Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 11 R 869/16
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Feststellung des Todeszeitpunktes Verschollener durch den Rentenversicherungsträger.
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 01.12.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2016 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Strittig ist die Feststellung eines rückwirkenden Todestages für die am 04.10.2008 verschwundene Klägerin.
Die 1935 geborene Klägerin, die durch die Abwesenheitspflegerin C. vertreten wird, bezog seit Mai 2002 Witwenrente nach ihrem am 05.04.2002 verstorbenen Ehemann. Seit 04.10.2008 ist der Aufenthalt der Klägerin unbekannt. Sie verließ an diesen Tag ihre Wohnung mit unbekanntem Ziel und kehrte nicht mehr zurück. Die Rente wurde ab Februar 2009 nicht mehr ausbezahlt (Verwahrkonto). Mit Beschluss des Amtsgerichts Neuburg an der Donau vom 05.08.2009 wurde für die abwesende A. Pflegschaft gemäß § 1911 BGB angeordnet und Frau C. zur Pflegerin mit dem Wirkungskreis Vermögenssorge bestellt, da Frau A. seit dem 04.10.2008 unbekannten Aufenthaltes ist. Am 13.05.2009 beantragte Frau C. die Weiterzahlung der Rente, da nicht geklärt sei, ob die Klägerin noch am Leben sei. Es sei noch kein Jahr vergangen, sodass der Klägerin die Rente weiter zustehen würde. Mit Bescheid vom 13.11.2009 stellte die Beklagte fest, dass nach Prüfung aller vorliegenden Erkenntnisse die Beklagte zur Überzeugung gelangt sei, dass die vermisste Rentenbezieherin nicht mehr am Leben sei. Somit gelte der 04.10.2008 als Todestag, der Anspruch auf die Hinterbliebenenrente entfalle damit mit Ablauf des Monats Oktober 2008.
Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15.01.2010 zurückgewiesen. Im anschließenden Klageverfahren (S 47 R 346/10) war der Bescheid der Beklagten vom 13.11.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.01.2010 aufgehoben worden, da derzeit nicht nachgewiesen sei, dass die Klägerin verstorben sei. Im anschließenden Berufungsverfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht (L 13 R 599/12) wurde Einigkeit darüber erzielt, dass bis zur rechtskräftigen Feststellung des Todestages der Klägerin keine weitere Rentennachzahlung erfolgt. Hintergrund war, dass nach dem Entwurf des 5. Gesetzes zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze aufgrund einer Ergänzung des § 102 SGB VI die Beklagte berechtigt sein dürfte, den Todeszeitpunkt selbst abschließend festzustellen.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 01.12.2015 stellte die Beklagte den 04.10.2008 als Todestag fest. Der Anspruch auf die Hinterbliebenenrente entfalle damit mit Ablauf des Monats Oktober 2008. Die Abwesenheitspflegerin legte hiergegen am 18.12.2015 Widerspruch ein und führte aus, aufgrund des § 102 Abs. 6 SGB VI könne der Todestag nicht rückwirkend festgestellt werden. Eine Renteneinstellung könne allenfalls unmittelbar nach Erlass des Bescheides erfolgen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27.04.2016 zurück und führte aus, nach § 102 Abs. 6 Satz 1 SGB VI würden Renten an Verschollene längstens bis zum Ende des Monats geleistet, in dem sie nach Feststellung des Rentenversicherungsträgers als verstorben gelten. Nach Prüfung der vorliegenden Erkenntnisse sei die Beklagte zur Überzeugung gelangt, dass die vermisste Rentenbezieherin seit 04.10.2008 nicht mehr am Leben sei. Seit diesem Zeitpunkt gebe es kein Lebenszeichen mehr von ihr. Sie habe sich nach dem 04.10.2008 weder bei einem Familienangehörigen gemeldet noch - nach Einstellung der Rentenzahlung zum Februar 2009 - beim Rentenversicherungsträger.
Hiergegen wurde am 11.05.2016 Klage zum Sozialgericht München erhoben und ausgeführt, nach § 102 Abs. 6 SGB VI könne der Todeszeitpunkt nicht rückwirkend festgestellt werden. Eine Renteneinstellung könne allenfalls unmittelbar nach Erlass des Bescheides erfolgen.
Das Gericht hat die Beteiligten mit Schreiben vom 19.07.2017 unter Fristsetzung von der Absicht in Kenntnis gesetzt, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG zu entscheiden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Bescheid vom 01.12.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2016 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie weist ergänzend auf § 300 Abs. 1 SGB VI hin.
Beigezogen waren die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die erledigten Klageakten S 6 R 2602/09 ER, S 17 R 179/10 ER, S 47 R 346/10.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akten und der Klageakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Sozialgericht München ist sachlich und örtlich zuständig. Die form- (§ 90 SGG) und fristgerecht (§ 87 SGG) erhobene Klage ist zulässig.
Der vorliegende Rechtsstreit kann durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Sache keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt hinreichend geklärt ist (§ 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die Klage ist jedoch sachlich nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 01.12.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2016 ist nicht zu beanstanden.
Gemäß § 102 Abs. 6 Satz 1 SGB VI werden Renten an Verschollene längstens bis zum Ende des Monats geleistet, in dem sie nach Feststellung des Rentenversicherungsträgers als verstorben gelten; § 49 gilt entsprechend.
Damit kann der Rentenversicherungsträger den Todeszeitpunkt feststellen. Die Regelung des § 102 Abs. 6 SGB VI ist an das Beamtenversorgungsgesetz angelehnt und berechtigt den Rentenversicherungsträger, den mutmaßlichen Todeszeitpunkt wie nach § 49 Satz 3 SGB VI festzustellen und die Rentenzahlung zu beenden. Die Regelung dient dem Schutz der Versichertengemeinschaft vor unberechtigten Zahlungen und Rückforderungsausfällen sowie der Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten (vgl. hierzu auch Bundestagdrucksache 18/3699). Weder der Wortlaut des § 102 Abs. 6 SGB VI noch der Regelungszweck schließen dabei eine rückwirkende Festlegung des Todeszeitpunkts aus.
Die Klägerin hat am 04.10.2008 ihre Wohnung verlassen und ist ab diesem Zeitpunkt nicht mehr aufgetaucht. Sie hat sich weder bei Verwandten gemeldet noch sind Hinweise ersichtlich, dass die Klägerin noch am Leben ist. Die Beklagte hat alle vorliegenden Erkenntnisse umfassend geprüft und den 04.10.2008 als Todestag festgestellt. Diese Feststellung ist nicht zu beanstanden, zumal keine Anhaltspunkte für einen späteren Todeszeitpunkt vorliegen. Gemäß § 102 Abs. 6 SGB VI endet eine Rentenleistung nach wirksamer Feststellung des Todestages mit Ablauf des mutmaßlichen Sterbemonates, ohne dass es eines besonderen Entziehungsbescheides bedarf (Kassler Kommentar/Kater, SGB VI, § 102 Rn. 27). Im Übrigen stellt § 300 Abs. 1 SGB VI klar, dass neues Recht vom Zeitpunkt des Inkrafttretens unabhängig davon anzuwenden ist, ob der betreffende Sachverhalt oder Anspruch vor oder nach dessen Inkrafttreten entstanden ist (vgl. hierzu näher Kassler Kommentar/Kater, SGB VI, § 300 Rn. 4ff).
Die Beklagte war gemäß § 102 Abs. 6 SGB VI berechtigt, den mutmaßlichen Todestag bzw. den wahrscheinlichsten Zeitpunkt des Todes festzustellen. Mangels näherer Anhaltspunkte ist von einem mutmaßlichen Todestag am 04.10.2008 auszugehen. Die Rentenzahlung war damit ab dem mutmaßlichen Todeszeitpunkt einzustellen (§ 102 Abs. 6 i.V.m. § 49 SGB VI).
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Strittig ist die Feststellung eines rückwirkenden Todestages für die am 04.10.2008 verschwundene Klägerin.
Die 1935 geborene Klägerin, die durch die Abwesenheitspflegerin C. vertreten wird, bezog seit Mai 2002 Witwenrente nach ihrem am 05.04.2002 verstorbenen Ehemann. Seit 04.10.2008 ist der Aufenthalt der Klägerin unbekannt. Sie verließ an diesen Tag ihre Wohnung mit unbekanntem Ziel und kehrte nicht mehr zurück. Die Rente wurde ab Februar 2009 nicht mehr ausbezahlt (Verwahrkonto). Mit Beschluss des Amtsgerichts Neuburg an der Donau vom 05.08.2009 wurde für die abwesende A. Pflegschaft gemäß § 1911 BGB angeordnet und Frau C. zur Pflegerin mit dem Wirkungskreis Vermögenssorge bestellt, da Frau A. seit dem 04.10.2008 unbekannten Aufenthaltes ist. Am 13.05.2009 beantragte Frau C. die Weiterzahlung der Rente, da nicht geklärt sei, ob die Klägerin noch am Leben sei. Es sei noch kein Jahr vergangen, sodass der Klägerin die Rente weiter zustehen würde. Mit Bescheid vom 13.11.2009 stellte die Beklagte fest, dass nach Prüfung aller vorliegenden Erkenntnisse die Beklagte zur Überzeugung gelangt sei, dass die vermisste Rentenbezieherin nicht mehr am Leben sei. Somit gelte der 04.10.2008 als Todestag, der Anspruch auf die Hinterbliebenenrente entfalle damit mit Ablauf des Monats Oktober 2008.
Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15.01.2010 zurückgewiesen. Im anschließenden Klageverfahren (S 47 R 346/10) war der Bescheid der Beklagten vom 13.11.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.01.2010 aufgehoben worden, da derzeit nicht nachgewiesen sei, dass die Klägerin verstorben sei. Im anschließenden Berufungsverfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht (L 13 R 599/12) wurde Einigkeit darüber erzielt, dass bis zur rechtskräftigen Feststellung des Todestages der Klägerin keine weitere Rentennachzahlung erfolgt. Hintergrund war, dass nach dem Entwurf des 5. Gesetzes zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze aufgrund einer Ergänzung des § 102 SGB VI die Beklagte berechtigt sein dürfte, den Todeszeitpunkt selbst abschließend festzustellen.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 01.12.2015 stellte die Beklagte den 04.10.2008 als Todestag fest. Der Anspruch auf die Hinterbliebenenrente entfalle damit mit Ablauf des Monats Oktober 2008. Die Abwesenheitspflegerin legte hiergegen am 18.12.2015 Widerspruch ein und führte aus, aufgrund des § 102 Abs. 6 SGB VI könne der Todestag nicht rückwirkend festgestellt werden. Eine Renteneinstellung könne allenfalls unmittelbar nach Erlass des Bescheides erfolgen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27.04.2016 zurück und führte aus, nach § 102 Abs. 6 Satz 1 SGB VI würden Renten an Verschollene längstens bis zum Ende des Monats geleistet, in dem sie nach Feststellung des Rentenversicherungsträgers als verstorben gelten. Nach Prüfung der vorliegenden Erkenntnisse sei die Beklagte zur Überzeugung gelangt, dass die vermisste Rentenbezieherin seit 04.10.2008 nicht mehr am Leben sei. Seit diesem Zeitpunkt gebe es kein Lebenszeichen mehr von ihr. Sie habe sich nach dem 04.10.2008 weder bei einem Familienangehörigen gemeldet noch - nach Einstellung der Rentenzahlung zum Februar 2009 - beim Rentenversicherungsträger.
Hiergegen wurde am 11.05.2016 Klage zum Sozialgericht München erhoben und ausgeführt, nach § 102 Abs. 6 SGB VI könne der Todeszeitpunkt nicht rückwirkend festgestellt werden. Eine Renteneinstellung könne allenfalls unmittelbar nach Erlass des Bescheides erfolgen.
Das Gericht hat die Beteiligten mit Schreiben vom 19.07.2017 unter Fristsetzung von der Absicht in Kenntnis gesetzt, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG zu entscheiden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Bescheid vom 01.12.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2016 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie weist ergänzend auf § 300 Abs. 1 SGB VI hin.
Beigezogen waren die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die erledigten Klageakten S 6 R 2602/09 ER, S 17 R 179/10 ER, S 47 R 346/10.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akten und der Klageakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Sozialgericht München ist sachlich und örtlich zuständig. Die form- (§ 90 SGG) und fristgerecht (§ 87 SGG) erhobene Klage ist zulässig.
Der vorliegende Rechtsstreit kann durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Sache keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt hinreichend geklärt ist (§ 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die Klage ist jedoch sachlich nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 01.12.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2016 ist nicht zu beanstanden.
Gemäß § 102 Abs. 6 Satz 1 SGB VI werden Renten an Verschollene längstens bis zum Ende des Monats geleistet, in dem sie nach Feststellung des Rentenversicherungsträgers als verstorben gelten; § 49 gilt entsprechend.
Damit kann der Rentenversicherungsträger den Todeszeitpunkt feststellen. Die Regelung des § 102 Abs. 6 SGB VI ist an das Beamtenversorgungsgesetz angelehnt und berechtigt den Rentenversicherungsträger, den mutmaßlichen Todeszeitpunkt wie nach § 49 Satz 3 SGB VI festzustellen und die Rentenzahlung zu beenden. Die Regelung dient dem Schutz der Versichertengemeinschaft vor unberechtigten Zahlungen und Rückforderungsausfällen sowie der Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten (vgl. hierzu auch Bundestagdrucksache 18/3699). Weder der Wortlaut des § 102 Abs. 6 SGB VI noch der Regelungszweck schließen dabei eine rückwirkende Festlegung des Todeszeitpunkts aus.
Die Klägerin hat am 04.10.2008 ihre Wohnung verlassen und ist ab diesem Zeitpunkt nicht mehr aufgetaucht. Sie hat sich weder bei Verwandten gemeldet noch sind Hinweise ersichtlich, dass die Klägerin noch am Leben ist. Die Beklagte hat alle vorliegenden Erkenntnisse umfassend geprüft und den 04.10.2008 als Todestag festgestellt. Diese Feststellung ist nicht zu beanstanden, zumal keine Anhaltspunkte für einen späteren Todeszeitpunkt vorliegen. Gemäß § 102 Abs. 6 SGB VI endet eine Rentenleistung nach wirksamer Feststellung des Todestages mit Ablauf des mutmaßlichen Sterbemonates, ohne dass es eines besonderen Entziehungsbescheides bedarf (Kassler Kommentar/Kater, SGB VI, § 102 Rn. 27). Im Übrigen stellt § 300 Abs. 1 SGB VI klar, dass neues Recht vom Zeitpunkt des Inkrafttretens unabhängig davon anzuwenden ist, ob der betreffende Sachverhalt oder Anspruch vor oder nach dessen Inkrafttreten entstanden ist (vgl. hierzu näher Kassler Kommentar/Kater, SGB VI, § 300 Rn. 4ff).
Die Beklagte war gemäß § 102 Abs. 6 SGB VI berechtigt, den mutmaßlichen Todestag bzw. den wahrscheinlichsten Zeitpunkt des Todes festzustellen. Mangels näherer Anhaltspunkte ist von einem mutmaßlichen Todestag am 04.10.2008 auszugehen. Die Rentenzahlung war damit ab dem mutmaßlichen Todeszeitpunkt einzustellen (§ 102 Abs. 6 i.V.m. § 49 SGB VI).
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG.
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