Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 10 U 77/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 177/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 28.01.2015 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) einen Anspruch auf Anerkennung der Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1301 (Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine) der Anlage 1 der Berufskrankenheitenverordnung (BKV) hat.
Der 1948 geborene Kläger durchlief Anfang/Mitte der 60er Jahre bei der K GmbH & Co. KG in L und B erfolgreich eine 3 ½ jährige Ausbildung zum Kfz-Mechaniker und war dort anschließend bis Oktober 1967 als Geselle tätig. Dabei hatte er Kontakt zu Öl- und Schmierstoffen, Diesel- und Benzinabgasen, Kühlflüssigkeit, Frostschutzmitteln, Bremsflüssigkeit, Batteriesäure, Reinigungsmitteln, asbesthaltigen Bremsbelägen und zum Unterbodenschutz U der Fa. U1. Nach kurzer Arbeitslosigkeit war er von Dezember 1967 bis Juni 1969 bei der Standortverwaltung der Englischen Streitkräfte in N beschäftigt. Dort zerlegte er Lkw- und Panzermotoren, reinigte die Motorenteile mit Dieselkraftstoff und in erhitzten Laugen und atmete auf dem Motorenprüfstand Diesel- bzw. Benzinabgase ein. Danach leistete er bei der Marine 18 Monate Wehrdienst. Im Januar/Februar 1971 arbeitete er als Kfz-Mechaniker für die D Auto GmbH in I, wobei er Unterbodenschutz auftrug sowie Kunstharz- und Nitrofarben verarbeitete. Im März 1971 wechselte er zur I Tiefbau GmbH in I. Dort wartete und reparierte er Lkws, lackierte mit Nitrofarben, reinigte Bremstrommeln mit Aceton, hantierte mit Unterbodenschutz und führte Schweißarbeiten aus. Ab Oktober 1974 bis März 1975 reparierte er auf der Zeche T in I Diesellokomotiven untertage. Danach wechselte er in die Baubranche und arbeitete als Kfz-Mechaniker für verschiedene Baufirmen (I Tiefbau GmbH, Stahlbaufirma G in I, C1 in F, F GmbH in B). Dort wartete und reparierte er Baufahrzeuge und -maschinen, die z.T. mit Schwarzdeckenmaterial verschmutzt waren. Bei der F GmbH dämmte er außerdem Rohre und schloss Fugen mit Bitumendichtringen. Von Oktober 1980 bis Oktober 1984 arbeitete er für die Autolackiererei I GmbH in I und kam dort mit Lacken, Öl, Schmierstoffen, Bremsbelag-Abrieb, Reinigern, Unterbodenschutz und Schweißrauchen in Berührung. Danach war er bis Januar 1986 für die Baufirma B in X und anschließend bis zum Beginn seiner Arbeitsunfähigkeit im Dezember 1999 für das Bauunternehmen T GmbH & Co. KG in B überwiegend im erlernten Beruf tätig.
Im Dezember 1999 wurde bei dem Kläger ein Harnblasenkarzinom festgestellt und eine transurethrale Blasentumorresektion durchgeführt. Die AOK, Krankenkasse des Klägers, meldete im April 2000 einen Verdacht auf eine BK.
In der Folgezeit führte die Beklagte Ermittlungen über die Arbeitsbedingungen bei den jeweiligen Arbeitgebern des Klägers durch und ließ die Ergebnisse durch den Technischen Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten (ehemals Bau-BG), den Präventionsdienst der Verwaltungsgemeinschaft Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft und Hütten- und Walzwerks-Berufsgenossenschaft (MMBG), der Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung, dem TAD der Bergbau-Berufsgenossenschaft (BBG) und den TAD der Tiefbau-Berufsgenossenschaft (TBG) auswerten. Die Dipl.-Biologin H von der Präventionsabteilung der MMBG schloss in ihrer Stellungnahme vom 27.07.2000 aus, dass der Kläger als Kfz-Mechaniker bei den Firmen K GmbH & Co. KG, D GmbH und I GmbH im Sinne der BK 1301 gefährdet gewesen sei. Denn die Reinigungs- und Unterbodenschutzmittel, die der Kläger in den Kfz Werkstätten eingesetzt habe, enthielten keine aromatischen Amine; Unterbodenschutz sei schon immer auf Bitumen- und nicht auf Teerbasis hergestellt worden. Zum selben Ergebnis gelangten der Dipl.-Chem. S in seiner Stellungnahme vom 05.10.2000 für den TAD der Bau BG sowie die Dipl.-Ing. C in ihrer Stellungnahme vom 04.04.2001 für den TAD der TBBG: Zwar habe das berufsgenossenschaftliche Institut für Arbeitssicherheit (BIA) in Sankt Augustin im Unterbodenschutzmittel U der Firma U1 2ppm (parts per million) o-Anisidin (2-Methoxyanilin) nachgewiesen. Dieses aromatische Amin sei aber nicht krebserregend. Das Schwarzdeckenmaterial, mit dem Baufahrzeuge und -maschinen verschmutzt gewesen seien, habe zum allergrößten Teil aus Bitumen bestanden. Nach den Stellungnahmen der Dipl.-Ing. I von der Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung vom 01.11.2000 und des Herrn M für den TAD der BBG vom 16.10.2000 war der Kläger auch bei den britischen Streitkräften und auf der Zeche T keinen Einwirkungen im Sinne der BK 1301 ausgesetzt.
Die Beklagte holte eine Stellungnahme von dem Dipl.-Chem. und Facharzt für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Umweltmedizin, Doktor Q, ein. Dieser führte in seiner Stellungnahme vom 17.07.2000 aus, es hätten sich keine Hinweise dafür ergeben, dass die Voraussetzungen zum Entstehen einer BK 1301 vorgelegen haben.
Außerdem holte die Beklagte eine gutachterliche Stellungnahme nach Aktenlage von dem Pharmakologen, Toxikologen und Umweltmediziner Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. C, Direktor des Instituts für Arbeitsphysiologie an der Universität E, ein. Dieser gelangte in seiner Stellungnahme vom 25.05.2001 ebenfalls zu der Einschätzung, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK nach Nr. 1301 nicht erfüllt seien. Die mögliche Belastung durch max. 2 ppm o-Anisidin in dem Unterbodenschutzmittel der Fa. U1 sei toxikologisch unerheblich.
Die Beklagte lehnte daraufhin die Feststellung der BK 1301 mit Bescheid vom 09.08.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2002 ab.
Hiergegen erhob der Kläger am 06.03.2002 vor dem Sozialgericht Aachen (SG) Klage (Az. S 9 U 14/02) und vertrat die Auffassung, dass sein Harnblasenkrebsleiden auf den beruflichen Umgang mit Teer, Lösungsmitteln, Farben, Asbest, Chrom, Nickel und Abgasen zurückzuführen sei. Bei den Bauunternehmen B und T GmbH & Co. KG habe er alte Teerdecken erwärmt, aufgefräst und dabei Teerstaub eingeatmet. In den Werkstätten habe er Teerbeläge an Fräs- und Schneidemaschinen mit Brennern erhitzt und entfernt. Bei der Fa. F GmbH habe er im Rohrvortrieb Verbindungsfugen mit Teer ausgeschmiert und das Gleitmittel U2, das Sentonit enthalte, sowie einen Dichtstoff der Fa. E benutzt. Als Kfz-Mechaniker habe er häufig Altlacke von Fahrzeugen aus den 50er und 60er Jahren abgeschliffen und sei dabei einer erheblichen Staubbelastung ausgesetzt gewesen. Überdies legte der Kläger Sicherheitsdatenblätter vor und überreichte eine Stoffprobe mit der Angabe, dass es sich dabei um Unterbodenschutz der Fa. U1 handele, der von einem VW Käfer aus dem Baujahr 1966 stamme.
Zu den Schadstoffbelastungen erhob das SG von Amts wegen Beweis und vernahm zunächst den ehemaligen Baggerfahrer der Fa. F GmbH, X M, uneidlich als Zeugen. Dieser bekundete, dass im Rohrvortrieb Verbindungsfugen mit einem schwarzen Material, Teer oder Bitumen, ausgeschmiert worden seien. Das Material sei erhitzt und mit einem Spachtel aufgetragen worden, wobei Hautkontakt bestanden habe und aufsteigende Dämpfe eingeatmet worden seien.
Die österreichische Fa. X Handelsgesellschaft m.b.H. in C, die Unterbodenschutzprodukte herstellt, teilte dem SG unter dem 02.10.2002 mit, ihre Produkte enthielten keine aromatischen Amine. Das Umweltbundesamt in Berlin führte unter dem 31.10.2002 aus, dass der gezielte Einsatz von aromatischen Aminen oder Steinkohlenteer in Unterbodenschutzmitteln weder bekannt noch auszuschließen sei. Die Süd-Chemie AG in Moosburg gab am 07.10.2002 an, U2 enthalte keine organischen Amine. Die I C GmbH aus E legte am 30.10.2002 dar, dass ihr Dichtstoff Q® T der Marke E nicht teerhaltig sei. Das BIA in Sankt Augustin fand am 07.05.2003 in der Stoffprobe, die der Kläger vorgelegt hatte, kein 2-Naphtylamin oberhalb der Bestimmungsgrenze von 1 mg/kg (1ppm). Die T GmbH & Co. KG teilte am 16.08.2005 mit, dass Asphalt geschnitten, aber nicht erhitzt worden sei, verschlissene Schneideblätter seien vernichtet worden; Teerrückstande seien möglicherweise an Baggerlöffeln und -greifern vorhanden gewesen. Die M Stadtentwicklung GmbH & Co. KG in B bestätigte am 26.08.2005, dass bei der Sanierung des T-Platzes in B, an der die T GmbH & Co. KG beteiligt gewesen sei, teerhaltiges Schwarzdeckenmaterial aufgebrochen und entsorgt worden sei. Die Stadt B gab unter dem 29.08.2005 an, dass bei Kanalarbeiten, die die Fa. T GmbH & Co. KG in der B-Straße und der B1-Straße durchgeführt habe, kein kontaminiertes Material vorgefunden worden sei.
Der Dipl.-Chem. S führte in einer Stellungnahme vom 31.07.2003 für die Beklagte aus, dass Autolacke in geringen Mengen wasserunlösliche Azo-Pigmente enthielten, die jedoch nicht bioverfügbar und damit beim Auftragen mit Spritzpistolen auch nicht im Sinne der BK 1301 gefährdend seien. Teerrückstande seien nicht mit dem aromatischen und krebserregenden Amin Naphthylamin kontaminiert, das in frischem Teer enthalten sei. Denn Naphthylamin reagiere im Laufe der Zeit mit Luftsauerstoff und werde dadurch zersetzt. Alter Teerasphalt weise deshalb keine aromatischen Amine mehr auf, sodass keine Gefährdung durch Teerrückstände an Baumaschinen und -fahrzeugen bestanden hätten.
Die Dipl.-BioIogin H erklärte in ihrer Stellungnahme vom 28.08.2003 für die MMBG, dass auch beim Abschleifen von Lacken keine Gefährdung im Sinne der BK 1301 bestanden habe, da Autolacke in den 50er/60er Jahren in keinem nennenswerten Umfang Azofarbstoffe enthielten.
Dagegen gab die Dipl.-Ing. C in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 16.09.2003 für die TBG zu bedenken, dass eine Exposition gegenüber aromatischen Aminen nicht vollkommen ausgeschlossen sei, wenn der Kläger Fräsarbeiten an alten Teerdecken verrichtet und teerbehaftete Maschinenteile gereinigt habe. Denn Naphthylamin werde nur im Bereich der oberen Teerschicht, nicht jedoch in tieferen Schichten durch Sauerstoffkontakt zersetzt.
Hierzu erwiderte Dipl.-Chem. S unter dem 10.12.2003, dass in alten Asphaltdecken bislang kein Naphthylamin nachgewiesen worden sei. Selbst wenn der Kläger alte Teerdecken aufgefräst und die Fräsmaschinen gereinigt habe, tendiere die Belastung durch aromatische Amine gegen Null.
Anschließend holte das SG von Amts wegen ein Gutachten des Facharztes für Arbeits- und Umweltmedizin Prof. Dr. L ein, Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin am Universitätsklinikum der RWTH B. In seinem Gutachten vom 09.08.2004 und einer ergänzenden Stellungnahme vom 21.02.2005 verneinte der Sachverständige (SV) die haftungsbegründenden Voraussetzungen der BK 1301. Es sei keine arbeitsmedizinisch-toxikologisch relevante Exposition gegenüber aromatischen Aminen oder sonstigen Gefahrstoffen nachgewiesen, die beim derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand generell geeignet sei, Harnblasenkarzinome beim Menschen hervorzurufen. Schweißrauche, Benzol und andere Lösungsmittel verursachten keinen Harnblasenkrebs. Dieselabgase enthielten keine aromatischen Amine. Eine berufliche Belastung mit 2-Naphtylamin oder anderen krebserregenden aromatischen Aminen sei nicht erwiesen. Dies gelte auch für den Umgang mit "Teerdeckenausbrüchen". Das aromatische Amin o-Anisidin (2-Methoxyanilin), das der Unterbodenschutz der Fa.U1 in einer Konzentration von 2 ppm enthalte, rufe im Tierversuch Harnblasenkrebs hervor. Für den Menschen fehlten entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse, wobei im Fall des Klägers fraglich sei, ob o-Anisidin beim Auftragen des Unterbodenschutzes überhaupt freigesetzt, vom Kläger aufgenommen und über den Stoffwechsel ins Zielorgan "Harnblase" gelangt sei. In epidemiologischen Studien seien Kfz-Mechaniker bislang nicht als Berufsgruppe aufgefallen, die ein erhöhtes Harnblasenkrebsrisiko hatten.
Mit Urteil vom 27.10.2005 wies das SG die Klage ab. Es sei nicht wahrscheinlich, dass die Harnblasenkrebserkrankung auf die berufliche Belastung mit aromatischen Aminen zurückzuführen sei, die u.a. in AZO-Farbstoffen und Teer enthalten seien. Zur Begründung stützte es sich im Wesentlichen auf die Ergebnisse der arbeitstechnischen Ermittlungen und das Gutachten des Prof. Dr. L.
In der hiergegen eingelegten Berufung behauptete der Kläger, er habe während seines Berufslebens auch ausländische Lacke abgeschliffen und aufgetragen, die AZO-Farbstoffe enthielten. Bei seiner letzten Arbeitgeberin habe er - gemessen an der Gesamtarbeitszeit von 66 Std./Woche - durchschnittlich mindestens 35% bis 40% Lackier- und Spritzarbeiten verrichtet. Darüber hinaus habe er in geschlossenen Räumen zu mindestens 35% bis 40% Teerrückstande von verunreinigten Baugeräten und -maschinen (z.B. Teerkochern) abgeschabt, abgebrannt und mit Lösungsmitteln behandelt. Zudem habe er mit Fräsmaschinen Asphaltdecken aufgeschnitten, die nachweislich mit Teer belastet gewesen seien, wie aus den Lieferscheinen seiner letzten Arbeitgeberin aus den Jahren 1998/99 hervorgehe, die er vorlegte. Der SV Prof. Dr. L habe es versäumt, den Acetyliererstatus zu bestimmen, Dass frisches U der Fa. U1 nur maximal 2 ppm o-Anisidin enthalte, werde "mit Nichtwissen" bestritten. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass er Kontakt zu Petroleum und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) gehabt habe. Zudem habe er für die Fa. T GmbH & Co. KG eine alte Kokereigasleitung gereinigt und sei dabei mit kontaminierten Schlämmen in Berührung gekommen.
Die Beklagte legte eine Stellungnahme des Dipl.-Chem. S vom 05.04.2006 vor, der auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens des Klägers keine Exposition durch aromatische Amine oder Azofarbstoffe im Sinne der BK 1301 feststellen konnte. Er wiederholte im Wesentlichen die bereits vorliegenden Ermittlungsergebnisse und führte ergänzend aus, dass es sich bei den Schlämmen, mit denen der Kläger bei der Reinigung der alten Kokereigasleitung für die Fa. T GmbH & Co. KG in Kontakt gekommen sei, laut den Untersuchungsergebnissen um schwermetall- und kohlenwasserstoffhaltige Schlämme gehandelt habe. Aromatische Amine seien in keiner der Proben nachgewiesen worden.
Mit Urteil vom 23.08.2006 (Az. L 17 U 255/05) wies der erkennende Senat die Berufung zurück. Eine BK 1301 liege nicht vor. Zur Begründung führte es aus, es sei nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen, dass der Kläger berufsbedingt Umgang mit aromatischen Aminen gehabt habe. Selbst wenn man davon ausginge, dass er zumindest beim Aufbrechen teerhaltiger Asphaltdecken oder bei der Reparatur verunreinigter Baumaschinen einen Kontakt zu krebserregenden aromatischen Aminen gehabt habe, wäre ein Zusammenhang zwischen diesen (geringfügigen) Schadstoffbelastungen und dem Harnblasenkrebs nicht hinreichend wahrscheinlich. Dies ergebe sich aus dem Gutachten des Prof. Dr. L.
Die hiergegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wurde mit Beschluss des Bundessozialgerichts vom 10.01.2007 als unzulässig verworfen.
Im Juni 2011 stellte der Kläger bei der Beklagten telefonisch einen Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 09.08.2001. Er führte aus, dass in dem ursprünglichen Feststellungsverfahren einige Fehler gemacht worden seien. Es seien Belastungen unberücksichtigt geblieben, die ihm bei Arbeiten zur Sanierung von Kokereigasleitungen, beim Anschneiden alter Teerdecken im Bereich Jülich, bei Lackierarbeiten in geschlossenen Räumen ohne Absauganlage, bei Reparaturarbeiten an teerverarbeitenden Maschinen, beim Schweißen mit Chrom/Nickel-Elektroden an Baggerschaufeln und anderen Baugeräten, bei Arbeiten an asbestbelasteten LKW-Bremsanlagen und beim Reinigen verschmutzter Teile mit Petroleum entstanden seien. Außerdem machte er geltend, das Rundschreiben der DGUV Nr. 0124/11 zur BK 1301 führe zu einer neuen rechtlichen Beurteilung.
In der daraufhin von der Beklagten angeforderten Stellungnahme führte der Dipl.-Chem. S am 11.11.2011 aus, dass zu den vom Kläger nunmehr noch einmal aufgeführten Gefährdungen, denen er während seines Berufslebens ausgesetzt war, bereits im ersten Verfahren ausführlich Stellung genommen worden sei. Soweit der Kläger auf das DGUV-Rundschreiben 0124/211 vom 28.02.2011 Bezug nehme, ergäben sich daraus keine neuen Erkenntnisse für den hier zu beurteilenden Fall. Bei diesem Rundschreiben gehe es um eine Änderung der BKV zur BK 1301, in der das aromatische Amin o-Toluidin, das jetzt als krebserzeugend der Kategorie K1 eingestuft ist, zu den bisher bekannten K1-Aminen als Auslöser für Blasenkrebs hinzugenommen wurde. Dieses Amin sei wie das 2-Naphthylamin als Verunreinigung in Teerprodukten enthalten, aber auch wie dieses oxidationsempfindlich, so dass es in Altteer nicht mehr nachgewiesen werden konnte. Da für den Kläger kein konkreter Kontakt zu frischem Teer nachgewiesen werden konnte, sei für ihn auch eine Exposition zu o-Toluidin auszuschließen. In diesem Zusammenhang sei in der Stellungnahme der TBG vom 04.04.2001 schon festgestellt worden, dass bereits seit 1970 Mischgut auf Bitumenbasis eingesetzt wurde und deshalb eine Exposition durch aromatische Amine auszuschließen sei, da in Bitumen keine aromatischen Amine enthalten seien. Dies beziehe sich auf die ab 1971 durchgeführten Reparaturen von "Teermaschinen" durch den Kläger mit dem Entfernen von anbackendem Asphalt, der damals bereits bituminös gewesen sei. Im "BK-Report 2/2011 Aromatische Amine" würden die für die einzelnen Berufe und Tätigkeiten möglichen Expositionen durch krebserzeugende aromatische Amine beschrieben, wobei auch die vom Kläger geschilderten Arbeiten berücksichtigt seien. In diesem BK-Report seien alle alten und neuen Erkenntnisse zusammengefasst. Auch die neuen Erkenntnisse ergäben aber für die Tätigkeiten des Klägers ebenfalls keine Expositionen im Sinne der BK 1301. Somit ändere sich nichts an der früheren Bewertung, die zum LSG-Urteil geführt habe.
Gestützt auf diese Stellungnahme lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15.12.2011 eine Rücknahme des Bescheides vom 10.08.2001 ab. Sie führte hierzu aus, dass nach dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen bei Erlass des Bescheides vom 10.08.2001 das Recht nicht unrichtig angewandt und auch nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Da im Rahmen des Feststellungsverfahrens kein konkreter Kontakt zu frischem Teer nachgewiesen werden konnte, sei für den Kläger auch eine berufliche Exposition zu o-Toluidin ausgeschlossen.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.02.2012 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 22.03.2012 Klage vor dem SG erhoben. Zur Begründung hat er seinen bisherigen Vortrag wiederholt und außerdem beanstandet, die Beklagte sei unzutreffend davon ausgegangen, dass er keinen konkreten Kontakt zu frischem Teer gehabt habe. Darüber hinaus seien neuere Erkenntnisse der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von Mai/Juni 2012 über die krebserregende Wirkung von Dieselabgasen zu berücksichtigen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2012 sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 09.08.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2002 zu verurteilen, bei dem Kläger die Berufskrankheit nach Nr. 1301 der BKV anzuerkennen und dem Kläger Verletztenrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die getroffene Verwaltungsentscheidung für zutreffend gehalten und bezüglich einer Belastung mit Dieselabgasen darauf hingewiesen, dass diese keine aromatischen Amine enthalten.
Das SG hat zur Abklärung des Sachverhaltes und zur Frage, ob und in welchem Umfang der Kläger im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeiten aromatischen Aminen ausgesetzt war, zunächst ein arbeits- und sozialmedizinisches Gutachten von Dr. Q mit zwei ergänzenden Stellungnahmen eingeholt. Dr. Q ist in seinem Gutachten vom 30.07.2013 aufgrund einer Untersuchung des Klägers vom 11.06.2013 und unter Berücksichtigung der Verwaltungs- und Gerichtsakten zu dem Ergebnis gelangt, dass vorbehaltlich der Bestätigung der Techniker die beruflichen Einwirkungen als wesentliche Ursache für die bei dem Kläger vorliegende Harnblasenkarzinomerkrankung anzusehen seien. Neue Erkenntnisse sprächen dafür, dass der Kläger in nicht unerheblichem Umfang mit aromatischen Aminen in Kontakt gekommen sei. Ende des letzten Jahrzehnts hätten sich neue Erkenntnisse ergeben, welche belegten, dass Schmierfette und verschiedene technische Öle in den ersten zwei Jahrzehnten des Arbeitslebens des Klägers Antioxidantien auf dem Boden krebserzeugender aromatischer Amine enthielten. Deshalb könne dem Gutachten von Dr. L nun nicht mehr gefolgt werden. Außerberufliche Ursachen für die Erkrankung lägen nicht vor; er sei weit überwiegend Nichtraucher gewesen, er habe keine phenacetinhaltigen Schmerzmittel genommen, auch gehäufte Harnwegsinfekte seien vor Beginn der Erkrankung nicht aufgetreten, und der Kläger habe auch keine Bestrahlungsbehandlung des Unterleibs mit ionisierender Strahlung gehabt. Andererseits bestehe aber ein anlagebedingter Faktor, nämlich der Status des langsamen Acetylierers, welcher bei Kontakt zu aromatischen Aminen die Verursachungswahrscheinlichkeit von Harnblasenkarzinomen erhöhe. Außerdem sei der Kläger in einem sehr frühen Lebensalter erkrankt. Vorbehaltlich der Bestätigung der Techniker seien die beruflichen Einwirkungen als wesentliche Ursache anzusehen. Für die Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) empfehle er ein urologisches Gutachten.
Die Beklagte hat zu dem Gutachten eine Stellungnahme des Dipl.-Chem. S von ihrer Präventionsabteilung vom 18.10.2013 nebst einem Aufsatz aus der Zeitschrift "Gefahrstoffe-Reinhaltung Luft" (73/2013 Nr. 5) von Dr. Lichtenstein et al. zu dem Thema 2-Naphtylamin als Verunreinigung in alten Schmierfetten vorgelegt und unter Bezugnahme auf diese Stellungnahme geltend gemacht, dass eine generelle Exposition gegenüber 2-Naphthylamin bei der ungeschützten Bearbeitung (dermale Exposition) von Schmierfetten in der Vergangenheit nicht angenommen werden könne.
In seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 09.11.2013 und 24.01.2014 hat Dr. Q dann seine Beurteilung revidiert. In der Stellungnahme vom 09.11.2013 hat er nun ausgeführt, eine BK 1301 könne entgegen seinen Ausführungen in dem Gutachten doch nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden; die Möglichkeit eines Kausalzusammenhangs sei allerdings nicht auszuschließen. Er habe unter Berücksichtigung des BK-Reports 2/2011 "Aromatische Amine" zunächst eine Exposition gegenüber aromatischen Aminen, insbesondere Phenyl-2-Naphthylamin angenommen und deshalb den Kausalzusammenhang einer BK 1301 bejaht. Der BK-Report habe nämlich annehmen lassen, dass Phenyl-2-Naphthylamin in den 70er und 80er Jahren Bestandteil von Kühlschmierfetten gewesen sei, sodass eine Exposition gegenüber aromatischen Aminen, welche gut hautresorptiv seien, in relevantem Maße angenommen wurde. Zwischenzeitlich seien Fettproben aus den 70er und 80er Jahren aus den neuen und alten Bundesländern von Dr. Lichtenstein und seinen Co-Autoren (2013) untersucht worden. Die Ergebnisse hätten gezeigt, dass naphthylaminhaltige Schmierfette nur in DDR-Produkten der Fa. Ceritol gefunden worden seien. In den alten Bundesländern seien keine Antioxidantien auf der Basis von aromatischen Aminen gefunden worden. Leider habe sich die Untersuchung durch Dr. Lichtenstein et al. mit seiner Gutachtenerstattung überschnitten, sodass die Ergebnisse in seinem Gutachten noch nicht berücksichtigt worden seien. Selbst wenn die Schmierfette, mit denen der Kläger Kontakt hatte, gering durch aromatische Amine verunreinigt gewesen sein sollten (in einer Größenordnung von 0,05 mg/kg), sei dies nicht ausreichend für die Annahme einer haftungsbegründenden Kausalität einer BK 1301; denn hierzu bedürfe es einer höheren Exposition. Die resorbierte Menge sollte zumindest im Milligrammbereich liegen. Eine solche sei bei ausschließlich dermaler Exposition, wenn auch über Jahre, und unter Berücksichtigung des Tätigkeitsprofils des Klägers nicht schlüssig.
Der Kläger hat erklärt, es könne nicht festgestellt werden, dass es sich bei der Festschrift, auf die Dr. Q Bezug genommen habe, um eine amtliche Studie oder eine repräsentative wissenschaftliche Arbeit handele. Im Übrigen beziehe sich diese Festschrift auf Fettproben aus den 70er und 80er Jahren; bei ihm seien aber Belastungen ab dem Jahre 1963, in dem er seine Lehre aufgenommen habe, zu berücksichtigen. Die Belastung sei zwischen 1971 und 1980 etwa 17 Mal höher gewesen als danach. Er habe ständig in immensem Umfang mit in der Regel rot oder rötlich eingefärbten Fetten gearbeitet. Außerdem habe er nicht nur mit besagten Fetten gearbeitet, sondern sei auch lange Jahre krebserregendem Dieselruß ausgesetzt gewesen.
Hierzu hat Dr. Q in einer Stellungnahme vom 24.01.2014 darauf hingewiesen, dass es sich bei der von ihm in Bezug genommenen Veröffentlichung in der Zeitschrift "Gefahrstoffe Reinhaltung Luft" um eine renommierte Fachzeitschrift handele, welche in jeder Hinsicht wissenschaftlichen Ansprüchen mehr als genüge. Die Problematik krebserzeugender Amine in Schmierstoffen sei Gegenstand aktueller Forschungen. Bei der gegenwärtigen Datenlage könne aber der Vollbeweis einer ausreichend hohen und lang dauernden Exposition des Klägers gegenüber aromatischen Aminen nicht geführt werden. Die Frage der Einfärbung von Schmierstoffen mit Azofarbstoffen sei dahingehend zu kommentieren, als es zur Einfärbung von Fetten nur geringster Mengen von Farbstoff bedürfe, um eine intensive Färbung hervorzurufen. Azofarbstoffe enthielten nicht immer o-Toluidin, welches als krebserzeugendes aromatisches Amin gelte, als Kupplungskomponente. Nur wenn es zu einer Spaltung des Farbstoffmoleküls auf der Haut komme, könne dieses o-Toluidin über die Haut in den Körper gelangen. Eine solche Spaltung der Ausgangskomponenten des Farbstoffs erfolge nur zu einem geringen Bruchteil der Gesamtmenge, welche auf die Haut gelange. Hiervon werde nur ein Teil in den Körper resorbiert. Es sei bekannt, dass o-Toluidin nur eine vergleichsweise geringe Kanzerogenität im Hinblick auf das Urothel besitze, sodass es einer Hautresorption im zweistelligen Grammbereich bedürfe, um mit einer Risikoerhöhung für Urothelkarzinome einherzugehen. Es sei zweifelhaft, dass es bei ausschließlichen Kontaminationen im Handbereich überhaupt zu einer solchen relevanten Aufnahme von o-Toluidin in den Körper komme.
Auf Antrag des Klägers hat das SG schließlich nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein arbeitsmedizinisches Gutachten von Prof. Dr. C2, Direktor des Instituts für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IPA), eingeholt. Prof. Dr. C2 ist in seinem Gutachten vom 15.09.2014 aufgrund einer Untersuchung des Klägers vom 05.08.2014 und unter Berücksichtigung der Verwaltungs- und Gerichtsakten ebenfalls zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Zusammenhang zwischen den beruflichen Belastungen des Klägers und der bei ihm vorliegenden Harnblasenkrebserkrankung nicht wahrscheinlich gemacht werden könne. Den Vorgutachten der Prof. C und L und des Dr. Q stimme er zu. Gemäß den Beschreibungen des Klägers habe er als Kfz-Mechaniker bzw. Lkw- und Baumaschinenschlosser zwischen 1964 und 1999 (mit Unterbrechungen durch den Wehrdienst 1969 bis 1970 und 1980 bis 1984 in einer Reparaturlackiererei) regelmäßig Umgang mit Schmierfetten gehabt. Dabei sei es zu dermalen Kontakten vornehmlich an den Händen, teilweise auch an den oberen Extremitäten bis zu den Oberarmen gekommen. Aufgrund der Publikation zur Verunreinigung von Staufferfetten mit aromatischen Aminen (Lichtenstein et al. 2013) sei nach derzeitigem Kenntnisstand fraglich, ob Fetten und Ölen aus westdeutscher Produktion N-Phenyl-2-Naphthylamin zugesetzt gewesen sei. Bei den vom Kläger beschriebenen Tätigkeiten "Instandhaltung und Reparaturen von Baumaschinen bei mehreren Tiefbauunternehmen ab 1971" und der Reparatur von Teerkochern sowie der Entfernung von "Verschmutzungen" an Fahrzeugen, Baumaschinen und "Teerkochern" von Tiefbauunternehmen 1978-1980 sei von einer Exposition des Klägers durch aromatische Amine auszugehen. Die Verwendung von reinem Straßenteerpech, in dem aromatische Amine nachgewiesen werden konnten, habe zwar praktisch Ende der sechziger Jahre geendet. Allerdings habe noch bis etwa Mitte der siebziger Jahre sogenanntes Carbobitumen, eine Mischung aus ca. 75-80 % Bitumen und 25-30 % Straßenteerpech, anteilig Verwendung im Straßenbau gefunden. Die Gesamtbelastungsdosis sei aber selbst bei einer worst-case Annahme zu gering, um von einem Zusammenhang zwischen dieser Belastung und dem beim Kläger vorliegenden Harnblasenkrebs auszugehen. Hierbei beziehe er sich auf das von seinem Institut entwickelte Modell (Weiß et al. 2010), das aufbauend auf einer Analogiebetrachtung zum Tabakrauchen sowie einer relativen Einschätzung der kanzerogenen Wirkstärken der humankanzerogenen aromatischen Amine 4-Aminobiphenol, 2-Naphthylamin und o-Toluidin auf Basis von Untersuchungen an Hunden entsprechende Dosis-Risiko-Beziehungen für den Menschen abschätze. Danach wäre eine Dosis von 6 mg 2-Naphthylamin mit einem verdoppelten Risiko assoziiert. Für 4-Aminodiphenyl gelte eine Dosis von 1,2 mg und für o-Toluidin eine Dosis von 30 000 mg.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 15.12.2014 erneut umfangreiche Ausführungen zu seinen beruflichen Tätigkeiten und Schadstoffbelastungen gemacht und hierfür Zeugenbeweis angeboten. Prof. Dr. C2 habe den Umfang der stattgehabten Exposition in Bezug auf krebserzeugende Gefahrstoffe nicht ausreichend berücksichtigt. Das Gutachten enthalte auch keinerlei Ausführungen zu den Belastungen durch Dieselabgase. Weitere Ermittlungen seien angezeigt.
Mit Urteil vom 28.01.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe zutreffend eine Rücknahme des Bescheides vom 09.08.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2002 abgelehnt, da dieser nicht unrichtig gewesen sei und die Beklagte auch nicht von einem Sachverhalt ausgegangen sei, der sich als unrichtig erwiesen habe. Die Beklagte habe die Anerkennung der BK 1301 zu Recht abgelehnt, weil die entsprechenden Voraussetzungen hierfür nicht vorlägen. Nach dem Gesamtergebnis der Ermittlungen im Rahmen des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens könne zwar nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeit im gewissen Umfang aromatischen Aminen ausgesetzt gewesen war; der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen dieser Schadstoffexposition und dem Ausbruch der Harnblasenkrebserkrankung lasse sich jedoch aufgrund der Gutachten und ergänzenden Stellungnahmen des Dr. Q und des Prof. Dr. C2, die sich auch mit den Darlegungen des Prof. Dr. L deckten, nicht feststellen.
Gegen das ihm am 10.02.215 zugestellte Urteil hat der Kläger am 06.03.2015 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem sozialgerichtlichen Verfahren. Er ist der Auffassung, das SG hätte seinen Ausführungen in dem Schriftsatz vom 15.12.2014, in dem er dargelegt habe, in welchem Umfang er tatsächlich krebserzeugenden Immissionen ausgesetzt gewesen sei, nachgehen müssen. Alle vom SG gehörten Sachverständigen hätten sich auf die Publikation von Dr. Lichtenstein et al. aus dem Jahre 2013 bezogen, die selbst nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erhoben habe. Im Übrigen sei in dieser Abhandlung unterschieden worden zwischen den Naphtylamin-Gehältern in den Jahren zwischen 1960 und 1980. Aus den Gutachten sei nicht ersichtlich, dass und inwieweit berücksichtigt wurde, dass er auch und insbesondere in den Jahren 1960 bis 1980 diesen Stoffen ausgesetzt gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 28.01.2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 15.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2012 unter Zurücknahme des Bescheides vom 09.08.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2002 aufzuheben und bei ihm die Berufskrankheit nach Nr. 1301 der Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen und ihm Verletztenrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie weist erneut darauf hin, dass Gegenstand der Prüfung einzig und allein die Exposition gegenüber aromatischen Aminen sei. Soweit der Kläger auf blasenkarzinogene Wirkungsweisen von PAH`s in Dieselstoffen abstelle, handele es sich nicht um aromatische Amine, sondern um aromatische Kohlenwasserstoffverbindungen. Auch die sonstigen Gefahrstoffexpositionen, die der Kläger im Verlauf der verschiedenen Verfahrenszüge immer wieder vorgetragen habe, fielen nicht unter eine BK 1301.
Auf Veranlassung des Senats hat Dr. Q unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers in dem Schriftsatz vom 15.12.2014 eine ergänzende Stellungnahme abgegeben. In seiner Stellungnahme vom 05.05.2015 hat er erklärt, er sei nicht in der Lage die Angaben des Klägers zu prüfen und zu verifizieren. Die Auseinandersetzung mit den technischen Gegebenheiten sei nicht Aufgabe des Arbeitsmediziners, sondern des TAD der Beklagten. Aus dem lange zurückliegenden Zeitraum lägen kaum Daten vor, welche im konkreten Fall die Quantität der Exposition gegenüber aromatischen Aminen einigermaßen nachhalten lasse. Er rate, Prof. Dr. C2 noch einmal einzuschalten. Im Übrigen hat er darauf hingewiesen, dass die Arbeit von Lichtenstein et al. in die neueste Auflage des BK-Reports "Aromatische Amine 2014" eingearbeitet worden sei.
In seiner daraufhin eingeholten Stellungnahme vom 02.09.2015 ist Dr. C2 von den Angaben des Klägers vom 15.12.2014 ausgegangen, aus denen sich aber hinsichtlich der Qualität und Quantität beruflich bedingter Expositionen keine neuen Erkenntnisse ergäben. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den beruflichen Tätigkeiten, dem Umgang mit aromatischen Aminen und der aufgetretenen Harnblasenerkrankung könne nicht begründet werden. Bezüglich des auch für Fette eingesetzten Alterungsschutzmittels N-Phenyl-2-Naphthylamin und seiner Verunreinigung mit dem humankanzerogenen aromatischen Amin 2-Naphthylamin gebe es keine Hinweise darauf, dass entsprechenden Fetten aus westdeutscher Produktion N-Phenyl-2-Naphthylamin oder 2-Naphthylamin zugesetzt gewesen sei. Der Vollbeweis einer entsprechenden Exposition stehe somit aus. Bezüglich der Rückstände von Asphalt auf Basis von Carbobitumen, wobei das im Carbobitumen enthaltene Straßenteerpech die humankanzerogenen aromatischen Amine 2-Naphthylamin, 4-Aminobiphenyl und o-Toluidin enthalten habe, sei auch unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers und bei Annahme von worst-case Bedingungen davon auszugehen, dass bei Reparaturarbeiten an carbobitumen-verschmutzten Fahrzeugen, Baumaschinen und Baugeräten die Summe an inhalativer, dermaler und oraler Aufnahme allenfalls im niedrigen einstelligen Prozentbereich derjenigen Dosis liegen konnte, die nach wissenschaftlichen Erkenntnissen (Weiß et al. 2010) mit einer Risikoverdopplung assoziiert sei. Eine Exposition gegenüber Dämpfen und Aerosolen aus Steinkohlenteerpech bei der Reparatur von "Teerkochern" und anderen "teerbehafteten" Maschinen sei in dem streitgegenständlichen Zeitraum von Mai 1978 bis April 1981 unwahrscheinlich. Denn ab Mitte der 70er Jahre sei kein Asphalt mit teerhaltigem Bindemittel mehr verarbeitet worden. Auch im Baubereich seien ab dieser Zeit z.B. von Dachdeckern und Bauwerksisolierern eingesetzte Materialien, wie Dachbahnen, auf Bitumenbasis verarbeitet worden, das keine humankanzerogenen aromatischen Amine enthalte. Etwas anderes ergäbe sich auch nicht, wenn die - nach Angaben des Klägers mehr als zehn Jahre nicht benutzten und dann wieder instandgesetzten Baustellenfahrzeuge - noch mit Bindemittel auf Basis von Steinkohlenteer belastet gewesen sein sollten. Denn diese Asphaltrückstände enthielten nach so langer Zeit keine relevanten Mengen an aromatischen Aminen mehr, da sich diese mit der Zeit abbauten/zersetzten. Der Kläger sei auch keiner relevanten Exposition gegenüber Kokereigasen, die humankanzerogene aromatische Amine enthielten, ausgesetzt gewesen. Eine entsprechende Exposition bestehe nämlich vornehmlich auf der oberen Decke von Kokereien. Dort sei der Kläger nach Aktenlage nicht tätig gewesen. Es sei auch nicht bekannt, das Hydrauliköle relevante Mengen an humankanzerogenen aromatischen Aminen enthielten oder Hydraulikölen Stoffe zugesetzt waren, die humankanzerogene aromatische Amine in relevanten Mengen freisetzen könnten. o-Anisidin sei ein krebserregendes aromatisches Amin, es sei jedoch nicht bekannt, dass dieses bei Menschen Harnblasenkrebserkrankungen auslösen könne. Seit Anfang der siebziger Jahre seien Tönpasten auf der Basis von Azofarbmitteln im Handel. Diese fänden aber überwiegend Anwendung in leuchtenden Farben, z.B. bei Rettungsfahrzeugen; sie machten nach Herstellerangaben ca. ein Prozent der infrage kommenden Pigmente aus. Im Übrigen seien die dafür verwendeten Azopigmente in Wasser unlöslich und somit nicht bioverfügbar. Chrom VI- und nickelhaltige Schweißrauche seien zwar humankanzerogen; es sei jedoch nicht bekannt, dass diese beim Menschen Harnblasenkrebs auslösen können. Die Belastung durch Dieselabgase bzw. Dieselruß und zähle nicht zu den Noxen, die unter die BK 1301 fallen.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 14.10.2016 unter Bezugnahme auf Urteile des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20.02.2008 (S 1 U 812/07) und des Hessischen LSG vom 03.11.2004 (L 3 U 1613/97) sowie einen Auszug aus dem IPA-Journal 3/2014 mit einem Bericht des Sachverständigen Prof. Dr. C2 darauf hingewiesen, dass die Anerkennung einer BK 1301 auch bei nur geringer beruflicher Belastung mit aromatischen Aminen in Betracht komme. Abgesehen davon sei Prof. Dr. C2 auch an verschiedenen Stellen seines Gutachtens von falschen Voraussetzungen ausgegangen. Dem Schriftsatz beigefügt hat er eine Fettdose der Firma S aus L mit Inhalt, die er, nach eigenen Angaben, auf dem früheren Betriebsgelände der Fa. PL I gefunden hat.
Prof. Dr. C2 ist dann erneut um eine ergänzende Stellungnahme unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers im Schriftsatz vom 14.10.2016 gebeten worden. In seiner Stellungnahme vom 25.01.2017 hat er zusammenfassend festgehalten, dass sich durch die Angaben des Klägers hinsichtlich der Qualität und Quantität beruflich bedingter Expositionen keine neuen Erkenntnisse ergäben. Ein ursächlicher Zusammenhang könne auch dann nicht wahrscheinlich gemacht werden, wenn man davon ausginge, dass das bei der Fa. PL I vom Kläger verarbeitete Schmierfett N-Phenyl-2-Naphthylamin als Oxidationsinhibitor enthalten habe, sodass eine Analyse des vom Kläger beigebrachten Schmierfettes nicht als zielführend zu erachten sei.
Der Kläger hat schließlich beanstandet, es habe keine Arbeitsplatzexposition in erforderlicher Weise stattgefunden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten und Vorprozessakten L 17 U 255/05 sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen. Ihre Inhalte sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert, da dieser nicht rechtswidrig ist (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den Bescheid vom 09.08.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2002 zurückzunehmen, da dieser nicht rechtswidrig war.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Bescheid vom 09.08.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2002 ist nicht rechtswidrig, da bei dem Kläger keine BK 1301 vorlag.
Rechtsgrundlage für die Anerkennung der begehrten BKen ist § 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) i.V.m. Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKV. BKen sind gem. § 9 Abs. 1 SGB VII nur diejenigen Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet (Listen-BK) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. In beweisrechtlicher Hinsicht müssen die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Hingegen genügt für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 23.04.2015 - B 2 U 06/13 R - m.w.N.; juris).
Voraussetzung der hier allein streitigen BK 1301 sind Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine.
Der Kläger leidet zwar unstreitig an einem Krebs der Harnwege. Dieser ist aber nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Exposition mit aromatischen Aminen zurückzuführen.
Wegen der Begründung nimmt der Senat zunächst Bezug auf die Entscheidungsgründe in dem angefochtenen Urteil (§ 153 Abs. 2 SGG) und dem Urteil des LSG vom 23.08.2006 (L 17 U 255/05), das zwischen den Beteiligten ergangen ist (vgl. Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Auflage, § 136 Rn. 7c). Diese macht er sich nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage zu Eigen.
Der nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X erforderliche Vollbeweis der Rechtswidrigkeit des bestandskräftig gewordenen Bescheides vom 09.08.2001 ist auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren nicht zu führen.
Prof. Dr. C2 hat in seinen Stellungnahmen vom 02.09.2015 und 14.10.2016 ausführlich und überzeugend dargelegt, dass selbst bei worst-case Annahmen die beruflichen Belastungen durch aromatische Amine zu gering gewesen wären, um einen ursächlichen Zusammenhang mit dem beim Kläger vorliegenden Harnblasenkrebs wahrscheinlich zu machen. Hierbei hat er sämtliche Angaben des Klägers zu seinen Tätigkeiten aus dem Schriftsatz vom 15.12.2014 zugrunde gelegt und sich mit allen Einwänden des Klägers begründet und nachvollziehbar und in Übereinstimmung mit den Erkenntnissen der verschiedenen Präventionsdienste aus den vorangegangenen Verwaltungs- und Streitverfahren auseinandergesetzt. Wegen der detaillierten Begründung zu den unterschiedlichen Belastungen nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die im Tatbestand zusammengefassten Stellungnahmen des Prof. Dr. C2 vom 02.09.2015 und 14.10.2016 Bezug.
Dem Senat ist bewusst, dass dem Wortlaut der BK 1301 keine Dosis-Wirkungs-Beziehung im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit der berufsbedingten Krankheitsentstehung zu entnehmen ist. Dies führt allerdings nicht dazu, jede Exposition für eine einschlägige Krebserkrankung mit der Begründung als wahrscheinlich ursächlich dafür anzusehen, dass auch eine beliebige Dosis grundsätzlich als kanzerogen in Betracht komme. Vielmehr setzt § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII auch insoweit eine durch besondere berufliche Einwirkungen vermittelte Zurechnung voraus. Ob in dieser Hinsicht von einer Risikoverdopplung nur bei einem Orientierungswert von 6 mg 2-Naphthylamin auszugehen ist, wie es Prof. Dr. C2 aufgrund des Modells nach Weiß et al. (wofür kein Konsens besteht, siehe hierzu Hessisches LSG, Urteil vom 21.02.2017 - L 3 U 9/13 -) angenommen hat, kann vorliegend offen bleiben. Denn jedenfalls dann, wenn dieser durch die angeschuldigte Exposition so deutlich unterschritten wird, dass die durch ihn indizierte Gefährdung nicht annähernd erreicht wird, sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der BK 1301 zu verneinen (so auch LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19.03.2015 - L 6 U 79/09 -). Eine Belastung des Klägers durch aromatische Amine ergibt sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nur für seine Tätigkeiten, bei denen er Kontakt mit Teer hatte. Hierfür aber hatte Prof. Dr. C2 selbst unter der Annahme von worst case-Bedingungen lediglich eine Belastung von 2,5 % des Dosismaßes von 6 mg angenommen. Selbst unterstellt, dass das bei der Fa. P.L. I vom Kläger verarbeitete Schmierfett N-Phenyl-2-Naphthylamin enthalten hätte, käme nach den Ausführungen des Prof. Dr. C2 - ebenfalls unter Annahme von worst-case Bedingungen - lediglich eine Belastung von 1 % des Dosismaßes von 6 mg hinzu. Auf eine Zurechnungsprüfung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und eine hierbei anzustellende Kausalitätsbewertung des medizinischen Einzelfalls kommt es dann nicht mehr an (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17.02. 2009 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 31; Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 m.w.N.). Unerheblich ist deshalb auch, dass der Kläger schon im Vergleich zum mittleren Erkrankungsalter von 73 Jahren (siehe Gutachten Prof. Dr. C2) deutlich früher, nämlich mit 51 Jahren, an dem Harnblasenkarzinom erkrankt war und ob er Raucher war, was aufgrund unterschiedlicher Angaben des Klägers zumindest immer wieder im Raume stand.
Den vom Kläger angeführten Urteilen des Sozialgerichts Karlsruhe und des Hessischen LSG vermag der Senat aus den genannten Gründen nicht zu folgen. Im Übrigen lagen diesen Urteilen jeweils positive Sachverständigengutachten zugrunde. Vorliegend bestätigt aber kein einziger Sachverständiger einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den beruflichen Belastungen des Klägers durch aromatische Amine und der Harnblasenkrebserkrankung.
Weitere Ermittlungen hält der Senat nicht für erforderlich. Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Dr. Q vom 05.06.2015 beanstandet, es habe bisher keine Arbeitsplatzexposition in erforderlicher Weise stattgefunden, vermag der Senat dies nicht nachzuvollziehen. Sowohl im erstmaligen Feststellungsverfahren, in den nachfolgenden Verwaltungsverfahren, im Vorprozess (S 9 U 14/02 - L 17 U 255/05) und auch im vorliegenden Verfahren sind umfangreiche arbeitstechnische Ermittlungen durchgeführt worden. Dem Senat erschließt sich nicht, welche Ermittlungen noch durchgeführt werden könnten, zumal der Kläger selbst hierzu keine Angaben gemacht hat. Auch Dr. Q hat lediglich erklärt, dass die Auseinandersetzung mit den technischen Gegebenheiten nicht zum Aufgabenbereich des medizinischen Sachverständigen gehört, sondern vom TAD der Beklagten zu leisten ist. Er hat aber nicht behauptet, dass die bisherigen Ermittlungen unzureichend erfolgt sind, sondern vielmehr unmissverständlich darauf hingewiesen, dass aus dem lange zurückliegenden Zeitraum kaum noch Daten vorliegen, die die Quantität der Exposition gegenüber aromatischen Aminen im Fall des Klägers nachhalten lassen. Abgesehen davon hat Prof. Dr. C2 die Angaben des Klägers aus dessen Schriftsatz vom 15.12.2014 auf Aufforderung des Senats zu Gunsten des Klägers auch ohne Überprüfung bereits unterstellt.
Soweit der Kläger immer wieder auch auf andere Schadstoffbelastungen, wie z.B. durch Dieselabgase, Asbest und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe hingewiesen hat, sind diese für die Anerkennung der BK 1301, die nur aromatische Amine betrifft, nicht relevant.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Revisionszulassung nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) einen Anspruch auf Anerkennung der Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1301 (Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine) der Anlage 1 der Berufskrankenheitenverordnung (BKV) hat.
Der 1948 geborene Kläger durchlief Anfang/Mitte der 60er Jahre bei der K GmbH & Co. KG in L und B erfolgreich eine 3 ½ jährige Ausbildung zum Kfz-Mechaniker und war dort anschließend bis Oktober 1967 als Geselle tätig. Dabei hatte er Kontakt zu Öl- und Schmierstoffen, Diesel- und Benzinabgasen, Kühlflüssigkeit, Frostschutzmitteln, Bremsflüssigkeit, Batteriesäure, Reinigungsmitteln, asbesthaltigen Bremsbelägen und zum Unterbodenschutz U der Fa. U1. Nach kurzer Arbeitslosigkeit war er von Dezember 1967 bis Juni 1969 bei der Standortverwaltung der Englischen Streitkräfte in N beschäftigt. Dort zerlegte er Lkw- und Panzermotoren, reinigte die Motorenteile mit Dieselkraftstoff und in erhitzten Laugen und atmete auf dem Motorenprüfstand Diesel- bzw. Benzinabgase ein. Danach leistete er bei der Marine 18 Monate Wehrdienst. Im Januar/Februar 1971 arbeitete er als Kfz-Mechaniker für die D Auto GmbH in I, wobei er Unterbodenschutz auftrug sowie Kunstharz- und Nitrofarben verarbeitete. Im März 1971 wechselte er zur I Tiefbau GmbH in I. Dort wartete und reparierte er Lkws, lackierte mit Nitrofarben, reinigte Bremstrommeln mit Aceton, hantierte mit Unterbodenschutz und führte Schweißarbeiten aus. Ab Oktober 1974 bis März 1975 reparierte er auf der Zeche T in I Diesellokomotiven untertage. Danach wechselte er in die Baubranche und arbeitete als Kfz-Mechaniker für verschiedene Baufirmen (I Tiefbau GmbH, Stahlbaufirma G in I, C1 in F, F GmbH in B). Dort wartete und reparierte er Baufahrzeuge und -maschinen, die z.T. mit Schwarzdeckenmaterial verschmutzt waren. Bei der F GmbH dämmte er außerdem Rohre und schloss Fugen mit Bitumendichtringen. Von Oktober 1980 bis Oktober 1984 arbeitete er für die Autolackiererei I GmbH in I und kam dort mit Lacken, Öl, Schmierstoffen, Bremsbelag-Abrieb, Reinigern, Unterbodenschutz und Schweißrauchen in Berührung. Danach war er bis Januar 1986 für die Baufirma B in X und anschließend bis zum Beginn seiner Arbeitsunfähigkeit im Dezember 1999 für das Bauunternehmen T GmbH & Co. KG in B überwiegend im erlernten Beruf tätig.
Im Dezember 1999 wurde bei dem Kläger ein Harnblasenkarzinom festgestellt und eine transurethrale Blasentumorresektion durchgeführt. Die AOK, Krankenkasse des Klägers, meldete im April 2000 einen Verdacht auf eine BK.
In der Folgezeit führte die Beklagte Ermittlungen über die Arbeitsbedingungen bei den jeweiligen Arbeitgebern des Klägers durch und ließ die Ergebnisse durch den Technischen Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten (ehemals Bau-BG), den Präventionsdienst der Verwaltungsgemeinschaft Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft und Hütten- und Walzwerks-Berufsgenossenschaft (MMBG), der Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung, dem TAD der Bergbau-Berufsgenossenschaft (BBG) und den TAD der Tiefbau-Berufsgenossenschaft (TBG) auswerten. Die Dipl.-Biologin H von der Präventionsabteilung der MMBG schloss in ihrer Stellungnahme vom 27.07.2000 aus, dass der Kläger als Kfz-Mechaniker bei den Firmen K GmbH & Co. KG, D GmbH und I GmbH im Sinne der BK 1301 gefährdet gewesen sei. Denn die Reinigungs- und Unterbodenschutzmittel, die der Kläger in den Kfz Werkstätten eingesetzt habe, enthielten keine aromatischen Amine; Unterbodenschutz sei schon immer auf Bitumen- und nicht auf Teerbasis hergestellt worden. Zum selben Ergebnis gelangten der Dipl.-Chem. S in seiner Stellungnahme vom 05.10.2000 für den TAD der Bau BG sowie die Dipl.-Ing. C in ihrer Stellungnahme vom 04.04.2001 für den TAD der TBBG: Zwar habe das berufsgenossenschaftliche Institut für Arbeitssicherheit (BIA) in Sankt Augustin im Unterbodenschutzmittel U der Firma U1 2ppm (parts per million) o-Anisidin (2-Methoxyanilin) nachgewiesen. Dieses aromatische Amin sei aber nicht krebserregend. Das Schwarzdeckenmaterial, mit dem Baufahrzeuge und -maschinen verschmutzt gewesen seien, habe zum allergrößten Teil aus Bitumen bestanden. Nach den Stellungnahmen der Dipl.-Ing. I von der Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung vom 01.11.2000 und des Herrn M für den TAD der BBG vom 16.10.2000 war der Kläger auch bei den britischen Streitkräften und auf der Zeche T keinen Einwirkungen im Sinne der BK 1301 ausgesetzt.
Die Beklagte holte eine Stellungnahme von dem Dipl.-Chem. und Facharzt für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Umweltmedizin, Doktor Q, ein. Dieser führte in seiner Stellungnahme vom 17.07.2000 aus, es hätten sich keine Hinweise dafür ergeben, dass die Voraussetzungen zum Entstehen einer BK 1301 vorgelegen haben.
Außerdem holte die Beklagte eine gutachterliche Stellungnahme nach Aktenlage von dem Pharmakologen, Toxikologen und Umweltmediziner Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. C, Direktor des Instituts für Arbeitsphysiologie an der Universität E, ein. Dieser gelangte in seiner Stellungnahme vom 25.05.2001 ebenfalls zu der Einschätzung, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK nach Nr. 1301 nicht erfüllt seien. Die mögliche Belastung durch max. 2 ppm o-Anisidin in dem Unterbodenschutzmittel der Fa. U1 sei toxikologisch unerheblich.
Die Beklagte lehnte daraufhin die Feststellung der BK 1301 mit Bescheid vom 09.08.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2002 ab.
Hiergegen erhob der Kläger am 06.03.2002 vor dem Sozialgericht Aachen (SG) Klage (Az. S 9 U 14/02) und vertrat die Auffassung, dass sein Harnblasenkrebsleiden auf den beruflichen Umgang mit Teer, Lösungsmitteln, Farben, Asbest, Chrom, Nickel und Abgasen zurückzuführen sei. Bei den Bauunternehmen B und T GmbH & Co. KG habe er alte Teerdecken erwärmt, aufgefräst und dabei Teerstaub eingeatmet. In den Werkstätten habe er Teerbeläge an Fräs- und Schneidemaschinen mit Brennern erhitzt und entfernt. Bei der Fa. F GmbH habe er im Rohrvortrieb Verbindungsfugen mit Teer ausgeschmiert und das Gleitmittel U2, das Sentonit enthalte, sowie einen Dichtstoff der Fa. E benutzt. Als Kfz-Mechaniker habe er häufig Altlacke von Fahrzeugen aus den 50er und 60er Jahren abgeschliffen und sei dabei einer erheblichen Staubbelastung ausgesetzt gewesen. Überdies legte der Kläger Sicherheitsdatenblätter vor und überreichte eine Stoffprobe mit der Angabe, dass es sich dabei um Unterbodenschutz der Fa. U1 handele, der von einem VW Käfer aus dem Baujahr 1966 stamme.
Zu den Schadstoffbelastungen erhob das SG von Amts wegen Beweis und vernahm zunächst den ehemaligen Baggerfahrer der Fa. F GmbH, X M, uneidlich als Zeugen. Dieser bekundete, dass im Rohrvortrieb Verbindungsfugen mit einem schwarzen Material, Teer oder Bitumen, ausgeschmiert worden seien. Das Material sei erhitzt und mit einem Spachtel aufgetragen worden, wobei Hautkontakt bestanden habe und aufsteigende Dämpfe eingeatmet worden seien.
Die österreichische Fa. X Handelsgesellschaft m.b.H. in C, die Unterbodenschutzprodukte herstellt, teilte dem SG unter dem 02.10.2002 mit, ihre Produkte enthielten keine aromatischen Amine. Das Umweltbundesamt in Berlin führte unter dem 31.10.2002 aus, dass der gezielte Einsatz von aromatischen Aminen oder Steinkohlenteer in Unterbodenschutzmitteln weder bekannt noch auszuschließen sei. Die Süd-Chemie AG in Moosburg gab am 07.10.2002 an, U2 enthalte keine organischen Amine. Die I C GmbH aus E legte am 30.10.2002 dar, dass ihr Dichtstoff Q® T der Marke E nicht teerhaltig sei. Das BIA in Sankt Augustin fand am 07.05.2003 in der Stoffprobe, die der Kläger vorgelegt hatte, kein 2-Naphtylamin oberhalb der Bestimmungsgrenze von 1 mg/kg (1ppm). Die T GmbH & Co. KG teilte am 16.08.2005 mit, dass Asphalt geschnitten, aber nicht erhitzt worden sei, verschlissene Schneideblätter seien vernichtet worden; Teerrückstande seien möglicherweise an Baggerlöffeln und -greifern vorhanden gewesen. Die M Stadtentwicklung GmbH & Co. KG in B bestätigte am 26.08.2005, dass bei der Sanierung des T-Platzes in B, an der die T GmbH & Co. KG beteiligt gewesen sei, teerhaltiges Schwarzdeckenmaterial aufgebrochen und entsorgt worden sei. Die Stadt B gab unter dem 29.08.2005 an, dass bei Kanalarbeiten, die die Fa. T GmbH & Co. KG in der B-Straße und der B1-Straße durchgeführt habe, kein kontaminiertes Material vorgefunden worden sei.
Der Dipl.-Chem. S führte in einer Stellungnahme vom 31.07.2003 für die Beklagte aus, dass Autolacke in geringen Mengen wasserunlösliche Azo-Pigmente enthielten, die jedoch nicht bioverfügbar und damit beim Auftragen mit Spritzpistolen auch nicht im Sinne der BK 1301 gefährdend seien. Teerrückstande seien nicht mit dem aromatischen und krebserregenden Amin Naphthylamin kontaminiert, das in frischem Teer enthalten sei. Denn Naphthylamin reagiere im Laufe der Zeit mit Luftsauerstoff und werde dadurch zersetzt. Alter Teerasphalt weise deshalb keine aromatischen Amine mehr auf, sodass keine Gefährdung durch Teerrückstände an Baumaschinen und -fahrzeugen bestanden hätten.
Die Dipl.-BioIogin H erklärte in ihrer Stellungnahme vom 28.08.2003 für die MMBG, dass auch beim Abschleifen von Lacken keine Gefährdung im Sinne der BK 1301 bestanden habe, da Autolacke in den 50er/60er Jahren in keinem nennenswerten Umfang Azofarbstoffe enthielten.
Dagegen gab die Dipl.-Ing. C in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 16.09.2003 für die TBG zu bedenken, dass eine Exposition gegenüber aromatischen Aminen nicht vollkommen ausgeschlossen sei, wenn der Kläger Fräsarbeiten an alten Teerdecken verrichtet und teerbehaftete Maschinenteile gereinigt habe. Denn Naphthylamin werde nur im Bereich der oberen Teerschicht, nicht jedoch in tieferen Schichten durch Sauerstoffkontakt zersetzt.
Hierzu erwiderte Dipl.-Chem. S unter dem 10.12.2003, dass in alten Asphaltdecken bislang kein Naphthylamin nachgewiesen worden sei. Selbst wenn der Kläger alte Teerdecken aufgefräst und die Fräsmaschinen gereinigt habe, tendiere die Belastung durch aromatische Amine gegen Null.
Anschließend holte das SG von Amts wegen ein Gutachten des Facharztes für Arbeits- und Umweltmedizin Prof. Dr. L ein, Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin am Universitätsklinikum der RWTH B. In seinem Gutachten vom 09.08.2004 und einer ergänzenden Stellungnahme vom 21.02.2005 verneinte der Sachverständige (SV) die haftungsbegründenden Voraussetzungen der BK 1301. Es sei keine arbeitsmedizinisch-toxikologisch relevante Exposition gegenüber aromatischen Aminen oder sonstigen Gefahrstoffen nachgewiesen, die beim derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand generell geeignet sei, Harnblasenkarzinome beim Menschen hervorzurufen. Schweißrauche, Benzol und andere Lösungsmittel verursachten keinen Harnblasenkrebs. Dieselabgase enthielten keine aromatischen Amine. Eine berufliche Belastung mit 2-Naphtylamin oder anderen krebserregenden aromatischen Aminen sei nicht erwiesen. Dies gelte auch für den Umgang mit "Teerdeckenausbrüchen". Das aromatische Amin o-Anisidin (2-Methoxyanilin), das der Unterbodenschutz der Fa.U1 in einer Konzentration von 2 ppm enthalte, rufe im Tierversuch Harnblasenkrebs hervor. Für den Menschen fehlten entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse, wobei im Fall des Klägers fraglich sei, ob o-Anisidin beim Auftragen des Unterbodenschutzes überhaupt freigesetzt, vom Kläger aufgenommen und über den Stoffwechsel ins Zielorgan "Harnblase" gelangt sei. In epidemiologischen Studien seien Kfz-Mechaniker bislang nicht als Berufsgruppe aufgefallen, die ein erhöhtes Harnblasenkrebsrisiko hatten.
Mit Urteil vom 27.10.2005 wies das SG die Klage ab. Es sei nicht wahrscheinlich, dass die Harnblasenkrebserkrankung auf die berufliche Belastung mit aromatischen Aminen zurückzuführen sei, die u.a. in AZO-Farbstoffen und Teer enthalten seien. Zur Begründung stützte es sich im Wesentlichen auf die Ergebnisse der arbeitstechnischen Ermittlungen und das Gutachten des Prof. Dr. L.
In der hiergegen eingelegten Berufung behauptete der Kläger, er habe während seines Berufslebens auch ausländische Lacke abgeschliffen und aufgetragen, die AZO-Farbstoffe enthielten. Bei seiner letzten Arbeitgeberin habe er - gemessen an der Gesamtarbeitszeit von 66 Std./Woche - durchschnittlich mindestens 35% bis 40% Lackier- und Spritzarbeiten verrichtet. Darüber hinaus habe er in geschlossenen Räumen zu mindestens 35% bis 40% Teerrückstande von verunreinigten Baugeräten und -maschinen (z.B. Teerkochern) abgeschabt, abgebrannt und mit Lösungsmitteln behandelt. Zudem habe er mit Fräsmaschinen Asphaltdecken aufgeschnitten, die nachweislich mit Teer belastet gewesen seien, wie aus den Lieferscheinen seiner letzten Arbeitgeberin aus den Jahren 1998/99 hervorgehe, die er vorlegte. Der SV Prof. Dr. L habe es versäumt, den Acetyliererstatus zu bestimmen, Dass frisches U der Fa. U1 nur maximal 2 ppm o-Anisidin enthalte, werde "mit Nichtwissen" bestritten. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass er Kontakt zu Petroleum und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) gehabt habe. Zudem habe er für die Fa. T GmbH & Co. KG eine alte Kokereigasleitung gereinigt und sei dabei mit kontaminierten Schlämmen in Berührung gekommen.
Die Beklagte legte eine Stellungnahme des Dipl.-Chem. S vom 05.04.2006 vor, der auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens des Klägers keine Exposition durch aromatische Amine oder Azofarbstoffe im Sinne der BK 1301 feststellen konnte. Er wiederholte im Wesentlichen die bereits vorliegenden Ermittlungsergebnisse und führte ergänzend aus, dass es sich bei den Schlämmen, mit denen der Kläger bei der Reinigung der alten Kokereigasleitung für die Fa. T GmbH & Co. KG in Kontakt gekommen sei, laut den Untersuchungsergebnissen um schwermetall- und kohlenwasserstoffhaltige Schlämme gehandelt habe. Aromatische Amine seien in keiner der Proben nachgewiesen worden.
Mit Urteil vom 23.08.2006 (Az. L 17 U 255/05) wies der erkennende Senat die Berufung zurück. Eine BK 1301 liege nicht vor. Zur Begründung führte es aus, es sei nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen, dass der Kläger berufsbedingt Umgang mit aromatischen Aminen gehabt habe. Selbst wenn man davon ausginge, dass er zumindest beim Aufbrechen teerhaltiger Asphaltdecken oder bei der Reparatur verunreinigter Baumaschinen einen Kontakt zu krebserregenden aromatischen Aminen gehabt habe, wäre ein Zusammenhang zwischen diesen (geringfügigen) Schadstoffbelastungen und dem Harnblasenkrebs nicht hinreichend wahrscheinlich. Dies ergebe sich aus dem Gutachten des Prof. Dr. L.
Die hiergegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wurde mit Beschluss des Bundessozialgerichts vom 10.01.2007 als unzulässig verworfen.
Im Juni 2011 stellte der Kläger bei der Beklagten telefonisch einen Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 09.08.2001. Er führte aus, dass in dem ursprünglichen Feststellungsverfahren einige Fehler gemacht worden seien. Es seien Belastungen unberücksichtigt geblieben, die ihm bei Arbeiten zur Sanierung von Kokereigasleitungen, beim Anschneiden alter Teerdecken im Bereich Jülich, bei Lackierarbeiten in geschlossenen Räumen ohne Absauganlage, bei Reparaturarbeiten an teerverarbeitenden Maschinen, beim Schweißen mit Chrom/Nickel-Elektroden an Baggerschaufeln und anderen Baugeräten, bei Arbeiten an asbestbelasteten LKW-Bremsanlagen und beim Reinigen verschmutzter Teile mit Petroleum entstanden seien. Außerdem machte er geltend, das Rundschreiben der DGUV Nr. 0124/11 zur BK 1301 führe zu einer neuen rechtlichen Beurteilung.
In der daraufhin von der Beklagten angeforderten Stellungnahme führte der Dipl.-Chem. S am 11.11.2011 aus, dass zu den vom Kläger nunmehr noch einmal aufgeführten Gefährdungen, denen er während seines Berufslebens ausgesetzt war, bereits im ersten Verfahren ausführlich Stellung genommen worden sei. Soweit der Kläger auf das DGUV-Rundschreiben 0124/211 vom 28.02.2011 Bezug nehme, ergäben sich daraus keine neuen Erkenntnisse für den hier zu beurteilenden Fall. Bei diesem Rundschreiben gehe es um eine Änderung der BKV zur BK 1301, in der das aromatische Amin o-Toluidin, das jetzt als krebserzeugend der Kategorie K1 eingestuft ist, zu den bisher bekannten K1-Aminen als Auslöser für Blasenkrebs hinzugenommen wurde. Dieses Amin sei wie das 2-Naphthylamin als Verunreinigung in Teerprodukten enthalten, aber auch wie dieses oxidationsempfindlich, so dass es in Altteer nicht mehr nachgewiesen werden konnte. Da für den Kläger kein konkreter Kontakt zu frischem Teer nachgewiesen werden konnte, sei für ihn auch eine Exposition zu o-Toluidin auszuschließen. In diesem Zusammenhang sei in der Stellungnahme der TBG vom 04.04.2001 schon festgestellt worden, dass bereits seit 1970 Mischgut auf Bitumenbasis eingesetzt wurde und deshalb eine Exposition durch aromatische Amine auszuschließen sei, da in Bitumen keine aromatischen Amine enthalten seien. Dies beziehe sich auf die ab 1971 durchgeführten Reparaturen von "Teermaschinen" durch den Kläger mit dem Entfernen von anbackendem Asphalt, der damals bereits bituminös gewesen sei. Im "BK-Report 2/2011 Aromatische Amine" würden die für die einzelnen Berufe und Tätigkeiten möglichen Expositionen durch krebserzeugende aromatische Amine beschrieben, wobei auch die vom Kläger geschilderten Arbeiten berücksichtigt seien. In diesem BK-Report seien alle alten und neuen Erkenntnisse zusammengefasst. Auch die neuen Erkenntnisse ergäben aber für die Tätigkeiten des Klägers ebenfalls keine Expositionen im Sinne der BK 1301. Somit ändere sich nichts an der früheren Bewertung, die zum LSG-Urteil geführt habe.
Gestützt auf diese Stellungnahme lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15.12.2011 eine Rücknahme des Bescheides vom 10.08.2001 ab. Sie führte hierzu aus, dass nach dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen bei Erlass des Bescheides vom 10.08.2001 das Recht nicht unrichtig angewandt und auch nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Da im Rahmen des Feststellungsverfahrens kein konkreter Kontakt zu frischem Teer nachgewiesen werden konnte, sei für den Kläger auch eine berufliche Exposition zu o-Toluidin ausgeschlossen.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.02.2012 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 22.03.2012 Klage vor dem SG erhoben. Zur Begründung hat er seinen bisherigen Vortrag wiederholt und außerdem beanstandet, die Beklagte sei unzutreffend davon ausgegangen, dass er keinen konkreten Kontakt zu frischem Teer gehabt habe. Darüber hinaus seien neuere Erkenntnisse der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von Mai/Juni 2012 über die krebserregende Wirkung von Dieselabgasen zu berücksichtigen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2012 sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 09.08.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2002 zu verurteilen, bei dem Kläger die Berufskrankheit nach Nr. 1301 der BKV anzuerkennen und dem Kläger Verletztenrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die getroffene Verwaltungsentscheidung für zutreffend gehalten und bezüglich einer Belastung mit Dieselabgasen darauf hingewiesen, dass diese keine aromatischen Amine enthalten.
Das SG hat zur Abklärung des Sachverhaltes und zur Frage, ob und in welchem Umfang der Kläger im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeiten aromatischen Aminen ausgesetzt war, zunächst ein arbeits- und sozialmedizinisches Gutachten von Dr. Q mit zwei ergänzenden Stellungnahmen eingeholt. Dr. Q ist in seinem Gutachten vom 30.07.2013 aufgrund einer Untersuchung des Klägers vom 11.06.2013 und unter Berücksichtigung der Verwaltungs- und Gerichtsakten zu dem Ergebnis gelangt, dass vorbehaltlich der Bestätigung der Techniker die beruflichen Einwirkungen als wesentliche Ursache für die bei dem Kläger vorliegende Harnblasenkarzinomerkrankung anzusehen seien. Neue Erkenntnisse sprächen dafür, dass der Kläger in nicht unerheblichem Umfang mit aromatischen Aminen in Kontakt gekommen sei. Ende des letzten Jahrzehnts hätten sich neue Erkenntnisse ergeben, welche belegten, dass Schmierfette und verschiedene technische Öle in den ersten zwei Jahrzehnten des Arbeitslebens des Klägers Antioxidantien auf dem Boden krebserzeugender aromatischer Amine enthielten. Deshalb könne dem Gutachten von Dr. L nun nicht mehr gefolgt werden. Außerberufliche Ursachen für die Erkrankung lägen nicht vor; er sei weit überwiegend Nichtraucher gewesen, er habe keine phenacetinhaltigen Schmerzmittel genommen, auch gehäufte Harnwegsinfekte seien vor Beginn der Erkrankung nicht aufgetreten, und der Kläger habe auch keine Bestrahlungsbehandlung des Unterleibs mit ionisierender Strahlung gehabt. Andererseits bestehe aber ein anlagebedingter Faktor, nämlich der Status des langsamen Acetylierers, welcher bei Kontakt zu aromatischen Aminen die Verursachungswahrscheinlichkeit von Harnblasenkarzinomen erhöhe. Außerdem sei der Kläger in einem sehr frühen Lebensalter erkrankt. Vorbehaltlich der Bestätigung der Techniker seien die beruflichen Einwirkungen als wesentliche Ursache anzusehen. Für die Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) empfehle er ein urologisches Gutachten.
Die Beklagte hat zu dem Gutachten eine Stellungnahme des Dipl.-Chem. S von ihrer Präventionsabteilung vom 18.10.2013 nebst einem Aufsatz aus der Zeitschrift "Gefahrstoffe-Reinhaltung Luft" (73/2013 Nr. 5) von Dr. Lichtenstein et al. zu dem Thema 2-Naphtylamin als Verunreinigung in alten Schmierfetten vorgelegt und unter Bezugnahme auf diese Stellungnahme geltend gemacht, dass eine generelle Exposition gegenüber 2-Naphthylamin bei der ungeschützten Bearbeitung (dermale Exposition) von Schmierfetten in der Vergangenheit nicht angenommen werden könne.
In seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 09.11.2013 und 24.01.2014 hat Dr. Q dann seine Beurteilung revidiert. In der Stellungnahme vom 09.11.2013 hat er nun ausgeführt, eine BK 1301 könne entgegen seinen Ausführungen in dem Gutachten doch nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden; die Möglichkeit eines Kausalzusammenhangs sei allerdings nicht auszuschließen. Er habe unter Berücksichtigung des BK-Reports 2/2011 "Aromatische Amine" zunächst eine Exposition gegenüber aromatischen Aminen, insbesondere Phenyl-2-Naphthylamin angenommen und deshalb den Kausalzusammenhang einer BK 1301 bejaht. Der BK-Report habe nämlich annehmen lassen, dass Phenyl-2-Naphthylamin in den 70er und 80er Jahren Bestandteil von Kühlschmierfetten gewesen sei, sodass eine Exposition gegenüber aromatischen Aminen, welche gut hautresorptiv seien, in relevantem Maße angenommen wurde. Zwischenzeitlich seien Fettproben aus den 70er und 80er Jahren aus den neuen und alten Bundesländern von Dr. Lichtenstein und seinen Co-Autoren (2013) untersucht worden. Die Ergebnisse hätten gezeigt, dass naphthylaminhaltige Schmierfette nur in DDR-Produkten der Fa. Ceritol gefunden worden seien. In den alten Bundesländern seien keine Antioxidantien auf der Basis von aromatischen Aminen gefunden worden. Leider habe sich die Untersuchung durch Dr. Lichtenstein et al. mit seiner Gutachtenerstattung überschnitten, sodass die Ergebnisse in seinem Gutachten noch nicht berücksichtigt worden seien. Selbst wenn die Schmierfette, mit denen der Kläger Kontakt hatte, gering durch aromatische Amine verunreinigt gewesen sein sollten (in einer Größenordnung von 0,05 mg/kg), sei dies nicht ausreichend für die Annahme einer haftungsbegründenden Kausalität einer BK 1301; denn hierzu bedürfe es einer höheren Exposition. Die resorbierte Menge sollte zumindest im Milligrammbereich liegen. Eine solche sei bei ausschließlich dermaler Exposition, wenn auch über Jahre, und unter Berücksichtigung des Tätigkeitsprofils des Klägers nicht schlüssig.
Der Kläger hat erklärt, es könne nicht festgestellt werden, dass es sich bei der Festschrift, auf die Dr. Q Bezug genommen habe, um eine amtliche Studie oder eine repräsentative wissenschaftliche Arbeit handele. Im Übrigen beziehe sich diese Festschrift auf Fettproben aus den 70er und 80er Jahren; bei ihm seien aber Belastungen ab dem Jahre 1963, in dem er seine Lehre aufgenommen habe, zu berücksichtigen. Die Belastung sei zwischen 1971 und 1980 etwa 17 Mal höher gewesen als danach. Er habe ständig in immensem Umfang mit in der Regel rot oder rötlich eingefärbten Fetten gearbeitet. Außerdem habe er nicht nur mit besagten Fetten gearbeitet, sondern sei auch lange Jahre krebserregendem Dieselruß ausgesetzt gewesen.
Hierzu hat Dr. Q in einer Stellungnahme vom 24.01.2014 darauf hingewiesen, dass es sich bei der von ihm in Bezug genommenen Veröffentlichung in der Zeitschrift "Gefahrstoffe Reinhaltung Luft" um eine renommierte Fachzeitschrift handele, welche in jeder Hinsicht wissenschaftlichen Ansprüchen mehr als genüge. Die Problematik krebserzeugender Amine in Schmierstoffen sei Gegenstand aktueller Forschungen. Bei der gegenwärtigen Datenlage könne aber der Vollbeweis einer ausreichend hohen und lang dauernden Exposition des Klägers gegenüber aromatischen Aminen nicht geführt werden. Die Frage der Einfärbung von Schmierstoffen mit Azofarbstoffen sei dahingehend zu kommentieren, als es zur Einfärbung von Fetten nur geringster Mengen von Farbstoff bedürfe, um eine intensive Färbung hervorzurufen. Azofarbstoffe enthielten nicht immer o-Toluidin, welches als krebserzeugendes aromatisches Amin gelte, als Kupplungskomponente. Nur wenn es zu einer Spaltung des Farbstoffmoleküls auf der Haut komme, könne dieses o-Toluidin über die Haut in den Körper gelangen. Eine solche Spaltung der Ausgangskomponenten des Farbstoffs erfolge nur zu einem geringen Bruchteil der Gesamtmenge, welche auf die Haut gelange. Hiervon werde nur ein Teil in den Körper resorbiert. Es sei bekannt, dass o-Toluidin nur eine vergleichsweise geringe Kanzerogenität im Hinblick auf das Urothel besitze, sodass es einer Hautresorption im zweistelligen Grammbereich bedürfe, um mit einer Risikoerhöhung für Urothelkarzinome einherzugehen. Es sei zweifelhaft, dass es bei ausschließlichen Kontaminationen im Handbereich überhaupt zu einer solchen relevanten Aufnahme von o-Toluidin in den Körper komme.
Auf Antrag des Klägers hat das SG schließlich nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein arbeitsmedizinisches Gutachten von Prof. Dr. C2, Direktor des Instituts für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IPA), eingeholt. Prof. Dr. C2 ist in seinem Gutachten vom 15.09.2014 aufgrund einer Untersuchung des Klägers vom 05.08.2014 und unter Berücksichtigung der Verwaltungs- und Gerichtsakten ebenfalls zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Zusammenhang zwischen den beruflichen Belastungen des Klägers und der bei ihm vorliegenden Harnblasenkrebserkrankung nicht wahrscheinlich gemacht werden könne. Den Vorgutachten der Prof. C und L und des Dr. Q stimme er zu. Gemäß den Beschreibungen des Klägers habe er als Kfz-Mechaniker bzw. Lkw- und Baumaschinenschlosser zwischen 1964 und 1999 (mit Unterbrechungen durch den Wehrdienst 1969 bis 1970 und 1980 bis 1984 in einer Reparaturlackiererei) regelmäßig Umgang mit Schmierfetten gehabt. Dabei sei es zu dermalen Kontakten vornehmlich an den Händen, teilweise auch an den oberen Extremitäten bis zu den Oberarmen gekommen. Aufgrund der Publikation zur Verunreinigung von Staufferfetten mit aromatischen Aminen (Lichtenstein et al. 2013) sei nach derzeitigem Kenntnisstand fraglich, ob Fetten und Ölen aus westdeutscher Produktion N-Phenyl-2-Naphthylamin zugesetzt gewesen sei. Bei den vom Kläger beschriebenen Tätigkeiten "Instandhaltung und Reparaturen von Baumaschinen bei mehreren Tiefbauunternehmen ab 1971" und der Reparatur von Teerkochern sowie der Entfernung von "Verschmutzungen" an Fahrzeugen, Baumaschinen und "Teerkochern" von Tiefbauunternehmen 1978-1980 sei von einer Exposition des Klägers durch aromatische Amine auszugehen. Die Verwendung von reinem Straßenteerpech, in dem aromatische Amine nachgewiesen werden konnten, habe zwar praktisch Ende der sechziger Jahre geendet. Allerdings habe noch bis etwa Mitte der siebziger Jahre sogenanntes Carbobitumen, eine Mischung aus ca. 75-80 % Bitumen und 25-30 % Straßenteerpech, anteilig Verwendung im Straßenbau gefunden. Die Gesamtbelastungsdosis sei aber selbst bei einer worst-case Annahme zu gering, um von einem Zusammenhang zwischen dieser Belastung und dem beim Kläger vorliegenden Harnblasenkrebs auszugehen. Hierbei beziehe er sich auf das von seinem Institut entwickelte Modell (Weiß et al. 2010), das aufbauend auf einer Analogiebetrachtung zum Tabakrauchen sowie einer relativen Einschätzung der kanzerogenen Wirkstärken der humankanzerogenen aromatischen Amine 4-Aminobiphenol, 2-Naphthylamin und o-Toluidin auf Basis von Untersuchungen an Hunden entsprechende Dosis-Risiko-Beziehungen für den Menschen abschätze. Danach wäre eine Dosis von 6 mg 2-Naphthylamin mit einem verdoppelten Risiko assoziiert. Für 4-Aminodiphenyl gelte eine Dosis von 1,2 mg und für o-Toluidin eine Dosis von 30 000 mg.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 15.12.2014 erneut umfangreiche Ausführungen zu seinen beruflichen Tätigkeiten und Schadstoffbelastungen gemacht und hierfür Zeugenbeweis angeboten. Prof. Dr. C2 habe den Umfang der stattgehabten Exposition in Bezug auf krebserzeugende Gefahrstoffe nicht ausreichend berücksichtigt. Das Gutachten enthalte auch keinerlei Ausführungen zu den Belastungen durch Dieselabgase. Weitere Ermittlungen seien angezeigt.
Mit Urteil vom 28.01.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe zutreffend eine Rücknahme des Bescheides vom 09.08.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2002 abgelehnt, da dieser nicht unrichtig gewesen sei und die Beklagte auch nicht von einem Sachverhalt ausgegangen sei, der sich als unrichtig erwiesen habe. Die Beklagte habe die Anerkennung der BK 1301 zu Recht abgelehnt, weil die entsprechenden Voraussetzungen hierfür nicht vorlägen. Nach dem Gesamtergebnis der Ermittlungen im Rahmen des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens könne zwar nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeit im gewissen Umfang aromatischen Aminen ausgesetzt gewesen war; der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen dieser Schadstoffexposition und dem Ausbruch der Harnblasenkrebserkrankung lasse sich jedoch aufgrund der Gutachten und ergänzenden Stellungnahmen des Dr. Q und des Prof. Dr. C2, die sich auch mit den Darlegungen des Prof. Dr. L deckten, nicht feststellen.
Gegen das ihm am 10.02.215 zugestellte Urteil hat der Kläger am 06.03.2015 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem sozialgerichtlichen Verfahren. Er ist der Auffassung, das SG hätte seinen Ausführungen in dem Schriftsatz vom 15.12.2014, in dem er dargelegt habe, in welchem Umfang er tatsächlich krebserzeugenden Immissionen ausgesetzt gewesen sei, nachgehen müssen. Alle vom SG gehörten Sachverständigen hätten sich auf die Publikation von Dr. Lichtenstein et al. aus dem Jahre 2013 bezogen, die selbst nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erhoben habe. Im Übrigen sei in dieser Abhandlung unterschieden worden zwischen den Naphtylamin-Gehältern in den Jahren zwischen 1960 und 1980. Aus den Gutachten sei nicht ersichtlich, dass und inwieweit berücksichtigt wurde, dass er auch und insbesondere in den Jahren 1960 bis 1980 diesen Stoffen ausgesetzt gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 28.01.2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 15.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2012 unter Zurücknahme des Bescheides vom 09.08.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2002 aufzuheben und bei ihm die Berufskrankheit nach Nr. 1301 der Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen und ihm Verletztenrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie weist erneut darauf hin, dass Gegenstand der Prüfung einzig und allein die Exposition gegenüber aromatischen Aminen sei. Soweit der Kläger auf blasenkarzinogene Wirkungsweisen von PAH`s in Dieselstoffen abstelle, handele es sich nicht um aromatische Amine, sondern um aromatische Kohlenwasserstoffverbindungen. Auch die sonstigen Gefahrstoffexpositionen, die der Kläger im Verlauf der verschiedenen Verfahrenszüge immer wieder vorgetragen habe, fielen nicht unter eine BK 1301.
Auf Veranlassung des Senats hat Dr. Q unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers in dem Schriftsatz vom 15.12.2014 eine ergänzende Stellungnahme abgegeben. In seiner Stellungnahme vom 05.05.2015 hat er erklärt, er sei nicht in der Lage die Angaben des Klägers zu prüfen und zu verifizieren. Die Auseinandersetzung mit den technischen Gegebenheiten sei nicht Aufgabe des Arbeitsmediziners, sondern des TAD der Beklagten. Aus dem lange zurückliegenden Zeitraum lägen kaum Daten vor, welche im konkreten Fall die Quantität der Exposition gegenüber aromatischen Aminen einigermaßen nachhalten lasse. Er rate, Prof. Dr. C2 noch einmal einzuschalten. Im Übrigen hat er darauf hingewiesen, dass die Arbeit von Lichtenstein et al. in die neueste Auflage des BK-Reports "Aromatische Amine 2014" eingearbeitet worden sei.
In seiner daraufhin eingeholten Stellungnahme vom 02.09.2015 ist Dr. C2 von den Angaben des Klägers vom 15.12.2014 ausgegangen, aus denen sich aber hinsichtlich der Qualität und Quantität beruflich bedingter Expositionen keine neuen Erkenntnisse ergäben. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den beruflichen Tätigkeiten, dem Umgang mit aromatischen Aminen und der aufgetretenen Harnblasenerkrankung könne nicht begründet werden. Bezüglich des auch für Fette eingesetzten Alterungsschutzmittels N-Phenyl-2-Naphthylamin und seiner Verunreinigung mit dem humankanzerogenen aromatischen Amin 2-Naphthylamin gebe es keine Hinweise darauf, dass entsprechenden Fetten aus westdeutscher Produktion N-Phenyl-2-Naphthylamin oder 2-Naphthylamin zugesetzt gewesen sei. Der Vollbeweis einer entsprechenden Exposition stehe somit aus. Bezüglich der Rückstände von Asphalt auf Basis von Carbobitumen, wobei das im Carbobitumen enthaltene Straßenteerpech die humankanzerogenen aromatischen Amine 2-Naphthylamin, 4-Aminobiphenyl und o-Toluidin enthalten habe, sei auch unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers und bei Annahme von worst-case Bedingungen davon auszugehen, dass bei Reparaturarbeiten an carbobitumen-verschmutzten Fahrzeugen, Baumaschinen und Baugeräten die Summe an inhalativer, dermaler und oraler Aufnahme allenfalls im niedrigen einstelligen Prozentbereich derjenigen Dosis liegen konnte, die nach wissenschaftlichen Erkenntnissen (Weiß et al. 2010) mit einer Risikoverdopplung assoziiert sei. Eine Exposition gegenüber Dämpfen und Aerosolen aus Steinkohlenteerpech bei der Reparatur von "Teerkochern" und anderen "teerbehafteten" Maschinen sei in dem streitgegenständlichen Zeitraum von Mai 1978 bis April 1981 unwahrscheinlich. Denn ab Mitte der 70er Jahre sei kein Asphalt mit teerhaltigem Bindemittel mehr verarbeitet worden. Auch im Baubereich seien ab dieser Zeit z.B. von Dachdeckern und Bauwerksisolierern eingesetzte Materialien, wie Dachbahnen, auf Bitumenbasis verarbeitet worden, das keine humankanzerogenen aromatischen Amine enthalte. Etwas anderes ergäbe sich auch nicht, wenn die - nach Angaben des Klägers mehr als zehn Jahre nicht benutzten und dann wieder instandgesetzten Baustellenfahrzeuge - noch mit Bindemittel auf Basis von Steinkohlenteer belastet gewesen sein sollten. Denn diese Asphaltrückstände enthielten nach so langer Zeit keine relevanten Mengen an aromatischen Aminen mehr, da sich diese mit der Zeit abbauten/zersetzten. Der Kläger sei auch keiner relevanten Exposition gegenüber Kokereigasen, die humankanzerogene aromatische Amine enthielten, ausgesetzt gewesen. Eine entsprechende Exposition bestehe nämlich vornehmlich auf der oberen Decke von Kokereien. Dort sei der Kläger nach Aktenlage nicht tätig gewesen. Es sei auch nicht bekannt, das Hydrauliköle relevante Mengen an humankanzerogenen aromatischen Aminen enthielten oder Hydraulikölen Stoffe zugesetzt waren, die humankanzerogene aromatische Amine in relevanten Mengen freisetzen könnten. o-Anisidin sei ein krebserregendes aromatisches Amin, es sei jedoch nicht bekannt, dass dieses bei Menschen Harnblasenkrebserkrankungen auslösen könne. Seit Anfang der siebziger Jahre seien Tönpasten auf der Basis von Azofarbmitteln im Handel. Diese fänden aber überwiegend Anwendung in leuchtenden Farben, z.B. bei Rettungsfahrzeugen; sie machten nach Herstellerangaben ca. ein Prozent der infrage kommenden Pigmente aus. Im Übrigen seien die dafür verwendeten Azopigmente in Wasser unlöslich und somit nicht bioverfügbar. Chrom VI- und nickelhaltige Schweißrauche seien zwar humankanzerogen; es sei jedoch nicht bekannt, dass diese beim Menschen Harnblasenkrebs auslösen können. Die Belastung durch Dieselabgase bzw. Dieselruß und zähle nicht zu den Noxen, die unter die BK 1301 fallen.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 14.10.2016 unter Bezugnahme auf Urteile des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20.02.2008 (S 1 U 812/07) und des Hessischen LSG vom 03.11.2004 (L 3 U 1613/97) sowie einen Auszug aus dem IPA-Journal 3/2014 mit einem Bericht des Sachverständigen Prof. Dr. C2 darauf hingewiesen, dass die Anerkennung einer BK 1301 auch bei nur geringer beruflicher Belastung mit aromatischen Aminen in Betracht komme. Abgesehen davon sei Prof. Dr. C2 auch an verschiedenen Stellen seines Gutachtens von falschen Voraussetzungen ausgegangen. Dem Schriftsatz beigefügt hat er eine Fettdose der Firma S aus L mit Inhalt, die er, nach eigenen Angaben, auf dem früheren Betriebsgelände der Fa. PL I gefunden hat.
Prof. Dr. C2 ist dann erneut um eine ergänzende Stellungnahme unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers im Schriftsatz vom 14.10.2016 gebeten worden. In seiner Stellungnahme vom 25.01.2017 hat er zusammenfassend festgehalten, dass sich durch die Angaben des Klägers hinsichtlich der Qualität und Quantität beruflich bedingter Expositionen keine neuen Erkenntnisse ergäben. Ein ursächlicher Zusammenhang könne auch dann nicht wahrscheinlich gemacht werden, wenn man davon ausginge, dass das bei der Fa. PL I vom Kläger verarbeitete Schmierfett N-Phenyl-2-Naphthylamin als Oxidationsinhibitor enthalten habe, sodass eine Analyse des vom Kläger beigebrachten Schmierfettes nicht als zielführend zu erachten sei.
Der Kläger hat schließlich beanstandet, es habe keine Arbeitsplatzexposition in erforderlicher Weise stattgefunden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten und Vorprozessakten L 17 U 255/05 sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen. Ihre Inhalte sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert, da dieser nicht rechtswidrig ist (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den Bescheid vom 09.08.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2002 zurückzunehmen, da dieser nicht rechtswidrig war.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Bescheid vom 09.08.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2002 ist nicht rechtswidrig, da bei dem Kläger keine BK 1301 vorlag.
Rechtsgrundlage für die Anerkennung der begehrten BKen ist § 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) i.V.m. Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKV. BKen sind gem. § 9 Abs. 1 SGB VII nur diejenigen Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet (Listen-BK) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. In beweisrechtlicher Hinsicht müssen die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Hingegen genügt für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 23.04.2015 - B 2 U 06/13 R - m.w.N.; juris).
Voraussetzung der hier allein streitigen BK 1301 sind Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine.
Der Kläger leidet zwar unstreitig an einem Krebs der Harnwege. Dieser ist aber nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Exposition mit aromatischen Aminen zurückzuführen.
Wegen der Begründung nimmt der Senat zunächst Bezug auf die Entscheidungsgründe in dem angefochtenen Urteil (§ 153 Abs. 2 SGG) und dem Urteil des LSG vom 23.08.2006 (L 17 U 255/05), das zwischen den Beteiligten ergangen ist (vgl. Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Auflage, § 136 Rn. 7c). Diese macht er sich nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage zu Eigen.
Der nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X erforderliche Vollbeweis der Rechtswidrigkeit des bestandskräftig gewordenen Bescheides vom 09.08.2001 ist auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren nicht zu führen.
Prof. Dr. C2 hat in seinen Stellungnahmen vom 02.09.2015 und 14.10.2016 ausführlich und überzeugend dargelegt, dass selbst bei worst-case Annahmen die beruflichen Belastungen durch aromatische Amine zu gering gewesen wären, um einen ursächlichen Zusammenhang mit dem beim Kläger vorliegenden Harnblasenkrebs wahrscheinlich zu machen. Hierbei hat er sämtliche Angaben des Klägers zu seinen Tätigkeiten aus dem Schriftsatz vom 15.12.2014 zugrunde gelegt und sich mit allen Einwänden des Klägers begründet und nachvollziehbar und in Übereinstimmung mit den Erkenntnissen der verschiedenen Präventionsdienste aus den vorangegangenen Verwaltungs- und Streitverfahren auseinandergesetzt. Wegen der detaillierten Begründung zu den unterschiedlichen Belastungen nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die im Tatbestand zusammengefassten Stellungnahmen des Prof. Dr. C2 vom 02.09.2015 und 14.10.2016 Bezug.
Dem Senat ist bewusst, dass dem Wortlaut der BK 1301 keine Dosis-Wirkungs-Beziehung im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit der berufsbedingten Krankheitsentstehung zu entnehmen ist. Dies führt allerdings nicht dazu, jede Exposition für eine einschlägige Krebserkrankung mit der Begründung als wahrscheinlich ursächlich dafür anzusehen, dass auch eine beliebige Dosis grundsätzlich als kanzerogen in Betracht komme. Vielmehr setzt § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII auch insoweit eine durch besondere berufliche Einwirkungen vermittelte Zurechnung voraus. Ob in dieser Hinsicht von einer Risikoverdopplung nur bei einem Orientierungswert von 6 mg 2-Naphthylamin auszugehen ist, wie es Prof. Dr. C2 aufgrund des Modells nach Weiß et al. (wofür kein Konsens besteht, siehe hierzu Hessisches LSG, Urteil vom 21.02.2017 - L 3 U 9/13 -) angenommen hat, kann vorliegend offen bleiben. Denn jedenfalls dann, wenn dieser durch die angeschuldigte Exposition so deutlich unterschritten wird, dass die durch ihn indizierte Gefährdung nicht annähernd erreicht wird, sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der BK 1301 zu verneinen (so auch LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19.03.2015 - L 6 U 79/09 -). Eine Belastung des Klägers durch aromatische Amine ergibt sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nur für seine Tätigkeiten, bei denen er Kontakt mit Teer hatte. Hierfür aber hatte Prof. Dr. C2 selbst unter der Annahme von worst case-Bedingungen lediglich eine Belastung von 2,5 % des Dosismaßes von 6 mg angenommen. Selbst unterstellt, dass das bei der Fa. P.L. I vom Kläger verarbeitete Schmierfett N-Phenyl-2-Naphthylamin enthalten hätte, käme nach den Ausführungen des Prof. Dr. C2 - ebenfalls unter Annahme von worst-case Bedingungen - lediglich eine Belastung von 1 % des Dosismaßes von 6 mg hinzu. Auf eine Zurechnungsprüfung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und eine hierbei anzustellende Kausalitätsbewertung des medizinischen Einzelfalls kommt es dann nicht mehr an (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17.02. 2009 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 31; Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 m.w.N.). Unerheblich ist deshalb auch, dass der Kläger schon im Vergleich zum mittleren Erkrankungsalter von 73 Jahren (siehe Gutachten Prof. Dr. C2) deutlich früher, nämlich mit 51 Jahren, an dem Harnblasenkarzinom erkrankt war und ob er Raucher war, was aufgrund unterschiedlicher Angaben des Klägers zumindest immer wieder im Raume stand.
Den vom Kläger angeführten Urteilen des Sozialgerichts Karlsruhe und des Hessischen LSG vermag der Senat aus den genannten Gründen nicht zu folgen. Im Übrigen lagen diesen Urteilen jeweils positive Sachverständigengutachten zugrunde. Vorliegend bestätigt aber kein einziger Sachverständiger einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den beruflichen Belastungen des Klägers durch aromatische Amine und der Harnblasenkrebserkrankung.
Weitere Ermittlungen hält der Senat nicht für erforderlich. Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Dr. Q vom 05.06.2015 beanstandet, es habe bisher keine Arbeitsplatzexposition in erforderlicher Weise stattgefunden, vermag der Senat dies nicht nachzuvollziehen. Sowohl im erstmaligen Feststellungsverfahren, in den nachfolgenden Verwaltungsverfahren, im Vorprozess (S 9 U 14/02 - L 17 U 255/05) und auch im vorliegenden Verfahren sind umfangreiche arbeitstechnische Ermittlungen durchgeführt worden. Dem Senat erschließt sich nicht, welche Ermittlungen noch durchgeführt werden könnten, zumal der Kläger selbst hierzu keine Angaben gemacht hat. Auch Dr. Q hat lediglich erklärt, dass die Auseinandersetzung mit den technischen Gegebenheiten nicht zum Aufgabenbereich des medizinischen Sachverständigen gehört, sondern vom TAD der Beklagten zu leisten ist. Er hat aber nicht behauptet, dass die bisherigen Ermittlungen unzureichend erfolgt sind, sondern vielmehr unmissverständlich darauf hingewiesen, dass aus dem lange zurückliegenden Zeitraum kaum noch Daten vorliegen, die die Quantität der Exposition gegenüber aromatischen Aminen im Fall des Klägers nachhalten lassen. Abgesehen davon hat Prof. Dr. C2 die Angaben des Klägers aus dessen Schriftsatz vom 15.12.2014 auf Aufforderung des Senats zu Gunsten des Klägers auch ohne Überprüfung bereits unterstellt.
Soweit der Kläger immer wieder auch auf andere Schadstoffbelastungen, wie z.B. durch Dieselabgase, Asbest und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe hingewiesen hat, sind diese für die Anerkennung der BK 1301, die nur aromatische Amine betrifft, nicht relevant.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Revisionszulassung nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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