Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Stuttgart (BWB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KA 647/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Eine gröblichen Pflichtverletzung i.S. von § 95 Abs. 6 SGB V liegt vor, wenn eine urologische Praxis ohne Beachtung der seit Jahren gültigen Hygiene- und Arbeitsschutzstandards betrieben wird.
2. Eine gröbliche Pflichtverletzung liegt auch dann vor, wenn der Vertragsarzt eine Untersagungsverfügung nicht beachtet und weiterhin vertragsärztliche Leistungen abrechnet.
2. Eine gröbliche Pflichtverletzung liegt auch dann vor, wenn der Vertragsarzt eine Untersagungsverfügung nicht beachtet und weiterhin vertragsärztliche Leistungen abrechnet.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen hat.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung.
Dem 1944 geborenem Kläger wurde 1975 die Approbation als Arzt erteilt. 1978 wurde er als Urologe anerkannt. Mit Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte wurde der Kläger 1978 als Urologe zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassen.
Am 00.11. und 00.11.2013 fanden in den Praxisräumen des Klägers infektionshygienische Begehungen des städtischen Gesundheitsamtes statt. Hierbei wurde eine Vermüllung der Praxisräume und schwerwiegende Mängel in den Bereichen Hygiene und Arbeitsschutz festgestellt. In beiden Bereichen lägen schwerwiegende Mängel vor. Seit Jahren gültige Standards würden offenbar nicht umgesetzt und seien auch nicht bekannt. Die zweite Begehung erfolgte zusammen mit dem Amtsarzt und einer Vertreterin des Regierungspräsidiums. Auch bei dieser zweiten Begehung wurde festgestellt, dass die infektionshygienischen Verhältnisse in der Praxis des Klägers den infektionshygienischen Anforderungen nicht einmal im Ansatz entsprächen und deswegen von einer erheblichen Infektionsgefahr für die Patienten auszugehen sei. Es sei eine größere Anzahl ursprünglich steriler Einmalprodukte gefunden worden, deren Verfallsdatum teilweise seit mehreren Jahren abgelaufen gewesen sei. Auch seien Instrumente nicht verpackt oder verschmutzt gewesen.
Das Amt für öffentliche Ordnung untersagte daraufhin mit Verfügung vom 00.11.2013 den weiteren Betrieb der Praxis mit sofortiger Wirkung. Dem Kläger wurde u.a. untersagt, Patienten Zutritt in seine Praxisräume zu gewähren und invasive Eingriffe an Patienten in den Praxisräumen vorzunehmen. Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde ein Zwangsgeld i.H.v. 20.000 EUR angedroht. Zur Begründung wurde ausgeführt, aufgrund einer aktuellen Beschwerde über mangelhafte infektionshygienische Verhältnisse seien unangemeldete Überprüfungen durch Sachverständige des städtischen Gesundheitsamtes durchgeführt worden. Hierbei seien zum Teil sehr gravierende infektionshygienische Beanstandungen festgestellt worden. Die Praxis entspreche nicht den aktuellen Anforderungen an die Infektionshygiene und an den Arbeitsschutz. Zahlreiche Räume seien bis zur Decke (neben dem üblichen Praxisbedarf) vor allem mit zahlreichen privaten Gegenständen zugestellt und kaum begehbar gewesen. In der gesamten Praxis seien kein Händedesinfektionsmittel. Eine Händedesinfektion werde grundsätzlich nicht durchgeführt, auch nicht vor Eingriffen. Die Handwaschbecken seien so vollgestellt, dass sie zur Handwaschung nicht genutzt werden könnten. Im Eingriffsraum gebe es überhaupt kein Handwaschbecken. Eine Unterteilung in eine reine und unreine Seite sei nicht erkennbar. Eine desinfizierende Flächenreinigung finde nicht statt. Das uneinsichtige Verhalten habe der Kläger dadurch bewiesen, dass er bei der Erstbegehung angegeben habe, die Sterilwasseranlage über dem Behandlungstisch im Eingriffsraum seit langem nicht mehr zu benutzen, aber bei der unangemeldeten zweiten Kontrolle sei festgestellt worden, dass die Anlage doch noch für Blasenuntersuchungen zum Einsatz komme. Insofern sei beim Kläger von einer gewissen Uneinsichtigkeit und Unzuverlässigkeit im Hinblick auf die Vermeidung von Infektionsgefahren auszugehen. Er nehme dies in Kauf und verordne seinen männlichen Patienten nach der Zystoskopie stattdessen eine dreitägige Antibiose.
Am 00.12.2013 erließ das Regierungspräsidium ebenfalls eine Untersagungsverfügung. Die Anwendung der in der Praxis aufbereiteten Instrumente, die bestimmungsgemäß keimarm oder steril zur Anwendung kämen, werde mit sofortiger Wirkung untersagt. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet. Zur Begründung wurde ausgeführt, ärztliches Instrumentarium werde nach dessen Verwendung nicht ordnungsgemäß aufbereitet. Eine Risikobewertung und Einstufung der einzelnen Medizinprodukte werde nicht durchgeführt. Der Nachweis über die Sachkunde in der Aufbereitung gemäß § 4 Abs. 3 MPBetreibV habe nicht vorgelegt werden können. Die Verfallsdaten der Desinfektionsmittelkanister seien bereits 2011 bzw. 2012 abgelaufen gewesen.
Am 00.01.2015 fand eine Nachbegehung der Praxis durch das Regierungspräsidium, das Amt für öffentliche Ordnung und das Gesundheitsamt statt. Anlass war der Verdacht, dass die Praxis trotz der Verfügung der Schließung wieder geöffnet sei. Im diesbezüglichen Protokoll wurde festgehalte, dass an der Praxis kein Schild befestigt gewesen sei, das auf die Schließung hingewiesen habe. Der Kläger habe erklärt, dass er nur noch das Wartezimmer für Behandlungen nutze, weil er gedacht habe, dieses gehöre nicht zu den Praxisräumen. Im Wartezimmer führe er folgende Tätigkeiten durch: Abtasten der Prostata, Blutabnahme, Beratung, Verschreibung von Arzneimitteln und Legen von Kathetern. Zystoskopien führe er nicht durch. Außerdem mache er Hausbesuch in Privathaushalten und Heimen. Der Kläger sei auf Hilfsmöglichkeiten für Messie-Verhalten hingewiesen worden sowie auf die weiterhin gültige Verfügung der Praxisschließung. Die Infektionsgefahr durch Eindringen von nicht sterilem "Katheterschleim" sei dem Kläger nicht bewusst gewesen, obwohl dies bereits am 00.11.2013 thematisiert worden sei. In diesem Fall sei von einer möglichen Gefährdung von Patienten auszugehen. Der Kläger mache teilweise unwahre Aussagen und zeige das Verhalten eines Messies.
Mit Schreiben vom 00.01.2015 wandte sich das Regierungspräsidium an die Beigeladene und bat um Übermittlung der Abrechnungsdaten ab dem Zeitpunkt der Schließungsverfügung. Daraufhin stelle die Beigeladene am 00.02.2015 beim Zulassungsausschuss für Ärzte den Antrag, dem Kläger die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung in vollem Umfang zu entziehen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, eine Überprüfung der Abrechnung des Klägers habe ergeben, dass er trotz Praxisschließung und seiner Beteuerungen, keine Zystoskopien durchzuführen, sowohl Zystoskopien durchführe, als auch Blasenskatheter lege. Der Kläger sei unfähig, die vertragsärztliche Tätigkeit ordnungsgemäß auszuüben und daher gemäß § 21 S. 1 Ärzte-ZV ungeeignet für die weitere Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung. Er sei nicht in der Lage, die Praxis so zu führen, wie es im Interesse der Versicherten notwendig wäre. Dies ergebe sich aus den Information des Regierungspräsidiums, wonach der Kläger trotz der Untersagungsverfügung im Wartezimmer weiter Patienten behandle und Hausbesuche durchführe. Darüber hinaus arbeite der Kläger weder steril noch sei er sich dessen Folgen bewusst.
Mit Bescheid vom 27.02.2015 suspendierte die Beigeladene den Kläger von der persönlichen Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit.
Am 31.03.2015 gab der Kläger eine eidesstattliche Versicherung ab, wonach er sich nach Kräften bemühen werde, alle festgestellten Mängel in der Praxis unverzüglich zu beheben und dafür zu sorgen, dass die Praxis den gesetzlichen Anforderungen im Bereich der Hygiene sowie des Arbeits- und Infektionsschutzes entspreche. Er wolle sich unverzüglich fortbilden und seine Kenntnisse auf den neuesten Stand bringen. Er werde die Untersagungsverfügung vom 00.11.2013 uneingeschränkt beachten und die Praxis geschlossen halten, bis die Untersagungsverfügung widerrufen werde.
Mit Beschluss vom 24.04.2015 ordnete der Zulassungsausschuss für Ärzte das Ruhen der Zulassung des Klägers für den Zeitraum vom 24.04. bis 11.06.2015 und die sofortige Vollziehung dieser Entscheidung an. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei nicht in der Lage, seine vertragsärztliche Tätigkeit auszuüben. Dieser habe sich über Verfügungen des Regierungspräsidiums hinweggesetzt und behandle dennoch Patienten. Mit weiterem Beschluss vom 12.06.2015 ordnete der Zulassungsausschuss für Ärzte das Ruhen der Zulassung des Klägers für die Zeit vom 12.06. bis 16.09.2015 an.
Im Juni 2015 nahm der Kläger an einer Hygieneschulung teil. Darüber hinaus meldete er sich zu einem Hygieneseminar im September 2015 an.
Bei einer weiteren Begehung durch das Gesundheitsamt am 00.09.2015 waren die für den geplanten Praxisbetrieb vorgesehenen Räume in ordentlichem und sauberem Zustand, jedoch hätten sich in den vollgestellten Nebenräumen auch abgelaufene Einmal-Medizinprodukte wie Infusionssets und Spritzen sowie abgelaufene Medikamente und anderes Besteck, das offensichtlich nicht aufbereitet und nicht sachgemäß gelagert gewesen sei, gefunden.
Mit Beschluss vom 16.09.2015 entzog der Zulassungsausschuss für Ärzte die Zulassung des Klägers und ordnete die sofortige Vollziehung der Entscheidung an. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, zum Pflichtenkreis eines Vertragsarztes gehöre die gewissenhafte Ausübung des Berufs insbesondere die notwendige Qualifikation, die Beachtung des anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse und die Befolgung insbesondere der berufsrelevanten Gesetze. Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 Medizinproduktegesetz sei es verboten, Medizinprodukte zu betreiben oder anzuwenden, wenn das Datum abgelaufen sei, bis zu dem eine gefahrlose Anwendung möglich sei. Beim Kläger seien viele Einwegprodukte mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum gefunden worden. Auch bei der Begehung am 00.09.2015 seien abgelaufene Metallscheren und Pinzetten sowie andere Medizinprodukte vorgefunden worden. Dadurch seien die behandelten Patienten einer akuten Gesundheitsgefahr ausgesetzt worden, wodurch der Kläger gröblich gegen seine Pflichten als Vertragsarzt verstoßen habe. Bei der Begehung am 00.01.2015 habe der Kläger die Benutzung von zwei braunen, nicht etikettierten vorgefundenen Flaschen zugegeben, die er als "Katheterschleim" bezeichnet habe und als Gleitmittel verwende. Das korrekte Verfahren für eine sterile Handhabung des Katheters und Nachweise, um was es sich für eine Flüssigkeit konkret in den Flaschen gehandelt habe, habe der Kläger nicht benennen können. Auch durch diese wiederholte Anwendung seien die behandelten Patienten einer akuten Gesundheitsgefahr und einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt worden. Trotz der Untersagungsverfügung habe der Kläger weiter im Wartezimmer praktiziert und auch gegenüber der Beigeladenen seine Behandlungen abgerechnet. Diese Leistungen hätte er weder erbringen noch abrechnen dürfen. Dieses Verhalten zeige den wiederholten groben Verstoß gegen die Pflichten eines Vertragsarztes. Zwar habe der Kläger mittlerweile an den geforderten Hygieneschulungen teilgenommen, doch eine Konsequenz in seinem Verhalten habe sich nicht gezeigt.
Hiergegen erhob der Kläger am 14.10.2015 Widerspruch und beantragte am 20.10.2015 beim Sozialgericht, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Entscheidung des Zulassungsausschusses für Ärzte anzuordnen (Az.: S 5 KA 5716/15 ER). Nachdem der Beklagte während des Verfahrens mitgeteilt hatte, an der sofortigen Vollziehungsanordnung nicht mehr festzuhalten, erklärten die Beteiligten das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes für erledigt.
Mit Verfügung vom 00.11.2015 hob das Gesundheitsamt die Untersagungsverfügung unter Auflagen auf. Der Kläger dürfe keine ambulanten Operationen und invasive Eingriffe in seiner Praxis mehr vornehmen.
Am 00.12.2015 fand wiederum eine Begehung durch das Gesundheitsamt und des Regierungspräsidiums statt. Im Vergleich zur Begehung im Oktober 2015 sei einer der beiden Behandlungsräume wieder völlig zugestellt gewesen, so dass derzeit nur ein Behandlungsraum als Untersuchungsraum zur Verfügung stehe. In der Hausbesuchstasche hätten sich zwei Hautdesinfektionsmittel, deren Verfallsdatum deutlich überschritten gewesen sei und zahlreiche abgelaufene Einmalprodukte, wie z.B. mehrere Blasenskatheter, befunden. Insgesamt sei die Arzttasche sehr unordentlich und unsauber gewesen. Im Labor stünde ein nicht funktionsfähiger Kühlschrank, in dem Nahrungsmittel aufbewahrt würden. In den Schubladen fänden sich abgelaufene Einmalprodukte. Da der Kläger die Praxis auch privat nutze, stehe im Labor der Abwurf für die private Wäsche und die Schlafmatratze. Es seien weiterhin zahlreiche abgelaufene Einmalprodukte in der gesamten Praxis gewesen, auch in den Privaträumen. Ein Hygieneplan sei vorhanden, jedoch sei mit dem Kläger vereinbart worden, diesen zu überarbeiten.
Mit Beschluss vom 27.01.2016 (Ausfertigung am 21.06.2016) wies der Beklagte den Widerspruch zurück und ordnete die sofortige Vollziehung des Beschlusses des Zulassungsausschusses vom 16.09.2015 an. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Vertrauensverhältnis zur Beigeladenen und den Krankenkassen sei derart grundlegend gestört, dass durch die weitere Zulassung des Klägers die Funktionsfähigkeit des Systems der vertragsärztlichen Versorgung gefährdet wäre. Eine gröbliche Pflichtverletzung sei bereits darin zu sehen, dass der Kläger seine Vertragspraxis betrieben habe, ohne den infektionshygienischen Anforderungen nach dem Infektionsschutzgesetz und den Anforderungen nach dem Medizinproduktegesetz und der Medizinprodukte-Betreiberverordnung auch nur im Ansatz zu entsprechen. Dies habe dazu geführt, dass sich die Stadt veranlasst gesehen habe, die Schließung der Praxisräume des Klägers zu verfügen. Eine gröbliche Pflichtverletzung liege vor, wenn sich die Praxis des Vertragsarztes über längere Zeit insbesondere hinsichtlich des hygienischen Zustands in einem desolaten Zustand befunden habe. Die infektionshygienischen Mängel seien so schwerwiegend gewesen, dass die Patienten einer erheblichen Infektionsgefahr ausgesetzt gewesen seien. Eine weitere gröbliche Pflichtverletzung sei darin zu sehen, dass der Kläger die Beigeladene nicht über die Schließungsverfügung informiert habe. Hierzu sei er verpflichtet gewesen. Nach § 95 Abs. 6 S. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sei die Zulassung unter anderem zu entziehen, wenn die vertragsärztliche Tätigkeit nicht mehr ausgeübt werde. Vor diesem Hintergrund stelle es eine gröbliche Pflichtverletzung dar, wenn der Widerspruchsführer die Beigeladene nicht darüber informiere, dass er aufgrund der Schließungsverfügung vom 00.11.2013 überhaupt nicht mehr in der Lage sei, seinen vertragsärztlichen Pflichten nachzukommen. Eine weitere gröbliche Pflichtverletzung sei darin zu sehen, dass der Kläger sich über die Schließungsverfügung der Stadt hinweggesetzt habe, weiterhin vertragsärztlich tätig gewesen sei und damit die Patienten einer erheblichen Infektionsgefahr ausgesetzt habe und diese Leistungen gegenüber der Beigeladenen abgerechnet habe. Dies sei auch vorsätzlich erfolgt. Dass der Kläger in allen Quartalen des Jahres 2015 vertragsärztliche Leistungen erbracht und abgerechnet habe, ergebe sich aus den entsprechenden GKV-Abrechnungen. Im Hinblick auf die Summierung der gröblichen Pflichtverletzungen des Klägers sei die Entziehung der Zulassung unabdingbar. Hinzu komme, dass der Kläger nicht willens oder in der Lage sei, seine Praxis unter infektionshygienischen Gesichtspunkte so zu führen, dass eine Infektionsgefahr für die versicherten Patienten ausgeschlossen sei. Dies zeige sich bereits darin, dass sich bei der Nachbegehung am 00.12.2015 wieder zahlreiche abgelaufene Einmalprodukte in der gesamten Praxis gefunden hätten. Die Entziehung der Zulassung sei auch verhältnismäßig. Mildere Mittel seien nicht ersichtlich. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass sich der Kläger noch nicht einmal von der zwangsgeldbewerten Untersagungsverfügung davon habe abhalten lassen, seine Patienten weiterhin ganz konkreten und erheblichen Infektionsgefahren auszusetzen und die nach dem 00.11.2013 von ihm erbrachten und keinesfalls ordnungsgemäßen Leistungen auch noch gegenüber der Beigeladenen abgerechnet habe. Von der in § 95 Abs. 6 S. 2 SGB V vorgesehenen Möglichkeit der hälftigen Entziehung der Zulassung sei kein Gebrauch zu machen. Die Entziehung der vollständigen Zulassung sei notwendig, um die Patienten und das Leistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung vor der nicht ordnungsgemäßen Leistungserbringung zu schützen.
Hiergegen richtet sich die am 04.02.2016 beim Sozialgericht eingereichte Klage des Klägers. Auf seinen am 09.02.2016 erhobenen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (Az.: S 11 KA 746/16 ER) stellte das Gericht mit Beschluss vom 07.03.2016 fest, dass die Klage gegen den Beschluss des Beklagten vom 27.01.2016 aufschiebende Wirkung habe, da der Beklagte lediglich die sofortige Vollziehung seiner Entscheidung, nicht jedoch die des Zulassungsausschusses anordnen könne.
Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor, die Zulassungsentziehung verletze ihn in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG). § 95 Abs. 6 SGB V stelle zwar eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende gesetzliche Grundlage dar. Vorrangig kämen jedoch insbesondere Disziplinarmaßnahmen im Betracht. Insbesondere sei als milderes Mittel die Anordnung des Ruhens zu prüfen. Eine Disziplinarmaßnahme habe Vorrang gegenüber einer Zulassungsentziehung, wenn sie ausreichend erscheine, um den Vertragsarzt zur Einhaltung der vertragsärztlichen Pflichten anzuhalten. Gegen ihn sei jedoch nie ein Disziplinarverfahren eröffnet worden. Den Patientenschutz hätte man mit einem befristeten Ruhen der Zulassung erreichen können. Eine gröbliche Pflichtverletzung könne nicht darin gesehen werden, dass er die Beigeladene nicht über die Untersagungsverfügung informiert habe. Es stehe zwar außer Frage, dass er dies besser getan hätte. Aus seinem vertragsärztlichen Pflichtenkreis ergebe sich eine solche Pflicht jedoch nicht. Außerdem sei er davon ausgegangen, dass die Schließungsverfügung der Beigeladenen bekannt gewesen sei bzw. vom Ordnungsamt automatisch mitgeteilt werden würde. Ob die nicht zu leugnenden, vormaligen Hygienemängel in der Praxis eine gröbliche Verletzung vertragsarztrechtlicher Pflichten darstelle, sei fraglich. Sicher sei jedoch, dass er sich definitiv falsch verhalten und die Praxis nicht korrekt geführt habe. Zu keinem Zeitpunkt hätten sich jedoch geschädigte Patienten gemeldet. Zur Praxisbegehung am 00.12.2015 sei auszuführen, dass er am 00.12.2015 von einer Reise zurückgekehrt sei. Er sei erst kurz nach Mitternacht am 00.12.2015 angekommen. Aus zeitlichen Gründen habe er sich dazu entschlossen, in der Praxis zu übernachten. Am kommenden Morgen habe dann die unangekündigte Praxisbegehung stattgefunden. Der vollgestellte Behandlungsraum sei damit zu erklären, dass dort Gepäckstücke von der Reise und vorgefertigte Weihnachtsgeschenke gelagert hätten. Dass er gegen die Untersagungsverfügung verstoßen habe, sei nicht zu entschuldigen und hätte nicht passieren dürfen. Er bedaure dieses Fehlverhalten außerordentlich. Er habe aber nicht in böswilliger Absicht gehandelt. Da sein Wartezimmer bei der Praxisbegehung nicht beanstandet worden sei, aber natürlich auch von Untersagungsverfügung erfasst gewesen sei, habe er seine Patienten in diesem Zimmer behandelt. Er habe jedoch keine Zystoskopien erbracht. Außerdem habe er sich in der Pflicht gesehen, seine zahlreichen Patienten in Alten- und Pflegeheimen sowie in häuslichen Einrichtungen weiterhin zu versorgen. Nicht jede gröbliche Pflichtverletzung reiche aus, das Vertrauensverhältnis zur Beigeladenen objektiv tiefgreifend und nachhaltig zu stören. Zudem sei maßgeblich der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, d.h. der Zeitpunkt der Entscheidung durch den Beklagten. Dieser habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass er die hygienischen Mängel beseitigt und die für eine hygienische Praxisführung notwendigen Kenntnisse erlangt habe. Mit der Freigabe der Praxis durch das Gesundheitsamt und die Aufhebung der Suspendierung durch die Beigeladene sei gleichzeitig festgestellt worden, dass eine Gefährdung der Patienten ausgeschlossen sei und er wieder Patienten behandeln dürfe. Schließlich sei er auch auf dem Ärztebewertungsportal "jameda.de" mit einer Gesamtnote von x,x bei xx Bewertungen bewertet worden und zähle demnach zu den am besten bewerteten Urologen.
Der Kläger beantragt,
den Beschluss des Beklagten aus seiner Sitzung vom 27.01.2016 aufzuheben und den An-trag auf Zulassungsentziehung der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg vom 25.02.2015 zurückzuweisen,
hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, über seinen Widerspruch gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses aus seiner Sitzung vom 16.09.2015 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält seine angefochtene Entscheidung für zutreffend und führt ergänzend aus, eine Zulassungsentziehung erfordere keine Negativprognose für das künftige Verhalten des Arztes. Denn die Entziehung der Zulassung stelle eine nachträgliche Reaktion auf ein in der Vergangenheit liegendes pflichtwidriges Verhalten dar. Der Kläger verkenne, dass dem Grundrecht der Patienten auf Leben und körperliche Unversehrtheit allerhöchster Rang zukomme. Zu den primären und unabdingbaren Pflichten eines jeden Vertragsarztes gehöre, seine Patienten nicht durch mangelnde Hygiene Infektionsgefahren auszusetzen. Soweit der Kläger darauf hinweise, dass kein einziger Patient geschädigt worden sei, verkenne er, dass er seine Patienten erheblichen Infektionsgefahr ausgesetzt habe. Dass sich eine solch erhebliche Infektionsgefahr auch realisiert habe, sei für die Annahme einer gröblichen Pflichtverletzung nicht erforderlich. Eine weitere gröbliche Pflichtverletzung liege darin, dass er sich über die Schließungsverfügung vom 00.11.2013 schlicht hinweggesetzt habe und weiterhin vertragsärztlich tätig gewesen sei. Aus der Pflicht des Vertragsarztes zur vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Institutionen der vertragsärztlichen Versorgung ergebe sich auch die Pflicht, die Schließungsverfügung der Beigeladenen mitzuteilen. Dieser Pflicht sei der Kläger nicht nachgekommen. Die Entziehung der Zulassung sei auch verhältnismäßig. Der Kläger verkenne das Recht der Patienten auf körperliche Unversehrtheit, das einen Vorrang vor der Berufsfreiheit habe. Auch die Zwangsgeldandrohung i.H.v. 20.000 EUR habe ihn nicht gehindert, weiterhin tätig zu sein.
Mit Beschluss vom 22.02.2016 hat das Gericht die Beigeladene zum Verfahren beigeladen.
Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie schließt sich den Ausführungen des Beklagten an und hat das Protokoll des Gesundheitsamtes vom 00.09.2016 über die Begehung am 00.09.2016 sowie die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft in dem Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen Vergehens nach dem Medizinproduktegesetz vom 30.12.2015 vorgelegt. Ergänzend trägt die Beigeladene vor, der Kläger habe in den Quartalen 4/2013 bis 1/2015 vertragsärztliche Leistungen i.H.v. 79.049,19 EUR während der ab dem 00.11.2013 bestehenden Nutzungsuntersagung und damit ohne Rechtsgrund abgerechnet. Durch diesen andauernden und fortgesetzten Verstoß gegen die vom Gesundheitsamt und vom Regierungspräsidium verfügten Nutzungsuntersagungen, einhergehend mit einer massiven Patientengefährdung, sei das Vertrauen der vertragsärztlichen Institution in die ordnungsgemäße Behandlung der Versicherten und auch die Rechtmäßigkeit der Abrechnung massiv gestört.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Beschluss des Beklagten vom 27.01.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beklagte hat zu Recht die Zulassung des Klägers zur vertragsärztlichen Versorgung vollumfänglich entzogen. Die Entscheidung des Beklagten ist in keinster Weise zu beanstanden. Denn der Kläger hat seine vertragsärztlichen Pflichten mehrfach gröblich verletzt. Er hat ohne den infektionshygienischen Anforderungen nach dem Infektionsschutzgesetz und den Anforderungen nach dem Medizinproduktegesetz und der Medizinprodukte-Betreiberverordnung auch nur im Ansatz zu entsprechen seine urologische Praxis betrieben, ohne die Untersagungsverfügungen der Stadt und des Regierungspräsidiums zu beachten und hat zudem zu Unrecht vertragsärztliche Leistungen gegenüber der Beigeladenen abgerechnet. Hierdurch hat er das Vertrauensverhältnis zur Beigeladenen und den Krankenkassen grundlegend gestört.
Die Kammer hat in der Besetzung mit einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts (§ 12 Abs. 3 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) handelt.
Streitgegenständlich ist vorliegend der Beschluss des Beklagten vom 27.01.2016 (Ausfertigung am 21.06.2016), der die vom Zulassungsausschuss am 16.09.2015 ausgesprochene Zulassungsentziehung bestätigt hat. In vertragsärztlichen Zulassungssachen wird der beklagte Berufungsausschuss mit seiner Anrufung gemäß § 96 Abs. 4 SGB V funktionell ausschließlich zuständig. § 95 SGG findet in diesem Verfahren keine Anwendung (st. Rspr. des BSG, u.a. Urteil vom 27.01.1993 - 6 RKa 40/91 = juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.02.2017 - L 5 KA 1317/16). Der Bescheid des Berufungsausschusses tritt als Regelung der Zulassungssache an die Stelle des vorangegangenen Bescheides des Zulassungsausschusses für Ärzte und bildet den alleinigen Gegenstand des Weiteren - gerichtlichen - Verfahrens.
Rechtsgrundlage für die Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit ist § 95 Abs. 6 S. 1 SGB V. Danach ist die Zulassung zu entziehen, wenn ihre Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, der Vertragsarzt die vertragsärztliche Tätigkeit nicht aufnimmt oder nicht mehr ausübt oder seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt.
Wann ein solcher Pflichtenverstoß als gröblich i.S. des § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V anzusehen ist, ist durch die Rechtsprechung des BSG geklärt. Danach ist eine Pflichtverletzung gröblich, wenn sie so schwer wiegt, dass ihretwegen die Entziehung zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung notwendig ist (stRspr des BSG, vgl. Beschluss vom 11.02.2015 – B 6 KA 37/14 B = juris RdNr. 9; BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 9, RdNr. 10 m.w.N.; BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr. 2, RdNr. 37; BSG SozR 4-5520 § 21 Nr. 1 RdNr. 13; BSGE 112, 90 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 26, RdNr. 21). Davon ist nach der Rechtsprechung des BVerfG wie auch des BSG auszugehen, wenn die gesetzliche Ordnung der vertragsärztlichen Versorgung (worunter auch die ordnungsgemäße Behandlung der Versicherten und in die Rechtmäßigkeit der Abrechnungen zählen) durch das Verhalten des Arztes in erheblichem Maße verletzt wird und das Vertrauensverhältnis zu den vertragsärztlichen Institutionen tiefgreifend und nachhaltig gestört ist, sodass ihnen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertragsarzt nicht mehr zugemutet werden kann (stRspr. des BSG, vgl. Beschluss vom 11.02.2015 – B 6 KA 37/14 B = juris RdNr. 9 m.w.N.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 26.09.2016 - 1 BvR 1326/15 = juris RdNr. 40; BVerfGE 69, 233, 244 = SozR 2200 § 368a Nr. 12 S. 30; Pawlita in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 95 SGB V, RdNr. 516). Für die Gröblichkeit der Pflichtverletzung ist maßgeblich, welchen Stellenwert die verletzte Pflicht hat und wie schwer der Verstoß unter Berücksichtigung seiner Eigenart wiegt (BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 24, RdNr. 33); allein Ausmaß und Schwere der Pflichtverletzungen sind der Maßstab dafür, ob den Institutionen der vertragsärztlichen Versorgung eine Fortsetzung der Zusammenarbeit zuzumuten ist (BSG, Beschluss vom 11.02.2015 – B 6 KA 37/14 B = juris RdNr. 9).
Ebenfalls durch die Rechtsprechung geklärt ist, dass persönliche Lebensumstände für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für eine Entziehung der Zulassung vorliegen, ohne Bedeutung sind: Für den Tatbestand einer gröblichen Pflichtverletzung i.S. von § 95 Abs. 6 SGB V ist nicht erforderlich, dass den Vertragsarzt ein Verschulden trifft; auch unverschuldete Pflichtverletzungen können zur Zulassungsentziehung führen (stRspr., vgl. BSG, Beschluss vom 11.02.2015 – B 6 KA 37/14 B = juris RdNr. 11 m.w.N.). Das BSG hat in diesem Zusammenhang bereits darauf hingewiesen, dass ein Verschuldenserfordernis nicht mit dem Ziel der auf eine funktionsfähige vertragsärztliche Versorgung ausgerichteten Regelungen des SGB V kompatibel wäre (BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 24, RdNr. 51).
Die Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung beurteilt sich dabei nach der geänderten Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 17.10.2012 - B 6 KA 49/11 R = juris; hierzu zuletzt BSG, Beschluss vom 17.01.2018 - B 6 KA 61/17 B; Beschluss vom 22.03.2016 - B 6 KA 69/15 B) nach der Sachlage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung. Später liegende Umstände - wie eine Verhaltensänderung - sind ggf. in einem Verfahren auf Wiederzulassung zu würdigen. Maßgeblich ist danach, ob das Vertrauensverhältnis im Zeitpunkt der Entscheidung der Zulassungsgremien wiederhergestellt ist. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalles und namentlich die Einsicht des Betroffenen in den Unrechtsgehalt seines Verhaltens und eine hieraus resultierende Einstellungs- und Verhaltensänderung sowie die Bereitschaft zur Wiedergutmachung des Schadens von Bedeutung (vgl. BSG, Beschluss vom 02.04.2014 – B 6 KA 58/13 B = juris RdNr. 11 m.w.N.). Voraussetzung ist allerdings eine nachhaltige Verhaltensänderung während eines Zeitraums von mehreren Jahren, die eine zweifelsfreie Prognose künftig rechtmäßigen Verhaltens erlaubt (BSG, a.a.O.). Eine Zulassungsentziehung erfordert demnach keine Negativprognose für das künftige Verhalten des Leistungserbringers im Sinne der Feststellung einer Wiederholungsgefahr, da § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V nicht auf die Steuerung künftigen Verhaltens ausgerichtet ist, sondern auf eine nachträgliche Reaktion auf ein in der Vergangenheit liegendes pflichtwidriges Verhalten (Pawlita in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 95 SGB V, RdNr. 522). Etwas anderes gilt auch nicht - wie vom Klägervertreter behauptet - im Hinblick auf den Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 08.09.2017 (1 BvR 1657/17). Denn das BVerfG hat in diesem Beschluss nicht zur gefestigten Rechtsprechung des BSG zu § 95 Abs. 5 SGB V Stellung genommen, sondern der Fall betraf den Widerruf einer Approbation als Arzt wegen Unwürdigkeit gemäß § 5 BÄO. Eine Aussage zur Notwendigkeit einer Prognose für das zukünftige Verhalten bei der Entziehung einer vertragsärztlichen Zulassung enthält der Nichtannahmebeschluss an keiner Stelle.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Beklagte in dem angegriffenen Beschluss vom 27.01.2016 (Ausfertigung am 21.06.2016) zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger seine vertragsärztlichen Pflichten in einer eine Zulassungsentziehung rechtfertigenden Weise mehrfach gröblich verletzt hat, indem ohne den infektionshygienischen Anforderungen nach dem Infektionsschutzgesetz und den Anforderungen nach dem Medizinproduktegesetz und der Medizinprodukte-Betreiberverordnung auch nur im Ansatz zu entsprechen seine urologische Praxis - ohne die Untersagungsverfügungen der Stadt vom 00.11.2013 und des Regierungspräsidiums vom 00.12.2013 zu beachten - ab dem 00.11.2013 weiter betrieben und demgemäß zu Unrecht vertragsärztliche Leistungen gegenüber der Beigeladenen (bezogen auf die Quartale 4/2013 bis 1/2015) i.H.v. 79.049,19 EUR abgerechnet hat.
Eine gröbliche Pflichtverletzung liegt bereits darin, dass der Kläger in seiner urologischen Praxis seit Jahren gültige Hygiene- und Arbeitsschutzstandards nicht berücksichtigt hat. Das Gericht stützt sich hierbei auf die Ermittlungen des Gesundheitsamtes der Stadt und des Regierungspräsidiums vom 00.11. und 00.11.2013. Die infektionshygienische Begehungen des städtischen Gesundheitsamtes der Stadt ergab eine Vermüllung der Praxisräume und schwerwiegende Mängel in den Bereichen Hygiene und Arbeitsschutz. Bei den Begehungen wurde festgestellt, dass die infektionshygienischen Verhältnisse in der Praxis des Klägers den infektionshygienischen Anforderungen nicht einmal im Ansatz entsprachen und deswegen von einer erheblichen Infektionsgefahr für die Patienten auszugehen war. Zahlreiche Räume waren bis zur Decke (neben dem üblichen Praxisbedarf) vor allem mit zahlreichen privaten Gegenständen zugestellt und kaum begehbar gewesen. In der gesamten Praxis gab es kein Händedesinfektionsmittel. Eine Händedesinfektion wurde grundsätzlich nicht durchgeführt, auch nicht vor Eingriffen. Die Handwaschbecken waren so vollgestellt, dass sie zur Handwaschung nicht genutzt werden konnten. Im Eingriffsraum gab es überhaupt kein Handwaschbecken. Eine Unterteilung in eine reine und unreine Seite war nicht erkennbar. Eine desinfizierende Flächenreinigung fand nicht statt. Obwohl der Kläger bei der ersten Begehung angegeben hatte, die Sterilwasseranlage über dem Behandlungstisch im Eingriffsraum seit langem nicht mehr zu benutzen, wurde bei der unangemeldeten zweiten Kontrolle festgestellt, dass die Anlage doch noch für Blasenuntersuchungen zum Einsatz kam. All dies ergibt sich aus der Verfügung der Stadt vom 00.11.2013. Daraus folgt auch, dass der Kläger Infektionsgefahren seiner Patienten in Kauf genommen und vor diesem Hintergrund seinen männlichen Patienten nach der Zystoskopie stattdessen eine dreitägige Antibiose verordnet hat. Damit hat er das körperliche Wohl und das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) seiner Patienten gefährdet.
Darauf, dass der Eintritt eines tatsächlichen Gesundheitsschadens bei einem seiner Patienten bislang nicht konkret nachweisbar ist, kommt es - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht an. Für die Annahme einer gröblichen Pflichtverletzung genügt bereits der Verstoß gegen die Verpflichtung aus § 8 Abs. 1 der Verordnung über das Errichten, Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten (MPBetreibV). Danach gilt: Die Aufbereitung von bestimmungsgemäß keimarm oder steril zur Anwendung kommenden Medizinprodukten ist unter Berücksichtigung der Angaben des Herstellers mit geeigneten validierten Verfahren so durchzuführen, dass der Erfolg dieser Verfahren nachvollziehbar gewährleistet ist und die Sicherheit und Gesundheit von Patienten, Anwendern oder Dritten nicht gefährdet wird. Dies gilt auch für Medizinprodukte, die vor der erstmaligen Anwendung desinfiziert oder sterilisiert werden. Diesen Anforderungen ist der Kläger nicht gerecht geworden, was sich aus der Untersagungsverfügung des Regierungspräsidiums vom 00.12.2013 ergibt, worauf das Gericht zur Vermeidung von Wiederholungen ausdrücklich Bezug nimmt. Daraus folgt auch, dass der Kläger gegen § 14 S. 2 MPG verstoßen hat. Danach dürfen Medizinprodukte nicht betrieben und angewendet werden, wenn sie Mängel aufweisen, durch die Patienten, Beschäftigte oder Dritte gefährdet werden können. Das Regierungspräsidium hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass eine Gefährdung der Patienten im Sinne des § 14 MPG vorlag, da in der Praxis des Klägers bei den Begehungen im November 2013 keine Validierung der Reinigung-, Desinfektions- und Sterilisationsprozesse erfolgte bzw. keine standardisierte und reproduzierbare Reinigung mit nachgewiesener Wirkung sichergestellt war. Diese Feststellung des Regierungspräsidiums kann das Gericht auch bei der Frage, ob der Kläger seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt hat und sich als ungeeignet für die vertragsärztliche Tätigkeit erwiesen hat, verwerten (vgl. allgemein hierzu BSG, Beschluss vom 17.01.2018 - B 6 KA 61/17 B = juris).
Eine weitere gröbliche Pflichtverletzung liegt darin, dass der Kläger auch nach den Untersagungsverfügungen der Stadt vom 00.11.2013 und des Regierungspräsidiums vom 00.12.2013 in seiner Praxis weiterhin vertragsärztlich tätig war. Dass der Kläger die sofort vollziehbaren Untersagungsverfügungen nicht beachtet hat, ergibt sich aus seinem eigenen Vortrag und aus dem Umstand, dass er seine vertragsärztliche Tätigkeit im Untersagungszeitraum auch gegenüber der Beigeladenen abgerechnet hat. Dies folgt aus den Angaben der Beigeladenen im gerichtlichen Verfahren, wonach der Kläger in den Quartalen 4/2013 bis 1/2015 vertragsärztliche Leistungen i.H.v. 79.049,19 EUR abgerechnet hat. Die Honorarbescheide für die Quartale 2/2014 bis 1/2015 befinden sich auch in der von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte. Nach der Verfügung der Stadt vom 00.11.2013 war es dem Kläger aber (mit sofortiger Wirkung) untersagt, den Betrieb seiner Praxis weiter zu betreiben und seinen Patienten Zutritt zu seinen Praxisräumen zu gewähren. Dies entnimmt das Gericht dem Bescheid der Stadt vom 00.11.2013. Aus der Untersagungsverfügung des Regierungspräsidiums vom 00.12.2013 folgt zudem, dass dem Kläger die Anwendung der in seiner Praxis aufbereiteten Instrumente, die bestimmungsgemäß keimarm oder steril zur Anwendung kommen, mit sofortiger Wirkung untersagt war. Beide Untersagungsverfügungen hat der Kläger nicht beachtet. Das entnimmt das Gericht dem Protokoll über die Nachbegehung am 00.01.2015 durch das Regierungspräsidium und das Gesundheitsamt. Danach war an der Praxis kein Schild befestigt, dass auf die Schließung hinwies. Der Kläger selbst hat angegeben, dass er trotz der Untersagungsverfügung im Wartezimmer folgende Tätigkeiten ausführte: Abtasten der Prostata, Blutentnahme, Beratung, Verschreibung von Arzneimitteln und Legen von Kathetern. Dabei wurde auch festgestellt, dass der Kläger zwei braune, nicht etikettierte Flaschen mit nicht sterilem "Katheterschleim" verwendete und eine Aufbereitung von keimarm oder steril zur Anwendung kommenden Medizinprodukten nicht durchgeführt wurde. Die Nichtbeachtung der beiden Untersagungsverfügungen stellt einen schwerwiegenden und gröblichen Verstoß gegen vertragsärztliche Verpflichtungen dar (vgl. BSG, Urteil vom 20.10.2004 - B 6 KA 67/03 R = juris RdNr. 25). Wie bereits dargelegt, kommt es auf ein Verschulden nicht an, so dass der Kläger auch nicht damit durchdringen kann, dass er davon ausging, dass die Untersagungsverfügung der Stadt nicht sein Wartezimmer betreffe.
Weitere schwerwiegender gröbliche Verstöße liegen darin, dass der Kläger der Beigeladenen nicht mitgeteilt hat, dass ihm ab dem 00.11.2013 der weitere Betrieb seiner Praxis untersagt war, und er sogar noch seine Tätigkeit in der Praxis gegenüber der Beigeladenen weiterhin als vertragsärztliche Tätigkeit abgerechnet hat. Durch die Untersagungsverfügung der Stadt vom 00.11.2013 war der Kläger daran gehindert, an seinem Praxissitz weiterhin ärztlich tätig zu werden. Damit entfiel auch die Befugnis, vertragsärztliche Leistungen an seinem Praxissitz zu erbringen und damit einhergehend auch die Befugnis, solche vertragsärztlichen Leistungen gegenüber der Beigeladenen abzurechnen. Hierin liegt ein Abrechnungsbetrug. Davon ging auch die Staatsanwaltschaft aus, die dem Kläger sechs tatmehrheitliche Vergehen des Betrugs gemäß § 263 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) vorgeworfen hat. Dies ergibt sich aus der Einstellungsverfügung vom 30.12.2015. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen können auch bei der Frage des Vorliegens einer gröblichen Pflichtverletzung berücksichtigt werden kann (stRspr., vgl. nur BSG, Beschluss vom 17.01.2018 - B 6 KA 61/17 B = juris RdNr. 9 m.w.N.). Betrügerische Abrechnungen stellen jedoch eine schwere gröbliche Pflichtverletzung dar (BSG, Beschluss vom 17.10.2012 - B 6 KA 19/12 B = juris RdNr. 9; Pawlita in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 95 SGB V, RdNr. 519 m.w.N.), insbesondere deswegen, weil das Abrechnungs- und Honorierungssystem der vertragsärztlichen Versorgung auf Vertrauen aufbaut und das Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben des Leistungserbringers ein Fundament des Systems der vertragsärztlichen Versorgung darstellt (BSG Urteil vom 21.3.2012 - B 6 KA 22/11 R - SozR 4-2500 § 95 Nr. 24 RdNr. 35 m.w.N.).
Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten am 27.01.2016 konnte dieser (weiterhin) zu Recht davon ausgehen, dass der Kläger durch seine vorherigen gröblichen Pflichtverstößen das Vertrauensverhältnis zur Beigeladenen und den Krankenkassen tief und nachhaltig gestört hat. Entgegen seiner Auffassung musste der Beklagte dem Umstand, dass die Stadt mit Verfügung vom 00.11.2015 die Untersagungsverfügung unter Auflagen (keine ambulanten Operationen und invasive Eingriffe in seiner Praxis) wieder aufgehoben und der Kläger zwischenzeitlich an Hygieneschulungen teilgenommen hat, keine maßgebliche Bedeutung beimessen. Denn zwischen der Aufhebung der Untersagungsverfügung und der Entscheidung des Beklagten lagen nur knapp mehr als zwei Monate. Nach der Rechtsprechung des BSG ist die Einsicht des Betroffenen in den Unrechtsgehalt seines Verhaltens und eine hieraus resultierende Einstellungs- und Verhaltensänderung sowie die Bereitschaft zur Wiedergutmachung des Schadens nur dann von den Zulassungsgremien maßgeblich zu berücksichtigen, wenn eine nachhaltige Verhaltensänderung während eines Zeitraums von mehreren Jahren, die eine zweifelsfreie Prognose künftig rechtmäßigen Verhaltens erlaubt, vorliegt (BSG, Beschluss vom 02.04.2014 – B 6 KA 58/13 B = juris RdNr. 11). Eine mehrjährige nachhaltige Verhaltensänderung lag jedoch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten am 27.01.2016 nicht vor. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall. Dies ergibt sich aus dem Protokoll vom 00.12.2015 des Gesundheitsamtes der Stadt. Danach fand am 00.12.2015 eine Begehung durch das Gesundheitsamt der Stadt und des Regierungspräsidiums statt. Im Vergleich zur Begehung im Oktober 2015 war einer der beiden Behandlungsräume wieder völlig zugestellt gewesen, so dass nur ein Behandlungsraum als Untersuchungsraum zur Verfügung stand. In der Hausbesuchstasche waren zwei Hautdesinfektionsmittel, deren Verfallsdatum deutlich überschritten war und zahlreiche abgelaufene Einmalprodukte, wie z.B. mehrere Blasenskatheter. Insgesamt war die Arzttasche sehr unordentlich und unsauber gewesen. Im Labor stand ein nicht funktionsfähiger Kühlschrank, in dem Nahrungsmittel aufbewahrt wurden. In den Schubladen fanden sich abgelaufene Einmalprodukte. Im Labor stand der Abwurf für die private Wäsche und die Schlafmatratze. Es waren weiterhin zahlreiche abgelaufene Einmalprodukte in der gesamten Praxis gewesen, auch in den Privaträumen. Ein Hygieneplan war zwar vorhanden, jedoch war mit dem Kläger vereinbart worden, diesen zu überarbeiten. All dies entnimmt das Gericht dem genannten Protokoll. Daraus folgt, dass eine nachhaltige Verhaltensänderung zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten nicht vorlag.
Jede der einzelnen genannten Pflichtverletzung kommt bereits ein besonderes Gewicht zu. Denn der Kläger hat nicht nur die Gefährdung seiner Patienten in Kauf genommen, sondern sich auch der Untersagungsverfügungen der Stadt und des Regierungspräsidium über einen langen Zeitraum hinweg widersetzt und zudem unrechtmäßig Abrechnungen bei der Beigeladenen eingereicht. Auch bei Betrachtung des Gesamtverhaltens des Klägers ist festzustellen, dass das Vertrauen der vertragsärztlichen Institutionen in eine korrekte Behandlungs- und Abrechnungsweise des Klägers massivst gestört ist. Der Kläger hat gezeigt, dass er auch durch eine Zwangsgeldandrohung, wie sie in der Untersagungsverfügung vom 00.11.2013 der Stadt enthalten ist, nicht gewillt war, sein Verhalten zu ändern. Er hat damit insgesamt gezeigt, dass er nicht bereit ist, sich in das geltende Vertragsarztsystem einzufügen. Somit ist er als Vertragsarzt ungeeignet und konnte deshalb nicht Vertragsarzt bleiben.
Der Entzug der Zulassung verstößt im vorliegenden Fall auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es dient der Sicherung des gewichtigen Gemeinwohlbelangs der Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung, ausschließlich geeignete Ärzte zur vertragsärztlichen Versorgung zuzulassen (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 22.12.2008 - 1 BvR 3457/08 = juris, RdNr. 4). Ausgehend von dem Zweck des § 95 Abs. 6 SGB V, der auf die Verhinderung einer Systemgefährdung gerichtet ist, und dem Umstand, dass der Kläger das Wohl seiner Patienten gefährdet hat, stellt die Zulassungsentziehung im Hinblick auf die gröblichen Pflichtverletzungen des Klägers das geeignete, erforderliche und verhältnismäßig (im engeren Sinne) geeignete Mittel dar, um auf die mehrfachen gröblichen Pflichtverstöße zu reagieren. Es ist mithin nicht erkennbar, dass der mit dem Widerruf verfolgte Zweck in einem unangemessenen Verhältnis zur Schwere des Eingriffs stünde. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass Art. 12 Abs. 1 GG keine Bestandsgarantie für einen einmal gewählten Arbeitsplatz beinhaltet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.09.2016 – 1 BvR 1326/15 = juris RdNr. 43-45 m.w.N.). Im vorliegenden Fall kamen als milderes Mittel weder das Ruhen der Zulassung noch Disziplinarmaßnahmen in Betracht. Zum einen hatte der Zulassungsausschuss bereits das zeitweise Ruhen der Zulassung verfügt. Der Kläger hat sich aber bereits zuvor nicht an die Untersagungsverfügungen der Stadt und des Regierungspräsidiums gehalten. Vor diesem Hintergrund ist der vollständige Entzug der Zulassung als ultima ratio verhältnismäßig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Eine Übernahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen war veranlasst, da sich diese am Gerichtsverfahren und an der mündlichen Verhandlung beteiligt und auch einen Antrag gestellt hat.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen hat.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung.
Dem 1944 geborenem Kläger wurde 1975 die Approbation als Arzt erteilt. 1978 wurde er als Urologe anerkannt. Mit Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte wurde der Kläger 1978 als Urologe zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassen.
Am 00.11. und 00.11.2013 fanden in den Praxisräumen des Klägers infektionshygienische Begehungen des städtischen Gesundheitsamtes statt. Hierbei wurde eine Vermüllung der Praxisräume und schwerwiegende Mängel in den Bereichen Hygiene und Arbeitsschutz festgestellt. In beiden Bereichen lägen schwerwiegende Mängel vor. Seit Jahren gültige Standards würden offenbar nicht umgesetzt und seien auch nicht bekannt. Die zweite Begehung erfolgte zusammen mit dem Amtsarzt und einer Vertreterin des Regierungspräsidiums. Auch bei dieser zweiten Begehung wurde festgestellt, dass die infektionshygienischen Verhältnisse in der Praxis des Klägers den infektionshygienischen Anforderungen nicht einmal im Ansatz entsprächen und deswegen von einer erheblichen Infektionsgefahr für die Patienten auszugehen sei. Es sei eine größere Anzahl ursprünglich steriler Einmalprodukte gefunden worden, deren Verfallsdatum teilweise seit mehreren Jahren abgelaufen gewesen sei. Auch seien Instrumente nicht verpackt oder verschmutzt gewesen.
Das Amt für öffentliche Ordnung untersagte daraufhin mit Verfügung vom 00.11.2013 den weiteren Betrieb der Praxis mit sofortiger Wirkung. Dem Kläger wurde u.a. untersagt, Patienten Zutritt in seine Praxisräume zu gewähren und invasive Eingriffe an Patienten in den Praxisräumen vorzunehmen. Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde ein Zwangsgeld i.H.v. 20.000 EUR angedroht. Zur Begründung wurde ausgeführt, aufgrund einer aktuellen Beschwerde über mangelhafte infektionshygienische Verhältnisse seien unangemeldete Überprüfungen durch Sachverständige des städtischen Gesundheitsamtes durchgeführt worden. Hierbei seien zum Teil sehr gravierende infektionshygienische Beanstandungen festgestellt worden. Die Praxis entspreche nicht den aktuellen Anforderungen an die Infektionshygiene und an den Arbeitsschutz. Zahlreiche Räume seien bis zur Decke (neben dem üblichen Praxisbedarf) vor allem mit zahlreichen privaten Gegenständen zugestellt und kaum begehbar gewesen. In der gesamten Praxis seien kein Händedesinfektionsmittel. Eine Händedesinfektion werde grundsätzlich nicht durchgeführt, auch nicht vor Eingriffen. Die Handwaschbecken seien so vollgestellt, dass sie zur Handwaschung nicht genutzt werden könnten. Im Eingriffsraum gebe es überhaupt kein Handwaschbecken. Eine Unterteilung in eine reine und unreine Seite sei nicht erkennbar. Eine desinfizierende Flächenreinigung finde nicht statt. Das uneinsichtige Verhalten habe der Kläger dadurch bewiesen, dass er bei der Erstbegehung angegeben habe, die Sterilwasseranlage über dem Behandlungstisch im Eingriffsraum seit langem nicht mehr zu benutzen, aber bei der unangemeldeten zweiten Kontrolle sei festgestellt worden, dass die Anlage doch noch für Blasenuntersuchungen zum Einsatz komme. Insofern sei beim Kläger von einer gewissen Uneinsichtigkeit und Unzuverlässigkeit im Hinblick auf die Vermeidung von Infektionsgefahren auszugehen. Er nehme dies in Kauf und verordne seinen männlichen Patienten nach der Zystoskopie stattdessen eine dreitägige Antibiose.
Am 00.12.2013 erließ das Regierungspräsidium ebenfalls eine Untersagungsverfügung. Die Anwendung der in der Praxis aufbereiteten Instrumente, die bestimmungsgemäß keimarm oder steril zur Anwendung kämen, werde mit sofortiger Wirkung untersagt. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet. Zur Begründung wurde ausgeführt, ärztliches Instrumentarium werde nach dessen Verwendung nicht ordnungsgemäß aufbereitet. Eine Risikobewertung und Einstufung der einzelnen Medizinprodukte werde nicht durchgeführt. Der Nachweis über die Sachkunde in der Aufbereitung gemäß § 4 Abs. 3 MPBetreibV habe nicht vorgelegt werden können. Die Verfallsdaten der Desinfektionsmittelkanister seien bereits 2011 bzw. 2012 abgelaufen gewesen.
Am 00.01.2015 fand eine Nachbegehung der Praxis durch das Regierungspräsidium, das Amt für öffentliche Ordnung und das Gesundheitsamt statt. Anlass war der Verdacht, dass die Praxis trotz der Verfügung der Schließung wieder geöffnet sei. Im diesbezüglichen Protokoll wurde festgehalte, dass an der Praxis kein Schild befestigt gewesen sei, das auf die Schließung hingewiesen habe. Der Kläger habe erklärt, dass er nur noch das Wartezimmer für Behandlungen nutze, weil er gedacht habe, dieses gehöre nicht zu den Praxisräumen. Im Wartezimmer führe er folgende Tätigkeiten durch: Abtasten der Prostata, Blutabnahme, Beratung, Verschreibung von Arzneimitteln und Legen von Kathetern. Zystoskopien führe er nicht durch. Außerdem mache er Hausbesuch in Privathaushalten und Heimen. Der Kläger sei auf Hilfsmöglichkeiten für Messie-Verhalten hingewiesen worden sowie auf die weiterhin gültige Verfügung der Praxisschließung. Die Infektionsgefahr durch Eindringen von nicht sterilem "Katheterschleim" sei dem Kläger nicht bewusst gewesen, obwohl dies bereits am 00.11.2013 thematisiert worden sei. In diesem Fall sei von einer möglichen Gefährdung von Patienten auszugehen. Der Kläger mache teilweise unwahre Aussagen und zeige das Verhalten eines Messies.
Mit Schreiben vom 00.01.2015 wandte sich das Regierungspräsidium an die Beigeladene und bat um Übermittlung der Abrechnungsdaten ab dem Zeitpunkt der Schließungsverfügung. Daraufhin stelle die Beigeladene am 00.02.2015 beim Zulassungsausschuss für Ärzte den Antrag, dem Kläger die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung in vollem Umfang zu entziehen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, eine Überprüfung der Abrechnung des Klägers habe ergeben, dass er trotz Praxisschließung und seiner Beteuerungen, keine Zystoskopien durchzuführen, sowohl Zystoskopien durchführe, als auch Blasenskatheter lege. Der Kläger sei unfähig, die vertragsärztliche Tätigkeit ordnungsgemäß auszuüben und daher gemäß § 21 S. 1 Ärzte-ZV ungeeignet für die weitere Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung. Er sei nicht in der Lage, die Praxis so zu führen, wie es im Interesse der Versicherten notwendig wäre. Dies ergebe sich aus den Information des Regierungspräsidiums, wonach der Kläger trotz der Untersagungsverfügung im Wartezimmer weiter Patienten behandle und Hausbesuche durchführe. Darüber hinaus arbeite der Kläger weder steril noch sei er sich dessen Folgen bewusst.
Mit Bescheid vom 27.02.2015 suspendierte die Beigeladene den Kläger von der persönlichen Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit.
Am 31.03.2015 gab der Kläger eine eidesstattliche Versicherung ab, wonach er sich nach Kräften bemühen werde, alle festgestellten Mängel in der Praxis unverzüglich zu beheben und dafür zu sorgen, dass die Praxis den gesetzlichen Anforderungen im Bereich der Hygiene sowie des Arbeits- und Infektionsschutzes entspreche. Er wolle sich unverzüglich fortbilden und seine Kenntnisse auf den neuesten Stand bringen. Er werde die Untersagungsverfügung vom 00.11.2013 uneingeschränkt beachten und die Praxis geschlossen halten, bis die Untersagungsverfügung widerrufen werde.
Mit Beschluss vom 24.04.2015 ordnete der Zulassungsausschuss für Ärzte das Ruhen der Zulassung des Klägers für den Zeitraum vom 24.04. bis 11.06.2015 und die sofortige Vollziehung dieser Entscheidung an. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei nicht in der Lage, seine vertragsärztliche Tätigkeit auszuüben. Dieser habe sich über Verfügungen des Regierungspräsidiums hinweggesetzt und behandle dennoch Patienten. Mit weiterem Beschluss vom 12.06.2015 ordnete der Zulassungsausschuss für Ärzte das Ruhen der Zulassung des Klägers für die Zeit vom 12.06. bis 16.09.2015 an.
Im Juni 2015 nahm der Kläger an einer Hygieneschulung teil. Darüber hinaus meldete er sich zu einem Hygieneseminar im September 2015 an.
Bei einer weiteren Begehung durch das Gesundheitsamt am 00.09.2015 waren die für den geplanten Praxisbetrieb vorgesehenen Räume in ordentlichem und sauberem Zustand, jedoch hätten sich in den vollgestellten Nebenräumen auch abgelaufene Einmal-Medizinprodukte wie Infusionssets und Spritzen sowie abgelaufene Medikamente und anderes Besteck, das offensichtlich nicht aufbereitet und nicht sachgemäß gelagert gewesen sei, gefunden.
Mit Beschluss vom 16.09.2015 entzog der Zulassungsausschuss für Ärzte die Zulassung des Klägers und ordnete die sofortige Vollziehung der Entscheidung an. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, zum Pflichtenkreis eines Vertragsarztes gehöre die gewissenhafte Ausübung des Berufs insbesondere die notwendige Qualifikation, die Beachtung des anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse und die Befolgung insbesondere der berufsrelevanten Gesetze. Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 Medizinproduktegesetz sei es verboten, Medizinprodukte zu betreiben oder anzuwenden, wenn das Datum abgelaufen sei, bis zu dem eine gefahrlose Anwendung möglich sei. Beim Kläger seien viele Einwegprodukte mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum gefunden worden. Auch bei der Begehung am 00.09.2015 seien abgelaufene Metallscheren und Pinzetten sowie andere Medizinprodukte vorgefunden worden. Dadurch seien die behandelten Patienten einer akuten Gesundheitsgefahr ausgesetzt worden, wodurch der Kläger gröblich gegen seine Pflichten als Vertragsarzt verstoßen habe. Bei der Begehung am 00.01.2015 habe der Kläger die Benutzung von zwei braunen, nicht etikettierten vorgefundenen Flaschen zugegeben, die er als "Katheterschleim" bezeichnet habe und als Gleitmittel verwende. Das korrekte Verfahren für eine sterile Handhabung des Katheters und Nachweise, um was es sich für eine Flüssigkeit konkret in den Flaschen gehandelt habe, habe der Kläger nicht benennen können. Auch durch diese wiederholte Anwendung seien die behandelten Patienten einer akuten Gesundheitsgefahr und einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt worden. Trotz der Untersagungsverfügung habe der Kläger weiter im Wartezimmer praktiziert und auch gegenüber der Beigeladenen seine Behandlungen abgerechnet. Diese Leistungen hätte er weder erbringen noch abrechnen dürfen. Dieses Verhalten zeige den wiederholten groben Verstoß gegen die Pflichten eines Vertragsarztes. Zwar habe der Kläger mittlerweile an den geforderten Hygieneschulungen teilgenommen, doch eine Konsequenz in seinem Verhalten habe sich nicht gezeigt.
Hiergegen erhob der Kläger am 14.10.2015 Widerspruch und beantragte am 20.10.2015 beim Sozialgericht, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Entscheidung des Zulassungsausschusses für Ärzte anzuordnen (Az.: S 5 KA 5716/15 ER). Nachdem der Beklagte während des Verfahrens mitgeteilt hatte, an der sofortigen Vollziehungsanordnung nicht mehr festzuhalten, erklärten die Beteiligten das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes für erledigt.
Mit Verfügung vom 00.11.2015 hob das Gesundheitsamt die Untersagungsverfügung unter Auflagen auf. Der Kläger dürfe keine ambulanten Operationen und invasive Eingriffe in seiner Praxis mehr vornehmen.
Am 00.12.2015 fand wiederum eine Begehung durch das Gesundheitsamt und des Regierungspräsidiums statt. Im Vergleich zur Begehung im Oktober 2015 sei einer der beiden Behandlungsräume wieder völlig zugestellt gewesen, so dass derzeit nur ein Behandlungsraum als Untersuchungsraum zur Verfügung stehe. In der Hausbesuchstasche hätten sich zwei Hautdesinfektionsmittel, deren Verfallsdatum deutlich überschritten gewesen sei und zahlreiche abgelaufene Einmalprodukte, wie z.B. mehrere Blasenskatheter, befunden. Insgesamt sei die Arzttasche sehr unordentlich und unsauber gewesen. Im Labor stünde ein nicht funktionsfähiger Kühlschrank, in dem Nahrungsmittel aufbewahrt würden. In den Schubladen fänden sich abgelaufene Einmalprodukte. Da der Kläger die Praxis auch privat nutze, stehe im Labor der Abwurf für die private Wäsche und die Schlafmatratze. Es seien weiterhin zahlreiche abgelaufene Einmalprodukte in der gesamten Praxis gewesen, auch in den Privaträumen. Ein Hygieneplan sei vorhanden, jedoch sei mit dem Kläger vereinbart worden, diesen zu überarbeiten.
Mit Beschluss vom 27.01.2016 (Ausfertigung am 21.06.2016) wies der Beklagte den Widerspruch zurück und ordnete die sofortige Vollziehung des Beschlusses des Zulassungsausschusses vom 16.09.2015 an. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Vertrauensverhältnis zur Beigeladenen und den Krankenkassen sei derart grundlegend gestört, dass durch die weitere Zulassung des Klägers die Funktionsfähigkeit des Systems der vertragsärztlichen Versorgung gefährdet wäre. Eine gröbliche Pflichtverletzung sei bereits darin zu sehen, dass der Kläger seine Vertragspraxis betrieben habe, ohne den infektionshygienischen Anforderungen nach dem Infektionsschutzgesetz und den Anforderungen nach dem Medizinproduktegesetz und der Medizinprodukte-Betreiberverordnung auch nur im Ansatz zu entsprechen. Dies habe dazu geführt, dass sich die Stadt veranlasst gesehen habe, die Schließung der Praxisräume des Klägers zu verfügen. Eine gröbliche Pflichtverletzung liege vor, wenn sich die Praxis des Vertragsarztes über längere Zeit insbesondere hinsichtlich des hygienischen Zustands in einem desolaten Zustand befunden habe. Die infektionshygienischen Mängel seien so schwerwiegend gewesen, dass die Patienten einer erheblichen Infektionsgefahr ausgesetzt gewesen seien. Eine weitere gröbliche Pflichtverletzung sei darin zu sehen, dass der Kläger die Beigeladene nicht über die Schließungsverfügung informiert habe. Hierzu sei er verpflichtet gewesen. Nach § 95 Abs. 6 S. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sei die Zulassung unter anderem zu entziehen, wenn die vertragsärztliche Tätigkeit nicht mehr ausgeübt werde. Vor diesem Hintergrund stelle es eine gröbliche Pflichtverletzung dar, wenn der Widerspruchsführer die Beigeladene nicht darüber informiere, dass er aufgrund der Schließungsverfügung vom 00.11.2013 überhaupt nicht mehr in der Lage sei, seinen vertragsärztlichen Pflichten nachzukommen. Eine weitere gröbliche Pflichtverletzung sei darin zu sehen, dass der Kläger sich über die Schließungsverfügung der Stadt hinweggesetzt habe, weiterhin vertragsärztlich tätig gewesen sei und damit die Patienten einer erheblichen Infektionsgefahr ausgesetzt habe und diese Leistungen gegenüber der Beigeladenen abgerechnet habe. Dies sei auch vorsätzlich erfolgt. Dass der Kläger in allen Quartalen des Jahres 2015 vertragsärztliche Leistungen erbracht und abgerechnet habe, ergebe sich aus den entsprechenden GKV-Abrechnungen. Im Hinblick auf die Summierung der gröblichen Pflichtverletzungen des Klägers sei die Entziehung der Zulassung unabdingbar. Hinzu komme, dass der Kläger nicht willens oder in der Lage sei, seine Praxis unter infektionshygienischen Gesichtspunkte so zu führen, dass eine Infektionsgefahr für die versicherten Patienten ausgeschlossen sei. Dies zeige sich bereits darin, dass sich bei der Nachbegehung am 00.12.2015 wieder zahlreiche abgelaufene Einmalprodukte in der gesamten Praxis gefunden hätten. Die Entziehung der Zulassung sei auch verhältnismäßig. Mildere Mittel seien nicht ersichtlich. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass sich der Kläger noch nicht einmal von der zwangsgeldbewerten Untersagungsverfügung davon habe abhalten lassen, seine Patienten weiterhin ganz konkreten und erheblichen Infektionsgefahren auszusetzen und die nach dem 00.11.2013 von ihm erbrachten und keinesfalls ordnungsgemäßen Leistungen auch noch gegenüber der Beigeladenen abgerechnet habe. Von der in § 95 Abs. 6 S. 2 SGB V vorgesehenen Möglichkeit der hälftigen Entziehung der Zulassung sei kein Gebrauch zu machen. Die Entziehung der vollständigen Zulassung sei notwendig, um die Patienten und das Leistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung vor der nicht ordnungsgemäßen Leistungserbringung zu schützen.
Hiergegen richtet sich die am 04.02.2016 beim Sozialgericht eingereichte Klage des Klägers. Auf seinen am 09.02.2016 erhobenen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (Az.: S 11 KA 746/16 ER) stellte das Gericht mit Beschluss vom 07.03.2016 fest, dass die Klage gegen den Beschluss des Beklagten vom 27.01.2016 aufschiebende Wirkung habe, da der Beklagte lediglich die sofortige Vollziehung seiner Entscheidung, nicht jedoch die des Zulassungsausschusses anordnen könne.
Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor, die Zulassungsentziehung verletze ihn in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG). § 95 Abs. 6 SGB V stelle zwar eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende gesetzliche Grundlage dar. Vorrangig kämen jedoch insbesondere Disziplinarmaßnahmen im Betracht. Insbesondere sei als milderes Mittel die Anordnung des Ruhens zu prüfen. Eine Disziplinarmaßnahme habe Vorrang gegenüber einer Zulassungsentziehung, wenn sie ausreichend erscheine, um den Vertragsarzt zur Einhaltung der vertragsärztlichen Pflichten anzuhalten. Gegen ihn sei jedoch nie ein Disziplinarverfahren eröffnet worden. Den Patientenschutz hätte man mit einem befristeten Ruhen der Zulassung erreichen können. Eine gröbliche Pflichtverletzung könne nicht darin gesehen werden, dass er die Beigeladene nicht über die Untersagungsverfügung informiert habe. Es stehe zwar außer Frage, dass er dies besser getan hätte. Aus seinem vertragsärztlichen Pflichtenkreis ergebe sich eine solche Pflicht jedoch nicht. Außerdem sei er davon ausgegangen, dass die Schließungsverfügung der Beigeladenen bekannt gewesen sei bzw. vom Ordnungsamt automatisch mitgeteilt werden würde. Ob die nicht zu leugnenden, vormaligen Hygienemängel in der Praxis eine gröbliche Verletzung vertragsarztrechtlicher Pflichten darstelle, sei fraglich. Sicher sei jedoch, dass er sich definitiv falsch verhalten und die Praxis nicht korrekt geführt habe. Zu keinem Zeitpunkt hätten sich jedoch geschädigte Patienten gemeldet. Zur Praxisbegehung am 00.12.2015 sei auszuführen, dass er am 00.12.2015 von einer Reise zurückgekehrt sei. Er sei erst kurz nach Mitternacht am 00.12.2015 angekommen. Aus zeitlichen Gründen habe er sich dazu entschlossen, in der Praxis zu übernachten. Am kommenden Morgen habe dann die unangekündigte Praxisbegehung stattgefunden. Der vollgestellte Behandlungsraum sei damit zu erklären, dass dort Gepäckstücke von der Reise und vorgefertigte Weihnachtsgeschenke gelagert hätten. Dass er gegen die Untersagungsverfügung verstoßen habe, sei nicht zu entschuldigen und hätte nicht passieren dürfen. Er bedaure dieses Fehlverhalten außerordentlich. Er habe aber nicht in böswilliger Absicht gehandelt. Da sein Wartezimmer bei der Praxisbegehung nicht beanstandet worden sei, aber natürlich auch von Untersagungsverfügung erfasst gewesen sei, habe er seine Patienten in diesem Zimmer behandelt. Er habe jedoch keine Zystoskopien erbracht. Außerdem habe er sich in der Pflicht gesehen, seine zahlreichen Patienten in Alten- und Pflegeheimen sowie in häuslichen Einrichtungen weiterhin zu versorgen. Nicht jede gröbliche Pflichtverletzung reiche aus, das Vertrauensverhältnis zur Beigeladenen objektiv tiefgreifend und nachhaltig zu stören. Zudem sei maßgeblich der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, d.h. der Zeitpunkt der Entscheidung durch den Beklagten. Dieser habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass er die hygienischen Mängel beseitigt und die für eine hygienische Praxisführung notwendigen Kenntnisse erlangt habe. Mit der Freigabe der Praxis durch das Gesundheitsamt und die Aufhebung der Suspendierung durch die Beigeladene sei gleichzeitig festgestellt worden, dass eine Gefährdung der Patienten ausgeschlossen sei und er wieder Patienten behandeln dürfe. Schließlich sei er auch auf dem Ärztebewertungsportal "jameda.de" mit einer Gesamtnote von x,x bei xx Bewertungen bewertet worden und zähle demnach zu den am besten bewerteten Urologen.
Der Kläger beantragt,
den Beschluss des Beklagten aus seiner Sitzung vom 27.01.2016 aufzuheben und den An-trag auf Zulassungsentziehung der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg vom 25.02.2015 zurückzuweisen,
hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, über seinen Widerspruch gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses aus seiner Sitzung vom 16.09.2015 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält seine angefochtene Entscheidung für zutreffend und führt ergänzend aus, eine Zulassungsentziehung erfordere keine Negativprognose für das künftige Verhalten des Arztes. Denn die Entziehung der Zulassung stelle eine nachträgliche Reaktion auf ein in der Vergangenheit liegendes pflichtwidriges Verhalten dar. Der Kläger verkenne, dass dem Grundrecht der Patienten auf Leben und körperliche Unversehrtheit allerhöchster Rang zukomme. Zu den primären und unabdingbaren Pflichten eines jeden Vertragsarztes gehöre, seine Patienten nicht durch mangelnde Hygiene Infektionsgefahren auszusetzen. Soweit der Kläger darauf hinweise, dass kein einziger Patient geschädigt worden sei, verkenne er, dass er seine Patienten erheblichen Infektionsgefahr ausgesetzt habe. Dass sich eine solch erhebliche Infektionsgefahr auch realisiert habe, sei für die Annahme einer gröblichen Pflichtverletzung nicht erforderlich. Eine weitere gröbliche Pflichtverletzung liege darin, dass er sich über die Schließungsverfügung vom 00.11.2013 schlicht hinweggesetzt habe und weiterhin vertragsärztlich tätig gewesen sei. Aus der Pflicht des Vertragsarztes zur vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Institutionen der vertragsärztlichen Versorgung ergebe sich auch die Pflicht, die Schließungsverfügung der Beigeladenen mitzuteilen. Dieser Pflicht sei der Kläger nicht nachgekommen. Die Entziehung der Zulassung sei auch verhältnismäßig. Der Kläger verkenne das Recht der Patienten auf körperliche Unversehrtheit, das einen Vorrang vor der Berufsfreiheit habe. Auch die Zwangsgeldandrohung i.H.v. 20.000 EUR habe ihn nicht gehindert, weiterhin tätig zu sein.
Mit Beschluss vom 22.02.2016 hat das Gericht die Beigeladene zum Verfahren beigeladen.
Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie schließt sich den Ausführungen des Beklagten an und hat das Protokoll des Gesundheitsamtes vom 00.09.2016 über die Begehung am 00.09.2016 sowie die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft in dem Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen Vergehens nach dem Medizinproduktegesetz vom 30.12.2015 vorgelegt. Ergänzend trägt die Beigeladene vor, der Kläger habe in den Quartalen 4/2013 bis 1/2015 vertragsärztliche Leistungen i.H.v. 79.049,19 EUR während der ab dem 00.11.2013 bestehenden Nutzungsuntersagung und damit ohne Rechtsgrund abgerechnet. Durch diesen andauernden und fortgesetzten Verstoß gegen die vom Gesundheitsamt und vom Regierungspräsidium verfügten Nutzungsuntersagungen, einhergehend mit einer massiven Patientengefährdung, sei das Vertrauen der vertragsärztlichen Institution in die ordnungsgemäße Behandlung der Versicherten und auch die Rechtmäßigkeit der Abrechnung massiv gestört.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Beschluss des Beklagten vom 27.01.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beklagte hat zu Recht die Zulassung des Klägers zur vertragsärztlichen Versorgung vollumfänglich entzogen. Die Entscheidung des Beklagten ist in keinster Weise zu beanstanden. Denn der Kläger hat seine vertragsärztlichen Pflichten mehrfach gröblich verletzt. Er hat ohne den infektionshygienischen Anforderungen nach dem Infektionsschutzgesetz und den Anforderungen nach dem Medizinproduktegesetz und der Medizinprodukte-Betreiberverordnung auch nur im Ansatz zu entsprechen seine urologische Praxis betrieben, ohne die Untersagungsverfügungen der Stadt und des Regierungspräsidiums zu beachten und hat zudem zu Unrecht vertragsärztliche Leistungen gegenüber der Beigeladenen abgerechnet. Hierdurch hat er das Vertrauensverhältnis zur Beigeladenen und den Krankenkassen grundlegend gestört.
Die Kammer hat in der Besetzung mit einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts (§ 12 Abs. 3 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) handelt.
Streitgegenständlich ist vorliegend der Beschluss des Beklagten vom 27.01.2016 (Ausfertigung am 21.06.2016), der die vom Zulassungsausschuss am 16.09.2015 ausgesprochene Zulassungsentziehung bestätigt hat. In vertragsärztlichen Zulassungssachen wird der beklagte Berufungsausschuss mit seiner Anrufung gemäß § 96 Abs. 4 SGB V funktionell ausschließlich zuständig. § 95 SGG findet in diesem Verfahren keine Anwendung (st. Rspr. des BSG, u.a. Urteil vom 27.01.1993 - 6 RKa 40/91 = juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.02.2017 - L 5 KA 1317/16). Der Bescheid des Berufungsausschusses tritt als Regelung der Zulassungssache an die Stelle des vorangegangenen Bescheides des Zulassungsausschusses für Ärzte und bildet den alleinigen Gegenstand des Weiteren - gerichtlichen - Verfahrens.
Rechtsgrundlage für die Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit ist § 95 Abs. 6 S. 1 SGB V. Danach ist die Zulassung zu entziehen, wenn ihre Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, der Vertragsarzt die vertragsärztliche Tätigkeit nicht aufnimmt oder nicht mehr ausübt oder seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt.
Wann ein solcher Pflichtenverstoß als gröblich i.S. des § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V anzusehen ist, ist durch die Rechtsprechung des BSG geklärt. Danach ist eine Pflichtverletzung gröblich, wenn sie so schwer wiegt, dass ihretwegen die Entziehung zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung notwendig ist (stRspr des BSG, vgl. Beschluss vom 11.02.2015 – B 6 KA 37/14 B = juris RdNr. 9; BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 9, RdNr. 10 m.w.N.; BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr. 2, RdNr. 37; BSG SozR 4-5520 § 21 Nr. 1 RdNr. 13; BSGE 112, 90 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 26, RdNr. 21). Davon ist nach der Rechtsprechung des BVerfG wie auch des BSG auszugehen, wenn die gesetzliche Ordnung der vertragsärztlichen Versorgung (worunter auch die ordnungsgemäße Behandlung der Versicherten und in die Rechtmäßigkeit der Abrechnungen zählen) durch das Verhalten des Arztes in erheblichem Maße verletzt wird und das Vertrauensverhältnis zu den vertragsärztlichen Institutionen tiefgreifend und nachhaltig gestört ist, sodass ihnen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertragsarzt nicht mehr zugemutet werden kann (stRspr. des BSG, vgl. Beschluss vom 11.02.2015 – B 6 KA 37/14 B = juris RdNr. 9 m.w.N.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 26.09.2016 - 1 BvR 1326/15 = juris RdNr. 40; BVerfGE 69, 233, 244 = SozR 2200 § 368a Nr. 12 S. 30; Pawlita in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 95 SGB V, RdNr. 516). Für die Gröblichkeit der Pflichtverletzung ist maßgeblich, welchen Stellenwert die verletzte Pflicht hat und wie schwer der Verstoß unter Berücksichtigung seiner Eigenart wiegt (BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 24, RdNr. 33); allein Ausmaß und Schwere der Pflichtverletzungen sind der Maßstab dafür, ob den Institutionen der vertragsärztlichen Versorgung eine Fortsetzung der Zusammenarbeit zuzumuten ist (BSG, Beschluss vom 11.02.2015 – B 6 KA 37/14 B = juris RdNr. 9).
Ebenfalls durch die Rechtsprechung geklärt ist, dass persönliche Lebensumstände für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für eine Entziehung der Zulassung vorliegen, ohne Bedeutung sind: Für den Tatbestand einer gröblichen Pflichtverletzung i.S. von § 95 Abs. 6 SGB V ist nicht erforderlich, dass den Vertragsarzt ein Verschulden trifft; auch unverschuldete Pflichtverletzungen können zur Zulassungsentziehung führen (stRspr., vgl. BSG, Beschluss vom 11.02.2015 – B 6 KA 37/14 B = juris RdNr. 11 m.w.N.). Das BSG hat in diesem Zusammenhang bereits darauf hingewiesen, dass ein Verschuldenserfordernis nicht mit dem Ziel der auf eine funktionsfähige vertragsärztliche Versorgung ausgerichteten Regelungen des SGB V kompatibel wäre (BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 24, RdNr. 51).
Die Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung beurteilt sich dabei nach der geänderten Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 17.10.2012 - B 6 KA 49/11 R = juris; hierzu zuletzt BSG, Beschluss vom 17.01.2018 - B 6 KA 61/17 B; Beschluss vom 22.03.2016 - B 6 KA 69/15 B) nach der Sachlage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung. Später liegende Umstände - wie eine Verhaltensänderung - sind ggf. in einem Verfahren auf Wiederzulassung zu würdigen. Maßgeblich ist danach, ob das Vertrauensverhältnis im Zeitpunkt der Entscheidung der Zulassungsgremien wiederhergestellt ist. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalles und namentlich die Einsicht des Betroffenen in den Unrechtsgehalt seines Verhaltens und eine hieraus resultierende Einstellungs- und Verhaltensänderung sowie die Bereitschaft zur Wiedergutmachung des Schadens von Bedeutung (vgl. BSG, Beschluss vom 02.04.2014 – B 6 KA 58/13 B = juris RdNr. 11 m.w.N.). Voraussetzung ist allerdings eine nachhaltige Verhaltensänderung während eines Zeitraums von mehreren Jahren, die eine zweifelsfreie Prognose künftig rechtmäßigen Verhaltens erlaubt (BSG, a.a.O.). Eine Zulassungsentziehung erfordert demnach keine Negativprognose für das künftige Verhalten des Leistungserbringers im Sinne der Feststellung einer Wiederholungsgefahr, da § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V nicht auf die Steuerung künftigen Verhaltens ausgerichtet ist, sondern auf eine nachträgliche Reaktion auf ein in der Vergangenheit liegendes pflichtwidriges Verhalten (Pawlita in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 95 SGB V, RdNr. 522). Etwas anderes gilt auch nicht - wie vom Klägervertreter behauptet - im Hinblick auf den Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 08.09.2017 (1 BvR 1657/17). Denn das BVerfG hat in diesem Beschluss nicht zur gefestigten Rechtsprechung des BSG zu § 95 Abs. 5 SGB V Stellung genommen, sondern der Fall betraf den Widerruf einer Approbation als Arzt wegen Unwürdigkeit gemäß § 5 BÄO. Eine Aussage zur Notwendigkeit einer Prognose für das zukünftige Verhalten bei der Entziehung einer vertragsärztlichen Zulassung enthält der Nichtannahmebeschluss an keiner Stelle.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Beklagte in dem angegriffenen Beschluss vom 27.01.2016 (Ausfertigung am 21.06.2016) zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger seine vertragsärztlichen Pflichten in einer eine Zulassungsentziehung rechtfertigenden Weise mehrfach gröblich verletzt hat, indem ohne den infektionshygienischen Anforderungen nach dem Infektionsschutzgesetz und den Anforderungen nach dem Medizinproduktegesetz und der Medizinprodukte-Betreiberverordnung auch nur im Ansatz zu entsprechen seine urologische Praxis - ohne die Untersagungsverfügungen der Stadt vom 00.11.2013 und des Regierungspräsidiums vom 00.12.2013 zu beachten - ab dem 00.11.2013 weiter betrieben und demgemäß zu Unrecht vertragsärztliche Leistungen gegenüber der Beigeladenen (bezogen auf die Quartale 4/2013 bis 1/2015) i.H.v. 79.049,19 EUR abgerechnet hat.
Eine gröbliche Pflichtverletzung liegt bereits darin, dass der Kläger in seiner urologischen Praxis seit Jahren gültige Hygiene- und Arbeitsschutzstandards nicht berücksichtigt hat. Das Gericht stützt sich hierbei auf die Ermittlungen des Gesundheitsamtes der Stadt und des Regierungspräsidiums vom 00.11. und 00.11.2013. Die infektionshygienische Begehungen des städtischen Gesundheitsamtes der Stadt ergab eine Vermüllung der Praxisräume und schwerwiegende Mängel in den Bereichen Hygiene und Arbeitsschutz. Bei den Begehungen wurde festgestellt, dass die infektionshygienischen Verhältnisse in der Praxis des Klägers den infektionshygienischen Anforderungen nicht einmal im Ansatz entsprachen und deswegen von einer erheblichen Infektionsgefahr für die Patienten auszugehen war. Zahlreiche Räume waren bis zur Decke (neben dem üblichen Praxisbedarf) vor allem mit zahlreichen privaten Gegenständen zugestellt und kaum begehbar gewesen. In der gesamten Praxis gab es kein Händedesinfektionsmittel. Eine Händedesinfektion wurde grundsätzlich nicht durchgeführt, auch nicht vor Eingriffen. Die Handwaschbecken waren so vollgestellt, dass sie zur Handwaschung nicht genutzt werden konnten. Im Eingriffsraum gab es überhaupt kein Handwaschbecken. Eine Unterteilung in eine reine und unreine Seite war nicht erkennbar. Eine desinfizierende Flächenreinigung fand nicht statt. Obwohl der Kläger bei der ersten Begehung angegeben hatte, die Sterilwasseranlage über dem Behandlungstisch im Eingriffsraum seit langem nicht mehr zu benutzen, wurde bei der unangemeldeten zweiten Kontrolle festgestellt, dass die Anlage doch noch für Blasenuntersuchungen zum Einsatz kam. All dies ergibt sich aus der Verfügung der Stadt vom 00.11.2013. Daraus folgt auch, dass der Kläger Infektionsgefahren seiner Patienten in Kauf genommen und vor diesem Hintergrund seinen männlichen Patienten nach der Zystoskopie stattdessen eine dreitägige Antibiose verordnet hat. Damit hat er das körperliche Wohl und das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) seiner Patienten gefährdet.
Darauf, dass der Eintritt eines tatsächlichen Gesundheitsschadens bei einem seiner Patienten bislang nicht konkret nachweisbar ist, kommt es - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht an. Für die Annahme einer gröblichen Pflichtverletzung genügt bereits der Verstoß gegen die Verpflichtung aus § 8 Abs. 1 der Verordnung über das Errichten, Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten (MPBetreibV). Danach gilt: Die Aufbereitung von bestimmungsgemäß keimarm oder steril zur Anwendung kommenden Medizinprodukten ist unter Berücksichtigung der Angaben des Herstellers mit geeigneten validierten Verfahren so durchzuführen, dass der Erfolg dieser Verfahren nachvollziehbar gewährleistet ist und die Sicherheit und Gesundheit von Patienten, Anwendern oder Dritten nicht gefährdet wird. Dies gilt auch für Medizinprodukte, die vor der erstmaligen Anwendung desinfiziert oder sterilisiert werden. Diesen Anforderungen ist der Kläger nicht gerecht geworden, was sich aus der Untersagungsverfügung des Regierungspräsidiums vom 00.12.2013 ergibt, worauf das Gericht zur Vermeidung von Wiederholungen ausdrücklich Bezug nimmt. Daraus folgt auch, dass der Kläger gegen § 14 S. 2 MPG verstoßen hat. Danach dürfen Medizinprodukte nicht betrieben und angewendet werden, wenn sie Mängel aufweisen, durch die Patienten, Beschäftigte oder Dritte gefährdet werden können. Das Regierungspräsidium hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass eine Gefährdung der Patienten im Sinne des § 14 MPG vorlag, da in der Praxis des Klägers bei den Begehungen im November 2013 keine Validierung der Reinigung-, Desinfektions- und Sterilisationsprozesse erfolgte bzw. keine standardisierte und reproduzierbare Reinigung mit nachgewiesener Wirkung sichergestellt war. Diese Feststellung des Regierungspräsidiums kann das Gericht auch bei der Frage, ob der Kläger seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt hat und sich als ungeeignet für die vertragsärztliche Tätigkeit erwiesen hat, verwerten (vgl. allgemein hierzu BSG, Beschluss vom 17.01.2018 - B 6 KA 61/17 B = juris).
Eine weitere gröbliche Pflichtverletzung liegt darin, dass der Kläger auch nach den Untersagungsverfügungen der Stadt vom 00.11.2013 und des Regierungspräsidiums vom 00.12.2013 in seiner Praxis weiterhin vertragsärztlich tätig war. Dass der Kläger die sofort vollziehbaren Untersagungsverfügungen nicht beachtet hat, ergibt sich aus seinem eigenen Vortrag und aus dem Umstand, dass er seine vertragsärztliche Tätigkeit im Untersagungszeitraum auch gegenüber der Beigeladenen abgerechnet hat. Dies folgt aus den Angaben der Beigeladenen im gerichtlichen Verfahren, wonach der Kläger in den Quartalen 4/2013 bis 1/2015 vertragsärztliche Leistungen i.H.v. 79.049,19 EUR abgerechnet hat. Die Honorarbescheide für die Quartale 2/2014 bis 1/2015 befinden sich auch in der von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte. Nach der Verfügung der Stadt vom 00.11.2013 war es dem Kläger aber (mit sofortiger Wirkung) untersagt, den Betrieb seiner Praxis weiter zu betreiben und seinen Patienten Zutritt zu seinen Praxisräumen zu gewähren. Dies entnimmt das Gericht dem Bescheid der Stadt vom 00.11.2013. Aus der Untersagungsverfügung des Regierungspräsidiums vom 00.12.2013 folgt zudem, dass dem Kläger die Anwendung der in seiner Praxis aufbereiteten Instrumente, die bestimmungsgemäß keimarm oder steril zur Anwendung kommen, mit sofortiger Wirkung untersagt war. Beide Untersagungsverfügungen hat der Kläger nicht beachtet. Das entnimmt das Gericht dem Protokoll über die Nachbegehung am 00.01.2015 durch das Regierungspräsidium und das Gesundheitsamt. Danach war an der Praxis kein Schild befestigt, dass auf die Schließung hinwies. Der Kläger selbst hat angegeben, dass er trotz der Untersagungsverfügung im Wartezimmer folgende Tätigkeiten ausführte: Abtasten der Prostata, Blutentnahme, Beratung, Verschreibung von Arzneimitteln und Legen von Kathetern. Dabei wurde auch festgestellt, dass der Kläger zwei braune, nicht etikettierte Flaschen mit nicht sterilem "Katheterschleim" verwendete und eine Aufbereitung von keimarm oder steril zur Anwendung kommenden Medizinprodukten nicht durchgeführt wurde. Die Nichtbeachtung der beiden Untersagungsverfügungen stellt einen schwerwiegenden und gröblichen Verstoß gegen vertragsärztliche Verpflichtungen dar (vgl. BSG, Urteil vom 20.10.2004 - B 6 KA 67/03 R = juris RdNr. 25). Wie bereits dargelegt, kommt es auf ein Verschulden nicht an, so dass der Kläger auch nicht damit durchdringen kann, dass er davon ausging, dass die Untersagungsverfügung der Stadt nicht sein Wartezimmer betreffe.
Weitere schwerwiegender gröbliche Verstöße liegen darin, dass der Kläger der Beigeladenen nicht mitgeteilt hat, dass ihm ab dem 00.11.2013 der weitere Betrieb seiner Praxis untersagt war, und er sogar noch seine Tätigkeit in der Praxis gegenüber der Beigeladenen weiterhin als vertragsärztliche Tätigkeit abgerechnet hat. Durch die Untersagungsverfügung der Stadt vom 00.11.2013 war der Kläger daran gehindert, an seinem Praxissitz weiterhin ärztlich tätig zu werden. Damit entfiel auch die Befugnis, vertragsärztliche Leistungen an seinem Praxissitz zu erbringen und damit einhergehend auch die Befugnis, solche vertragsärztlichen Leistungen gegenüber der Beigeladenen abzurechnen. Hierin liegt ein Abrechnungsbetrug. Davon ging auch die Staatsanwaltschaft aus, die dem Kläger sechs tatmehrheitliche Vergehen des Betrugs gemäß § 263 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) vorgeworfen hat. Dies ergibt sich aus der Einstellungsverfügung vom 30.12.2015. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen können auch bei der Frage des Vorliegens einer gröblichen Pflichtverletzung berücksichtigt werden kann (stRspr., vgl. nur BSG, Beschluss vom 17.01.2018 - B 6 KA 61/17 B = juris RdNr. 9 m.w.N.). Betrügerische Abrechnungen stellen jedoch eine schwere gröbliche Pflichtverletzung dar (BSG, Beschluss vom 17.10.2012 - B 6 KA 19/12 B = juris RdNr. 9; Pawlita in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 95 SGB V, RdNr. 519 m.w.N.), insbesondere deswegen, weil das Abrechnungs- und Honorierungssystem der vertragsärztlichen Versorgung auf Vertrauen aufbaut und das Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben des Leistungserbringers ein Fundament des Systems der vertragsärztlichen Versorgung darstellt (BSG Urteil vom 21.3.2012 - B 6 KA 22/11 R - SozR 4-2500 § 95 Nr. 24 RdNr. 35 m.w.N.).
Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten am 27.01.2016 konnte dieser (weiterhin) zu Recht davon ausgehen, dass der Kläger durch seine vorherigen gröblichen Pflichtverstößen das Vertrauensverhältnis zur Beigeladenen und den Krankenkassen tief und nachhaltig gestört hat. Entgegen seiner Auffassung musste der Beklagte dem Umstand, dass die Stadt mit Verfügung vom 00.11.2015 die Untersagungsverfügung unter Auflagen (keine ambulanten Operationen und invasive Eingriffe in seiner Praxis) wieder aufgehoben und der Kläger zwischenzeitlich an Hygieneschulungen teilgenommen hat, keine maßgebliche Bedeutung beimessen. Denn zwischen der Aufhebung der Untersagungsverfügung und der Entscheidung des Beklagten lagen nur knapp mehr als zwei Monate. Nach der Rechtsprechung des BSG ist die Einsicht des Betroffenen in den Unrechtsgehalt seines Verhaltens und eine hieraus resultierende Einstellungs- und Verhaltensänderung sowie die Bereitschaft zur Wiedergutmachung des Schadens nur dann von den Zulassungsgremien maßgeblich zu berücksichtigen, wenn eine nachhaltige Verhaltensänderung während eines Zeitraums von mehreren Jahren, die eine zweifelsfreie Prognose künftig rechtmäßigen Verhaltens erlaubt, vorliegt (BSG, Beschluss vom 02.04.2014 – B 6 KA 58/13 B = juris RdNr. 11). Eine mehrjährige nachhaltige Verhaltensänderung lag jedoch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten am 27.01.2016 nicht vor. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall. Dies ergibt sich aus dem Protokoll vom 00.12.2015 des Gesundheitsamtes der Stadt. Danach fand am 00.12.2015 eine Begehung durch das Gesundheitsamt der Stadt und des Regierungspräsidiums statt. Im Vergleich zur Begehung im Oktober 2015 war einer der beiden Behandlungsräume wieder völlig zugestellt gewesen, so dass nur ein Behandlungsraum als Untersuchungsraum zur Verfügung stand. In der Hausbesuchstasche waren zwei Hautdesinfektionsmittel, deren Verfallsdatum deutlich überschritten war und zahlreiche abgelaufene Einmalprodukte, wie z.B. mehrere Blasenskatheter. Insgesamt war die Arzttasche sehr unordentlich und unsauber gewesen. Im Labor stand ein nicht funktionsfähiger Kühlschrank, in dem Nahrungsmittel aufbewahrt wurden. In den Schubladen fanden sich abgelaufene Einmalprodukte. Im Labor stand der Abwurf für die private Wäsche und die Schlafmatratze. Es waren weiterhin zahlreiche abgelaufene Einmalprodukte in der gesamten Praxis gewesen, auch in den Privaträumen. Ein Hygieneplan war zwar vorhanden, jedoch war mit dem Kläger vereinbart worden, diesen zu überarbeiten. All dies entnimmt das Gericht dem genannten Protokoll. Daraus folgt, dass eine nachhaltige Verhaltensänderung zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten nicht vorlag.
Jede der einzelnen genannten Pflichtverletzung kommt bereits ein besonderes Gewicht zu. Denn der Kläger hat nicht nur die Gefährdung seiner Patienten in Kauf genommen, sondern sich auch der Untersagungsverfügungen der Stadt und des Regierungspräsidium über einen langen Zeitraum hinweg widersetzt und zudem unrechtmäßig Abrechnungen bei der Beigeladenen eingereicht. Auch bei Betrachtung des Gesamtverhaltens des Klägers ist festzustellen, dass das Vertrauen der vertragsärztlichen Institutionen in eine korrekte Behandlungs- und Abrechnungsweise des Klägers massivst gestört ist. Der Kläger hat gezeigt, dass er auch durch eine Zwangsgeldandrohung, wie sie in der Untersagungsverfügung vom 00.11.2013 der Stadt enthalten ist, nicht gewillt war, sein Verhalten zu ändern. Er hat damit insgesamt gezeigt, dass er nicht bereit ist, sich in das geltende Vertragsarztsystem einzufügen. Somit ist er als Vertragsarzt ungeeignet und konnte deshalb nicht Vertragsarzt bleiben.
Der Entzug der Zulassung verstößt im vorliegenden Fall auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es dient der Sicherung des gewichtigen Gemeinwohlbelangs der Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung, ausschließlich geeignete Ärzte zur vertragsärztlichen Versorgung zuzulassen (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 22.12.2008 - 1 BvR 3457/08 = juris, RdNr. 4). Ausgehend von dem Zweck des § 95 Abs. 6 SGB V, der auf die Verhinderung einer Systemgefährdung gerichtet ist, und dem Umstand, dass der Kläger das Wohl seiner Patienten gefährdet hat, stellt die Zulassungsentziehung im Hinblick auf die gröblichen Pflichtverletzungen des Klägers das geeignete, erforderliche und verhältnismäßig (im engeren Sinne) geeignete Mittel dar, um auf die mehrfachen gröblichen Pflichtverstöße zu reagieren. Es ist mithin nicht erkennbar, dass der mit dem Widerruf verfolgte Zweck in einem unangemessenen Verhältnis zur Schwere des Eingriffs stünde. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass Art. 12 Abs. 1 GG keine Bestandsgarantie für einen einmal gewählten Arbeitsplatz beinhaltet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.09.2016 – 1 BvR 1326/15 = juris RdNr. 43-45 m.w.N.). Im vorliegenden Fall kamen als milderes Mittel weder das Ruhen der Zulassung noch Disziplinarmaßnahmen in Betracht. Zum einen hatte der Zulassungsausschuss bereits das zeitweise Ruhen der Zulassung verfügt. Der Kläger hat sich aber bereits zuvor nicht an die Untersagungsverfügungen der Stadt und des Regierungspräsidiums gehalten. Vor diesem Hintergrund ist der vollständige Entzug der Zulassung als ultima ratio verhältnismäßig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Eine Übernahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen war veranlasst, da sich diese am Gerichtsverfahren und an der mündlichen Verhandlung beteiligt und auch einen Antrag gestellt hat.
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