regelung der Zulassungssache an die Stelle des vorangegangenen Bescheids des Zulassungsausschusses und bildet den alleinigen Gegenstand der weiteren - gerichtlichen, bei aufhebendem Gerichtsurteil jedoch auch erneuten verwaltungsmäßigen - Beurteilung der Zulassungssache (BSG, Urteil vom 27.01.1993 ~ 6 RKa 40/91). Aus diesem Grund ist die Klage gegen die Entscheidung des Zulassungsausschusses unzulässig, da eine solche nicht mehr existent ist. Die Anfechtungsklage gegen den Beschluss des Beklagten zu 2) vom 22.10,2014 ist zulässig, aber unbegründet. Dieser Beschluss ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen subjektiven Rechten, vgl. § 54 SGG. Die Zulassung des Klägers wurde diesem zu Recht entzogen. Gemäß § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V ist einem Vertragsarzt die Zulassung unter anderem dann zu entziehen, wenn er seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Eine Pflichtverletzung ist gröblich, wenn sie so schwer wiegt, dass ihretwegen die Entziehung zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung notwendig ist. Davon ist nach der Rechtsprechung des BSG auszugehen, wenn die gesetzliche Ordnung der vertragsärztlichen Versorgung durch das Verhalten des Arztes in erheblichem Maße verletzt wird und das
Vertrauensverhältnis zu den vertragsärztlichen Institutionen tiefgreifend und nachhaltig gestört ist, sodass ihnen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertrags(zahn)arzt nicht mehr zugemutet werden kann (BSG, Urteil vom 17.10.2012 - B 6 KA 49/11 R) Wiederholt unkorrekte Abrechnungen können die Zufassungsentziehung rechtfertigen, insbesondere deswegen, weil das Abrechnungs- und Honorierungssystem der vertragsärztlichen Versorgung auf Vertrauen aufbaut und das Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben des Leistungserbringers ein Fundament des Systems der vertragsärztlichen Versorgung darstellt. Für den Tatbestand einer gröblichen Pflichtverletzung i.S.v. § 95 Abs. 6 SGB V ist nicht erforderlich, dass den Vertragsarzt ein Verschulden trifft; auch unverschuldete Pflichtverletzungen können zur Zulassungsentziehung führen {BSG, Urteil vom 17.10.2012, a.a.O.). Vorliegend hat der Kläger eine Vielzahl von nicht erbrachten sonographischen Untersuchungen abgerechnet. Zur Überzeugung der Kammer ist es vor dem Hintergrund der aufgrund der Falschabrechnung erfolgten strafrechtlichen Bewertung der Tat {Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten, ausgesetzt zur Bewährung), welche der Kläger auch akzeptiert hat, unerheblich, ob tatsächlich ein Schaden in Höhe von über 77.000,00 EUR entstanden ist oder der Schaden geringer ist. Denn der Kläger hat durch sein Verhalten das Vertrauen der am Abrechnungssystem Beteiligten tiefgreifend gestört. Er hat nachweislich und von ihm auch eingeräumt Leistungen abgerechnet, ohne diese erbracht zu haben. Dabei hat er sogar Bildmaterial in Patientenakten mit der Folge manipuliert, dass zur Überzeugung der Kammer nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch Patienten durch sein Verhalten gefährdet wurden, weil sich falsches sonographisches Bildmaterial in den Akten befand. Vor diesem Hintergrund kommt auch eine nur hälftige Entziehung der Zulassung nach § 95 Abs. 6 Satz 2 SGB V zur Überzeugung des Gerichts nicht in Betracht. Auf sein "Wohlverhalten" nach der Entdeckung der Tat kann sich der Kläger vorliegend auch nicht mit Erfolg berufen. Nach der Rechtsprechung des BSG kommt es auf ein Wohlverhalten von 5 Jahren seit der Entscheidung des Berufungsausschusses an (vgl. beispielhaft BSG, Beschluss vom 15.08.2012 - B 6 KA 3/12 B). Diese Frist ist noch nicht abgelaufen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus § 53 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m, § 52 Abs. 1 GKG, wobei das Gericht die Jahreshonorarforderung des Klägers in dem Jahr vor dem Zulassungsentzug aus vertragsärztlicher Tätigkeit in Höhe von 133.189,91 EUR abzüglich eines Praxiskostenanteils von 48,02 EUR berücksichtigt hat.
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