L 8 SB 1168/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SB 1612/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 1168/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 23.02.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Kosten des gemäß § 109 SGG bei Dr. V. eingeholten Sachverständigengutachtens vom 28.06.2018 nebst den baren Auslagen der Klägerin werden nicht auf die Staatskasse übernommen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf höhere (Neu-)Feststellung des Grades der Behinderung (GdB; 80 statt 40) seit 20.09.2013 und auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen zur Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen (hier: Merkzeichen "G") zusteht.

Der am 1966 geborenen Klägerin, türkische Staatsangehörige (zum Aufenthaltstitel vgl. Blatt 3 der Beklagtenakte), war zuletzt mit Bescheid des Versorgungsamts R. vom 12.01.1999 (Blatt 60 der Beklagtenakte) ein GdB von 20 zuerkannt worden (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Wirbelsäulensyndrom mit Nervenwurzelreizerscheinungen, depressive Verstimmung).

Am 20.09.2013 beantragte die Klägerin die höhere (Neu-)Feststellung des GdB sowie die Feststellung des Merkzeichens "G" (Blatt 101/107 der Beklagtenakte). Zu diesem Antrag verwies sie auf Wirbelsäulenleiden, Knie- und Ellenbogengelenkserkrankung, Arthrose, Depression, somatische Schmerzstörung, Tinnitus, Schwerhörigkeit und eine Schlafapnoe.

Das LRA zog vom Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. A. , vom Neurologen und Psychiater Dr. B. , vom HNO-Arzt Dr. E. , vom Orthopäden/Rheumatologen Dr. D. sowie vom Internisten und Endokrinologen Dr. D. Befundbeschreibungen bei (dazu vgl. Blatt 115, 116/117, 118/131, 134/137, 148, 151/153 der Beklagtenakte). Die Klägerin verwies auf eine anstehende Schilddrüsenoperation (Schreiben vom 29.10.2013 und 07.11.2013, Blatt 140, 144 der Beklagtenakte) und übersandte weitere Unterlagen und Berichte (Blatt 141/143, 146/147 der Beklagtenakte).

Der Versorgungsarzt Dr. E. schätzte den GdB in seiner Stellungnahme vom 16.01.2014 (Blatt 156/157 der Beklagtenakte) auf 20. Ihm folgend lehnte das LRA mit Bescheid vom 27.01.2014 (Blatt 158/159 der Beklagtenakte) die höhere Feststellung des GdB und das Merkzeichen "G" ab. Den nicht näher begründeten Widerspruch vom 03.03.2014 (Blatt 161 der Beklagtenakte) wies der Beklagte durch das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – zurück (Widerspruchsbescheid vom 23.05.2014, Blatt 166 der Beklagtenakte).

Am 09.06.2014 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Konstanz Klage erhoben und einen GdB von 80 sowie das Merkzeichen "G" begehrt. Die einzelnen Gesundheitsstörungen seien höher zu bewerten. Die Zuerkennung des Merkzeichens "G" resultiere aus der korrekten Bewertung des Wirbelsäulenbefundes der LWS und dem chronischen Schmerzsyndrom sowie der nicht ganz unerheblichen Adipositas (111 kg bei 160 cm). Es sei unschwer vorstellbar, dass sie nicht in der Lage sei, ortsübliche Gehstrecken innerhalb des Zeitlimits zurückzulegen.

Die Klägerin hat den Reha-Bericht der M.-Klinik vom 13.06.2014 und den Bericht des Dr. D. vom 04.07.2014 (Blatt 13/24 der SG-Akte) vorgelegt, woraufhin der Beklagte angeboten hat, den GdB seit 20.09.2013 mit 40 festzustellen (Blatt 46/47 der SG-Akte).

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. hat dem SG am 26.01.2015 geschrieben (Blatt 54/70 der SG-Akte), es handele sich bei der Klägerin "um eine chronifizierte depressive Störung bei etwas wechselhaftem Verlauf zumindest mittelschwer". Der GdB sei auf nervenärztlichem Fachgebiet auf 70 einzuschätzen. Dr. A. hat dem SG mit Schreiben vom 24.01.2015 (Blatt 71/120 der SG-Akte) mitgeteilt, in der ihm überlassenen versorgungsärztlichen Stellungnahme seien die Funktionsbehinderungen vollständig erfasst, die Bewertung sei nicht zutreffend, es sei ein orthopädisches Gutachten erforderlich. Der Orthopäde und Rheumatologe Dr. D. hat am 09.02.2015 (Blatt 121/130 der SG-Akte) ein Fibromyalgiesyndrom, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, ein chronisches LWS-Syndrom bei Spondylolisthese L5/S1 und eine sternosymphysale Belastungshaltung bei muskulärer Haltungsinsuffizienz mitgeteilt. Der GdB sei zutreffend bewertet.

Der Internist und Rheumatologe Dr. K. hat ausgeführt (Schreiben vom 17.02.2015, Blatt 131/139 der SG-Akte), dass eine Depression und ein Fibromyalgie-Syndrom bestünden. Zur GdB-Bewertung könne keine Stellung genommen werden.

Das SG hat nunmehr Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 28.08.2015 (Blatt 147/165 der SG-Akte; Untersuchung der Klägerin am 29.07.2015) eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichtgradiger Ausprägung, ein chronisches Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren, eine Spondylolisthesis LWK5/SWK1, eine Adipositas per magna (BMI 48) und einen Tinnitus links diagnostiziert. Die seelische Störung sei mit einem GdB von 30, die Wirbelsäule mit einem GdB von 20 zu bewerten.

Der Klägerin erschien das Vergleichsangebot "weiterhin als nicht akzeptabel" (Schreiben vom 08.09.2015, Blatt 167 der SG-Akte). Sie hat den Bericht des ZfP W. vom 29.12.2015 (Blatt 174/177 der SG-Akte) vorgelegt.

Mit Gerichtsbescheid vom 23.02.2016 hat das SG den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 27.01.2014 und des Widerspruchsbescheids vom 23.05.2014 verurteilt, bei der Klägerin ab 20.09.2013 einen GdB von 40 anzuerkennen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die bestehende depressive Störung und das chronische Schmerzsyndrom rechtfertigten einen GdB von 30, die Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule einen solchen von 20. Der Gesamt-GdB betrage 40. Die Klägerin erfülle aber nicht die Voraussetzungen des Merkzeichens "G".

Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 25.02.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 29.03.2016 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Das Gutachten von Dr. B. sei nun einmal so ausgefallen, wie Gutachten von Dr. B. auszufallen pflegten. Die handwerklichen Fehler begännen bereits damit, dass von dem nunmehr wirklich reichhaltigen testpsychotogischen Instrumentarium nichts angewendet worden sei. Woher Dr. B. also seine Auffassung konkret herleiten möchte, bleibe auch nach mehrfacher Lektüre des Gutachtens völlig verschlossen. Seltsamerweise sei es dann auch nur das Gutachten von Dr. B. , wo sie, was ihre depressive Erkrankung anbelange, nunmehr seltsamerweise plötzlich so sagenhaft günstig abschneide. Das Ganze lese sich an anderer Stelle und bei anderen Ärzten, die (auch) etwas von Neurologie und Psychiatrie verstünden, dann allerdings ganz anders. Sie sei von Seiten mehrerer Ärzte jeweils unabhängig als schwer depressiv eingestuft worden, lediglich Dr. B. komme zum Ergebnis, dass es sich lediglich um eine leichtgradige Ausprägung handle. Entweder verfüge also Dr. B. über eine ganz besondere und außergewöhnliche "therapeutische Aura" mit der Folge, dass sich der Zustand des jeweiligen Probanden gerade im Zeitpunkt der Begutachtung durch ihn günstiger darstelle - wobei diese Spontanheilung allerdings eine außerordentlich kurze Halbwertzeit besitze - oder das Gutachten leide an sonstigen irreparablen Fehlern oder komme aus anderen Gründen zu einer jedenfalls unzutreffenden Einschätzung. Nachdem hier nicht nur eine depressive Erkrankung zu diskutieren sei, sondern auch ein chronisches Schmerzsyndrom, wäre, wenn man schon beide Befunde zusammenfasse, wenigstens ein Einzel-GdB von 40, gegebenenfalls sogar mehr, anzunehmen.

Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 23.02.2016 abzuändern und den Beklagten unter weiterer Abänderung des Bescheides vom 27.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2014 zu verurteilen, bei ihr einen GdB von insgesamt 80 seit 20.09.2013 festzustellen sowie das Merkzeichen "G" festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat die Akten der Deutschen Rentenversicherung beigezogen und Beweis erhoben durch schriftliche Befragung des Dr. A. , Facharzt für Anästhesiologie, als sachverständigen Zeugen. Dieser hat am 01.12.2016 geschrieben (Blatt 34/35 der Senatsakte) bei der Klägerin bestünden chronische unbeeinflussbare Schmerzen, ein Fibromyalgiesyndrom, ein chronisches Schmerzsyndrom, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode und eine somatoforme Schmerzstörung.

Der Senat hat des Weiteren Beweis erhoben durch Einholung von Gutachten bei Dr. S. , Dr. W. , Dr. R. und Dr. V. (§ 109 SGG). Der Internist, Betriebs- und Sozialmediziner Dr. S. hat in seinem Gutachten vom 24.03.2017 (Blatt 40/52 der Senatsakte; Untersuchung der Klägerin am 15.02.2017) eine Hypothyreose bei Schilddrüsenautonomie (geplante Radiojodtherapie), Adipositas Grad III, überwiegend überlastungsbedingte Wirbelsäulenbeschwerden und eine depressive Verstimmung angegeben und den GdB auf insgesamt 40 geschätzt. Befunde, die ein unter 2 km liegendes Gehvermögen belegen könnten, lägen nicht vor.

Der Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. W. hat in seinem Gutachten vom 03.07.2017 (Blatt 57/86 der Senatsakte; Untersuchung der Klägerin am 09.05.2017) eine Spondylisthese L5/S21 mit anhaltendem Lumbalsyndrom, einen dorsalen und lumbalen Fersensporn rechts sowie eine Adipositas per magna mit rumpfmuskulärer Insuffizienz mitgeteilt und die funktionellen Folgen der Wirbelsäulenerkrankung mit einem GdB von 20 bewertet (Gesamt-GdB 40). Es bestünden unter orthopädischen Gesichtspunkten keine Einschränkungen der üblicherweise zu bewältigenden Gehstrecke von 2 km in einer halben Stunde.

Dr. R. hat in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 04.01.2018 (Blatt 93/133 der Senatsakte; Untersuchung der Klägerin am 04.09.2017) eine rezidivierende depressive Störung in einer gegenwärtig leichten Episode und eine leichte anhaltende somatoforme Schmerzstörung angegeben. Die Schmerzhaftigkeit gehe nur in einem leichten Ausmaß über das übliche Maß hinaus. Die rezidivierende depressive Störung hat Dr. R. mit einem GdB von 20 und die anhaltende somatoforme Schmerzstörung ebenfalls mit einem GdB von 20, zusammen 30, den Gesamt-GdB mit 40 bewertet. Die Klägerin sei nicht gehindert, die relevanten Wegstrecken im Ortsverkehr zu Fuß zurückzulegen.

Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. V. hat in seinem nach § 109 SGG eingeholten Gutachten vom 28.06.2018 (Blatt 142/155 der Senatsakte; Untersuchung der Klägerin am 05.06.2018) eine rezidivierende depressive Störung, derzeit schwer ausgeprägt, eine chronische Schmerzstörung mit körperlichen und psychischen Faktoren, eine Claudicatio spinalis bei Spondylolisthese LWK5/SWK 1 und ein Schlafapnoesyndrom (unbehandelt) dargestellt. Die depressive Störung hat er mit einem GdB von 60, die Claudicatio spinalis mit einem GdB von 40 und das Schlafapnoesyndrom mit einem GdB von 10 bewertet. Den Gesamt-GdB hat er auf 70 geschätzt. Die Klägerin sei nicht in der Lage ortsübliche Wegstrecken von etwa 2 km in einer halben Stunde zurückzulegen.

Der Beklagte ist der Bewertung durch Dr. V. unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. R. vom 09.08.2018 (Blatt 157/160 der Senatsakte) entgegengetreten. Dr. R. hat ausgeführt, dass schon Dr. S. darauf hingewiesen habe, dass eine erhebliche Diskrepanz zwischen den Beschwerden und dem Ausmaß der organisch nachweisbaren Veränderungen bestehe. Auch im neurologisch-psychiatrischen Gutachten von Dr. B. vom 28.08.2015 sei bei der Koordination ein demonstratives Vorbeizeigen beidseits erwähnt sowie unter Berücksichtigung der gesamten Anamnese eine massive Verdeutlichungstendenz bestehender Symptome bei gleichzeitigem Vorliegen eines sekundären Krankheitsgewinns dargestellt worden. Auch Prof. Dr. R. habe ausgeführt, dass die Klägerin außerhalb der Untersuchungssituation die Klinik eingehängt in den Unterarm ihrer Tochter mit einem im Vergleich zur Untersuchungssituation in deutlich gebessertem Gangbild verlassen habe, weshalb auch Dr. B. zu einer massiven Verdeutlichungstendenz gekommen sei. Soweit im Gutachten von Dr. V. eine Claudicatio spinalis angenommen worden sei, werde diese mit bildgebenden Verfahren nicht bestätigt. In einer CT der LWS vom 09.07.2015 werde zwar das Wirbelgleiten nicht aber eine Claudicatio bestätigt. Die Wirkspiegelbestimmung von Venlafaxin sei weit unter der Wirkspiegelgrenze. Auch die Beschwerdeschilderung mit einer Schmerzintensität von 9 bis 10 auf einer visuellen Analogskala (VAS) von 0 bis 10 sei nicht nachvollziehbar. Dies entspreche einem Vernichtungsschmerz, wie bei einem tödlichen Herzinfarkt. Auch der Annahme eines belastungsabhängigen Wurzelkompressionssyndroms S1 entsprechend einem Teil-GdB 40 könne nicht gefolgt werden. Ein solches liege nicht dauerhaft vor. Eine Einengung des Spinalkanals werde nicht beschrieben.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 156, 163 der Senatsakte).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG, des Beklagten und der Deutschen Rentenversicherung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig aber unbegründet.

Der angefochtene Bescheid 27.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2014 war rechtswidrig und hat die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Der Senat konnte feststellen, dass in den Verhältnissen, die dem Bescheid des Versorgungsamtes R. vom 12.01.1999, der bei der Klägerin den GdB mit 20 festgestellt hatte, zugrunde gelegen hatten, eine GdB-relevante wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten ist. Dieser wesentlichen Änderung hat das SG in der angefochtenen Entscheidung dadurch Rechnung getragen, dass es den Beklagten verurteilt hat, den GdB seit 20.09.2013 mit 40 anzuerkennen (richtig: "festzustellen"). Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40. Der Senat konnte nicht feststellen, dass die behinderungsbedingten Beeinträchtigungen der Teilhabe der Klägerin am Leben in der Gesellschaft (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) einen GdB von mehr als 40 rechtfertigen. Ihr steht daher auch das Merkzeichen "G" nicht zu. Die Berufung der Klägerin ist daher insgesamt unbegründet.

I.

Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen, welche ihrerseits nicht zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides gehören, zugrunde gelegten GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 ff.). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Einzel- oder Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss damit durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.

Rechtsgrundlage für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX (§ 152 SGB IX) in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung des Bundesteilhabegesetzes vom 23.12.2016 (BGBl. I 2016, 3234), da maßgeblicher Zeitpunkt bei Verpflichtungs- und Leistungsklagen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz ist, wobei es für laufende Leistungen auf die Sach- und Rechtslage in dem jeweiligen Zeitraum ankommt, für den die Leistungen begehrt werden; das anzuwendende Recht richtet sich nach der materiellen Rechtslage (Keller in: Meyer- Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 54 RdNr. 34). Nachdem § 241 Abs. 2 SGB IX lediglich eine (Übergangs-)Vorschrift im Hinblick auf Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz enthält, ist materiell-rechtlich das SGB IX in seiner derzeitigen Fassung anzuwenden.

Nach dessen § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen mit Behinderung solche Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung in diesem Sinne liegt nach § 2 Abs.1 Satz 2 SGB IX liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.

Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, zuvor § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des Grades der Behinderung, die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Soweit noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend. Damit gilt weiterhin die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), deren Anlage zu § 2 die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VG) beinhalten. Diese stellen – wie auch die zuvor geltenden Anhaltspunkte (AHP) - auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen zunächst nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3a) VG) nach § 152 Abs. 3 SGB IX (zuvor: § 69 Abs. 3 SGB IX) anschließend in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen, sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.

Die Bemessung des Gesamt-GdB (dazu s. unten) erfolgt nach § 152 Abs. 3 SGB IX (zuvor: § 69 Abs. 3 SGB IX). Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, auch solche, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamt-beeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft – gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB - nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 – oder anderer Werte - fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB, sondern der Gesamt-GdB ist durch einen Vergleich der im zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen – bei Feststellung der Schwerbehinderung ist der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 60 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 60 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen usw. vorzunehmen – zu bestimmen. Maßgeblich sind damit grds. weder Erkrankungen oder deren Schlüsselung in Diagnosemanualen an sich noch ob eine Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit aufgetreten ist, sondern ob und wie stark die funktionellen Auswirkungen der tatsächlich vorhandenen bzw. ärztlich objektivierten Erkrankungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) anhand eines abstrakten Bemessungsrahmens (Senatsurteil 26.09.2014 – L 8 SB 5215/13 – juris RdNr. 31) beeinträchtigen. Dies ist – wie dargestellt – anhand eines Vergleichs mit den in den VG gelisteten Fällen z.B. eines GdB von 30, 40, 50, 60 oder 70 festzustellen. Letztlich handelt es sich bei der GdB-Bewertung nämlich nicht um eine soziale Bewertung von Krankheit und Leid oder dem Bezug einer Rente, sondern um eine anhand rechtlicher Rahmenbedingungen vorzunehmende, funktionell ausgerichtete Feststellung.

Der Senat ist nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass die bei der Klägerin vorliegenden Funktionsbehinderungen bei Antragstellung und seither ununterbrochen in ihrer Gesamtschau und unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die Teilhabefähigkeit keinen Gesamt-GdB von 50 oder mehr rechtfertigen; dies gilt sowohl unter der seit 01.01.2018 anzuwendenden Rechtslage, als auch unter Anwendung der bis 31.12.2017 geltenden Rechtslage des SGB IX.

Im Funktionssystem des Rumpfes, zu dem der Senat die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt, ist ein Einzel-GdB von 20 anzunehmen.

Nach B Nr. 18.9 VG ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB von 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in mindestens zwei Wirbelsäulenabschnitten (Senatsurteil 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 - juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Erst bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst (z.B. Milwaukee-Korsett); schwere Skoliose (ab ca. 70° nach Cobb) ist ein GdB von 50 bis 70 und bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB von 80 bis 100 gerechtfertigt.

Der Senat konnte in diesem Funktionssystem anhand des Gutachtens von Dr. W. eine Spondylolisthese L5/S1 mit anhaltendem Lumbalsyndrom feststellen. Eine Claudicatio spinalis konnte der Senat dagegen nicht feststellen.

Dr. W. hat bei seiner Untersuchung trotz der ausgeprägten Adipositas bei der Klägerin palpatorisch einen Beckenhorizontalstand und eine regelrechte Thoraxform festgestellt. Die Bauchdecken sind adipös mit Fettschürzenbildungen, ohne sichtbare Hernienbildungen. Die Wirbelsäule steht im Lot, Seitverbiegungen sind in der Ansicht von hinten bei aufrechtem Stand nicht erkennbar. Die Taillendreiecke sind aufgrund der Adipositas nicht abgrenzbar. Die Schulterkonturen zeigen sich symmetrisch. In der Ansicht von der Seite zeigt sich eine regelrechte Schwingungsform der Wirbelsäule.

Eine klinisch-manuelle segmentale Untersuchung der Lendenwirbelsäule war Dr. W. nicht möglich. Der Tonus der paravertebralen Muskulatur war palpatorisch seitengleich regelrecht, Myogelosen sind nicht vorhanden, Schmerzen werden von der Klägerin bei jeder Berührung angegeben. Eine Funktionsuntersuchung der Kreuzdarmbeingelenke war Dr. W. nicht möglich. Ein Vorlaufphänomen oder eine variable Beinlängendifferenz konnten bei fehlender Mitarbeit durch die Klägerin nicht erhoben werden. Die Vorneigung wurde von der Klägerin nicht ausgeführt, ebensowenig eine Seitneigung oder eine Reklination. Die Klägerin spannte aktiv bei jedem passiven Bewegungsversuch gegen. Auch im Bereich der Brustwirbelsäule ließ sich deswegen keine Funktionsuntersuchung durchführen. Schmerzen hat die Klägerin bei Druck und Palpation der Dornfortsätze und der Paravertebralmuskulatur angegeben. An der Halswirbelsäule waren die Trapeziusmuskulatur sowie die paravertebrale Muskulatur palpatorisch schmerzhaft. Myogelosen oder Verspannungen liegen nicht vor. Eine segmentale Untersuchung war Dr. W. nicht möglich.

Dr. W. hat als Bewegungsmaße mitgeteilt: "HWS (passive Bewegungsprüfung) Vorneigen/Rückneigen 30-0-30 Rotation rechts/links 60-0-60 Seitneigung rechts/links 20-0-20 jeweils mit ausgeprägter Schmerzartikulation"

"BWS/LWS Beckentiefstand keiner DF-Reihe: BWS-LWS im Lot Seitprofil harmonisch Eine Bewegungsprüfung ist bei nicht gegebener Mitarbeit nicht möglich."

Im radiologischen Befund hat Dr. W. eine vermehrte Lordose, eine Ventralverschiebung L5 auf S1 i.S. einer Spondylolisthese Grad I nach Meyerding dargestellt, ebenso eine regelrechte Darstellung der darüber liegenden LWS-Segmente ohne Zwischenwirbelraumverschmälerung und ohne Auffälligkeiten der Intervertebralgelenke.

Dr. W. hat mitgeteilt, dass eine suffiziente klinische Untersuchung der Klägerin bei vollständig fehlender Motivation zur Mitarbeit auch nur sehr eingeschränkt möglich gewesen war. Der begleitende Ehemann habe erzählt, dass sich die Situation im häuslichen Umfeld genauso darstelle. Seine Frau sei früher sehr fleißig und arbeitsam gewesen, mache mittlerweile jedoch überhaupt nichts mehr. Diese Angaben der Klägerin und des Ehemannes widersprechen jedoch den Angaben der Klägerin bei Dr. V. , wo diese angegeben hatte, sie gehe nachmittags nach draußen, am Wochenende gehe man mit den Kindern nach draußen, sie versuche Haushaltsarbeiten zu erledigen, manchmal wolle sie Hausarbeiten machen, könne sich aber nicht motivieren. Diese Angaben sprechen nicht dafür, dass die Klägerin gar nichts mehr tut und sich auch nicht mehr bewegen kann, wie gegenüber Dr. W. dargestellt. Trotz der sehr eingeschränkten Möglichkeit der klinischen Befunderhebung konnte Dr. W. jedoch unter Zuhilfenahme der bildgebenden Diagnostik und der Beobachtungen der spontan möglichen Bewegungsabläufe (freier Gang ohne Gehstützen und Rollator, Hochheben des T-Shirts mit gekreuzten Armen über den Kopf und Herausziehen eines Armes; normales Sitzen; bei Dr. R. war das Aus- und Ankleiden vollständig erfolgt, jedoch langsam und unter Schmerzangabe) keinerlei körperliche Ursache für den vorliegenden Schmerzbefund und die daraus abzuleitende Funktionseinschränkung finden. Röntgenologisch besteht zwar eine leichte Instabilität im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule im Segment L5/S1 durch eine Spondylolyse mit leichtem Wirbelgleiten im Stadium l. Bei einer CT-Untersuchung im Juli 2015 wurde auch eine beidseitige Neuroforamenstenose beschrieben. Hierdurch lassen sich mit Dr. W. immer wieder auftretende ziehende Beschwerden in die Beine durchaus erklären. Neurologische Ausfallerscheinungen waren jedoch weder in der Vergangenheit dokumentiert, noch ließen sie sich bei der Untersuchung bei Dr. W. verifizieren. Gegen relevante Wurzelbeeinträchtigungen spricht auch, dass Dr. V. angegeben hatte, bei seiner Prüfung des Zeichens nach Lasègue sei dieses beidseits bei 45o positiv gewesen (bei Dr. W. hat die Klägerin an der Bewegungsprüfung gar nicht mitgewirkt), jedoch war bei derselben Prüfung mit Sitz an der Untersuchungsliege eine schmerzhafte Beeinträchtigung erst endgradig festzustellen gewesen (Lasègue endgradig positiv). Auch Dr. W. hat in seinem Gutachten mitgeteilt, dass eine Minderung der groben Kraft nicht vorhanden zu sein scheint und sensible Ausfälle nicht angegeben wurden. Soweit daher bei Dr. V. plötzlich solche angegeben werden, erscheint dieser Vortrag als prozessual angepasst und überzeugt nicht, zumal die behandelnden Ärzte solche sensiblen und neurologischen Störungen ebenfalls nicht berichtet haben.

Eine Claudicatio spinalis, wie diese von Dr. V. angegeben ist, konnte der Senat nicht zu seiner Überzeugung feststellen. Dr. V. hat angegeben, die Schilderungen der Klägerin und die angegebene Symptomatik "passt" zu einem belastungsabhängigen Wurzelkompressionssyndrom S1 beidseits i.S. einer Claudicatio spinalis. Die Symptomatik sei sehr typisch geschildert worden. Das alleine genügt nicht um den Senat vom Vorliegen einer solchen Erkrankung zu überzeugen. Vielmehr hätte Dr. V. für diese Diagnose auch die radiologischen Berichte auswerten und sich mit den Berichten der behandelnden Ärzte, die eine Claudicatio spinalis ebenfalls nicht angenommen hatten, und dem Gutachten von Dr. W. auseinandersetzen müssen. Zwar hat sich Dr. V. mit der Abweichung zum Gutachten Dr. W. auseinandergesetzt hinsichtlich der Frage der Gehfähigkeit. Er hat jedoch nicht aufgezeigt, weshalb er zu der abweichenden Diagnose einer Claudicatio spinalis kommt. Insoweit muss der Senat auch berücksichtigen, dass die Röntgenbilder von Dr. W. , wie dieser angibt, lediglich eine vermehrte Lordose, eine Ventralverschiebung L5 auf S1 i.S. einer Spondylolisthese Grad I nach Meyerding darstellen, ebenso liegt eine regelrechte Darstellung der darüber liegenden LWS-Segmente ohne Zwischenwirbelraumverschmälerung und ohne Auffälligkeiten der Intervertebralgelenke vor. Auch, worauf Dr. R. zutreffend hinweist, ergibt sich aus früheren radiologischen Befunden, z.B. aus 2015, gerade keine Claudicatio. Bestätigt wird lediglich eine Spondylolisthese mit einem Grad l nach Meyerding, wobei die LWS-Segmente darüber und darunter keine Zwischenwirbelraumverschmälerung zeigen.

Damit kommt der Senat unter Berücksichtigung der angegebenen Schmerzen und der angegebenen Sensibilitätsstörung an der Außenseite des linken Oberschenkels und an der medialen und lateralen Schienbeinkante, passend zu den Wurzeln L5 und S1, zu der Überzeugung, dass vorliegend lediglich in einem Wirbelsäulenabschnitt Gesundheitsstörungen mit mittelschweren Auswirkungen bestehen. Diese sind mit einem GdB von 20 (vgl. B Nr. 18.9 VG) zu bewerten. Diese Bewertung geht über die von Dr. W. angenommene Einschätzung lediglich leichter Funktionsbeeinträchtigungen (vgl. seine Antwort auf Beweisfrage 2) hinaus. Eine höher zu bewertende Funktionsbehinderung in einem Wirbelsäulenabschnitt oder mittelschwere Störungen in mindestens zwei Abschnitten der Wirbelsäule konnte der Senat nicht feststellen.

Im Funktionssystem der Beine (vgl. B Nr. 18.14 VG) - Funktionsbehinderungen im Bereich der Arme hat auch der behandelnde Orthopäde nicht angegeben und konnte der Senat mit dem Gutachten von Dr. W. auch nicht feststellen - besteht bei der Klägerin ein dorsaler und lumbaler Fersensporn rechts. Dieser hat über die bloße Schmerzhaftigkeit hinaus keine funktionellen Auswirkungen, vor allem ist die Statik nicht beeinträchtigt. Diese Gesundheitsstörung ist daher nicht mit einem GdB zu bewerten.

Die Adipositas allein bedingt keinen GdB (B Nr. 15.3 VG). Nur die Folge- und Begleitschäden (insbesondere am kardiopulmonalen System oder am Stütz- und Bewegungsapparat) können die Annahme eines GdB begründen. Gleiches gilt für die besonderen funktionellen Auswirkungen einer Adipositas per magna. Der Senat hat diese Umstände bei der Bewertung des GdB in den einzelnen Funktionssystemen berücksichtigt. Im Übrigen hat auch der internistische Gutachter Dr. S. keine Befunde mitteilen können, die auf eine internistische Erkrankung hindeuteten, die funktionsrelevante Auswirkungen hätte. Soweit Dr. S. eine Schilddrüsenerkrankung dargestellt hatte, sind solche nach B Nr. 15.6 VG gut behandelbar (bei der Klägerin ist auch eine entsprechende Therapie vorgesehen), so dass in der Regel anhaltende Beeinträchtigungen nicht zu erwarten sind. Organkomplikationen bestehen nicht. Für das nicht behandlungsbedürftige Schlafapnoesyndrom wurde von Dr. V. ein GdB von 10 angenommen; dem tritt der Senat im Hinblick auf die Bewertungsvorgaben von B Nr. 8.7 VG als wohlwollend zugunsten der Klägerin bei.

Im Funktionssystem der Ohren (vgl. B Nr. 5 VG) bedingt der Tinnitus, den Dr. B. angenommen hat, und eine angegebene Hörminderung, die der HNO-Arzt Dr. E. aber nicht bestätigt hat, keinen GdB von mindestens 10.

Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche konnte der Senat mit Dr. R. eine rezidivierende depressive Störung sowie eine leichte, anhaltende somatoforme Schmerzstörung feststellen und mit einem GdB von 30 bewerten; das angegebene Fibromyalgie-Syndom ist darin erfasst. Auch Dr. V. hat eine rezidivierende depressive Störung und eine chronische Schmerzstörung mit körperlichen und psychischen Faktoren beschrieben. Damit stimmen beide Gutachter in der Diagnosestellung überein. Unterschiedlich bewertet wird der Ausprägungsgrad der rezidivierenden depressiven Störung. Eine solche ist gerade durch das wiederholte Auftreten von depressiven Episo¬den geprägt. Zwischen den Episoden er¬folgt ei¬ne vollstän¬dige Remissi¬on oder Teil¬remissi¬on bzw. ei¬ne kür¬ze¬re Voll¬remissi¬on (vgl. Pschyrembel online "rezidivierende depressive Störung"). Es handelt sich somit um eine Erkrankung mit schwankendem Verlauf. Schwankungen im Gesundheitszustand ist bei längerem Leidensverlauf mit einem Durchschnittswert Rechnung zu tragen (A Nr. 2 Buchst. f) VG). Damit ist vorliegend weder das Maximum noch das Minimum der auftretenden psychischen Beeinträchtigungen für die GdB-Bewertung heranzuziehen. Die Schwankungen zeigen sich bei der Klägerin auch in den Angaben der Ärzte: - Dr. H. (Rentengutachten): 04.04.2012: Dysthymie - Befundbericht der DRV vom 17.02.2014: mittelschwer ausgeprägte depressive Störung - Rehabericht M.-Klinik April/Mai 2014: schwere Episode - Bericht Dr. A. (Rentenakte): 23.06.2014: schwere Episode - Dr. B. (Rentenakte): 23.06.2014: zumindest mittelschwer, eher schwer - Dr. B.: 16.10.2014: zumindest mittelschwer - Dr. D.: 20.01.2015: schwere depressive Episode - Dr. B.: 29.07.2015: leichtgradige Ausprägung - ZfP W.: 29.12.2015: schwere Depression - Dr. A.: Januar 2016 bis April 2016: mittelschwere Ausprägung - Dr. S.: 15.02.2017: depressive Verstimmung - Dr. R.: 04.09.2017: leichte Episode - Dr. V.: 05.06.2018: schwer ausgeprägt

Im Hinblick auf den dargestellten schwankenden Verlauf der Erkrankung lässt sich im Durchschnitt keine schwere depressive Erkrankung feststellen. Vielmehr ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die rezidivierende episodenhafte Erkrankung der Klägerin im Durchschnitt eher einer leichten bis mittelgradigen depressiven Erkrankung entspricht.

Nach B Nr. 3.7 VG ist bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen mit leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB mit 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB mit 30 bis 40 und bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 80 bis 100 zu bewerten.

Im Hinblick auf den vom Senat festgestellten durchschnittlich leichten bis mittelgradigen depressiven Verkauf der Erkrankung und im Hinblick auf eine annähernd kontinuierliche fachärztliche Behandlung bei Dr. B. konnte der Senat den Bewertungsrahmen für stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit eröffnet erachten. In diesem Bewertungsrahmen konnte der Senat jedoch eine Bewertung am oberen Rand nicht vornehmen. Denn die Angaben der Klägerin zu ihren Beeinträchtigungen sind in sich widersprüchlich und führen nicht zu der Überzeugung des Senats davon, dass die Gesundheitsstörungen die Klägerin auch im Durchschnitt so beeinträchtigen, dass sie eine GdB-Bewertung mit 40 rechtfertigen würden.

So hat Dr. S. aus seiner Untersuchung berichtet, dass die vorliegenden Befunde erkennen lassen, dass eine erhebliche Diskrepanz zwischen Beschwerden und Ausmaß der organisch nachweisbaren Veränderungen besteht. Diese Diskrepanz sei bei seiner Untersuchung bei stark agierendem Verhalten der Klägerin im Zusammenspiel mit ihrem Ehemann deutlich geworden, wobei nicht nur die vertebragenen Beschwerden in dieses agierende Verhalten einbezogen wurden, sondern auch psychische Beeinträchtigungen sehr vorstellungsbedingt wirkend präsentiert wurden, indem die Klägerin geantwortet habe, als sei sie geistig kaum in der Lage, einfachste Fragen - nämlich nach der Zahl ihrer Geschwister und eigenen Kinder - zu beantworten. Dieses Verhalten wirkte ziemlich bizarr und stand auch in erheblichem Kontrast zu den Befunden des vorherigen Gutachters Dr. B ... Das Verhalten wurde von der Klägerin nach einer demonstrativ überraschten Reaktion des Gutachters Dr. S. dann von der Klägerin auch wieder aufgegeben, was für den Senat deutlich macht, dass die Klägerin ihr Verhalten und ihre Angaben bewusst und steuernd gemacht hat, was nicht für eine wesentliche Einschränkung von Antrieb, Konzentration und Gedächtnisleistung spricht. Dr. S. hat insoweit eine stark überzeichnende Beschwerdepräsentation bezüglich des Schmerzsyndroms und der psychisch bedingten Einschränkungen mitgeteilt. Bei Dr. W. hat die Klägerin bzw. ihr Ehemann für diese angegeben, sie führe keinerlei Aktivitäten mehr aus, auch im häuslichen Umfeld. Bei Dr. R. hat die Klägerin dagegen angegeben, die Spülmaschine zu befüllen bzw. zu entleeren (bei Dr. V. war ihr das nur eingeschränkt möglich), an den nahegelegenen See zu spazieren, selten in ein Restaurant/Café zu gehen und Fernsehsendungen auf Deutsch und Türkisch zu verfolgen. Dr. V. hat sie nun wiederum angegeben, sie versuche Haushaltsarbeiten zu erledigen, aufzuräumen, kleine Mahlzeiten zuzurichten, nachmittags nach draußen zugehen und einen Schulhof zu besuchen, wobei sie 30 bis 60 Minuten unterwegs sei, am Wochenende gehe sie dann mit Mann und Kindern nach draußen, bei schönem Wetter höchstens 2 Stunden. Zwar besuche sie keine Hochzeiten mehr, sei aber im April 2018 kurz bei einer Hochzeit einer Tochter eines Freundes gewesen. Freunde sehe sie nur noch gelegentlich bei "zufälligen Treffen". Diese Berichte zu den Tagesaktivitäten zeigen, dass die Klägerin durchaus noch im Kontakt mit der Außenwelt steht und – ggf. auch eingeschränkt – am Leben in der Familie und im Freundeskreis teilnimmt.

Zwar hat Dr. V. die Stimmung als durchgehend schlecht beschrieben bei in der Untersuchung weitgehend aufgehobener affektiver Schwingungsfähigkeit. Die Klägerin wirke schmerzgeplagt und setze sich immer wieder um. Die Klägerin hat eine Konzentrationsstörung vor allem bei längeren Gesprächen beschrieben. Sie sei im Haushalt vergesslich und verlege Dinge. In der Untersuchung ergaben sich aber bei Dr. V. keine Hinweise für ausgeprägtere kognitive oder mnestische Defizite. Die Auffassung ist auch nach Dr. V. ungestört. Die Klägerin wirke psychomotorisch unruhig, was von einer Schmerzgeplagtheit nur eingeschränkt abzugrenzen sei, so Dr. V ... Die Klägerin beschreibe eine fehlende Energie über den Tag. Sie schiebe Dinge immer wieder auf und könne sich nur schwer zu Haushaltstätigkeiten motivieren. Insofern ergibt sich zwar der Hinweis für eine Antriebsstörung, so Dr. V. , doch ist der Antrieb nicht vollständig erloschen. Dr. V. hat auch keine Hinweise für Zwänge, eine Wahn- oder Ichstörung oder eine Sinnestäuschung, Suizidgedanken mitgeteilt, und dass der Wirkspiegel der Antidepressiva weit unterhalb der Wirkgrenze liegt, worauf auch Dr. R. hingewiesen hat.

Dr. R. hat die Klägerin als in der Untersuchung aufmerksam und konzentriert beschrieben. Auf an sie gerichtete Fragen gebe sie zumeist bereitwillig, streckenweise aber auch unwillig Auskunft. Die Klägerin war bei Dr. R. bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten, also zum Ort, zur Person, zur Zeit und situativ voll orientiert (bei Dr. S. konnte/wollte sie sich nicht an die Zahl der Geschwister und Kinder erinnern). Die Antriebslage wirkte bei der Untersuchung durch Dr. R. unauffällig. Hinweise für eine äußerlich erkennbare, innere Unruhe fanden sich damals nicht. Hinsichtlich der Stimmungslage wirkte die Klägerin überwiegend depressiv. Beim Besprechen angenehmer Themen kam es nur verzögert zu einer Stimmungsaufhellung. Die affektive Modulationsfähigkeit war leichtgradig eingeschränkt. Hinweise für eine erhöhte Ängstlichkeit fanden sich nicht. Die Auffassungsgabe, die Konzentrationsfähigkeit und die Aufmerksamkeitsdauer waren ungestört. Das Kurz- und das Langzeitgedächtnis wiesen keine Einschränkungen auf. Der formale Gedankengang war unauffällig. Gedankeninhaltlich kreiste die Klägerin um ihre körperlichen Beschwerden und Schmerzen. Hinweise auf paranoide Ideen, auf Halluzinationen, auf Ich-Störungen, auf Zwangsideen oder auf Zwangshandlungen wurden von Dr. R. nicht festgestellt. Die Klägerin gab aber an, gelegentlich Todeswünsche und Suizidgedanken zu haben, distanzierte sich aber von einem Suizidplan.

Aus beiden Befunden wird deutlich, dass die Klägerin depressiv wirkt. Dass die Erkrankung aber alle psychisch relevanten Bereiche erfasst, ist nicht ersichtlich. Denn auch bei Dr. V. , der zu diesem Zeitpunkt eine schwere depressive Episode angenommen hatte, waren keine Hinweise für ausgeprägtere kognitive oder mnestische Defizite oder eine beeinträchtigte Auffassung vorhanden; dabei muss aber berücksichtigt werden, dass die Klägerin ihre antidepressiven Medikamente nicht ausreichend eingenommen hat, denn der von Dr. V. gemessene Wirkspiegel lag deutlich unterhalb der Wirkgrenze (gemessen: 44 µg/l; Wirkbereich: 60-325 µg/l). Das aber deutet nicht gerade auf eine Erkrankung hin, deren funktionelle Auswirkungen am oberen Rand des Bemessungsrahmens für stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit zu bewerten sind.

Vor diesem Hintergrund konnte der Senat den GdB im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche auch unter Berücksichtigung der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung bzw. des Fibromyalgie-Syndroms, deren Funktionsfolgen, sich vollständig mit denjenigen der depressiven Erkrankung überschneiden, nur mit einem Wert von 30 bewerten. Auch aus den Angaben des Dr. A. , der die Klägerin nur kurzzeitig behandelt hat (Januar bis April 2016), lassen sich insoweit keine eine höhere GdB-Bewertung rechtfertigenden Umstände entnehmen. Auch den Angaben des behandelnden Psychiaters Dr. B. , der einen GdB von 70 auf nervenärztlichem Fachgebiet angenommen hatte, lassen sich keine Anhaltspunkte entnehmen, die einen höheren GdB rechtfertigen.

Weitere - bisher nicht berücksichtigte - GdB-relevante Funktionsbehinderungen, die einen Einzel- bzw. Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, wurden weder geltend gemacht noch konnte der Senat solche feststellen.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen von Amts wegen, nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 30, 40 oder 50 fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris).

Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen der Gesamt-GdB zu bilden aus Einzel-GdB-Werten von - 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfes (Wirbelsäule), - 0 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Beine, - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Atmung (Schlafapnoe), - 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche. Nachdem bei der Klägerin vorliegend von einem zu berücksichtigenden höchsten Einzel-GdB von 30 und einem GdB-Wert von 20 sowie von einmal 10 auszugehen ist, und kein Fall besteht, in denen ausnahmsweise GdB-Werte von 10 erhöhend wirken, konnte der Senat einen GdB von mehr als 40 nicht feststellen.

Insgesamt ist der Senat unter Berücksichtigung eines Vergleichs der bei der Klägerin insgesamt vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen und deren gegenseitigen Auswirkungen einerseits und derjenigen Fälle, für die die VG einen GdB von 50 vorsehen andererseits, zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin nicht entsprechend schwer funktionell in ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft eingeschränkt ist. In ihrer Gesamtheit entsprechen die Erkrankungen der Klägerin weder einzeln noch in ihrer Zusammenschau den nach den VG in Teil B mit einem GdB von 50 oder mehr bewerteten Gesundheitsstörungen.

Damit konnte der Senat feststellen, dass im Verhältnis zu der früheren GdB-Feststellung zwar eine wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten ist, der GdB ist aber auf lediglich 40 festzustellen. Damit war die Berufung der Klägerin insoweit ohne Erfolg.

II.

Konnte der Senat nicht feststellen, dass die Klägerin schwerbehindert ist, so kommt nach § 228 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der seit 01.01.2018 geltenden Fassung (zuvor § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) auch die Zuerkennung des Merkzeichens nicht in Betracht. Denn dieses steht nur schwerbehinderten Menschen zu. Die Berufung der Klägerin ist daher auch insoweit ohne Erfolg.

III.

Die Berufung der Klägerin war damit in vollem Umfang zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Die Kosten des gemäß § 109 SGG im Berufungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens des Dr. V. vom 28.06.2018 sowie die baren Auslagen der Klägerin, über die als Gerichtskosten der Senat in Ausübung des ihm nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG zustehenden Ermessens von Amts wegen auch im Urteil entscheiden kann (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 1 U 3854/06 KO-B -, juris; Urteil des Senats vom 23.11.2012 - L 8 U 3868/11 -, unveröffentlicht), werden nicht auf die Staatskasse übernommen. Die Klägerin hat diese daher endgültig selbst zu tragen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats können die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn dieses Gutachten für die gerichtliche Entscheidung von wesentlicher Bedeutung war und zu seiner Erledigung beigetragen bzw. zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht hat. Es muss sich, gemessen an dem Prozessziel der Klägerin, um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben und dementsprechend die Entscheidung des Rechtsstreits (oder die sonstige Erledigung) maßgeblich gefördert haben. Durch die Anbindung an das Prozessziel wird verdeutlicht, dass es nicht genügt, wenn eine für die Entscheidung unmaßgebliche Abklärung eines medizinischen Sachverhalts durch das Gutachten nach § 109 SGG vorangetrieben worden ist. Vielmehr muss sich die Förderung der Sachaufklärung auf den Streitgegenstand beziehen (Kühl in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Auflage, § 109 RdNr. 11).

Hiervon ausgehend ist es nicht gerechtfertigt, die Kosten des Gutachtens von Dr. V. auf die Staatskasse zu übernehmen. Das Gutachten hat den Rechtsstreit nicht objektiv gefördert und nicht zu seiner Erledigung beigetragen, wie sich aus dem oben Ausgeführten ergibt. Vielmehr hat die Untersuchung keine weitergehenden Funktionsbeeinträchtigungen ergeben, die zusätzlich oder höher zu berücksichtigen gewesen wären.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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