S 1 EG 2364/15

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Altenburg (FST)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 1 EG 2364/15
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Im Bemessungszeitraum quartalsweise neben dem Monatsgehalt gezahlte
Anwesenheitszulagen erhöhen das Elterngeld; es gibt nicht nur einen
regelmäßigen Zahlungszeitraum für laufenden Arbeitslohn (entgegen
Bundessozialgericht, Urteil vom 14. Dezember 2017, Az.: B 10 EG 7/17 R).

2. Die Behandlung von Entgeltbestandteilen im Lohnsteuerabzugsverfahren
bindet die Beteiligten des Elterngeldverfahrens auch dann nicht, wenn die Lohnsteueranmeldung bestandskräftig geworden ist (entgegen Bundessozial-
gericht a. a. O.; Anschluss an Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom
16. Januar 2018, Az.: L 9 EG 68/15).
Die Beklagte wird dem Grunde nach verurteilt, der Klägerin für den 2. bis 12. Lebensmonat des am 13. November 2014 geborenen Kindes I. M. H. höheres Elterngeld unter Berücksichtigung bezogener Erfolgsprämien und Anwesenheitszulagen bei der Ermittlung des elterngeldrechtlichen Einkommens im Bemessungszeitraum zu gewähren. Der Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 8. Juli 2015 wird aufgehoben, soweit er dieser Verpflichtung entgegensteht. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Erfolgsprämien und Anwesenheitszulagen bei der Berechnung des Elterngeldes.

Die Klägerin beantragte im Dezember 2014 die Gewährung von Elterngeld für den 1. bis 12. Lebensmonat ihrer am 13. November 2014 geborenen Tochter I. M. H ...

Die Klägerin stand vor der Geburt des Kindes mindestens seit September 2013 in einem Arbeitsverhältnis. Vom 27. September 2014 bis zum 8. Januar 2015 bezog sie Mutterschaftsgeld in Höhe von täglich 13 EUR und einen Arbeitgeberzuschuss hierzu in Höhe von täglich 44,13 EUR. Neben ihrem Gehalt bezog die Klägerin ab Februar 2014 monatliche Erfolgsprämien in unterschiedlicher Höhe, welche im Lohnsteuerabzugsverfahren als Einmalzahlungen behandelt wurden. Außerdem erhielt sie für die Monate April, Juni und September 2014 Anwesenheitszulagen in unterschiedlicher Höhe, welche ebenfalls im Lohnsteuerabzugsverfahren als Einmalzahlungen behandelt wurden. Die Erfolgsprämien wurden gemäß Ziffer 4.2 der Anlage 3 des Arbeitsvertrages der Klägerin aufgrund betrieblicher Vereinbarung zusätzlich zum Gehalt gezahlt. Die Anwesenheitszulage wurde gemäß Ziffer 3.3. der Anlage 2 des Arbeitsvertrages als zusätzliche Sondervergütung zum laufenden Entgelt gezahlt. Im Arbeitsvertrag wurde sie als Einmalbezug bezeichnet. Die Auszahlung sollte jeweils zum Quartalsende mit der entsprechenden Monatsabrechnung erfolgen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Arbeitsvertrag (Blatt 46 bis 55 der Akte der Beklagten) verwiesen.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 15. Januar 2015 Elterngeld für den 1. bis 12. Lebensmonat des Kindes. Für den 1. Lebensmonat setzte sie die Höhe aufgrund der Anrechnung von Mutterschaftsgeld und Arbeitgeberzuschuss hierzu auf 0 EUR fest. Bei der Ermittlung des elterngeldrechtlichen Bruttoeinkommens berücksichtigte sie die oben genannten Erfolgsprämien und Anwesenheitszulagen nicht. Wegen der Einzelheiten wird auf den genannten Bescheid (Blatt 31 bis 36 der Akte der Beklagten) verwiesen. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, den sie damit begründete, die monatlichen Erfolgsprämien und die Anwesenheitszulagen seien bei der Berechnung des Elterngeldes zu berücksichtigen, da es sich um regelmäßige Zuflüsse ihres Arbeitgebers handele. Die Bezeichnung durch den Arbeitgeber spiele insofern keine Rolle, es komme nur auf die Qualifikation als Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des Einkommensteuergesetzes an. Es handelte sich um regelmäßige Zahlungen, die zum festen Bestandteil des Gehaltes gehörten. Das Thüringer Landesverwaltungsamt wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juli 2015 zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, nach der ab dem 1. Januar 2015 geltenden gesetzlichen Regelung seien alle Lohn- und Gehaltsbestandteile, die nach den lohnsteuerrechtlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln sind, auch elterngeldrechtlich als sonstige Bezüge zu behandeln. Auch monatlich oder im Zwei-Monats-Rhythmus geleistete Zahlungen, die steuerrechtlich als sonstiger Bezug behandelt würden, seien bei der Berechnung des Elterngeldes nicht anzurechnen. Das Gesetz stelle nunmehr klar, dass die Einordnung von Lohn- und Gehaltsbestandteilen als sonstige Bezüge sich allein nach den lohnsteuerlichen Vorgaben richte. Vorliegend werde die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben in den elterngeldrelevanten Verdienstabrechnungen durch den Arbeitsvertrag bestätigt, in dem die Zahlungen als sonstige Leistungen bzw. Sondervergütung (Einmalzahlung) bezeichnet würden.

Dagegen richtet sich die am 21. August 2015 erhobene Klage. Nachdem die Klage trotz wiederholter Erinnerung nicht begründet worden ist, hat das Gericht die Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 1. Februar 2017, zugestellt gegen Empfangsbekenntnis am 6. Februar 2017, aufgefordert, die Tatsachen und Beweismittel anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren die Klägerin sich beschwert fühlt. Am 5. Mai 2017 hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin mitgeteilt, eine ausführliche Klagebegründung werde im Laufe der kommenden Woche zugehen. Krankheitsbedingt könne der sich in Bearbeitung befindende Schriftsatz zuvor nicht fertig gestellt werden. Im Wesentlichen sei zur Begründung der Klage allerdings auf die Ausführungen der Klägerin im außergerichtlichen Schriftverkehr zu verweisen. Die Klagebegründung, mit der die Ausführungen aus der Widerspruchsbegründung wiederholt und vertieft werden, ist dann am 12. Mai 2017 bei Gericht eingegangen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2015 dahingehend abzuändern, dass bei der Bewilligung von Elterngeld für das Kind I. M. H. die monatlichen Erfolgszahlungen und ausgezahlten Anwesenheitszulagen in die Berechnungsgrundlage mit einbezogen werden.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen für den Eintritt der Klagerücknahmefiktion vorliegen. Im Übrigen hält sie an ihrer bisherigen Auffassung fest und sieht sich darin durch die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung bestätigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Akte der Beklagten, die Gegenstand der Beratung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht hat nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden können, da die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben.

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klage gilt nicht nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG als zurückgenommen. Nach dieser Vorschrift gilt die Klage als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Vorliegend ist das Verfahren innerhalb von drei Monaten nach der Zustellung der Aufforderung hierzu betrieben worden. Wird vom Gericht die Vorlage einer Klagebegründung verlangt, muss die klägerische Stellungnahme grundsätzlich hinreichend substantiiert sein, was ein Mindestmaß an Sach- und Rechtsvortrag voraussetzt; es genügt nicht, wenn der Kläger lediglich sein Interesse an einer Fortführung des Verfahrens begründet oder von mehreren Verfahrenshandlungen nur diejenige vornimmt, die zur Erfüllung seiner prozessualen Mitwirkungspflichten offensichtlich nur von untergeordneter Bedeutung ist (Burkiczak, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Auflage 2017, § 102 SGG, Rn. 79 m. w. N.). Die dreimonatige Frist endete vorliegend am 5. Mai 2017. Am letzten Tag der Frist hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht nur eine ausführliche Klagebegründung angekündigt, was nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht ausreichend ist, sondern auch im Wesentlichen auf die Widerspruchsbegründung verwiesen. Daraus ist zu entnehmen gewesen, dass die Klägerin weiter an dem dortigen rechtlichen Standpunkt festhält und keine sonstige fehlerhafte Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung von Tatsachen beanstandet und darüber hinaus keine wesentlichen neuen Tatsachen zur Begründung vorzubringen hat. Da die Klägerin in ihrer Widerspruchsbegründung ihren Standpunkt bereits deutlich zum Ausdruck gebracht hatte, genügt dies vorliegend. Es kann keinen Unterschied darstellen, ob eine substantiierte Widerspruchsbegründung wiederholt oder wie hier darauf verwiesen wird.

Der Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 8. Juli 2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Die Entstehung eines Anspruchs auf Elterngeld ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht strittig. Die Klägerin erfüllt die in § 1 Abs. 1a des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung genannten Voraussetzungen. Die Anwendbarkeit dieser Fassung ergibt sich aus § 27 Abs. 1 Satz 1 BEEG in der ab dem 1. Januar 2015 geltenden Fassung, wonach für die vor dem 1. Januar 2015 geborenen Kinder § 1 in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung weiter anzuwenden ist.

Die Höhe des Elterngeldes wurde von der Beklagten zu niedrig festgesetzt. Die von der Klägerin bezogenen Erfolgsprämien und Anwesenheitszulagen wurden zu Unrecht nicht berücksichtigt.

Auch für die Bestimmung der Höhe des Elterngeldes ist im Wesentlichen das bis zum 31. Dezember 2014 geltende Recht (im Folgenden: a. F.) heranzuziehen. Dies gilt nach § 27 Abs. 1 Satz 3 lediglich nicht für § 2 c Abs. 1 Satz 2 und § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BEEG.

Nach § 2 Abs. 1 BEEG a. F. wird Elterngeld in Höhe von 67 % des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt (Satz 1). Es wird bis zu einem Höchstbetrag von 1.800,00 EUR monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat (Satz 2). Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit errechnet sich nach Maßgabe der §§ 2 c bis 2 f aus der die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben verminderten Summe der positiven Einkünfte aus – unter anderem – nicht selbständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Einkommen-Steuergesetzes (EStG), die im Inland zu versteuern sind und die die berechtigte Person durchschnittlich monatlich im Bemessungszeitraum nach § 2 b BEEG a. F. hat. In den Fällen, in denen das Einkommen aus Erwerbstätigkeit, wie bei der Klägerin, vor der Geburt höher als 1.200,00 EUR war, sinkt der Prozentsatz nach § 2 Abs. 2 BEEG a. F. von 67 % um 0,1 Prozentpunkte für je 2 EUR, um die dieses Einkommen den Betrag von 1.200,00 EUR überschreitet, auf bis zu 65 %. Nach § 2 b Abs. 1 Satz 1 BEEG a. F. sind für die Ermittlung des Einkommens aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit vor der Geburt die zwölf Kalendermonate vor dem Monat der Geburt des Kindes maßgeblich. Im Fall der Klägerin, die nur Einkommen aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit bezog, han¬delt es sich grundsätzlich um die zwölf Kalendermonate vor November 2014. Wegen des Bezugs von Mutterschaftsgeldes während des Beschäftigungsverbotes vor der Geburt verlagert sich der Bemessungszeitraum gemäß § 2 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BEEG a. F. um zwei Kalendermonate in die Vergangenheit. Die Heranziehung des Bemessungszeitraumes von September 2013 bis August 2014 durch die Beklagte ist insofern zutreffend.

Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit im Bemessungszeitraum wurde von der Beklagten dagegen zu niedrig angesetzt. Nach § 2 c Abs. 1 Satz 1 BEEG a. F. ergibt der monatlich durchschnittlich zu berücksichtigende Überschuss der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Geld oder Geldeswert über ein Zwölftel des Arbeitnehmer-Pauschbetrags vermindert um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach den §§ 2 e und 2 f BEEG a. F. das Einkommen aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit. Nach dem hier gemäß § 27 Abs. 1 Satz 3 BEEG anwendbaren § 2 c Abs. 1 Satz 2 BEEG in der ab dem 1. Januar 2015 geltenden Fassung werden Einnahmen nicht berücksichtigt, die im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge zu behandeln sind. Die zuvor geltende Regelung bestimmte, dass Einnahmen nicht berücksichtigt werden, die im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelt werden. Durch den Verweis auf die lohnsteuerlichen Vorgaben wollte der Gesetzgeber die gewünschte Anbindung an das formelle und materielle Lohnsteuerrecht sicherstellen (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 14. Dezember 2017, Az. B 10 EG 7/17 R, Rn. 25, juris). Es handelt sich um eine Klarstellung, die bereits der vorherigen Fassung deutlich zu entnehmen war (vgl. a. a. O., Rn. 22 ff. sowie Urteil vom 18. August 2011, Rn. 32, juris).

Laufender Arbeitslohn ist Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer regelmäßig fortlaufend zufließt, während sonstige Bezüge Arbeitslöhne sind, die nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt werden (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2009, Az. B 10 EG 3/09 R, Rn. 30 f. m. w. N.; Bundesfinanzhof, Beschluss vom 29. Mai 1998, Az. VI B 275/97, Rn. 3; Eisgruber, in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 17. Auflage 2018, § 38 a EStG, Rn. 4 f.).

Danach waren die ab dem zweiten Monat der Beschäftigung bei der E. K. GmbH, das heißt ab Februar 2014, der Klägerin zugeflossenen Erfolgsprämien aufgrund der regelmäßigen monatlichen Zahlung laufender Arbeitslohn. Es ist im Hinblick auf das Kriterium der Regelmäßigkeit unschädlich, das sie nicht immer gleich hoch waren (vgl. BSG a. a. O.). Der laufende Arbeitslohn kann der Höhe nach durchaus schwanken; das Kriterium der Regelmäßigkeit bezieht sich nicht auf die Höhe, sondern auf die wiederholte Gewährung, im Gegensatz vor allem zur Einmaligkeit der Gewährung (BSG, Urteil vom 26. März 2014, Az. B 10 EG 14/13 R, Rn. 21 m. w. N., juris).

Nichts anderes gilt für die Anwesenheitszulagen. Denn auch dann, wenn Leistungen nicht im Monatsturnus, sondern wie hier quartalsweise erfolgen, ändert dies nichts an ihrer Regelmäßigkeit und am Charakter einer laufenden Zahlung (a. a. O., Rn. 35). Eine ausdrückliche Anordnung, dass Regelmäßigkeit einer Zahlung nur dann vorliegt, wenn die Zahlung in ausnahmslos jedem Abrechnungszeitraum zur Auszahlung kommt, ist weder § 39b EStG noch den LStR zu entnehmen (a. a. O. Rn. 21).

Aus den Besonderheiten des Lohnsteuerabzugsverfahrens ergibt sich vorliegend keine Besonderheit. Die Lohnsteuerrichtlinien sind als norminterpretierende Verwaltungsvorschriften lediglich Auslegungshilfe, haben aber keine bindende Wirkung (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2017, Az. B 10 EG 7/17 R, Rn. 27, 33). Maßgeblich sind insoweit im Übrigen die zum Zeitpunkt der Lohnzahlung geltenden Richtlinien (vgl. BSG a. a. O., Rn. 33 und Dau, jurisPR-SozR 11/2017 Anm. 5). Ein Ausschluss der Berücksichtigung von monatlich gezahlten Erfolgsprämien und quartalsweise gezahlten Anwesenheitszulagen lässt sich diesen nicht entnehmen. Zu den sonstigen Bezügen gehörten nach R 39 b.2 Abs. 2 Satz 2 der im Bemessungszeitraum geltenden Lohnsteuerrichtlinie insbesondere 13. und 14. Monatsgehälter (Nr. 1), einmalige Abfindungen und Entschädigungen (Nr. 2), Gratifikationen und Tantiemen, die nicht fortlaufend gezahlt werden (Nr. 3), Jubiläumszuwendungen (Nr. 4), Urlaubsgelder, die nicht fortlaufend gezahlt werden und Entschädigungen zur Abgeltung nicht genommenen Urlaubs (Nr. 5), Vergütungen für Erfindungen (Nr. 6), Weihnachtszuwendungen (Nr. 7) und Nachzahlungen und Vorauszahlungen, wenn sich der Gesamtbetrag oder ein Teilbetrag der Nachzahlung oder Vorauszahlung auf Lohnzahlungszeiträume bezieht, die in einem anderen Jahr als dem der Zahlung enden, wobei Nachzahlungen auch vorliegen, wenn Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres später als drei Wochen nach Ablauf dieses Jahres zufließt (Nr. 8). Selbst wenn man die hier strittigen Zahlungen als Gratifikationen ansehen wollte, fehlt es an dem Kriterium der nicht fortlaufenden Zahlung.

Die nunmehr vom Bundessozialgericht vertretene Auffassung, zu den sonstigen Bezügen gehörten all jene Entgeltzahlungen, deren Zahlungszeiträume von dem als Regel vorgesehenen Zahlungsturnus für Arbeitslohn nicht nur unerheblich abwichen, wobei es nur einen regelmäßigen Zahlungszeitraum für laufenden Arbeitslohn geben könne (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2017, Az. B 10 EG 7/17 R, Rn. 31 f., juris) überzeugt nicht. Diese Auslegung entspricht nicht dem oben dargestellten steuerrechtlichen Begriffsverständnis des laufenden Arbeitslohnes, der auf die Regelmäßigkeit innerhalb eines Kalenderjahres abstellt (vgl. oben). Insoweit beruht die frühere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht auf einer spezifisch elternrechtlichen Auslegung (vgl. BSG, Urteil vom 26. März 2014, Az. B 10 EG 14/13 Rn. 35, juris; a. A. BSG vom 14. Dezember 2017, Az. B 10 EG 7/17 R, Rn. 32, juris).

Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus einer Bindungswirkung der Lohnsteueranmeldung durch den Arbeitgeber (entgegen BSG, Urteil vom 14. Dezember 2017, Az.: B 10 EG 7/17 R, Rn. 34 ff.; wie hier Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 16. Januar 2018, Az. L 9 EG 68/15, Rn. 97 ff., juris; kritisch auch Schütz, in: jurisPR-SozR 7/2018 Anm. 4). Die Neufassung des BEEG zum 1. Januar 2015 verdeutlicht gerade, dass maßgeblich für die Abgrenzung nicht die tatsächliche Handhabung durch den Arbeitgeber unabhängig von ihrer steuerrechtlichen Richtigkeit sein soll. So wurde die bisherige Fassung von § 2 c Abs. 1 Satz 2 BEEG, wonach Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelt werden, ersetzt durch die Formulierung, dass Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach lohnsteuerrechtlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln sind, nicht berücksichtigt werden (Bayerisches Landessozialgericht a. a. O., Rn. 98). Zudem wurde § 2 c Abs. 2 BEEG ein neuer Satz 2 angefügt, der ausdrücklich klar stellt, dass für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Arbeitgeberbescheinigungen nur eine Vermutung spricht (a. a. O.). Auch in der Gesetzesbegründung gibt es keinen Anhaltspunkt für die jetzt geäußerte Auffassung des Bundessozialgerichtes, die nah an der absoluten Verbindlichkeit der Bescheinigungen liegt (a. a. O.). Nach der jetzt vom Bundessozialgericht vertretenen Rechtsauffassung müsste zudem der Elterngeldberechtigte die Lohnsteueranmeldung anfechten, um im Elterngeldrecht das richtige Ergebnis zu erzielen. Insofern bestehen aber bereits Zweifel, ob Einspruchsbehörden und Finanzgerichte bei dem Begehren, bestimmte Bezüge als laufenden Arbeitslohn statt als sonstige Bezüge zu behandeln, überhaupt eine hinreichende Beschwer der jeweils Betroffenen sehen würden, denn im Lohnsteuerrecht stellt sich die Behandlung als sonstiger Bezug günstiger da als die als laufender Arbeitslohn (Bayerisches Landessozialgericht, a. a. O., Rn. 102). Zudem wäre ein Rechtsbehelf gegen die Lohnsteueranmeldung zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Elterngeldgewährung häufig schon verfristet (a. a. O., Rn. 103). Der Klägerin vorhalten zu wollen, sie habe die Lohnsteueranmeldungen aus 2014 anfechten können, wäre auch im Lichte des Rechtsstaatsprinzips fragwürdig. Die Klägerin hatte nämlich nicht den geringsten Grund, gegen die Lohnsteueranmeldungen vorzugehen, da zum einen sich die Behandlung als sonstige Bezüge, wie ausgeführt, günstig auswirkt, und zum anderen ohnehin eine Korrektur, sofern notwendig, ohnehin bald mit der endgültigen Festsetzung der Einkommensteuer erfolgt (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, a. a. O., Rn. 106). Der einzige Grund, warum die Klägerin – bei Ex-Post-Betrachtung nach dem 14. Dezember 2017 – hätte intervenieren sollen, ist die für sie ungünstige Behandlung der sonstigen Bezüge im Elterngeldrecht; diese Komponente hat sich aber; wenn überhaupt, erst am 14. Dezember 2017 aufgetan, und vorher musste die Klägerin davon ausgehen, auf die fehlerhafte Praxis durch ihre Arbeitgeber komme es im Verfahren der Elterngeldgewährung in keiner Weise an (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, a. a. O., Rn. 106). Wenn jemandem vorgehalten werden soll, er habe eine Abhilfemöglichkeit nicht ergriffen und deswegen sei er von Rechten präkludiert, dann muss der Betroffene wenigstens die Möglichkeit gehabt haben zu erkennen, welches Risiko er eingeht, wenn er untätig bleibt; die Betroffenen konnten im Fall der vorliegenden Art jedoch schlechterdings nicht wissen und nicht einmal ansatzweise erahnen, dass ein finanzgerichtliches Vorgehen notwendig sein würde, um einen in weiter Ferne liegenden Elterngeldanspruch zu sichern (a. a. O.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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