Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 11 KA 63/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 1/19
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Für den Ausschluss aus dem Kreis der zuschlagsberechtigten ausschließlich konservativ tätigen Augenärzte genügt die versehentliche Abrechnung einer Operation nicht; der Ausschluss setzt auch die tatsächliche Erbringung einer solchen Leistung voraus.
1. Der Honorarbescheid der Beklagten für das Quartal II/14 vom 06.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.01.2015 wird insoweit aufgehoben, als die Beklagte darin die unter der LANR von Frau Dr. E. abgerechnete GOP 06225 insgesamt 1641mal abgesetzt hat.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin insoweit insgesamt 10.822,74 EUR (netto) nachzuzahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
4. Der Streitwert wird auf 10.822,74 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt höhere vertragsärztliche Honorarzahlungen für das Quartal II/14.
Sie nahm in diesem Zeitraum an der vertragsärztlichen Versorgung im Zuständigkeitsbereich der Beklagten teil. Bei der Klägerin handelt es sich um eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft, deren sechs Gesellschafter Augenärzte sind. Zu ihnen zählt Frau Dr. E., die ausschließlich konservativ tätig ist. Gleichwohl wurde von der Klägerin im zweiten Quartal 2014 versehentlich eine Operation unter der LANR von Frau Dr. E. abgerechnet (GOP 31321 EBM).
Am 06.10.2014 erließ die Beklagte den Honorarbescheid für das Quartal II/14 und erkannte der Klägerin ein Gesamthonorar in Höhe von 373.071,93 Euro zu. Dabei berücksichtigte sie bei den von Frau Dr. E. erbrachten Leistungen einen extraocularen Eingriff mit der GOP 31321. Abschließend wies die Beklagte darauf hin, dass sie von den unter der LANR von Frau Dr. E. abgerechneten Leistungen die GOP 06225 insgesamt 1641mal abgesetzt habe. Diese Gebührenziffer könne nur in Fällen abgerechnet werden, in denen die augenärztliche Behandlung ausschließlich durch einen konservativ tätigen Augenarzt erfolgt ist.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin fristgerecht Widerspruch unter Verwendung eines Formschreibens. Später teilte sie der Beklagten mit, sie habe bemerkt, dass versehentlich eine Operation unter der LANR von Frau Dr. E. abgerechnet worden sei. Tatsächlich sei Frau Dr. E. auch im zweiten Quartal 2014 ausschließlich konservativ tätig gewesen. Daher sei die Absetzung der GOP 06225 zu Unrecht erfolgt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.01.2015 wies die Beklagte den klägerischen Widerspruch als unbegründet zurück. Der angefochtene Honorarbescheid sei rechtmäßig. Die eingereichte Abrechnung für das Quartal II/14 habe der der Beklagten obliegenden Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit nicht standgehalten. Frau Dr. E. habe keinen Anspruch auf Berücksichtigung der GOP 06225 gehabt. Ein Augenarzt sei nach dem EBM nur konservativ tätig, wenn er in dem Quartal die Leistung der GOP 31321 weder erbracht noch berechnet habe. Diese sei jedoch im Quartal II/14 einmal unter der LANR von Frau Dr. E. abgerechnet worden.
Dagegen hat die Klägerin am 20.02.2015 Klage zum Sozialgericht Marburg erhoben.
Sie ist der Ansicht, die 1641malige Absetzung der unter der LANR von Frau Dr. E. abgerechneten GOP 06225 sei zu Unrecht erfolgt. Diese Augenärztin sei auch im zweiten Quartal 2014 ausschließlich konservativ tätig gewesen. Daran ändere auch die versehentliche Abrechnung einer Operation unter ihrer LANR nichts.
Die Klägerin beantragt,
den Honorarbescheid der Beklagten für das Quartal II/14 vom 06.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.01.2015 insoweit aufzuheben, als die Beklagte darin die unter der LANR von Frau Dr. E. abgerechnete GOP 06225 insgesamt 1641mal abgesetzt hat, sowie die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von 10.822,74 EUR (netto) nachzuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig und verweist zur Begründung auf den Widerspruchsbescheid. Ergänzend stützt sie sich auf den Umstand, dass die Klägerin ihr den Abrechnungsfehler verspätet gemeldet habe. Bereits im Juli 2014 sei die Klägerin durch ihren Arzt-Info-Brief 2/2014 auf die beabsichtigten Absetzungen hingewiesen worden. Dazu habe diese sich nicht geäußert.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der angefochtene Honorarbescheid der Beklagten für das Quartal II/14 vom 06.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.01.2015 war insoweit aufzuheben, als die Beklagte darin die unter der LANR von Frau Dr. E. abgerechnete GOP 06225 insgesamt 1641mal abgesetzt hat, weil dies rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Der mit der Anfechtungsklage verbundenen Leistungsklage war stattzugeben, weil die Klägerin gegen die Beklagte Anspruch auf Nachzahlung des insoweit gekürzten Betrags von insgesamt 10.822,74 EUR (netto) hat.
Die Beklagte stützt die streitgegenständliche Absetzung der von der Klägerin im zweiten Quartal 2014 unter der LANR von Frau Dr. E. abgerechneten GOP 06225 in 1641 Fällen und die damit verbundene Honorarkürzung um insgesamt 10.822,74 EUR (netto) auf eine sachlich-rechnerische Richtigstellung. Die Voraussetzungen hierfür lagen indes nicht vor. Denn die GOP 06225 war für die Klägerin unter der LANR von Frau Dr. E. abrechenbar. Zwar ist die Beschränkung der Zuschlagsziffer auf ausschließlich konservativ tätige Augenärzte nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, der sich die erkennende Kammer anschließt, grundsätzlich rechtmäßig (BSG, Urteil vom 28. Oktober 2015 – B 6 KA 42/14 R, SozR 4-5531 Nr. 06225 Nr. 1). Die dafür im EBM aufgestellten einschränkenden Voraussetzungen sind jedoch im zweiten Quartal 2014 von Frau Dr. E. erfüllt worden. Nach Nr. 6 der Präambel 6.1 des EBM zu den augenärztlichen Gebührenpositionen, auf die die hier streitige GOP 06225 ausdrücklich Bezug nimmt, ist ein Augenarzt u.a. nur dann ausschließlich konservativ tätig, sofern er in dem betreffenden Quartal keine der folgenden Leistungen erbracht und berechnet hat: (es folgt eine Aufzählung, die die im zweiten Quartal 2014 von der Klägerin unter der LANR von Frau Dr. E. abgerechnete GOP 31321 beinhaltet). Dieser Leistungsausschluss lässt sich entgegen der Ansicht der Beklagten nicht so verstehen, dass bereits die einmalige Abrechnung der GOP 31321 dem Ansatz der Zuschlagsziffer GOP 06225 entgegensteht.
Bei verfassungskonformer Auslegung ist die einschlägige Klausel der Nr. 6 der Präambel 6.1 des EBM zu den augenärztlichen Gebührenpositionen vielmehr so zu verstehen, dass ein Augenarzt nur dann nicht ausschließlich konservativ tätig, wenn er den Leistungsinhalt der GOP 31321 tatsächlich erbracht und abgerechnet hat. Beide Handlungen müssen also kumulativ zusammentreffen. Mit der Beschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs der Zuschlagsziffer ist ein Grundrechtseingriff verbunden. Die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit der Vertragsärzte, die die GOP 06225 nicht abrechnen dürfen, ist tangiert. Dieser Eingriff lässt sich nur durch die Zielsetzung rechtfertigen, eine flächendeckende Versorgung der Versicherten sowohl durch konservativ tätige als auch durch operativ tätige Augenärzte zu gewährleisten (so schon BSG a.a.O. Rn. 41 ff.). Diesem Zweck wird jedoch nicht gedient, wenn auch Augenärzte von der Abrechnung ausgeschlossen werden, die tatsächlich ausschließlich konservativ tätig gewesen sind, aber versehentlich eine GOP abgerechnet haben, die einem operativen Eingriff zugeordnet ist.
So liegt der Fall nach Überzeugung der Kammer auch im vorliegenden Fall. Die Kammer hat keinen Zweifel an dem Vortrag der Klägerin, dass Frau Dr. E. im zweiten Quartal 2014 zwar eine Leistung der GOP 31321 abgerechnet, aber tatsächlich keine solche Leistung erbracht hat. Damit unterfällt sie nach dem oben Gesagten nicht der richtig verstandenen Ausschlussklausel der Nr. 6 der Präambel 6.1 des EBM zu den augenärztlichen Gebührenpositionen. Die Klägerin trägt bereits seit ihrem Schreiben vom 17.11.2014 unwidersprochen vor, dass Frau Dr. E. ausschließlich konservativ tätig ist. Sie hat ihren Vortrag dadurch substantiiert, dass sie dargetan hat, welche Operation Frau Dr. E. versehentlich zugeordnet worden ist. Sie hat auch die LANR des tatsächlich tätig gewordenen Operateurs mitgeteilt, dem die entsprechenden GOP zuzurechnen gewesen wären. An diesem Sachverhalt bestehen aus Sicht der Kammer keine vernünftigen Zweifel. Auch die Beklagte hat im Widerspruchsverfahren keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen nach § 20 SGB X gesehen.
Zwar konnte die Beklagte bei Erlass des angefochtenen Bescheids am 06.10.2014 nicht erkennen, dass die Voraussetzungen der Ausschlussklausel der Nr. 6 der Präambel 6.1 des EBM zu den augenärztlichen Gebührenpositionen in der Person von Frau Dr. E. nicht erfüllt waren. Vielmehr musste sie infolge der Garantiefunktion der vertragsärztlichen Honorarabrechnung davon ausgehen, dass diese Augenärztin die Leistung der unter ihrer LANR abgerechneten GOP 31321 auch tatsächlich erbracht hatte. Dies steht jedoch einem Erfolg der Anfechtungsklage nicht entgegen. Denn insoweit kommt es maßgebend auf den Zeitpunkt an, in dem die letzte Verwaltungsentscheidung erlassen worden ist (näher Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rn. 33), hier also der Widerspruchsbescheid vom 21.01.2015. Dies entspricht dem Sinn und Zweck des Vorverfahrens, der Nachprüfung von Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsakts durch die Verwaltung (§ 78 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Diesem gesetzlichen Auftrag ist die Beklagte im vorliegenden Fall nicht gerecht geworden. Denn im Widerspruchsverfahren hätte sie unschwer feststellen können, dass die Voraussetzungen der Ausschlussklausel der Nr. 6 der Präambel 6.1 des EBM zu den augenärztlichen Gebührenpositionen in der Person von Frau Dr. E. nicht erfüllt waren. Dann hätte sie prüfen können, ob stattdessen eine sachlich-rechnerische Berichtigung im Hinblick auf die fälschlicherweise unter der LANR von Frau Dr. E. abgerechnete Operation angezeigt gewesen wäre.
Entgegen der Ansicht der Beklagten muss sich die Klägerin im vorliegenden Fall auch nicht vorwerfen lassen, sie habe die sich aus den Abrechnungsrichtlinien der Beklagten ergebende Korrekturfrist versäumt. Zwar hätte die Klägerin die beabsichtigten Absetzungen der GOP 06225 in der Tat bereits aus dem Arzt-Info-Brief 2/2014 ersehen können. Ihr Schweigen auf diese Mitteilung führt indes nicht zu einem Rechtsverlust. Denn der Klägerin geht es im vorliegenden Verfahren nicht um eine nachträgliche Abrechnungskorrektur. Klagegegenstand sind vielmehr ausnahmslos Honorarforderungen, die bereits mit der ursprünglichen Honorarabrechnung für das zweite Quartal 2014 geltend gemacht worden sind. Der gerichtlichen Durchsetzung der von vornherein abgerechneten GOP 06225 in 1641 Fällen, deren Abrechnungsvoraussetzungen nach dem oben Gesagten erfüllt sind, kann die Beklagte nicht entgegengehalten, dass die Honorarabrechnung der Klägerin an anderer Stelle falsch war. Ob letzteres zu einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung berechtigt hätte, hat das Gericht im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin insoweit insgesamt 10.822,74 EUR (netto) nachzuzahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
4. Der Streitwert wird auf 10.822,74 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt höhere vertragsärztliche Honorarzahlungen für das Quartal II/14.
Sie nahm in diesem Zeitraum an der vertragsärztlichen Versorgung im Zuständigkeitsbereich der Beklagten teil. Bei der Klägerin handelt es sich um eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft, deren sechs Gesellschafter Augenärzte sind. Zu ihnen zählt Frau Dr. E., die ausschließlich konservativ tätig ist. Gleichwohl wurde von der Klägerin im zweiten Quartal 2014 versehentlich eine Operation unter der LANR von Frau Dr. E. abgerechnet (GOP 31321 EBM).
Am 06.10.2014 erließ die Beklagte den Honorarbescheid für das Quartal II/14 und erkannte der Klägerin ein Gesamthonorar in Höhe von 373.071,93 Euro zu. Dabei berücksichtigte sie bei den von Frau Dr. E. erbrachten Leistungen einen extraocularen Eingriff mit der GOP 31321. Abschließend wies die Beklagte darauf hin, dass sie von den unter der LANR von Frau Dr. E. abgerechneten Leistungen die GOP 06225 insgesamt 1641mal abgesetzt habe. Diese Gebührenziffer könne nur in Fällen abgerechnet werden, in denen die augenärztliche Behandlung ausschließlich durch einen konservativ tätigen Augenarzt erfolgt ist.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin fristgerecht Widerspruch unter Verwendung eines Formschreibens. Später teilte sie der Beklagten mit, sie habe bemerkt, dass versehentlich eine Operation unter der LANR von Frau Dr. E. abgerechnet worden sei. Tatsächlich sei Frau Dr. E. auch im zweiten Quartal 2014 ausschließlich konservativ tätig gewesen. Daher sei die Absetzung der GOP 06225 zu Unrecht erfolgt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.01.2015 wies die Beklagte den klägerischen Widerspruch als unbegründet zurück. Der angefochtene Honorarbescheid sei rechtmäßig. Die eingereichte Abrechnung für das Quartal II/14 habe der der Beklagten obliegenden Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit nicht standgehalten. Frau Dr. E. habe keinen Anspruch auf Berücksichtigung der GOP 06225 gehabt. Ein Augenarzt sei nach dem EBM nur konservativ tätig, wenn er in dem Quartal die Leistung der GOP 31321 weder erbracht noch berechnet habe. Diese sei jedoch im Quartal II/14 einmal unter der LANR von Frau Dr. E. abgerechnet worden.
Dagegen hat die Klägerin am 20.02.2015 Klage zum Sozialgericht Marburg erhoben.
Sie ist der Ansicht, die 1641malige Absetzung der unter der LANR von Frau Dr. E. abgerechneten GOP 06225 sei zu Unrecht erfolgt. Diese Augenärztin sei auch im zweiten Quartal 2014 ausschließlich konservativ tätig gewesen. Daran ändere auch die versehentliche Abrechnung einer Operation unter ihrer LANR nichts.
Die Klägerin beantragt,
den Honorarbescheid der Beklagten für das Quartal II/14 vom 06.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.01.2015 insoweit aufzuheben, als die Beklagte darin die unter der LANR von Frau Dr. E. abgerechnete GOP 06225 insgesamt 1641mal abgesetzt hat, sowie die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von 10.822,74 EUR (netto) nachzuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig und verweist zur Begründung auf den Widerspruchsbescheid. Ergänzend stützt sie sich auf den Umstand, dass die Klägerin ihr den Abrechnungsfehler verspätet gemeldet habe. Bereits im Juli 2014 sei die Klägerin durch ihren Arzt-Info-Brief 2/2014 auf die beabsichtigten Absetzungen hingewiesen worden. Dazu habe diese sich nicht geäußert.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der angefochtene Honorarbescheid der Beklagten für das Quartal II/14 vom 06.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.01.2015 war insoweit aufzuheben, als die Beklagte darin die unter der LANR von Frau Dr. E. abgerechnete GOP 06225 insgesamt 1641mal abgesetzt hat, weil dies rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Der mit der Anfechtungsklage verbundenen Leistungsklage war stattzugeben, weil die Klägerin gegen die Beklagte Anspruch auf Nachzahlung des insoweit gekürzten Betrags von insgesamt 10.822,74 EUR (netto) hat.
Die Beklagte stützt die streitgegenständliche Absetzung der von der Klägerin im zweiten Quartal 2014 unter der LANR von Frau Dr. E. abgerechneten GOP 06225 in 1641 Fällen und die damit verbundene Honorarkürzung um insgesamt 10.822,74 EUR (netto) auf eine sachlich-rechnerische Richtigstellung. Die Voraussetzungen hierfür lagen indes nicht vor. Denn die GOP 06225 war für die Klägerin unter der LANR von Frau Dr. E. abrechenbar. Zwar ist die Beschränkung der Zuschlagsziffer auf ausschließlich konservativ tätige Augenärzte nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, der sich die erkennende Kammer anschließt, grundsätzlich rechtmäßig (BSG, Urteil vom 28. Oktober 2015 – B 6 KA 42/14 R, SozR 4-5531 Nr. 06225 Nr. 1). Die dafür im EBM aufgestellten einschränkenden Voraussetzungen sind jedoch im zweiten Quartal 2014 von Frau Dr. E. erfüllt worden. Nach Nr. 6 der Präambel 6.1 des EBM zu den augenärztlichen Gebührenpositionen, auf die die hier streitige GOP 06225 ausdrücklich Bezug nimmt, ist ein Augenarzt u.a. nur dann ausschließlich konservativ tätig, sofern er in dem betreffenden Quartal keine der folgenden Leistungen erbracht und berechnet hat: (es folgt eine Aufzählung, die die im zweiten Quartal 2014 von der Klägerin unter der LANR von Frau Dr. E. abgerechnete GOP 31321 beinhaltet). Dieser Leistungsausschluss lässt sich entgegen der Ansicht der Beklagten nicht so verstehen, dass bereits die einmalige Abrechnung der GOP 31321 dem Ansatz der Zuschlagsziffer GOP 06225 entgegensteht.
Bei verfassungskonformer Auslegung ist die einschlägige Klausel der Nr. 6 der Präambel 6.1 des EBM zu den augenärztlichen Gebührenpositionen vielmehr so zu verstehen, dass ein Augenarzt nur dann nicht ausschließlich konservativ tätig, wenn er den Leistungsinhalt der GOP 31321 tatsächlich erbracht und abgerechnet hat. Beide Handlungen müssen also kumulativ zusammentreffen. Mit der Beschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs der Zuschlagsziffer ist ein Grundrechtseingriff verbunden. Die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit der Vertragsärzte, die die GOP 06225 nicht abrechnen dürfen, ist tangiert. Dieser Eingriff lässt sich nur durch die Zielsetzung rechtfertigen, eine flächendeckende Versorgung der Versicherten sowohl durch konservativ tätige als auch durch operativ tätige Augenärzte zu gewährleisten (so schon BSG a.a.O. Rn. 41 ff.). Diesem Zweck wird jedoch nicht gedient, wenn auch Augenärzte von der Abrechnung ausgeschlossen werden, die tatsächlich ausschließlich konservativ tätig gewesen sind, aber versehentlich eine GOP abgerechnet haben, die einem operativen Eingriff zugeordnet ist.
So liegt der Fall nach Überzeugung der Kammer auch im vorliegenden Fall. Die Kammer hat keinen Zweifel an dem Vortrag der Klägerin, dass Frau Dr. E. im zweiten Quartal 2014 zwar eine Leistung der GOP 31321 abgerechnet, aber tatsächlich keine solche Leistung erbracht hat. Damit unterfällt sie nach dem oben Gesagten nicht der richtig verstandenen Ausschlussklausel der Nr. 6 der Präambel 6.1 des EBM zu den augenärztlichen Gebührenpositionen. Die Klägerin trägt bereits seit ihrem Schreiben vom 17.11.2014 unwidersprochen vor, dass Frau Dr. E. ausschließlich konservativ tätig ist. Sie hat ihren Vortrag dadurch substantiiert, dass sie dargetan hat, welche Operation Frau Dr. E. versehentlich zugeordnet worden ist. Sie hat auch die LANR des tatsächlich tätig gewordenen Operateurs mitgeteilt, dem die entsprechenden GOP zuzurechnen gewesen wären. An diesem Sachverhalt bestehen aus Sicht der Kammer keine vernünftigen Zweifel. Auch die Beklagte hat im Widerspruchsverfahren keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen nach § 20 SGB X gesehen.
Zwar konnte die Beklagte bei Erlass des angefochtenen Bescheids am 06.10.2014 nicht erkennen, dass die Voraussetzungen der Ausschlussklausel der Nr. 6 der Präambel 6.1 des EBM zu den augenärztlichen Gebührenpositionen in der Person von Frau Dr. E. nicht erfüllt waren. Vielmehr musste sie infolge der Garantiefunktion der vertragsärztlichen Honorarabrechnung davon ausgehen, dass diese Augenärztin die Leistung der unter ihrer LANR abgerechneten GOP 31321 auch tatsächlich erbracht hatte. Dies steht jedoch einem Erfolg der Anfechtungsklage nicht entgegen. Denn insoweit kommt es maßgebend auf den Zeitpunkt an, in dem die letzte Verwaltungsentscheidung erlassen worden ist (näher Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rn. 33), hier also der Widerspruchsbescheid vom 21.01.2015. Dies entspricht dem Sinn und Zweck des Vorverfahrens, der Nachprüfung von Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsakts durch die Verwaltung (§ 78 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Diesem gesetzlichen Auftrag ist die Beklagte im vorliegenden Fall nicht gerecht geworden. Denn im Widerspruchsverfahren hätte sie unschwer feststellen können, dass die Voraussetzungen der Ausschlussklausel der Nr. 6 der Präambel 6.1 des EBM zu den augenärztlichen Gebührenpositionen in der Person von Frau Dr. E. nicht erfüllt waren. Dann hätte sie prüfen können, ob stattdessen eine sachlich-rechnerische Berichtigung im Hinblick auf die fälschlicherweise unter der LANR von Frau Dr. E. abgerechnete Operation angezeigt gewesen wäre.
Entgegen der Ansicht der Beklagten muss sich die Klägerin im vorliegenden Fall auch nicht vorwerfen lassen, sie habe die sich aus den Abrechnungsrichtlinien der Beklagten ergebende Korrekturfrist versäumt. Zwar hätte die Klägerin die beabsichtigten Absetzungen der GOP 06225 in der Tat bereits aus dem Arzt-Info-Brief 2/2014 ersehen können. Ihr Schweigen auf diese Mitteilung führt indes nicht zu einem Rechtsverlust. Denn der Klägerin geht es im vorliegenden Verfahren nicht um eine nachträgliche Abrechnungskorrektur. Klagegegenstand sind vielmehr ausnahmslos Honorarforderungen, die bereits mit der ursprünglichen Honorarabrechnung für das zweite Quartal 2014 geltend gemacht worden sind. Der gerichtlichen Durchsetzung der von vornherein abgerechneten GOP 06225 in 1641 Fällen, deren Abrechnungsvoraussetzungen nach dem oben Gesagten erfüllt sind, kann die Beklagte nicht entgegengehalten, dass die Honorarabrechnung der Klägerin an anderer Stelle falsch war. Ob letzteres zu einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung berechtigt hätte, hat das Gericht im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
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