Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 25 SO 37/18 ER
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 9 SO 174/18 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ein personeller Wechsel in der ambulanten Betreuung, die wöchentlich zwei Stunden umfasst, zu einem niedrigeren Stundensatz als von der Antragstellerin begehrt, würde den bisher erreichten Eingliederungserfolg aller Voraussicht nach nicht gefährden.
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 29. August 2018 insoweit aufgehoben, als der Antragsgegner darin zu einer Gewährung von Eingliederungsleistungen über den 30. September 2018 hinaus – vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache – verpflichtet worden ist, und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung insoweit abgelehnt. Im Übrigen wird die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 29. August 2018 zurückgewiesen. Der Antragsgegner trägt 1/5 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen.
Gründe:
Die Beschwerde hat im tenorierten Umfang Erfolg.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Sozialgericht den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung "vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache" dazu verpflichtet, der Antragstellerin Eingliederungsleistungen in Form von zwei Fachleistungsstunden pro Woche zu einem Vergütungssatz in Höhe von 48,00 EUR pro Fachleistungsstunde für ambulante Betreuungsleistungen durch das Haus e. V. als Geldleistung zu gewähren.
Daraufhin hat der Antragsgegner unter dem 4. September 2018 einen Bescheid erlassen, mit dem er sich "aufgrund des Beschlusses des Sozialgerichts Schleswig (Az. S 25 SO 37/18 ER) vom 29.09.2018" bereit erklärt hat, für die Antragstellerin "die Kosten der ambulanten Betreuung für die Zeit vom 01.04.2018 bis 30.09.2018 im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gemäß §§ 53, 54 Sozialgesetzbuch XII (SGB XII) im Umfang von 2 Fachleistungssunden wöchentlich zum Kostensatz in Höhe von 48,00 EUR pro Fachleistungsstunde aus Sozialhilfemitteln zu übernehmen". Einen Vorläufigkeitsvorbehalt enthält der Bescheid nicht.
Erst unter dem 21. September 2018 hat der Antragsgegner gegen den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 29. August 2018 Beschwerde eingelegt.
Unter dem 8. Oktober 2018 hat er dann einen weiteren Bescheid erlassen, mit dem er sich "aufgrund des Beschlusses des Sozialgerichts Schleswig (Az. S 25 SO 37/18 ER) vom 29.09.2018" bereit erklärt hat, für die Antragstellerin "die Kosten der ambulanten Betreuung für die Zeit vom 01.10.2018 bis zur Entscheidung des Landessozialgerichts über die Beschwerde des Kreises Rendsburg-Eckernförde gegen den obigen Beschluss, längstens jedoch bis zu 31.12.2018, im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gemäß §§ 53, 54 Sozialgesetzbuch XII (SGB XII) im Umfang von 2 Fachleistungssunden wöchentlich zum Kostensatz in Höhe von 48,00 EUR pro Fachleistungsstunde aus Sozialhilfemitteln zu übernehmen". Diese Bewilligung erfolge unter dem Vorbehalt der Rückforderung zu viel gezahlter Leistungen.
Soweit der Antragsgegner mit Bescheid vom 4. September 2018 die Übernahme der Kosten der ambulanten Betreuung der Antragstellerin für die Zeit vom 1. April 2018 bis 30. September 2018 im Umfang von 2 Fachleistungssunden wöchentlich zum Kostensatz in Höhe von 48,00 EUR pro Fachleistungsstunde aus Sozialhilfemitteln erklärt hat, ist die Beschwerde unzulässig. Es fehlt insoweit an der erforderlichen Beschwer des Antragsgegners und Beschwerdeführers. Seine Kostenübernahmeerklärung vom 4. September 2018 erfolgte unbedingt und zwar unter Bezugnahme auf den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 29. August 2018, aber weder ausdrücklich nur in dessen Ausführung noch vorläufig oder unter dem Vorbehalt einer abweichenden Entscheidung des beschließenden Senats im vorliegenden Beschwerdeverfahren. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 4. September 2018 hatte der Antragsgegner gegen den erstinstanzlichen Beschluss auch noch keine Beschwerde eingelegt. Aus Sicht der Antragstellerin bzw. eines objektiven Empfängers war der Bescheid nur so zu verstehen, dass die Kostenübernahme für die Zeit vom 1. April 2018 bis 30. September 2018 vorbehaltlos und endgültig erfolgen sollte. Die Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Beschluss stellt sich als Begründungselement dar.
Damit hat der Antragsgegner – gewollt oder ungewollt – dem Begehren der Antragstellerin teilweise zum Erfolg verholfen. Für die Zeit vom 1. April 2018 bis 30. September 2018 ist damit die Beschwer des Antragsgegners entfallen, denn nachdem der Verfügungssatz des Bescheids vom 4. September 2018 eine selbständige Verpflichtung des Antragsgegners herbeigeführt hat, kann sich der Tenor des angefochtenen Beschlusses nicht mehr negativ auf die Rechtsposition des Antragsgegners auswirken (zu dieser Voraussetzung vgl. Karl in jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 176 Rn. 37 unter Hinweis auf Wehrhahn in jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 143 Rn. 16 m. w. N.). Eine Zahlung der Geldleistungen, zu denen sich der Antragsgegner mit Bescheid vom 4. September 2018 verpflichtet hat, kann die Antragstellerin (nur) für im Zeitraum vom 1. April 2018 bis 30. September 2018 nachweislich in Anspruch genommene Fachleistungsstunden verlangen.
Im Übrigen ist die Beschwerde zulässig und begründet.
Zutreffend hat das Sozialgericht die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dargestellt; insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Allerdings teilt der Senat die Auffassung des Sozialgerichts, dass die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht habe, nicht.
Zwar sind sich die Beteiligten darüber einig, dass die Antragstellerin einen ambulanten Betreuungsbedarf und grundsätzlich einen Anspruch gegen den Antragsgegner auf Übernahme der Kosten ihrer ambulanten Betreuung hat. Der Antragsgegner hat sich daher auch mit Bescheid vom 29. Mai 2018 bereit erklärt, diese Kosten zu übernehmen, wenn diese durch einen geeigneten Anbieter, der über eine entsprechende Leistungs- und Vergütungsvereinbarung nach § 75 SGB XII verfügt, durchgeführt wird. Er hat der Antragstellerin auch zwei Anbieter genannt, die er für geeignet hält und die eine ambulante Betreuung im eigenen Wohnraum im Rahmen eines persönlichen Budgets zum Stundensatz von 37,42 EUR je Fachleistungsstunde durchführen könnten.
Mit Blick auf die vom Antragsgegner angebotene Leistungshöhe ist ein Anordnungsanspruch bezogen auf einen Stundensatz von 48,00 EUR je Fachleistungsstunde nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Art und Umfang der Eingliederungshilfe in Form der Hilfe zur Sozialen Teilhabe bestimmen sich nach §§ 53 Abs. 1 Satz 1, 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i. V. m. § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 7 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in der Fassung vom 23. April 2004 (Artikel 1 des Gesetzes v. 19.6.2001, BGBl. I S. 1046). Die Leistungen zur Teilhabe an der Gemeinschaft sind als Eingliederungshilfe – hier in der Leistungsform des persönlichen Budgets nach § 57 SGB XII i. V.m. § 29 SGB IX – in einem notwendigen Maße zu gewähren. Gemäß § 4 Abs. 1 SGB IX umfassen Leistungen zur Teilhabe die notwendigen Sozialleistungen, um die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen und zu erleichtern (Ziffer 4). Notwendig ist eine Leistung, wenn sie grundsätzlich geeignet und im konkreten Einzelfall unentbehrlich ist, also das Ziel der Rehabilitation nicht bereits durch verfügbare und zumutbare Möglichkeiten der Selbsthilfe oder durch vorrangige oder kostengünstigere andere Sozialleistungen in gleicher Weise erreicht werden kann. Die Notwendigkeit umfasst im Rahmen einer Gesamtabwägung auch den Kostenaspekt; es ist damit eine Angemessenheitsprüfung vorzunehmen (vgl. Luthe in jurisPK-SGB IX, 3. Auflage 2018, § 4 Rn. 23). Anhand dieses Maßstabes ist der vom Antragsgegner avisierte Leistungsumfang nach einer summarischen Prüfung nicht zu beanstanden.
Der Senat vermag sich auch nicht davon zu überzeugen, dass nach Lage der Akten mehr für als gegen die Annahme spricht, dass – worauf das Sozialgericht seine Entscheidung gestützt hat – ein Wechsel in der ambulanten Betreuung den bisher erreichten Eingliederungserfolg maßgeblich gefährden würde. Eine andere Einschätzung ist auch nicht im Hinblick auf die ergänzenden Ausführungen der Antragstellerin im Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 30. November 2018 geboten. Der Senat ist unter Beachtung der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen Folgenabwägung nicht hinreichend davon überzeugt, dass durch einen Wechsel der Betreuungsperson der Eingliederungserfolg der Antragstellerin gefährdet würde. Die 1990 geborene Antragstellerin lebt seit dem Jahr 2006 in der Einrichtung Haus e. V., wo sie zunächst vollstationär, seit 2016 nur noch ambulant betreut wird. Durch ihren langjährigen und andauernden Aufenthalt in der genannten Lebens- und Wohngemeinschaft ("Lebens- und Wegegemeinschaft zur sozialen Gestaltung") hat die Antragstellerin ein soziales Netz mit geregelten Strukturen, an denen sich durch einen Wechsel der Betreuungsperson voraussichtlich keine wesentlichen Veränderungen ergeben würden.
An einer solchen Annahme bestehen auch Zweifel angesichts des vergleichsweisen geringen zeitlichen Umfangs der ambulanten Betreuungsleistungen von zwei Stunden wöchentlich. Die Antragstellerin nimmt in der Einrichtung Haus e. V. am Arbeitsleben teil, hat einen Freundeskreis und kümmert sich eigenständig und eigenverantwortlich um zahlreiche Verrichtungen des täglichen Lebens. Die im Rahmen der Eingliederungshilfe erbrachte ambulante Betreuung im Umfang von zwei Stunden wöchentlich stellt sich im Verhältnis zur gesamten Woche als geringfügig dar.
Hinreichend belastbare Anhaltspunkte für die Annahme einer drohenden Gefährdung des bisher erreichten Eingliederungserfolgs durch einen Wechsel der Betreuungsperson vermag der Senat auch der Aktenlage nicht zu entnehmen, zumal der Antragsgegner von der Antragstellerin auch nicht verlangt, in eine andere Einrichtung zu wechseln (zu dieser – unbegründeten – Besorgnis vgl. die Stellungnahme des Einrichtung Haus e. V. vom 19. Juni 2018).
Überdies hat die Antragstellerin auch einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsgegner lehnte die Gewährung der begehrten Leistungen eines persönlichen Budgets mit Bescheid vom 29. Mai 2018 ab, weil es die Antragstellerin abgelehnt hatte, eine Zielvereinbarung zu einem niedrigeren Stundensatz als 48,00 EUR zu unterzeichnen. Es ist der Antragstellerin aber möglich und zumutbar, die angebotene Zielvereinbarung zu unterschreiben und sodann den daraufhin vom Antragsgegner zu erlassenden Bescheid über die Gewährung eines persönlichen Budgets ggf. bzgl. der Höhe anzufechten. Zur Klarstellung könnte die Antragstellerin die Zielvereinbarung unter dem Vorbehalt unterschreiben, dass sie mit der Höhe des Stundensatzes nicht abschließend einverstanden sei, sondern sich insoweit eine Anfechtung des Bescheides über die Gewährung eines persönlichen Budgets vorbehalte (vgl. zu dieser Thematik bereits Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 20. Juli 2018 – L 9 SO 96/18 B ER). Insoweit muss die Antragstellerin auch nicht – wie sie angibt – befürchten, durch das Unterzeichnen einer Zielvereinbarung zu einem niedrigeren Stundensatz als 48,00 EUR Rechtsnachteile zu erleiden. Widersprüchliches Verhalten wäre der Antragstellerin – was sie befürchtet – nicht vorzuwerfen, wenn sie die Zielvereinbarung unter dem skizzierten Vorbehalt unterzeichnen würde.
Aufgrund der aufgezeigten Möglichkeit, die angebotene Zielvereinbarung (ggf. unter Vorbehalt) zu unterschreiben, so dass der Antragsgegner die Leistungen (ggf. vorläufig) in der vereinbarten Höhe auszahlen und die Antragstellerin wieder eine ambulante Betreuung in Anspruch nehmen könnte (ggf. seitens eines anderen Leistungserbringers) mangelt es im Übrigen nicht nur am Vorliegen eines Anordnungsgrundes; vielmehr ist der Antrag insoweit mangels Rechtsschutzbedürfnisses der Antragstellerin bereits unzulässig. Für sie bestand und besteht ein schnellerer und einfacherer Weg zur Durchsetzung ihrer Rechte. Eine Inanspruchnahme des Gerichts war und ist in diesem Umfang – bezogen auf die vom Antragsgegner in Aussicht gestellte Höhe des persönlichen Budgets von 37,42 EUR je Fachleistungsstunde – nicht erforderlich. Die Antragstellerin hätte diesen Weg (Unterzeichnung einer Zielvereinbarung, anschließend Anfechtung des Bescheids über die Leistungsgewährung der Höhe nach) bereits Ende Mai 2018, mithin noch vor der Anrufung des Sozialgerichts, beschreiten können. Sie ist weiterhin auf diese Möglichkeit zu verweisen, der sich der Antragsgegner nicht verschließt. Vielmehr hat der Antragsgegner zu Recht wiederholt darauf abgestellt, dass der Abschluss einer Zielvereinbarung ein erforderlicher Verfahrensschritt im Rahmen der Gewährung eines persönlichen Budgets sei (vgl. § 29 Abs. 4 Satz 1 SGB IX). Der Antragsgegner hat ferner darauf hingewiesen, dass nach Abschluss der Zielvereinbarung und nach Erlass des Bescheides über die Gewährung eines persönlichen Budgets eine Anfechtung dieses Bescheides und eine Überprüfung der Leistungshöhe möglich sein werden.
Im Übrigen teilt der Senat die Bedenken des Antragsgegners, durch das Sozialgericht zu einer vorläufigen Leistungsgewährung "bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache" verpflichtet worden zu sein, und zwar nicht nur unter dem Gesichtspunkt eines bis heute fehlenden Widerspruchsbescheids und damit auch eines Hauptsacheverfahrens, sondern auch angesichts der regelmäßigen Laufzeiten eines solchen. Insoweit erübrigen sich aber weitere Ausführungen, weil der angefochtene Beschluss bereits aus den vorstehenden Gründen (teilweise) aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Gründe:
Die Beschwerde hat im tenorierten Umfang Erfolg.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Sozialgericht den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung "vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache" dazu verpflichtet, der Antragstellerin Eingliederungsleistungen in Form von zwei Fachleistungsstunden pro Woche zu einem Vergütungssatz in Höhe von 48,00 EUR pro Fachleistungsstunde für ambulante Betreuungsleistungen durch das Haus e. V. als Geldleistung zu gewähren.
Daraufhin hat der Antragsgegner unter dem 4. September 2018 einen Bescheid erlassen, mit dem er sich "aufgrund des Beschlusses des Sozialgerichts Schleswig (Az. S 25 SO 37/18 ER) vom 29.09.2018" bereit erklärt hat, für die Antragstellerin "die Kosten der ambulanten Betreuung für die Zeit vom 01.04.2018 bis 30.09.2018 im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gemäß §§ 53, 54 Sozialgesetzbuch XII (SGB XII) im Umfang von 2 Fachleistungssunden wöchentlich zum Kostensatz in Höhe von 48,00 EUR pro Fachleistungsstunde aus Sozialhilfemitteln zu übernehmen". Einen Vorläufigkeitsvorbehalt enthält der Bescheid nicht.
Erst unter dem 21. September 2018 hat der Antragsgegner gegen den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 29. August 2018 Beschwerde eingelegt.
Unter dem 8. Oktober 2018 hat er dann einen weiteren Bescheid erlassen, mit dem er sich "aufgrund des Beschlusses des Sozialgerichts Schleswig (Az. S 25 SO 37/18 ER) vom 29.09.2018" bereit erklärt hat, für die Antragstellerin "die Kosten der ambulanten Betreuung für die Zeit vom 01.10.2018 bis zur Entscheidung des Landessozialgerichts über die Beschwerde des Kreises Rendsburg-Eckernförde gegen den obigen Beschluss, längstens jedoch bis zu 31.12.2018, im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gemäß §§ 53, 54 Sozialgesetzbuch XII (SGB XII) im Umfang von 2 Fachleistungssunden wöchentlich zum Kostensatz in Höhe von 48,00 EUR pro Fachleistungsstunde aus Sozialhilfemitteln zu übernehmen". Diese Bewilligung erfolge unter dem Vorbehalt der Rückforderung zu viel gezahlter Leistungen.
Soweit der Antragsgegner mit Bescheid vom 4. September 2018 die Übernahme der Kosten der ambulanten Betreuung der Antragstellerin für die Zeit vom 1. April 2018 bis 30. September 2018 im Umfang von 2 Fachleistungssunden wöchentlich zum Kostensatz in Höhe von 48,00 EUR pro Fachleistungsstunde aus Sozialhilfemitteln erklärt hat, ist die Beschwerde unzulässig. Es fehlt insoweit an der erforderlichen Beschwer des Antragsgegners und Beschwerdeführers. Seine Kostenübernahmeerklärung vom 4. September 2018 erfolgte unbedingt und zwar unter Bezugnahme auf den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 29. August 2018, aber weder ausdrücklich nur in dessen Ausführung noch vorläufig oder unter dem Vorbehalt einer abweichenden Entscheidung des beschließenden Senats im vorliegenden Beschwerdeverfahren. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 4. September 2018 hatte der Antragsgegner gegen den erstinstanzlichen Beschluss auch noch keine Beschwerde eingelegt. Aus Sicht der Antragstellerin bzw. eines objektiven Empfängers war der Bescheid nur so zu verstehen, dass die Kostenübernahme für die Zeit vom 1. April 2018 bis 30. September 2018 vorbehaltlos und endgültig erfolgen sollte. Die Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Beschluss stellt sich als Begründungselement dar.
Damit hat der Antragsgegner – gewollt oder ungewollt – dem Begehren der Antragstellerin teilweise zum Erfolg verholfen. Für die Zeit vom 1. April 2018 bis 30. September 2018 ist damit die Beschwer des Antragsgegners entfallen, denn nachdem der Verfügungssatz des Bescheids vom 4. September 2018 eine selbständige Verpflichtung des Antragsgegners herbeigeführt hat, kann sich der Tenor des angefochtenen Beschlusses nicht mehr negativ auf die Rechtsposition des Antragsgegners auswirken (zu dieser Voraussetzung vgl. Karl in jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 176 Rn. 37 unter Hinweis auf Wehrhahn in jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 143 Rn. 16 m. w. N.). Eine Zahlung der Geldleistungen, zu denen sich der Antragsgegner mit Bescheid vom 4. September 2018 verpflichtet hat, kann die Antragstellerin (nur) für im Zeitraum vom 1. April 2018 bis 30. September 2018 nachweislich in Anspruch genommene Fachleistungsstunden verlangen.
Im Übrigen ist die Beschwerde zulässig und begründet.
Zutreffend hat das Sozialgericht die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dargestellt; insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Allerdings teilt der Senat die Auffassung des Sozialgerichts, dass die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht habe, nicht.
Zwar sind sich die Beteiligten darüber einig, dass die Antragstellerin einen ambulanten Betreuungsbedarf und grundsätzlich einen Anspruch gegen den Antragsgegner auf Übernahme der Kosten ihrer ambulanten Betreuung hat. Der Antragsgegner hat sich daher auch mit Bescheid vom 29. Mai 2018 bereit erklärt, diese Kosten zu übernehmen, wenn diese durch einen geeigneten Anbieter, der über eine entsprechende Leistungs- und Vergütungsvereinbarung nach § 75 SGB XII verfügt, durchgeführt wird. Er hat der Antragstellerin auch zwei Anbieter genannt, die er für geeignet hält und die eine ambulante Betreuung im eigenen Wohnraum im Rahmen eines persönlichen Budgets zum Stundensatz von 37,42 EUR je Fachleistungsstunde durchführen könnten.
Mit Blick auf die vom Antragsgegner angebotene Leistungshöhe ist ein Anordnungsanspruch bezogen auf einen Stundensatz von 48,00 EUR je Fachleistungsstunde nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Art und Umfang der Eingliederungshilfe in Form der Hilfe zur Sozialen Teilhabe bestimmen sich nach §§ 53 Abs. 1 Satz 1, 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i. V. m. § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 7 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in der Fassung vom 23. April 2004 (Artikel 1 des Gesetzes v. 19.6.2001, BGBl. I S. 1046). Die Leistungen zur Teilhabe an der Gemeinschaft sind als Eingliederungshilfe – hier in der Leistungsform des persönlichen Budgets nach § 57 SGB XII i. V.m. § 29 SGB IX – in einem notwendigen Maße zu gewähren. Gemäß § 4 Abs. 1 SGB IX umfassen Leistungen zur Teilhabe die notwendigen Sozialleistungen, um die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen und zu erleichtern (Ziffer 4). Notwendig ist eine Leistung, wenn sie grundsätzlich geeignet und im konkreten Einzelfall unentbehrlich ist, also das Ziel der Rehabilitation nicht bereits durch verfügbare und zumutbare Möglichkeiten der Selbsthilfe oder durch vorrangige oder kostengünstigere andere Sozialleistungen in gleicher Weise erreicht werden kann. Die Notwendigkeit umfasst im Rahmen einer Gesamtabwägung auch den Kostenaspekt; es ist damit eine Angemessenheitsprüfung vorzunehmen (vgl. Luthe in jurisPK-SGB IX, 3. Auflage 2018, § 4 Rn. 23). Anhand dieses Maßstabes ist der vom Antragsgegner avisierte Leistungsumfang nach einer summarischen Prüfung nicht zu beanstanden.
Der Senat vermag sich auch nicht davon zu überzeugen, dass nach Lage der Akten mehr für als gegen die Annahme spricht, dass – worauf das Sozialgericht seine Entscheidung gestützt hat – ein Wechsel in der ambulanten Betreuung den bisher erreichten Eingliederungserfolg maßgeblich gefährden würde. Eine andere Einschätzung ist auch nicht im Hinblick auf die ergänzenden Ausführungen der Antragstellerin im Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 30. November 2018 geboten. Der Senat ist unter Beachtung der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen Folgenabwägung nicht hinreichend davon überzeugt, dass durch einen Wechsel der Betreuungsperson der Eingliederungserfolg der Antragstellerin gefährdet würde. Die 1990 geborene Antragstellerin lebt seit dem Jahr 2006 in der Einrichtung Haus e. V., wo sie zunächst vollstationär, seit 2016 nur noch ambulant betreut wird. Durch ihren langjährigen und andauernden Aufenthalt in der genannten Lebens- und Wohngemeinschaft ("Lebens- und Wegegemeinschaft zur sozialen Gestaltung") hat die Antragstellerin ein soziales Netz mit geregelten Strukturen, an denen sich durch einen Wechsel der Betreuungsperson voraussichtlich keine wesentlichen Veränderungen ergeben würden.
An einer solchen Annahme bestehen auch Zweifel angesichts des vergleichsweisen geringen zeitlichen Umfangs der ambulanten Betreuungsleistungen von zwei Stunden wöchentlich. Die Antragstellerin nimmt in der Einrichtung Haus e. V. am Arbeitsleben teil, hat einen Freundeskreis und kümmert sich eigenständig und eigenverantwortlich um zahlreiche Verrichtungen des täglichen Lebens. Die im Rahmen der Eingliederungshilfe erbrachte ambulante Betreuung im Umfang von zwei Stunden wöchentlich stellt sich im Verhältnis zur gesamten Woche als geringfügig dar.
Hinreichend belastbare Anhaltspunkte für die Annahme einer drohenden Gefährdung des bisher erreichten Eingliederungserfolgs durch einen Wechsel der Betreuungsperson vermag der Senat auch der Aktenlage nicht zu entnehmen, zumal der Antragsgegner von der Antragstellerin auch nicht verlangt, in eine andere Einrichtung zu wechseln (zu dieser – unbegründeten – Besorgnis vgl. die Stellungnahme des Einrichtung Haus e. V. vom 19. Juni 2018).
Überdies hat die Antragstellerin auch einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsgegner lehnte die Gewährung der begehrten Leistungen eines persönlichen Budgets mit Bescheid vom 29. Mai 2018 ab, weil es die Antragstellerin abgelehnt hatte, eine Zielvereinbarung zu einem niedrigeren Stundensatz als 48,00 EUR zu unterzeichnen. Es ist der Antragstellerin aber möglich und zumutbar, die angebotene Zielvereinbarung zu unterschreiben und sodann den daraufhin vom Antragsgegner zu erlassenden Bescheid über die Gewährung eines persönlichen Budgets ggf. bzgl. der Höhe anzufechten. Zur Klarstellung könnte die Antragstellerin die Zielvereinbarung unter dem Vorbehalt unterschreiben, dass sie mit der Höhe des Stundensatzes nicht abschließend einverstanden sei, sondern sich insoweit eine Anfechtung des Bescheides über die Gewährung eines persönlichen Budgets vorbehalte (vgl. zu dieser Thematik bereits Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 20. Juli 2018 – L 9 SO 96/18 B ER). Insoweit muss die Antragstellerin auch nicht – wie sie angibt – befürchten, durch das Unterzeichnen einer Zielvereinbarung zu einem niedrigeren Stundensatz als 48,00 EUR Rechtsnachteile zu erleiden. Widersprüchliches Verhalten wäre der Antragstellerin – was sie befürchtet – nicht vorzuwerfen, wenn sie die Zielvereinbarung unter dem skizzierten Vorbehalt unterzeichnen würde.
Aufgrund der aufgezeigten Möglichkeit, die angebotene Zielvereinbarung (ggf. unter Vorbehalt) zu unterschreiben, so dass der Antragsgegner die Leistungen (ggf. vorläufig) in der vereinbarten Höhe auszahlen und die Antragstellerin wieder eine ambulante Betreuung in Anspruch nehmen könnte (ggf. seitens eines anderen Leistungserbringers) mangelt es im Übrigen nicht nur am Vorliegen eines Anordnungsgrundes; vielmehr ist der Antrag insoweit mangels Rechtsschutzbedürfnisses der Antragstellerin bereits unzulässig. Für sie bestand und besteht ein schnellerer und einfacherer Weg zur Durchsetzung ihrer Rechte. Eine Inanspruchnahme des Gerichts war und ist in diesem Umfang – bezogen auf die vom Antragsgegner in Aussicht gestellte Höhe des persönlichen Budgets von 37,42 EUR je Fachleistungsstunde – nicht erforderlich. Die Antragstellerin hätte diesen Weg (Unterzeichnung einer Zielvereinbarung, anschließend Anfechtung des Bescheids über die Leistungsgewährung der Höhe nach) bereits Ende Mai 2018, mithin noch vor der Anrufung des Sozialgerichts, beschreiten können. Sie ist weiterhin auf diese Möglichkeit zu verweisen, der sich der Antragsgegner nicht verschließt. Vielmehr hat der Antragsgegner zu Recht wiederholt darauf abgestellt, dass der Abschluss einer Zielvereinbarung ein erforderlicher Verfahrensschritt im Rahmen der Gewährung eines persönlichen Budgets sei (vgl. § 29 Abs. 4 Satz 1 SGB IX). Der Antragsgegner hat ferner darauf hingewiesen, dass nach Abschluss der Zielvereinbarung und nach Erlass des Bescheides über die Gewährung eines persönlichen Budgets eine Anfechtung dieses Bescheides und eine Überprüfung der Leistungshöhe möglich sein werden.
Im Übrigen teilt der Senat die Bedenken des Antragsgegners, durch das Sozialgericht zu einer vorläufigen Leistungsgewährung "bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache" verpflichtet worden zu sein, und zwar nicht nur unter dem Gesichtspunkt eines bis heute fehlenden Widerspruchsbescheids und damit auch eines Hauptsacheverfahrens, sondern auch angesichts der regelmäßigen Laufzeiten eines solchen. Insoweit erübrigen sich aber weitere Ausführungen, weil der angefochtene Beschluss bereits aus den vorstehenden Gründen (teilweise) aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
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