Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 10 U 1907/15
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 U 478/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 27. Februar 2018 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Ereignisses vom 2. Mai 2013 als Arbeitsunfall.
Die 1965 geborene Klägerin war zu diesem Zeitpunkt als Radiologieassistentin im Klinikum B. S. tätig. Mit Schreiben vom 29. Juli 2014 beantragte sie bei der Beklagten die Anerken-nung eines Ereignisses als Arbeitsunfall. Am Abend des 2. Mai 2013 habe sie Bereitschaftsdienst gehabt und sei gegen 21:30 Uhr darüber informiert worden, dass im Klinikum zwei schwerverletzte Personen mit Polytrauma eingeliefert worden seien. Der erste Verunfallte sei zu ihr gebracht worden, um ein CT zu erstellen. Sie habe in ihm einen Freund ihres Sohnes erkannt und das CT durchgeführt. Nach der radiologischen Versorgung sei ihre Chefin auf sie zugekommen und habe ihr mitgeteilt, dass der zweite Verletzte ihr Sohn sei, in der Notaufnahme liege und auf dem Weg ins Klinikum verstorben sei. Ihre Chefin habe sie zur Leiche ihres Sohnes begleitet. Zusätzlich sei noch eine Ärztin aus der Psychiatrie anwesend gewesen. In dem Augenblick, als sie von dem Tod ihres Sohnes erfahren und ihn im Untersuchungszimmer liegen sah, habe sie ein schweres psychisches Trauma erlitten. Sie sei danach nicht mehr in der Lage gewesen, ihrer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Umfangreiche Behandlungen hätten sich angeschlossen.
Die Beklagte zog einen Befundbericht der Fachklinik für psychosomatische Medizin am W. in D. vom 7. November 2014 bei. Danach befand sich die Klägerin in der Zeit vom 11. Sep-tember bis 30. Oktober 2014 in stationärer Behandlung. Diagnostiziert wurde eine mittelgradige depressive Störung ereignisabhängig, eine ereignisabhängige posttraumatische Belastungsstörung und eine latente Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion).
Im Auftrag der Beklagten erstatten die Dipl.-Psych. W. und D. am 13. Januar 2015 ein Zusammenhangsgutachten. Sie diagnostizierten eine Anpassungsstörung gemischt mit Angst und depressiver Stimmung. Eine posttraumatische Belastungsstörung habe nicht im Vollbild festgestellt werden können. Auf mehrere kritische Lebensereignisse im Vorfeld wurde hingewiesen. Der Arbeitsunfall wurde als rechtlich wesentliche Teilursache der Angst bzw. Versagenskomponente der bestehenden Anpassungsstörung eingeschätzt. Dr. U. führte in einer beratungspsychologischen Stellungnahme vom 23. Februar 2015 aus, dass nicht von einer Anpassungsstörung, sondern von einer sonstigen Reaktion auf schwere Belastung auszugehen sei. Hierfür sei das Unfallgeschehen durchaus als rechtlich wesentliche Ursache einzustufen. Die Anpassungsstörung basiere vornehmlich auf der Trauerreaktion aufgrund des Verlustes des Sohnes. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit betrage 20 v.H.
Mit Bescheid vom 5. März 2015 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 2. Mai 2013 als Arbeitsunfall ab. Die versicherte Tätigkeit sei nicht Ursache für das Unfallereignis gewesen. In der Beschäftigtenversicherung bestehe Unfallversicherungsschutz nur gegen diejenigen Gefahren, die sich infolge der versicherten Tätigkeit verwirklichten. Im konkreten Schadensfall habe sich bei Überbringen der Nachricht vom Tod des Sohnes keine Gefahr aus der Beschäftigung realisiert. Ein Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der unfallbringenden Einwirkung bestehe daher nicht. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. April 2015 zurück. Zum Zeitpunkt der Überbringung der Todesnachricht sei diese keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen. Auch der Weg zum verstorbenen Sohn sei nicht darauf gerichtet gewesen einer beruflichen Verrichtung nachzugehen. Es habe sich keine in den Schutzbereich des Versicherungstatbestandes fallende Gefahr verwirklicht. Die gesetzliche Unfallversicherung solle allein vor Gefahren aus der Verrichtung der versicherten beruflichen Tätigkeit schützen. Wesentlich für die gesundheitlichen Einschränkungen auf psychiatrischem Fachgebiet sei der Verlust des Sohnes.
Dagegen hat die Klägerin am 21. Mai 2015 beim Sozialgericht Gotha Klage erhoben. Dieses hat den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 26. Oktober 2017 hat er auf psychiatrischem Fachgebiet eine länger dauernde depressive Anpassungsstörung ICD-10: F 43.21 (G) diagnostiziert. Die Symptomatik sei als mittelschwere depressive Symptomatik ausgebildet. Eine posttraumatische Belastungsstörung sei nicht festzustellen. Das entscheidende Trauma, welches die vor-liegende depressive Anpassungsstörung ausgelöst habe, sei der Verlust des Sohnes. Dabei habe auch die Konfrontation mit dem toten Sohn eine wesentliche Rolle gespielt. Dieser wesentliche Traumafaktor sei aber von der Berufstätigkeit der Klägerin unabhängig. Die festgestellte Gesundheitsbeeinträchtigungen seien mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unfallunabhängiger Natur.
Mit Urteil vom 27. Februar 2018 hat das Sozialgericht Gotha den Bescheid der Beklagten vom 5. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2015 aufgehoben und festgestellt, dass das Ereignis vom 2. Mai 2013 ein Arbeitsunfall war. Die Klägerin sei während ihrer beruflichen Tätigkeit als Radiologieassistentin am 2. Mai 2013 mit ihrem verstorbenen Sohn konfrontiert worden und infolge dessen psychisch erkrankt. Sie habe am 2. Mai 2013 ab 20.00 Uhr im Klinikum B. S. allein ihre berufliche Tätigkeit als Röntgenassistentin ausgeübt. Die unmittelbare Konfrontation der Klägerin mit ihrem verstorbenen Sohn sei an ihrem Arbeitsplatz ohne jegliche Vorbereitung geschehen. Die Klägerin leide an einer länger andauernden depressiven Anpassungsstörung. Soweit der Sachverständige Dr. B. in seinem Gutachten einen Ursachenzusammenhang verneine, überzeugten seine Ausführungen nicht. Der Gesundheitsschaden könne nicht losgelöst von der betrieblichen Tätigkeit allein auf die Konfrontation mit dem toten Sohn zurückgeführt werden. Die Erkrankung der Klägerin sei insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht mehr an ihren früheren Arbeitsplatz zurückkehren könne. Die Ausführungen des Sachverständigen seien widersprüchlich, wenn er einerseits ausführe, dass die emotionalen Reaktionen im Zusammenhang mit der Konfrontation zur Symptomatik der depressiven Anpassungsstörung gehörten, diese aber kausal nicht wesentlich mit der beruflichen Tätigkeit zusammenhänge.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Zu dem Zeitpunkt, als die Klägerin vom Tod ihres Sohnes erfahren habe, habe sich kein Risiko aus der versicherten Tätigkeit verwirklicht. Vielmehr sei in diesem Moment die bis dahin ausgeübte Tätigkeit als Radiologieassistentin völlig in den Hintergrund getreten. Die gesetzliche Unfallversicherung solle nur vor Gefahren schützen, die aus dem konkreten Arbeitsverhältnis erwachsen. Sie diene der Ablösung der Unternehmerhaftung, soweit der Handelnde zur Erfüllung von Pflichten oder zur Wahrnehmung unternehmensbezogener Rechte aus dem Beschäftigungsverhältnis handele. Die berufliche Tätigkeit der Klägerin stehe in keinem Zusammenhang mit dem Erleben des Todes ihres Sohnes. Die Trauerreaktion aufgrund des Verlustes des Sohnes hätte sich auch dann gezeigt, wenn das Ereignis außerhalb des Arbeitsumfeldes geschehen wäre.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 27. Februar 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, der Sachverhalt verhalte sich anders, als von der Beklagten angenommen. Am 2. Mai 2013 sei ihr während ihres Bereitschaftsdienstes nicht bekannt gewesen, dass ihr Sohn zusammen mit seinem Freund etwas unternehmen wollte. Das erste Unfallopfer sei zusammen mit einem Arzt untersucht worden. Diesen habe sie vorher aus dem Schockraum abgeholt. Zu dem Zeitpunkt habe sich ihr Sohn noch nicht im Schockraum befunden. Sie habe nach Abschluss der Untersuchung des ersten Unfallopfers zusammen mit der Ärztin den Schockraum betreten, um das weitere Unfallopfer zu untersuchen. Dabei sei sie unvermittelt mit ihrem zwischenzeitlich verstorbenen Sohn konfrontiert worden. Diese Konfrontation sei im Rahmen der Berufsausübung erfolgt.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 25. Oktober 2018 die frühere Chefärztin der Radiologie Dr. R. als Zeugin vernommen. Bezüglich ihrer Aussage wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens und den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und hat in der Sache Erfolg (§§ 143, 151 des Sozial-gerichtsgesetzes [SGG]).
Das Sozialgericht hat zu Unrecht den Bescheid der Beklagten vom 5. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2015 aufgehoben und festgestellt, dass das Ereignis vom 2. Mai 2013 ein Arbeitsunfall war. Er ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 SGG). Diese hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Feststellung eines Arbeitsunfalles am 2. Mai 2013.
Der Versicherte kann vom zuständigen Unfallversicherungsträger gemäß § 102 SGB des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (VII) die Feststellung eines Versicherungsfalls, hier eines Arbeitsunfalls im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB VII, beanspruchen, wenn ein solcher eingetreten ist (vgl. BSG, Urteil vom 31.1.2012 - B 2 U 2/11 R, Juris Rn. 15).
Nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit, S 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Abs. 1 S 2). Ein Arbeitsunfall setzt danach voraus: Eine Verrichtung des Verletzten vor dem fraglichen Unfallereignis muss den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt haben. Diese Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität). Diese Einwirkung muss schließlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten wesentlich verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität; vgl. BSG, Urteil vom 31.1.2012 - B 2 U 2/11 R, Juris Rn. 16; BSG, Urteil vom 18.1.2011 - B 2 U 9/10 R = BSGE 107, 197 = SozR 4-2700 § 2 Nr. 17).
Nach Auswertung des Akteninhalts und insbesondere der durchgeführten Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung am 25. Oktober 2018 steht für den Senat folgender Geschehensablauf am Abend des 2. Mai 2013 fest:
Die Klägerin hatte an diesem Abend als Radiologieassistentin Bereitschaftsdienst und erhielt nach 21.00 Uhr die Mitteilung, dass zwei sogenannte Polytraumen eingeliefert werden. Nach Einlieferung ins Klinikum wurde der erste Verletzte im Schockraum von Ärzten untersucht und anschließend unter anderem von der Klägerin in einen benachbarten Raum zwecks Erstellung eines CT verbracht. Dort erstellte diese in Zusammenarbeit mit der Zeugin Dr. R. die angeordneten bildgebenden Befunde. In diesem Zusammenhang identifizierte die Klägerin den Verletzten als Freund ihres Sohnes. Sie verspürte eine steigende innere Unruhe, da sie sich Gedanken darüber machte, ob auch ihr Sohn in den Unfall involviert war. Eine telefonische Kontaktaufnahme zu ihrem Sohn scheiterte. Nach Abschluss der CT-Untersuchung musste der Erstverletzte zur Verlegung in eine andere Klinik vorbereitet werden und wurde zu diesem Zweck von der Klägerin und einer weiteren Schwester zurück in den Schockraum gebracht. Beim Betreten des Schockraumes wurde die Klägerin mit ihrem zwischenzeitlich verstorbenen Sohn konfrontiert. Dieser war, nachdem die Klägerin den Schockraum mit dem Erstverletzten zwecks Erstellung eines CT verlassen hatte, ins Klinikum eingeliefert, in den Schockraum verbracht worden und dort verstorben. Weder die Zeugin Dr. R. noch andere Personen, die den Zweitverletzten als Sohn der Klägerin entweder erkannt oder auf andere Weise von seiner Einlieferung erfahren hatten, unterrichteten die Klägerin vor Betreten des Schockraumes darüber, dass ihr Sohn der Zweitverletzte und zwischenzeitlich verstorben war.
Der festgestellte Sachverhalt beruht im Wesentlichen auf den im Kern widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Angaben der Klägerin und der Zeugin Dr. R. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 25. Oktober 2018. Sie haben den festgestellten Sachverhalt plausibel dargelegt. Abweichungen in einzelnen Punkten (zum Beispiel, ob die Klägerin ihren Sohn versucht hat anzurufen, wie die Zeugin Dr. R. ausführte, während die Klägerin angab, einen Anruf befürchtet zu haben), unterstreichen den Wahrheitsgehalt der Angaben im Kerngeschehen nur. Denn jede Erinnerung an ein Geschehen ist fehleranfällig. Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Angaben der Zeugin Dr. R. und der Klägerin bestehen nicht. Soweit aus den Angaben im Verwaltungsvorgang - insbesondere der Unfallmeldung durch die Klägerin vom 31. Juli 2014 und der Unfallhergangsschilderung im Rahmen der Begutachtung durch die Diplom-Psych. W. und D. vom 13. Januar 2015 - sich entnehmen lässt, dass sich die Klägerin nach erfolgter Information über den Tod ihres Sohnes mit der Zeugin Dr. R. in die Notaufnahme ohne gleichzeitige Verbringung des Erstverletzten begab um ihren Sohn zu sehen, hat sich dies in der Beweisaufnahme nicht bestätigt. Diese früher gemachten Angaben begründen keine durchgreifenden Zweifel an dem jetzt festgestellten Sachverhalt, denn eine eingehende Ermittlung des Geschehens ist erst in der Beweisaufnahme vor dem Senat erfolgt. Der schriftlichen Unfallanzeige der Klägerin vom 29. Juli 2014 mangelt es zudem an einer durchgehenden zeitlichen Einordnung. Zur Versorgung und Verbringung des Erstverletzten äußert sich die Klägerin in der Unfallanzeige überhaupt nicht.
Zwar hat die Klägerin damit zum Zeitpunkt der Konfrontation mit ihrem zwischenzeitlich verstorbenen Sohn eine versicherte Tätigkeit verrichtet, denn sie verbrachte in diesem Moment zusammen mit einer anderen Schwester den Erstverletzten zurück in den Schockraum. Sie war damit zu diesem Zeitpunkt als Beschäftigte nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII i. V. m. § 7 Abs. 1 SGB IV (vgl. BSG, Urteil vom 3. April 2014 - B 2 U 26/12 R, SozR 4-2700 § 87 Nr. 3, Rn. 16) dem Grunde nach bei der Beklagten gesetzlich unfallversichert. Denn sie erfüllte mit der Verbringung des Erstverletzten in den Schockraum zurück eine Hauptpflicht aus ihrem Beschäftigungsverhältnis. Sie war in das Unternehmen Klinikum eingegliedert, dem die Ergebnisse dieser Verrichtung unmittelbar zuzurechnen waren.
Die Anerkennung eines Arbeitsunfalles scheidet aber aus, weil es an einer versicherten Einwirkung fehlt. Unter Einwirkung (als Kurzbezeichnung für ein von außen kommendes, zeitlich begrenzt einwirkendes Unfallereignis) ist die durch einen solchen Vorgang ausgelöste Änderung des physiologischen Köperzustandes zu verstehen, die von dem (möglicherweise zeitnah danach eintretenden) Gesundheitserstschaden zu unterscheiden ist (vgl. BSG, Urteil vom 24.07.2012 – B 2 U 9/11 R; Sächsisches LSG, Urteil vom 17. Mai 2017 – L 6 U 213/15, jeweils nach Juris). Auf die Klägerin wirkte die unmittelbare Konfrontation mit ihrem verstorbenen Sohn ein. Zwar können sich Einwirkungen auf den psychischen Gesundheitszustand beschränken. Die Einwirkung muss jedoch durch die versicherte Verrichtung verursacht sein. Eine Verursachung im Sinne einer reinen Wirkursächlichkeit reicht nicht aus. Vielmehr ist die Rechtsfrage zu beantworten, ob die festgestellte Wirkung einer versicherten Ursache nach Eigenart und Entstehungsweise dem durch die versicherte Ursache eröffneten Schutzbereich eines Tatbestandes einer versicherten Tätigkeit unterfällt und damit der Schutzzweck der Beschäftigtenversicherung eingreift. Denn der Versicherungsschutz greift nur ein, wenn sich ein Risiko verwirklicht hat, gegen das die jeweils begründete Versicherung Schutz gewähren soll. Auf dieser Stufe ist allein die Rechtsfrage zu beantworten, ob die festgestellte Wirkung einer versicherten Ursache nach Eigenart und Entstehungsweise, ggf. unter Berücksichtigung anderer unversicherter, festgestellter hinreichender oder notwendiger Ursachen, dem durch die versicherte Ursache eröffneten Schutzbereich eines Tatbestandes einer versicherten Tätigkeit unterfällt. Es geht hier also nicht um Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung, sodass auch kein Beweisgrad gilt, sondern um rechtliche Subsumtion und juristische Zurechnungsbewertung (vgl. BSG, Urteil vom 24.07.2012 – B 2 U 9/11 R , Juris). Die Schutzzwecke der Beschäftigtenversicherung und ihre Stellung im Rechtssystem begrenzen den Anwendungsbereich des Versicherungstatbestandes des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII. Zweck der Beschäftigtenversicherung (vgl. dazu eingehend BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 – B 2 U 8/11 R = BSGE 111, 37-51) ist vor allem anderen der umfassende Unfallversicherungsschutz aller Beschäftigten vor und bei Gesundheitsschäden (oder Tod) infolge der Verrichtung der Beschäftigung, unabhängig davon, ob ein anderer den Unfall überhaupt mitverursacht und ggf. dabei rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hat. Die Versicherung zielt primär auf die Verhütung von Gesundheitsschäden und Tod infolge der Gefahren ab, denen die Beschäftigten gerade durch die Verrichtung der Beschäftigung in Eingliederung in den fremdbestimmten Unternehmensbereich ausgesetzt sind (Prävention nach §§ 14 ff SGB VII). Ferner wird ihnen, falls die Prävention versagt, bei Gesundheitsschäden eine umfassende medizinische Rehabilitation sowie berufliche und soziale Teilhabe gesichert. Zudem werden sie gegen die wirtschaftlichen Folgen einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit oder Minderung der Erwerbsfähigkeit geschützt. Bei unfallbedingtem Tod sollen auch ihre Familienangehörigen gegen den Unterhaltsverlust abgesichert werden. Daneben soll die Beschäftigtenversicherung auch den Betriebsfrieden nach Unfällen infolge der Verrichtung der Beschäftigung schützen, wenn umstritten sein könnte, ob der Unternehmer (oder ein ihm gesetzlich gleichgestellter Dritter) den Gesundheitsschaden oder den Tod mitverursacht und ggf. dabei rechtswidrig und fahrlässig oder sogar grob fahrlässig gehandelt hat und dem Verletzten deswegen nach Zivilrecht/Arbeitsrecht haftet. Da die Versicherung dem Verletzten die Schadensfolgen weitgehend ausgleicht, besteht insoweit kein Bedarf für einen Rechtsstreit zwischen dem Verletzten und dem Unternehmer (oder ihm gleichgestellten Dritten), wenn dieser nicht vorsätzlich gehandelt hat. Deshalb entzieht das SGB VII dem Verletzten insoweit seine ggf. nach Zivilrecht entstandenen Schadensersatzansprüche (einschließlich der Schmerzensgeldansprüche) gegen den Unternehmer (§§ 104 bis 109 SGB VII). Schließlich bezweckt sie auch eine gerechte Lastenverteilung unter den beitragszahlenden Unternehmern, die durch ihre Umlagebeiträge zu ihrer Berufsgenossenschaft den Versicherungsschutz in der Beschäftigtenversicherung bezahlen. Ein Unternehmer, der den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig mitverursacht hat, haftet dem Unfallversicherungsträger (also mittelbar auch den anderen Unternehmern) auf Ersatz der Ausgaben für Versicherungsleistungen an den Verletzten (§§ 110 bis 113 SGB VII). Die Beschäftigtenversicherung hat also in diesem Sinne und in diesen Grenzen eine möglicherweise gegebene zivilrechtliche Haftung der Unternehmer (oder gleichgestellter Dritter) gegenüber den Beschäftigten aus Gefährdungshaftung, Delikt oder aus der Verletzung von arbeitsrechtlichen Schutz- oder Fürsorgepflichten ersetzt (vgl. BSG, Urteil vom 19.12.2000 - B 2 U 37/99 R = BSGE 87, 224 = SozR 3-2200 § 548 Nr. 41; BSG, Urteil vom 26.6.2007 - B 2 U 17/06 R = BSGE 98, 285 = SozR 4-2700 § 105 Nr. 2, Rn. 16 ff). Sie versichert im genannten Sinn die Beschäftigten unter weitgehendem Ausschluss ihrer zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche nur gegen solche Gesundheits- und Lebensgefahren, die sich spezifisch daraus ergeben, dass sie Tätigkeiten für einen anderen unter Eingliederung in dessen Tätigkeit und nur zu dessen unmittelbarem Vorteil verrichten.
So verhält es sich hier jedoch nicht. Die gesetzliche Unfallversicherung soll nicht vor den Gefahren schützen, die dem privaten Lebensbereich zuzuordnen sind. Insoweit hat die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid zu Recht darauf hingewiesen, dass die berufliche Tätigkeit der Klägerin keinen rechtlich wesentlichen Einfluss auf die Konfrontation mit dem plötzlichen Tod des Sohnes hatte. Die dadurch bei der Klägerin ausgelöste psychische Belastung steht nicht in dem erforderlichen rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit. Die Gefahr, aufgrund einer Nähebeziehung durch die plötzliche Konfrontation mit dem Tod dieser Person gesundheitlichen Schaden zu nehmen, wird nicht vom Schutzbereich der Beschäftigtenversicherung erfasst. Denn eine solche Gefahr besteht nicht nur im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses, sondern in allen Lebenslagen und stellt keine spezifische Gefahr bei Ausübung einer Beschäftigung dar (vgl. zu einer vergleichbaren Problematik bei der Wegeunfallversicherung BSG, Urteil vom 18. Juni 2013 – B 2 U 10/12 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 47).
Unfallversicherungsschutz kann auch nicht mit der Erwägung bejaht werden, dass aufgrund besonderer Verhältnisse bei der versicherten Tätigkeit die schädigende Einwirkung begünstigt wurde. Bei der erforderlichen Abwägung, welche Ursache rechtlich wesentlich für die Einwirkungen auf die Klägerin gewesen sind, ergibt sich, dass ihre versicherte Tätigkeit in der Klinik im Rahmen des Bereitschaftsdienstes hinter der nicht versicherten unvermittelten Konfrontation mit dem Tod des Sohnes so weit zurücktritt, dass die versicherte Tätigkeit als Ursache im Rechtssinne ausscheidet. Die Tätigkeit als Radiologieassistentin als solche war für die psychischen Einwirkungen weit weniger bestimmend als die besonders enge Nähebeziehung zu dem Unfallopfer. In dem maßgebenden Moment der psychischen Einwirkung auf die Klägerin war allein die besondere Nähebeziehung entscheidend.
Daher kann offen bleiben, inwieweit den Ausführungen des Sachverständigen Dr. B. in seinem Gutachten vom 26. Oktober 2017 in medizinischer Hinsicht zu folgen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Ereignisses vom 2. Mai 2013 als Arbeitsunfall.
Die 1965 geborene Klägerin war zu diesem Zeitpunkt als Radiologieassistentin im Klinikum B. S. tätig. Mit Schreiben vom 29. Juli 2014 beantragte sie bei der Beklagten die Anerken-nung eines Ereignisses als Arbeitsunfall. Am Abend des 2. Mai 2013 habe sie Bereitschaftsdienst gehabt und sei gegen 21:30 Uhr darüber informiert worden, dass im Klinikum zwei schwerverletzte Personen mit Polytrauma eingeliefert worden seien. Der erste Verunfallte sei zu ihr gebracht worden, um ein CT zu erstellen. Sie habe in ihm einen Freund ihres Sohnes erkannt und das CT durchgeführt. Nach der radiologischen Versorgung sei ihre Chefin auf sie zugekommen und habe ihr mitgeteilt, dass der zweite Verletzte ihr Sohn sei, in der Notaufnahme liege und auf dem Weg ins Klinikum verstorben sei. Ihre Chefin habe sie zur Leiche ihres Sohnes begleitet. Zusätzlich sei noch eine Ärztin aus der Psychiatrie anwesend gewesen. In dem Augenblick, als sie von dem Tod ihres Sohnes erfahren und ihn im Untersuchungszimmer liegen sah, habe sie ein schweres psychisches Trauma erlitten. Sie sei danach nicht mehr in der Lage gewesen, ihrer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Umfangreiche Behandlungen hätten sich angeschlossen.
Die Beklagte zog einen Befundbericht der Fachklinik für psychosomatische Medizin am W. in D. vom 7. November 2014 bei. Danach befand sich die Klägerin in der Zeit vom 11. Sep-tember bis 30. Oktober 2014 in stationärer Behandlung. Diagnostiziert wurde eine mittelgradige depressive Störung ereignisabhängig, eine ereignisabhängige posttraumatische Belastungsstörung und eine latente Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion).
Im Auftrag der Beklagten erstatten die Dipl.-Psych. W. und D. am 13. Januar 2015 ein Zusammenhangsgutachten. Sie diagnostizierten eine Anpassungsstörung gemischt mit Angst und depressiver Stimmung. Eine posttraumatische Belastungsstörung habe nicht im Vollbild festgestellt werden können. Auf mehrere kritische Lebensereignisse im Vorfeld wurde hingewiesen. Der Arbeitsunfall wurde als rechtlich wesentliche Teilursache der Angst bzw. Versagenskomponente der bestehenden Anpassungsstörung eingeschätzt. Dr. U. führte in einer beratungspsychologischen Stellungnahme vom 23. Februar 2015 aus, dass nicht von einer Anpassungsstörung, sondern von einer sonstigen Reaktion auf schwere Belastung auszugehen sei. Hierfür sei das Unfallgeschehen durchaus als rechtlich wesentliche Ursache einzustufen. Die Anpassungsstörung basiere vornehmlich auf der Trauerreaktion aufgrund des Verlustes des Sohnes. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit betrage 20 v.H.
Mit Bescheid vom 5. März 2015 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 2. Mai 2013 als Arbeitsunfall ab. Die versicherte Tätigkeit sei nicht Ursache für das Unfallereignis gewesen. In der Beschäftigtenversicherung bestehe Unfallversicherungsschutz nur gegen diejenigen Gefahren, die sich infolge der versicherten Tätigkeit verwirklichten. Im konkreten Schadensfall habe sich bei Überbringen der Nachricht vom Tod des Sohnes keine Gefahr aus der Beschäftigung realisiert. Ein Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der unfallbringenden Einwirkung bestehe daher nicht. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. April 2015 zurück. Zum Zeitpunkt der Überbringung der Todesnachricht sei diese keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen. Auch der Weg zum verstorbenen Sohn sei nicht darauf gerichtet gewesen einer beruflichen Verrichtung nachzugehen. Es habe sich keine in den Schutzbereich des Versicherungstatbestandes fallende Gefahr verwirklicht. Die gesetzliche Unfallversicherung solle allein vor Gefahren aus der Verrichtung der versicherten beruflichen Tätigkeit schützen. Wesentlich für die gesundheitlichen Einschränkungen auf psychiatrischem Fachgebiet sei der Verlust des Sohnes.
Dagegen hat die Klägerin am 21. Mai 2015 beim Sozialgericht Gotha Klage erhoben. Dieses hat den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 26. Oktober 2017 hat er auf psychiatrischem Fachgebiet eine länger dauernde depressive Anpassungsstörung ICD-10: F 43.21 (G) diagnostiziert. Die Symptomatik sei als mittelschwere depressive Symptomatik ausgebildet. Eine posttraumatische Belastungsstörung sei nicht festzustellen. Das entscheidende Trauma, welches die vor-liegende depressive Anpassungsstörung ausgelöst habe, sei der Verlust des Sohnes. Dabei habe auch die Konfrontation mit dem toten Sohn eine wesentliche Rolle gespielt. Dieser wesentliche Traumafaktor sei aber von der Berufstätigkeit der Klägerin unabhängig. Die festgestellte Gesundheitsbeeinträchtigungen seien mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unfallunabhängiger Natur.
Mit Urteil vom 27. Februar 2018 hat das Sozialgericht Gotha den Bescheid der Beklagten vom 5. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2015 aufgehoben und festgestellt, dass das Ereignis vom 2. Mai 2013 ein Arbeitsunfall war. Die Klägerin sei während ihrer beruflichen Tätigkeit als Radiologieassistentin am 2. Mai 2013 mit ihrem verstorbenen Sohn konfrontiert worden und infolge dessen psychisch erkrankt. Sie habe am 2. Mai 2013 ab 20.00 Uhr im Klinikum B. S. allein ihre berufliche Tätigkeit als Röntgenassistentin ausgeübt. Die unmittelbare Konfrontation der Klägerin mit ihrem verstorbenen Sohn sei an ihrem Arbeitsplatz ohne jegliche Vorbereitung geschehen. Die Klägerin leide an einer länger andauernden depressiven Anpassungsstörung. Soweit der Sachverständige Dr. B. in seinem Gutachten einen Ursachenzusammenhang verneine, überzeugten seine Ausführungen nicht. Der Gesundheitsschaden könne nicht losgelöst von der betrieblichen Tätigkeit allein auf die Konfrontation mit dem toten Sohn zurückgeführt werden. Die Erkrankung der Klägerin sei insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht mehr an ihren früheren Arbeitsplatz zurückkehren könne. Die Ausführungen des Sachverständigen seien widersprüchlich, wenn er einerseits ausführe, dass die emotionalen Reaktionen im Zusammenhang mit der Konfrontation zur Symptomatik der depressiven Anpassungsstörung gehörten, diese aber kausal nicht wesentlich mit der beruflichen Tätigkeit zusammenhänge.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Zu dem Zeitpunkt, als die Klägerin vom Tod ihres Sohnes erfahren habe, habe sich kein Risiko aus der versicherten Tätigkeit verwirklicht. Vielmehr sei in diesem Moment die bis dahin ausgeübte Tätigkeit als Radiologieassistentin völlig in den Hintergrund getreten. Die gesetzliche Unfallversicherung solle nur vor Gefahren schützen, die aus dem konkreten Arbeitsverhältnis erwachsen. Sie diene der Ablösung der Unternehmerhaftung, soweit der Handelnde zur Erfüllung von Pflichten oder zur Wahrnehmung unternehmensbezogener Rechte aus dem Beschäftigungsverhältnis handele. Die berufliche Tätigkeit der Klägerin stehe in keinem Zusammenhang mit dem Erleben des Todes ihres Sohnes. Die Trauerreaktion aufgrund des Verlustes des Sohnes hätte sich auch dann gezeigt, wenn das Ereignis außerhalb des Arbeitsumfeldes geschehen wäre.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 27. Februar 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, der Sachverhalt verhalte sich anders, als von der Beklagten angenommen. Am 2. Mai 2013 sei ihr während ihres Bereitschaftsdienstes nicht bekannt gewesen, dass ihr Sohn zusammen mit seinem Freund etwas unternehmen wollte. Das erste Unfallopfer sei zusammen mit einem Arzt untersucht worden. Diesen habe sie vorher aus dem Schockraum abgeholt. Zu dem Zeitpunkt habe sich ihr Sohn noch nicht im Schockraum befunden. Sie habe nach Abschluss der Untersuchung des ersten Unfallopfers zusammen mit der Ärztin den Schockraum betreten, um das weitere Unfallopfer zu untersuchen. Dabei sei sie unvermittelt mit ihrem zwischenzeitlich verstorbenen Sohn konfrontiert worden. Diese Konfrontation sei im Rahmen der Berufsausübung erfolgt.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 25. Oktober 2018 die frühere Chefärztin der Radiologie Dr. R. als Zeugin vernommen. Bezüglich ihrer Aussage wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens und den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und hat in der Sache Erfolg (§§ 143, 151 des Sozial-gerichtsgesetzes [SGG]).
Das Sozialgericht hat zu Unrecht den Bescheid der Beklagten vom 5. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2015 aufgehoben und festgestellt, dass das Ereignis vom 2. Mai 2013 ein Arbeitsunfall war. Er ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 SGG). Diese hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Feststellung eines Arbeitsunfalles am 2. Mai 2013.
Der Versicherte kann vom zuständigen Unfallversicherungsträger gemäß § 102 SGB des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (VII) die Feststellung eines Versicherungsfalls, hier eines Arbeitsunfalls im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB VII, beanspruchen, wenn ein solcher eingetreten ist (vgl. BSG, Urteil vom 31.1.2012 - B 2 U 2/11 R, Juris Rn. 15).
Nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit, S 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Abs. 1 S 2). Ein Arbeitsunfall setzt danach voraus: Eine Verrichtung des Verletzten vor dem fraglichen Unfallereignis muss den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt haben. Diese Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität). Diese Einwirkung muss schließlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten wesentlich verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität; vgl. BSG, Urteil vom 31.1.2012 - B 2 U 2/11 R, Juris Rn. 16; BSG, Urteil vom 18.1.2011 - B 2 U 9/10 R = BSGE 107, 197 = SozR 4-2700 § 2 Nr. 17).
Nach Auswertung des Akteninhalts und insbesondere der durchgeführten Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung am 25. Oktober 2018 steht für den Senat folgender Geschehensablauf am Abend des 2. Mai 2013 fest:
Die Klägerin hatte an diesem Abend als Radiologieassistentin Bereitschaftsdienst und erhielt nach 21.00 Uhr die Mitteilung, dass zwei sogenannte Polytraumen eingeliefert werden. Nach Einlieferung ins Klinikum wurde der erste Verletzte im Schockraum von Ärzten untersucht und anschließend unter anderem von der Klägerin in einen benachbarten Raum zwecks Erstellung eines CT verbracht. Dort erstellte diese in Zusammenarbeit mit der Zeugin Dr. R. die angeordneten bildgebenden Befunde. In diesem Zusammenhang identifizierte die Klägerin den Verletzten als Freund ihres Sohnes. Sie verspürte eine steigende innere Unruhe, da sie sich Gedanken darüber machte, ob auch ihr Sohn in den Unfall involviert war. Eine telefonische Kontaktaufnahme zu ihrem Sohn scheiterte. Nach Abschluss der CT-Untersuchung musste der Erstverletzte zur Verlegung in eine andere Klinik vorbereitet werden und wurde zu diesem Zweck von der Klägerin und einer weiteren Schwester zurück in den Schockraum gebracht. Beim Betreten des Schockraumes wurde die Klägerin mit ihrem zwischenzeitlich verstorbenen Sohn konfrontiert. Dieser war, nachdem die Klägerin den Schockraum mit dem Erstverletzten zwecks Erstellung eines CT verlassen hatte, ins Klinikum eingeliefert, in den Schockraum verbracht worden und dort verstorben. Weder die Zeugin Dr. R. noch andere Personen, die den Zweitverletzten als Sohn der Klägerin entweder erkannt oder auf andere Weise von seiner Einlieferung erfahren hatten, unterrichteten die Klägerin vor Betreten des Schockraumes darüber, dass ihr Sohn der Zweitverletzte und zwischenzeitlich verstorben war.
Der festgestellte Sachverhalt beruht im Wesentlichen auf den im Kern widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Angaben der Klägerin und der Zeugin Dr. R. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 25. Oktober 2018. Sie haben den festgestellten Sachverhalt plausibel dargelegt. Abweichungen in einzelnen Punkten (zum Beispiel, ob die Klägerin ihren Sohn versucht hat anzurufen, wie die Zeugin Dr. R. ausführte, während die Klägerin angab, einen Anruf befürchtet zu haben), unterstreichen den Wahrheitsgehalt der Angaben im Kerngeschehen nur. Denn jede Erinnerung an ein Geschehen ist fehleranfällig. Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Angaben der Zeugin Dr. R. und der Klägerin bestehen nicht. Soweit aus den Angaben im Verwaltungsvorgang - insbesondere der Unfallmeldung durch die Klägerin vom 31. Juli 2014 und der Unfallhergangsschilderung im Rahmen der Begutachtung durch die Diplom-Psych. W. und D. vom 13. Januar 2015 - sich entnehmen lässt, dass sich die Klägerin nach erfolgter Information über den Tod ihres Sohnes mit der Zeugin Dr. R. in die Notaufnahme ohne gleichzeitige Verbringung des Erstverletzten begab um ihren Sohn zu sehen, hat sich dies in der Beweisaufnahme nicht bestätigt. Diese früher gemachten Angaben begründen keine durchgreifenden Zweifel an dem jetzt festgestellten Sachverhalt, denn eine eingehende Ermittlung des Geschehens ist erst in der Beweisaufnahme vor dem Senat erfolgt. Der schriftlichen Unfallanzeige der Klägerin vom 29. Juli 2014 mangelt es zudem an einer durchgehenden zeitlichen Einordnung. Zur Versorgung und Verbringung des Erstverletzten äußert sich die Klägerin in der Unfallanzeige überhaupt nicht.
Zwar hat die Klägerin damit zum Zeitpunkt der Konfrontation mit ihrem zwischenzeitlich verstorbenen Sohn eine versicherte Tätigkeit verrichtet, denn sie verbrachte in diesem Moment zusammen mit einer anderen Schwester den Erstverletzten zurück in den Schockraum. Sie war damit zu diesem Zeitpunkt als Beschäftigte nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII i. V. m. § 7 Abs. 1 SGB IV (vgl. BSG, Urteil vom 3. April 2014 - B 2 U 26/12 R, SozR 4-2700 § 87 Nr. 3, Rn. 16) dem Grunde nach bei der Beklagten gesetzlich unfallversichert. Denn sie erfüllte mit der Verbringung des Erstverletzten in den Schockraum zurück eine Hauptpflicht aus ihrem Beschäftigungsverhältnis. Sie war in das Unternehmen Klinikum eingegliedert, dem die Ergebnisse dieser Verrichtung unmittelbar zuzurechnen waren.
Die Anerkennung eines Arbeitsunfalles scheidet aber aus, weil es an einer versicherten Einwirkung fehlt. Unter Einwirkung (als Kurzbezeichnung für ein von außen kommendes, zeitlich begrenzt einwirkendes Unfallereignis) ist die durch einen solchen Vorgang ausgelöste Änderung des physiologischen Köperzustandes zu verstehen, die von dem (möglicherweise zeitnah danach eintretenden) Gesundheitserstschaden zu unterscheiden ist (vgl. BSG, Urteil vom 24.07.2012 – B 2 U 9/11 R; Sächsisches LSG, Urteil vom 17. Mai 2017 – L 6 U 213/15, jeweils nach Juris). Auf die Klägerin wirkte die unmittelbare Konfrontation mit ihrem verstorbenen Sohn ein. Zwar können sich Einwirkungen auf den psychischen Gesundheitszustand beschränken. Die Einwirkung muss jedoch durch die versicherte Verrichtung verursacht sein. Eine Verursachung im Sinne einer reinen Wirkursächlichkeit reicht nicht aus. Vielmehr ist die Rechtsfrage zu beantworten, ob die festgestellte Wirkung einer versicherten Ursache nach Eigenart und Entstehungsweise dem durch die versicherte Ursache eröffneten Schutzbereich eines Tatbestandes einer versicherten Tätigkeit unterfällt und damit der Schutzzweck der Beschäftigtenversicherung eingreift. Denn der Versicherungsschutz greift nur ein, wenn sich ein Risiko verwirklicht hat, gegen das die jeweils begründete Versicherung Schutz gewähren soll. Auf dieser Stufe ist allein die Rechtsfrage zu beantworten, ob die festgestellte Wirkung einer versicherten Ursache nach Eigenart und Entstehungsweise, ggf. unter Berücksichtigung anderer unversicherter, festgestellter hinreichender oder notwendiger Ursachen, dem durch die versicherte Ursache eröffneten Schutzbereich eines Tatbestandes einer versicherten Tätigkeit unterfällt. Es geht hier also nicht um Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung, sodass auch kein Beweisgrad gilt, sondern um rechtliche Subsumtion und juristische Zurechnungsbewertung (vgl. BSG, Urteil vom 24.07.2012 – B 2 U 9/11 R , Juris). Die Schutzzwecke der Beschäftigtenversicherung und ihre Stellung im Rechtssystem begrenzen den Anwendungsbereich des Versicherungstatbestandes des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII. Zweck der Beschäftigtenversicherung (vgl. dazu eingehend BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 – B 2 U 8/11 R = BSGE 111, 37-51) ist vor allem anderen der umfassende Unfallversicherungsschutz aller Beschäftigten vor und bei Gesundheitsschäden (oder Tod) infolge der Verrichtung der Beschäftigung, unabhängig davon, ob ein anderer den Unfall überhaupt mitverursacht und ggf. dabei rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hat. Die Versicherung zielt primär auf die Verhütung von Gesundheitsschäden und Tod infolge der Gefahren ab, denen die Beschäftigten gerade durch die Verrichtung der Beschäftigung in Eingliederung in den fremdbestimmten Unternehmensbereich ausgesetzt sind (Prävention nach §§ 14 ff SGB VII). Ferner wird ihnen, falls die Prävention versagt, bei Gesundheitsschäden eine umfassende medizinische Rehabilitation sowie berufliche und soziale Teilhabe gesichert. Zudem werden sie gegen die wirtschaftlichen Folgen einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit oder Minderung der Erwerbsfähigkeit geschützt. Bei unfallbedingtem Tod sollen auch ihre Familienangehörigen gegen den Unterhaltsverlust abgesichert werden. Daneben soll die Beschäftigtenversicherung auch den Betriebsfrieden nach Unfällen infolge der Verrichtung der Beschäftigung schützen, wenn umstritten sein könnte, ob der Unternehmer (oder ein ihm gesetzlich gleichgestellter Dritter) den Gesundheitsschaden oder den Tod mitverursacht und ggf. dabei rechtswidrig und fahrlässig oder sogar grob fahrlässig gehandelt hat und dem Verletzten deswegen nach Zivilrecht/Arbeitsrecht haftet. Da die Versicherung dem Verletzten die Schadensfolgen weitgehend ausgleicht, besteht insoweit kein Bedarf für einen Rechtsstreit zwischen dem Verletzten und dem Unternehmer (oder ihm gleichgestellten Dritten), wenn dieser nicht vorsätzlich gehandelt hat. Deshalb entzieht das SGB VII dem Verletzten insoweit seine ggf. nach Zivilrecht entstandenen Schadensersatzansprüche (einschließlich der Schmerzensgeldansprüche) gegen den Unternehmer (§§ 104 bis 109 SGB VII). Schließlich bezweckt sie auch eine gerechte Lastenverteilung unter den beitragszahlenden Unternehmern, die durch ihre Umlagebeiträge zu ihrer Berufsgenossenschaft den Versicherungsschutz in der Beschäftigtenversicherung bezahlen. Ein Unternehmer, der den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig mitverursacht hat, haftet dem Unfallversicherungsträger (also mittelbar auch den anderen Unternehmern) auf Ersatz der Ausgaben für Versicherungsleistungen an den Verletzten (§§ 110 bis 113 SGB VII). Die Beschäftigtenversicherung hat also in diesem Sinne und in diesen Grenzen eine möglicherweise gegebene zivilrechtliche Haftung der Unternehmer (oder gleichgestellter Dritter) gegenüber den Beschäftigten aus Gefährdungshaftung, Delikt oder aus der Verletzung von arbeitsrechtlichen Schutz- oder Fürsorgepflichten ersetzt (vgl. BSG, Urteil vom 19.12.2000 - B 2 U 37/99 R = BSGE 87, 224 = SozR 3-2200 § 548 Nr. 41; BSG, Urteil vom 26.6.2007 - B 2 U 17/06 R = BSGE 98, 285 = SozR 4-2700 § 105 Nr. 2, Rn. 16 ff). Sie versichert im genannten Sinn die Beschäftigten unter weitgehendem Ausschluss ihrer zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche nur gegen solche Gesundheits- und Lebensgefahren, die sich spezifisch daraus ergeben, dass sie Tätigkeiten für einen anderen unter Eingliederung in dessen Tätigkeit und nur zu dessen unmittelbarem Vorteil verrichten.
So verhält es sich hier jedoch nicht. Die gesetzliche Unfallversicherung soll nicht vor den Gefahren schützen, die dem privaten Lebensbereich zuzuordnen sind. Insoweit hat die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid zu Recht darauf hingewiesen, dass die berufliche Tätigkeit der Klägerin keinen rechtlich wesentlichen Einfluss auf die Konfrontation mit dem plötzlichen Tod des Sohnes hatte. Die dadurch bei der Klägerin ausgelöste psychische Belastung steht nicht in dem erforderlichen rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit. Die Gefahr, aufgrund einer Nähebeziehung durch die plötzliche Konfrontation mit dem Tod dieser Person gesundheitlichen Schaden zu nehmen, wird nicht vom Schutzbereich der Beschäftigtenversicherung erfasst. Denn eine solche Gefahr besteht nicht nur im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses, sondern in allen Lebenslagen und stellt keine spezifische Gefahr bei Ausübung einer Beschäftigung dar (vgl. zu einer vergleichbaren Problematik bei der Wegeunfallversicherung BSG, Urteil vom 18. Juni 2013 – B 2 U 10/12 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 47).
Unfallversicherungsschutz kann auch nicht mit der Erwägung bejaht werden, dass aufgrund besonderer Verhältnisse bei der versicherten Tätigkeit die schädigende Einwirkung begünstigt wurde. Bei der erforderlichen Abwägung, welche Ursache rechtlich wesentlich für die Einwirkungen auf die Klägerin gewesen sind, ergibt sich, dass ihre versicherte Tätigkeit in der Klinik im Rahmen des Bereitschaftsdienstes hinter der nicht versicherten unvermittelten Konfrontation mit dem Tod des Sohnes so weit zurücktritt, dass die versicherte Tätigkeit als Ursache im Rechtssinne ausscheidet. Die Tätigkeit als Radiologieassistentin als solche war für die psychischen Einwirkungen weit weniger bestimmend als die besonders enge Nähebeziehung zu dem Unfallopfer. In dem maßgebenden Moment der psychischen Einwirkung auf die Klägerin war allein die besondere Nähebeziehung entscheidend.
Daher kann offen bleiben, inwieweit den Ausführungen des Sachverständigen Dr. B. in seinem Gutachten vom 26. Oktober 2017 in medizinischer Hinsicht zu folgen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
FST
Saved