Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 22 R 4149/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 R 1555/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 09.03.2018 sowie der Bescheid der Beklagten vom 01.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2016 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.12.2016 bis 30.11.2019 zu gewähren.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers hat die Beklagte in beiden Instanzen 2/3 zu tragen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Der 1962 geborene Kläger beantragte bei der Beklagten am 06.10.2015 die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die Beklagte zog den Entlassungsbericht der W. Klink vom 07.05.2012 über die in der Zeit vom 21.03.2012 bis 25.04.2012 durchgeführte stationäre medizinische Rehabilitation bei (Diagnosen: rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, Burn-out-Syndrom, kombinierte Hyperlipidämie, Adipositas). Zum Leistungsvermögen wurde ausgeführt, dass eine Tätigkeit als Diplom-Fachwirt für Touristik nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich ausgeübt werden könne, leichte Tätigkeiten ohne Nachtschicht und ohne Stressbelastung könnten sechs Stunden und mehr verrichtet werden.
In der Zeit vom 08.06.2015 bis 10.07.2015 befand sich der Kläger zu Lasten der Beklagten im Berufsförderwerk B. (Biografieorientiertes Assessment zur Sicherung der Erwerbsfähigkeit – B.A.S.E. -, Ergebnisbericht vom 24.07.2015).
Die Beklagte holte das ärztliche Gutachten für die gesetzliche Rentenversicherung des Dr. J. vom 01.12.2015 (Blatt X) ein, der eine Angststörung mit sozialem Rückzug, eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig remittiert, eine Gonalgie beidseits bei Zustand nach Binnenschädigungen der Kniegelenke, einen moderaten Gebrauch von Alkohol bei Zustand nach Alkoholmissbrauch sowie eine vorbeschriebene posttraumatische Belastungsstörung und eine Persönlichkeitsstörung diagnostizierte. Zur Leistungseinschätzung führte der Gutachter aus, dass zunächst eine psychiatrische Begutachtung durchgeführt werden müsse.
Die Beklagte holte sodann das ärztliche Gutachten für die Rentenversicherung des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sch. vom 12.05.2016 ein, der eine rezidivierende depressive Störung gegenwärtig leicht bis mittelgradig beschrieb und den Kläger für leichte Tätigkeiten für vollschichtig leistungsfähig erachtete.
Ausweislich der Mitteilung vom 12.01.2016 (Blatt 13 VA) erklärte sich die Beklagte bereit, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erbringen und erklärte sich grundsätzlich bereit, einen Eingliederungszuschuss an den Arbeitgeber zu leisten. Die Zusage war daran gebunden, dass bis 31.01.2019 ein abschließender Vermittlungsvorschlag zustande kommt.
Mit Schreiben vom 12.01.2016 wies die Beklagte darauf hin, dass der Kläger der Einladung zur Untersuchung bei Dr. B. nicht nachgekommen sei und wies darauf hin, dass alternativ eine Begutachtung in Stuttgart bei dem sozialmedizinischen Dienst in Betracht komme.
Hierzu nahm der Kläger mit am 25.01.2016 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben dahingehend Stellung, dass eine ortsnahe Begutachtung durchgeführt werden solle, da andernfalls Fahrtkosten, Kosten für eine Begleitperson und Übernachtungskosten anfallen würden.
Der Arzt für Innere Medizin Pf. erstattete die sozialmedizinische Stellungnahme vom 17.06.2016 und führte aus, dass in der Zusammenschau der Befunde ein vollschichtiges Leistungsvermögen bestehe, weiterhin sei ein zumindest relevanter Alkoholmissbrauch bei fehlendem Problembewusstsein gegeben. Nach dem Gutachter Dr. Sch. sei eine Entgiftung daher nicht erfolgversprechend, unter den gegebenen Umständen könne auch keine LTA-Anregung erfolgen.
Mit Bescheid vom 01.06.2016 (Blatt XX VA) lehnte die Beklagte den Antrag ab und führte zur Begründung aus, dass der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein könne.
Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 09.06.2016 (Blatt XX VA) Widerspruch und machte geltend, dass aus den Gutachten hervorgehe, dass er maximal drei bis vier Stunden täglich arbeiten könne. Dem Urteil des Sozialgerichts Heilbronn sei in keinster Weise nachgekommen worden, er erwarte die Gewährung einer Rehabilitation.
Zu der Widerspruchsbegründung erstattete Dr. J. die sozialmedizinische Stellungnahme vom 20.06.2016 und führte aus, dass im Widerspruch keine neuen medizinischen Aspekte vorgetragen worden seien, eine umfangreiche Sachaufklärung sei erfolgt.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.08.2016 zurück und führte im Anschluss an die Rechtsbehelfsbelehrung aus, dass gemäß dem im früheren Klageverfahren S 3 R 4289/12 geschlossenen Vergleich mit Bescheid vom 27.10.2014 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach bewilligt worden seien. Die Reha-Fachberatung werde sich baldmöglichst mit dem Kläger wegen eines Beratungstermins in Verbindung setzen.
Am 05.09.2016 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG).
Das SG holte das nervenärztliche Sachverständigengutachten des Prof. Dr. G. vom 10.02.2017 (Blatt XX SG-Akte) ein, der ausführte, dass bei dem Kläger wahrscheinlich ein manisch-depressiver Zustand bestehe, sodass der Kläger nicht mehr in der Lage sei, eine feste Tagesstruktur aufrecht zu erhalten. Eine Erwerbstätigkeit sei dem Kläger nicht mehr möglich.
Die Beklagte legte die sozialmedizinische Stellungnahme der Dr. De. vom 14.03.2017 (Blatt XX SG-Akte) vor, das SG zog den Entlassungsbericht der Ameos-Klinik über die stationäre Behandlung vom 14.09.2016 bis 02.10.2016 (Blatt XX SG-Akte) bei. Dr. De. erstatte die weitere sozialmedizinische Stellungnahme vom 26.04.2016 und führte zusammenfassend aus, dass dem Sachverständigengutachten keine zeitlich überdauernde Leistungsminderung entnommen werden könne.
Das SG beauftragte Prof. Dr. Eb. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens (Verfügung vom 11.05.2017, Blatt XX SG-Akte) und hob den Auftrag auf, nachdem der Kläger mitteilte, sich nicht in der Lage zu sehen, den Sachverständigen aufzusuchen.
Das SG zog den Entlassungsbericht der Ha. Klinik vom 20.12.2017 (stationärer Aufenthalt vom 26.10.2017 bis 04.12.2017, Blatt XX SG-Akte) bei, zu dem die Beklagte die sozialmedizinische Stellungnahme der Dr. De. vom 01.03.2018 (Blatt XX SG-Akte) vorlegte.
Die Klage wies das SG mit Urteil vom 09.03.2018 ab und führte zur Begründung aus, dass die Kammer vom Vorliegen einer depressiven Störung überzeugt sei, als nicht nachgewiesen müsse jedoch die von Prof. Dr. G. beschriebene bipolare affektive Störung angesehen werden. Es könnten nur noch körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Arbeitshaltung unter Ausschluss von alkoholnahen Arbeiten durchgeführt werden. Die Kammer habe sich jedoch nicht davon überzeugen können, dass eine dauerhafte Leistungsminderung bei dem Kläger vorliege, zwar sei der Kläger seit 2008 bereits in Behandlung, jedoch liege ein phasenhafter Verlauf vor. Da der Kläger nicht bereit gewesen sei, sich einer weiteren Begutachtung zu unterziehen, habe der Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt werden können, was nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers gehe. Zu einer konkreten Darlegung der Tätigkeiten, zu denen der Kläger aus gesundheitlichen Gründen noch in der Lage sei, bestehe keine Verpflichtung.
Gegen das dem Kläger am 06.04.2018 (Blatt 123a SG-Akte) zugestellte Urteil hat der Kläger am 30.04.2018 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und geltend gemacht, dass die Gutachten nicht richtig gewürdigt, falsch ausgelegt und aus dem Zusammenhang gerissen worden seien.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 09.03.2018 sowie den Bescheid der Beklagten vom 01.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.11.2015 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat das Sachverständigengutachten des Facharztes für Psychosomatische Medizin Br. vom 10.09.2018 (Blatt XX Senatsakte) eingeholt.
Dem Sachverständigengutachten ist die Beklagte unter Vorlage der sozialmedizinischen Stellungnahme der Dr. De. vom 02.10.2018 entgegengetreten.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Trotz Ausbleibens des ordnungsgemäß geladenen Klägers im Termin hat der Senat aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden können, denn die Beteiligten waren in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (§ 110 Abs. 1 SGG).
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und teilweise begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 01.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt worden ist. In diesem Umfang waren die Bescheide der Beklagten und das Urteil des SG abzuändern.
Formal ist das Urteil des SG, entgegen der Auffassung des Klägers, nicht zu beanstanden. Der Senat konnte nämlich feststellen, dass der Kläger zwar eine Verhinderung zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, jedoch keinen Verlegungsantrag gestellt und auch keine medizinische Bescheinigung über eine Verhandlungsunfähigkeit beigebracht hat. Für die Vertagung der mündlichen Verhandlung bestand vor diesem Hintergrund keine Veranlassung, die Anordnung des persönlichen Erscheinens ist vom SG in der mündlichen Verhandlung – deklaratorisch – aufgehoben worden.
Gemäß § 43 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte bis zur Vollendung der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Satz 1 Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Satz 1 Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1 Nr. 3). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im Übrigen identischen Tatbestandsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich – bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche - ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Nach diesen Maßstäben konnte der Senat feststellen, dass bei dem Kläger ein auf unter sechs Stunden täglich gesunkenes Leistungsvermögen vorliegt.
Dem Entlassungsbericht der W.-Klinik vom 07.05.2012 entnimmt der Senat, dass der Kläger 2009 und 2010 wegen schweren Depressionen und von September 2010 bis November 2010 wegen einer Suchtproblematik stationär behandelt wurde. Zum psychischen Befund wird angegeben, dass der Kläger bewusstseinsklar und voll orientiert, im Kontakt zugewandt war. Die Berichterstattung erfolgte sachlich ohne Hinweise auf Aggravation. Die Stimmung war niedergeschlagen, subdepressiv, der Affekt adäquat und schwingungsfähig. Der Antrieb erschien reduziert, psychomotorisch unauffällig, Mimik und Gestik waren der Situation angemessen, es zeigten sich keine inhaltlichen oder formalen Denkstörungen. Die kognitiven und mnestischen Funktionen waren intakt, die Intelligenz dem Bildungsgrad entsprechend. Es ergaben sich Hinweise für selbstunsichere, ängstliche aber auch zwanghafte Persönlichkeitsanteile. Zum Entlassungsbefund ist mitgeteilt, dass der Kläger zwar deutlich stabiler und ausgeglichener gewirkt habe, aber aufgrund der noch bestehenden psychischen Problematik habe sich der Kläger psychisch labil gezeigt, sodass eine teilstationäre Behandlung empfohlen werde. Die psychophysische Stabilität sei gefestigt worden, aber zur Zeit noch nicht genügend tragfähig. Nach wie vor sei der Kläger nicht soweit stabil, dass er einen neuen beruflichen Anfang erwägen könne. Der Kläger wurde als arbeitsunfähig entlassen und ein Aufenthalt in einer psychosomatischen Tagesklinik und anschließende ambulante Psychotherapie empfohlen. Der Senat konnte daher feststellen, dass der Kläger bereits im Jahr 2012 mit der Einschätzung einer fehlenden psychischen Stabilität für die Wiederaufnahme einer Arbeitstätigkeit entlassen worden ist, mithin die angegebene Leistungseinschätzung der Klinik auf sechs Stunden und mehr mit den erhobenen Befunden und den beschriebenen Einschränkungen nicht in Einklang steht.
Die fehlende berufliche Belastbarkeit des Klägers hat sich im Rahmen des Aufenthalts im Berufsförderwerk B. bestätigt. Im Abschlussbericht vom 24.07.2015 ist ausgeführt, dass sich der Kläger in den Übungen sehr belastet zeigte und sich im Verlauf der Maßnahme etwas stabilisierte. Die Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit wird als inkonsistent beschrieben, der Kläger schilderte teils starke psychosomatische Beschwerden und eine hohe Belastung. Aufgrund des Gesamtergebnisses wurde zur Stabilisierung zunächst eine psychotherapeutische Behandlung, bei erfolgreicher Stabilisierung und beruflichem Wiedereinstieg eine begleitende Psychotherapie empfohlen. Die psychische Situation des Klägers wird als eher stabil beschrieben, jedoch darauf verwiesen, dass zur Klärung der Frage, ob eine volle Belastbarkeit bestehe, eine Arbeitserprobung durchgeführt werden müsse. Auch das Berufsförderwerk hat somit keine volle Belastbarkeit des Klägers beschrieben, sondern lediglich nach weiterer Stabilisierung einen beruflichen Wiedereinstieg für möglich gehalten.
Abgesehen davon, dass aus dem Abschlussbericht die Einschränkungen des Leistungsvermögens, wie sie bereits die Rehaklinik beschrieben hat, nochmals hervorgehen, folgt aus dem Bericht auch, dass die Rehabilitationsmaßnahme nicht in dem Sinne erfolgreich gewesen ist, als der Kläger wieder in den allgemeinen Arbeitsmarkt hätte eingegliedert werden können, sondern vielmehr die Notwendigkeit weiterer Rehabilitationsmaßnahmen beschrieben worden ist, sodass das Reha-Verfahren durch die einmalige Leistung nicht als abgeschlossen angesehen werden kann. Dr. Jörges hat in seinem ärztlichen Gutachten für die Rentenversicherung vom 01.12.2015 zwar ein nahezu unauffälliges psychisches Befinden angegeben, aber ebenfalls darauf verwiesen, dass sich anhand der Vorbefunde die Beurteilung der quantitativen Leistungsfähigkeit als schwierig erweist, wobei das Berufsförderwerk die Leistungsfähigkeit unter Vorgabe einer regelmäßigen Psychotherapie gesehen habe, die derzeit nicht durchgeführt werde.
In dem auf Empfehlung des Dr. Jörges sodann eingeholten nervenärztlichen Gutachten des Dr. Sch. vom 12.05.2016 ist ausgeführt, dass der Kläger sich im Warteraum unauffällig verhalten habe. Er sei mit einem farbenfrohen Hemd gekleidet gewesen und habe eine auffallend rötlich bis braungebrannte Gesichtsfarbe gehabt. Die Mimik sei freundlich und höflich gewesen. Der Kläger sei wach, bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten voll orientiert gewesen. Es bestanden keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen, keine Störung der Meinhaftigkeit, keine Sinnestäuschungen. Affektiv wirkte der Kläger zum Teil verbittert, immer wieder äußerte er sichtbar erregt seine Beschwerden, dann wieder auch ausgeglichen bis ausgelassen. Eine wesentliche depressive Verstimmung oder Affektlabilität wird von dem Gutachter verneint, der Antrieb war erhalten, es zeigten sich keine Störungen der Intelligenzfunktionen. Als Diagnosen benennt der Gutachter eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leicht bis allenfalls mittelgradige Episode, sowie einen Alkoholabusus, nicht abstinent, und führt zusammenfassend aus, dass der Kläger recht erfolgreich mit Citalopram 30mg behandelt werde, ein weiteres Problem sei ein persistierender Alkoholabusus. Dr. J. spreche in seinem Gutachten beschönigend von einem moderaten Alkoholgebrauch, was mit der aktuellen Angabe und dem sicheren Zustand nach Alkoholmissbrauch nicht vereinbar sei. Diesbezüglich bestehe kein wesentliches Problembewusstsein, zu empfehlen sei die Vorstellung in einer psychosozialen Beratungsstelle und bei entsprechender Motivation ggf. nochmals eine stationäre Behandlung. Qualitative Leistungseinschränkungen würden sich für Arbeiten in Wechselschichten ergeben, alkoholnahe Arbeiten oder Arbeiten unter erheblichem Zeitdruck seien zu vermeiden, für alle übrigen körperlich leichten bis mittelschweren Arbeiten sei von neurologisch-psychiatrischer Seite eine volle Leistungsfähigkeit gegeben.
Die Befunde des Dr. Sch. bestätigen damit ebenfalls die vorbeschriebenen Einschränkungen, insbesondere verweist dieser, in Abweichung von Dr. Jörges, auf eine bestehende Alkoholproblematik, die einer ggf. auch stationären Behandlung bedürfe. Die Leistungseinschätzung des Dr. Sch. erweist sich insbesondere vor dem Hintergrund, dass er selbst auf die Relevanz der Alkoholproblematik verweist, als nicht nachvollziehbar. Der Wertung dahingehend, dass die Alkoholproblematik nur zu einer qualitativen Einschränkung dahingehend führen würde, dass "alkoholnahe Tätigkeiten" nicht mehr leidensgerecht erscheinen, vermag sich der Senat unter Berücksichtigung der Vorbefunde nicht anzuschließen.
Dies wird bestätigt durch die sozialmedizinische Stellungnahme des Arztes für Innere Medizin Pf. vom 17.05.2016, der in Auswertung des Gutachtens des Dr. Sch. dargelegt hat, dass bei dem Kläger weiterhin ein relevanter Alkoholmissbrauch bei fehlendem Problembewusstsein besteht und darauf verweist, dass eine Entgiftung- bzw. Entwöhnung nicht erfolgversprechend sei und unter den gegebenen Umständen keine LTA-Anregung erfolgen könne. Abgesehen davon, dass der sozialmedizinische Dienst eine relevante Alkoholerkrankung bestätigt, können die Darlegungen nur so verstanden werden, dass eine Reha-Fähigkeit des Klägers verneint wird, mithin die von dem Berufsförderwerk für notwendig erachtete Arbeitserprobung auch nach Auffassung des sozialmedizinischen Dienstes nicht durchzuführen gewesen ist. Wenn der Kläger aber gesundheitlich gehindert ist, an Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation teilzunehmen, ist es unschlüssig, von einer vollschichtigen Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszugehen, da die Rehamaßnahmen gerade der Wiedereingliederung in das Erwerbsleben dienen sollen. Auch wenn es hierauf nicht entscheidungserheblich ankommt, da ein Rentenantrag gestellt worden ist, dürfte die Ausgangslage Veranlassung geben, die Umdeutung des Reha- in einen Rentenantrag zu prüfen (§ 116 Absatz 2 SGB VI).
Gegenüber dem Sachverständigen Prof. Dr. G. (Sachverständigengutachten vom 10.02.2017, Blatt 23/56 SG-Akte) hat der Kläger angegeben, seit Oktober 2016 alkoholabstinent zu sein und dass der Konsum jeweils parallel zu den depressiven Phasen angestiegen sei. Aus dem Entlassungsbericht der AMEOS-Klinik über die stationäre Behandlung des Klägers vom 14.09.2016 bis 02.10.2016 ergibt sich, dass während des Aufenthaltes das Krankheitsverständnis verbessert und eine Motivation zu weiteren Maßnahmen zur Krankheitsbewältigung (ambulante Psychotherapie) hergestellt werden konnte. Eine weitere fachärztliche psychiatrische Behandlung wurde empfohlen, nachdem sich in der psychiatrischen Eingangsuntersuchung eine rezidivierende depressive Störung zeigte. Aus dem Umstand, dass die Entlassung am 02.10.2016 in gebessertem Allgemeinzustand, körperlich stabil und psychisch gefestigt in die weitere hausärztliche Betreuung erfolgte, kann nicht der Rückschluss gezogen werden, dass der Kläger hinreichend leistungsfähig für eine vollschichtige Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gewesen wäre. Dagegen sprechen insbesondere die für notwendig erachteten weiteren therapeutischen Maßnahmen, im Übrigen hat die Klinik den Kläger nicht im Hinblick auf das berufliche Leistungsvermögen untersucht. Die Ausführungen belegen daher nur, dass es einer weiteren stationären Behandlung des Klägers nicht mehr bedurfte.
Dies wird auch in dem vier Monate nach Entlassung erstellten Sachverständigengutachten des Prof. Dr. G. deutlich. Zum psychopathologischen Untersuchungsbefund teilt der Sachverständige mit, dass der Kläger wach und zu allen Qualitäten voll orientiert war, das Denken geordnet, die Antworten beschreibt er als inhaltlich adäquat, jedoch ideenflüchtig wirkend und sprunghaft. Ein geordnetes Gespräch war über die gesamte Dauer der Untersuchung möglich. Die Stimmung wird als weniger zum Depressiven hin verschoben beschrieben, der Kläger wirkte jedoch verzweifelt, ratlos, resigniert und teilweise aufgebracht. Sichere Defizite in den mnestischen Funktionen konnte der Sachverständige nicht feststellen, beschreibt aber Defizite in den Bereichen Konzentrationsvermögen und Aufmerksamkeit, was mit den Ausführungen des Berufsförderwerkes korrespondiert. Prof. Dr. G. führt weiter aus, dass der Kläger eine feste Tagesstruktur verloren hat und Schwierigkeiten bei der Bewältigung des Alltages bestehen. In diagnostischer Hinsicht führt der Sachverständige aus, dass zwar die Kriterien einer phasenhaft verlaufenden depressiven Störung als erfüllt anzusehen sind, daneben aber auch Symptome geschildert worden sind, die auf eine bipolare affektive Störung hindeuten und nicht auf eine monopolare depressive Störung. Hierzu verweist er darauf, dass der Zustand des Klägers zum Untersuchungszeitpunkt nicht nur depressiv gefärbt gewesen ist, nachdem der Kläger seine Ausführungen mit lebhafter Gestik und Mimik unterstützte, dabei aber eher gereizt, anfänglich latent aggressiv wirkte, viel und rasch redete, dann aber wieder traurig, gedrückt und zurückgezogen wirkte. Der Sachverständige kommt für den Senat überzeugend zu dem Ergebnis, dass aufgrund der mangelnden Fähigkeit des Klägers zur Tagesstruktuierung eine vollschichtige Erwerbstätigkeit nicht in Betracht kommt.
Die Einwände der Dr. De. (sozialmedizinische Stellungnahmen vom 14.03.2017 und 26.04.2017) überzeugen nicht. Soweit auf die Vorgutachten Dr. J. und Dr. Sch. verwiesen wird, ergibt sich aus diesen gerade kein vollschichtiges Leistungsvermögen, wie oben bereits ausgeführt, sodass auch der Querschnittsbetrachtung der Dr. De. nicht gefolgt werden kann. Dass der Kläger die Entzugsbehandlung gegenüber dem Sachverständigen nicht angegeben haben mag, stellt die Befunderhebung des Sachverständigen nicht in Frage, abgesehen davon, dass dem Sachverständigengutachten jedenfalls entnommen werden kann, dass der Kläger eine Abstinenz seit Oktober 2016, mithin also seit der Entlassung aus der stationären Behandlung in der AMEOS-Klinik angegeben hat. Unabhängig davon, dass der Entlassungsbericht der AMEOS-Klinik eine vollschichtige Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (vgl. oben) nicht annehmen lässt, setzt sich Dr. De. mit der Argumentation des Sachverständigen, dass der psychische Befund des Klägers zu einer Aufhebung der Tagesstruktur geführt und der Kläger bereits Probleme damit hat, seinen Alltag zu strukturieren, woraus er überzeugend auf die Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens schließt, nicht auseinander.
Dem Entlassungsbericht der Ha. Klinik vom 20.12.2017 (Blatt 103/108 SG-Akte – stationärer Aufenthalt vom 26.10.2017 bis 04.12.2017) ist zu entnehmen, dass der Kläger angegeben hat, dass vor sechs Wochen eine Notarztbehandlung erforderlich wurde, nachdem seine Freundin einen Suizid befürchtet habe. Zum psychischen Befund ist mitgeteilt, dass der Kläger bewusstseinsklar und allseits orientiert gewesen ist. Das äußere Erscheinungsbild war altersentsprechend, die Stimmung deutlich zum depressiven Pol verschoben, der Kläger wirkte gereizt bei reduzierter affektiver Schwingungsfähigkeit, der zielgerichtete Antrieb war vermindert. Der Denkablauf war formal unauffällig, inhaltlich negativistisch geprägt. Während der testpsychologischen Untersuchung wirkte der Kläger dominant und raumfüllend sowie anfangs fassadenhaft. Probleme bei der Konzentration wurden angegeben, die Testergebnisse wiesen auf eine schwergradige Globalbelastung hin, insbesondere zeigte sich eine schwergradige Symptombelastung auf den Skalen Zwang und Somatisierung. Der AUDIT-Test (Alkohol Use Disorder Identification Test) wies auf ein kritisches Konsumverhalten hin. Zum Verlauf ist angegeben, dass sich die Behandlung als schwierig erwies, da sich der Kläger zwar schnell in die Patientengemeinschaft integrieren konnte, in seinen Kontakten aber oberflächlich und unverbindlich blieb. Nach einem Therapeutenwechsel wird ein Austesten von Grenzen beschrieben, in den therapeutischen Einzelgesprächen zeigte sich ein wechselnd eher reizbares, dann wieder überangepasstes-devotes Verhalten. Auf emotionaler Ebene erschien der Kläger kaum erreichbar, nach einem Erprobungswochenende kehrte der Kläger verspätet zurück, wobei die Klinik darauf hinweist, dass ein exzessiver Alkoholgenuss als Grund für die verspätete Rückkehr anzunehmen ist. Zusammenfassend wird beschrieben, dass sich eine chronische Alkoholabususproblematik heraus kristallisiert hat, die mit den psychischen Gesundheitsstörungen in komplexer Weise interagiert. Beim Abholen des Gepäcks wird der Kläger als alkoholisiert beschrieben, diagnostisch wurde davon ausgegangen, dass die ursprünglich sekundäre Alkoholkrankheit sich mittlerweile in den Vordergrund geschoben hat und eine fruchtbare Bearbeitung der übrigen Problemkreise im Vordergrund steht. Die Ausführungen der Klinik bestätigen die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. G., dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht leistungsfähig ist, die beschriebenen Schwierigkeiten in der therapeutischen Behandlung und die geschilderten Verhaltensweisen des Klägers entsprechen den von Prof. Dr. G. dargelegten Einschränkungen. In den durchgeführten Testverfahren haben sich die Einschränkungen bestätigt, ohne dass die Klinik Anhaltspunkte dafür mitgeteilt hat, dass die Testergebnisse nicht valide wären oder mit dem klinischen Befund unvereinbar sind. Aus dem Bericht folgt auch, dass von einer Abstinenz des Klägers nicht ausgegangen werden kann, sodass sich nicht erschließt, welche Rückschlüsse auf das Leistungsvermögen des Klägers daraus zu ziehen sein sollen, dass der Kläger die Entzugsbehandlung im September/Oktober 2016 gegenüber der Klinik nicht angegeben hat, worauf Dr. De. meint die Einschätzung eines weiterhin bestehenden vollschichtigen Leistungsvermögens stützen zu können (sozialmedizinische Stellungnahme vom 01.03.2018, Blatt 113/114 SG-Akte). Gänzlich fehl geht es, wenn Dr. De. aus den Darlegungen des Prof. Dr. G., dass der Kläger die Tendenz gehabt habe, seine Beschwerden und Klagen wirklich deutlich werden zu lassen, auf eine Simulation von Beschwerden schließt, was sie dadurch gestützt sieht, dass der Kläger Vorbehandlungen verschweige. Zum einen hat Prof. Dr. G. ausdrücklich darauf hingewiesen, dass trotz der erkennbaren Tendenz keine Zweifel bestehen, dass essentielle Beeinträchtigungen vorliegen, zum Anderen bleibt offen, welche Auswirkungen es auf die Tatsache haben soll, dass sich im Rahmen der stationären Behandlung in der Ha. Klinik ein (erneuter) Alkoholkonsum ergeben hat, dass der Kläger nicht angegeben hat, im Oktober 2016 mit Erfolg entgiftet worden zu sein. Ohne, dass es hierauf entscheidungserheblich ankommt, müsste Dr. Dellbrück auch die Angabe vermissen, dass Prof. Dr. G. den Kläger begutachtet und ihn für nicht leistungsfähig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erachtet hat. Wenn sich indessen schon die Behandlung des Klägers aufgrund des Beschwerdebildes als problematisch erwiesen hat, bleibt offen, wie der Kläger vollschichtig einer beruflichen Tätigkeit nachkommen können sollte. Im Übrigen bestätigt die Klinik, dass bei dem Kläger eine fortbestehende Alkoholabhängigkeit vorliegt, mithin zum einen die Entgiftung nicht von dauerhaftem Erfolg gewesen ist und der Senat, wie oben bereits dargelegt, sich der Auffassung nicht anschließen kann, dass bei einem nicht abstinenten Alkoholiker lediglich qualitative Einschränkungen zu beachten wären.
Festzustellen ist somit, dass der Bericht des Berufsförderwerkes bereits Einschränkungen im Hinblick auf das zeitliche Leistungsvermögen ergeben hat, die durch das Gutachten des Dr. Sch. bestätigt worden sind und auch die stationäre sechswöchige Behandlung in der AMEOS-Klinik nicht auf ein vollschichtiges Leistungsvermögen hindeutet. Darüber hinaus lässt der im Februar 2017 von Prof. Dr. G. erhobene Befund eine vollschichtige Leistungsfähigkeit nicht erkennen, bereits im Oktober 2017 war eine erneute mehrwöchige Behandlung des Klägers in der Ha. Klinik notwendig, wobei die Alkoholproblematik wieder deutlich sichtbar geworden ist.
Dem Sachverständigengutachten Br. vom 10.09.1018 entnimmt der Senat, dass in der Untersuchungssituation bei der Erarbeitung des Tagesablaufs Zeichen von Rat- und Hilflosigkeit zu erkennen waren, trotz offensichtlicher Anstrengung konnte keine Struktur hergestellt werden. Gegenüber dem Sachverständigen gab der Kläger Versagensängste und starken sozialen Rückzug an. Das Haus verlasse er nur zum Essen kaufen, er fühle sich minderwertig und habe Probleme mit Aufmerksamkeit und Konzentration. Zur Untersuchung kam der Kläger in Begleitung einer Freundin und gab an, dass die sozialen Ängste und Panikattacken in den letzten Monaten wieder zugenommen hätten. Der Sachverständige beschreibt ein erheblich ängstlich-depressives Zustandsbild mit Rückzug, gedrückter, dysphorischer Stimmung, Schlafstörungen und Insuffizienzgefühlen. In der Gegenübertragung wurden Traurigkeit und Verzweiflung sichtbar, es bestand ein Ruhetremor, wobei der Kläger seinen Alkoholkonsum bagatellisierte. Einen Foetor alcoholicus konnte der Sachverständige nicht feststellen, verweist aber darauf, dass eine deutliche Venenzeichnung im Gesicht bestanden hat. Hinweise für eine produktive Symptomatik oder eine inhaltliche Denkstörung ergaben sich nicht, ebenso keine Hinweise auf Simulation oder Verdeutlichungstendenzen. Zum Teil wurden die Beschwerden und Probleme verharmlosend dargestellt bei deutlich spürbarem Leidensdruck. Bei zunehmendem Vertrauen beschreibt der Sachverständige eine Krankheitseinsicht des Klägers. Auf struktureller Ebene ergab sich eine verzerrte Selbst- und Objektwahrnehmung sowie eine eingeschränkte affektive Kommunikation nach Innen und Außen sowie eine eingeschränkte Selbststeuerung. Klinisch zeigte sich dies im Rahmen einer narzisstischen, fragilen Selbstwertproblematik, wodurch es bei Misserfolgen rasch zu einer depressiven Stimmungslage kommt und bei Erfolg zu einer Mobilisation von Ressourcen, wobei der Sachverständige darauf verweist, dass es dem Kläger schwer fällt, von einer Behandlung zu profitieren, da er dies dann nicht aus eigener Kraft erreicht hat. Zusammenfassend führt der Sachverständige aus, dass durch die verzerrte Selbst- und Objektwahrnehmung es in sozialen Situationen rasch zu Stimmungswechseln, Frustration und Erschöpfung kommt, wobei sich zusätzlich die chronisch gewordene depressiv-ängstliche Symptomatik negativ auswirkt, die seit 2009 ohne wesentliche Besserung behandelt wird. Durch die Schlafstörungen sieht der Sachverständige ein generell reduziertes Leistungsvermögen und weist weiter darauf hin, dass eine erhebliche Antriebsstörung, Freud- und Lustlosigkeit bei selbstzerstörerischen Tendenzen besteht. Der Kläger sei selbst mit seinem monotonen Alltag überfordert, Veränderungen, wie zu einem Gutachten zu gehen, würden ihn in eine derartige Unruhe versetzen, dass er solche Situationen nicht alleine bewältigen kann.
Ebenso wie der Vorgutachter sieht der Sachverständige Br. für den Senat überzeugend kein vollschichtiges Leistungsvermögen des Klägers, weiterhin kann der Senat gestützt auf das Sachverständigengutachten feststellen, dass der Kläger die gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht aus eigener Kraft überwinden kann, mithin also nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine Rentengewährung die Leistungseinschränkungen entfallen lassen würde, was nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, Urteil vom 29.03.2006 – B 13 RJ 31/05 R, juris RdnR. 21 f.), der der Senat folgt (vgl. auch Senatsbeschluss vom 09.11.2018 - L 8 R 778/17, n.v.), indessen erforderlich ist, um einen Rentenanspruch unter Hinweis auf nicht ausgeschöpfte Behandlungsmöglichkeiten verneinen zu können.
Die neuerlichen Ausführungen von Dr. De. in ihrer Stellungnahme vom 02.10.2018 überzeugen hingegen nicht. Soweit sie erneut auf das Begutachtungsergebnis des Dr. Sch. verweist, lässt sich aus diesem, wie oben im Einzelnen dargelegt, ein vollschichtiges Leistungsvermögen gerade nicht herleiten. Auch kann aus dem Umstand, dass die AMEOS Klinik den Kläger in gebessertem Allgemeinzustand, körperlich stabil und psychisch gefestigt in die weitere hausärztliche Behandlung entlassen hat, nicht auf ein vollschichtiges Leistungsvermögen des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt geschlossen werden. Im Übrigen geht die Klinik ausweislich des Entlassungsberichtes auch von einem fortbestehenden Behandlungsbedarf des Klägers aus, was sich letztlich auch dadurch bestätigt, dass sich der Kläger ab dem 26.10.2017 erneut in stationärer Behandlung befunden hat. Die Schlussfolgerung der Dr. De., dass die Alkoholerkrankung des Klägers einer Behandlung gut zugänglich gewesen ist, obwohl nicht mal eine sich üblicherweise anschließende Suchtrehabilitation durchgeführt wurde, ist nicht nachvollziehbar. Abgesehen davon, dass die Befunde des Prof. Dr. G. und die Befunde der Ha. Klinik eine nachhaltige Besserung gerade nicht erkennen lassen, ist nicht erkennbar, weshalb die Beklagte sich nicht veranlasst gesehen hat, auf die Durchführung entsprechender Leistungen zur medizinischen Rehabilitation hinzuwirken, nachdem, wie oben dargelegt, ein noch nicht als abgeschlossen anzusehendes Rehabilitationsverfahren vorliegt. Aus dem Unterlassen der Suchtrehabilitation darauf zu schließen, dass kein Behandlungsbedarf bestand bzw. besteht, wie Dr. De. glauben machen möchte, geht insbesondere deshalb fehl, da die Klinik den weiteren Behandlungsbedarf dargelegt hat. Im Übrigen erschließt sich nicht, weshalb die Beklagte ausgehend von ihrem Rechtstandpunkt das berufliche Reha-Verfahren nicht fortgesetzt hat, da wenn, wie die Beklagte meint, ein vollschichtiges Leistungsvermögen für den allgemeinen Arbeitsmarkt besteht, die Reha-Fähigkeit nicht verneint werden kann.
Einschränkungen auf internistischen oder orthopädischen Fachgebiet, die einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit entgegenstünden, konnte der Senat hingegen nicht feststellen. Insoweit sind keine pathologischen Befunde beschrieben worden, soweit der Kläger wiederholt über Kniebeschwerden geklagt hat, lassen sich keine Befunde erkennen, die mehr als qualitative Einschränkungen dahingehend begründen, dass keine knieenden Tätigkeiten ausgeübt werden können, oder die Wegefähigkeit des Klägers in Frage stellen könnten. Weshalb Dr. De. vor diesem Hintergrund das Fehlen einer eingehenden körperlichen Untersuchung durch den psychosomatischen Sachverständigen Br. bemängelt, ist nicht nachvollziehbar. Abgesehen davon lassen sich sowohl dem Sachverständigengutachten des Prof. Dr. G. als auch dem Bericht der Ha. Klinik keine auffälligen Befunde entnehmen, auf solche haben auch beide Sachverständigen nicht abgestellt, sodass nicht erkennbar ist, weshalb hier weiterer Aufklärungsbedarf bestanden haben sollte. Weshalb der Sachverständige Br. sich hätte gedrängt fühlen sollen, die näheren Umstände der wohl verhängten Haftstrafe aufzuklären, wie Dr. De. meint, erschließt sich ebenfalls nicht. Selbst wenn diese im Zusammenhang mit der Alkoholproblematik stehen sollte, kann dadurch nur das Bestehen der Alkoholproblematik erneut bestätigt werden, was durch die Gutachten bereits belegt ist.
Dass Dr. De. abschließend meint, das Sachverständigengutachten Br. deshalb in Frage stellen zu können, weil dieser eine Psychotherapie empfiehlt ohne zunächst eine Behandlung der Alkoholproblematik für erforderlich zu halten, stützt die Ablehnung der Annahme einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens nicht, sondern bestätigt dieses vielmehr. Entscheidungsrelevant im Rentenverfahren wegen Erwerbsminderung ist jedoch nicht die Frage nach der richtigen diagnostischen Einordnung von Gesundheitsstörungen und deren Behandlung, sondern ausreichend ist, dass ein eingeschränktes Leistungsvermögen von unabsehbarer Dauer gegeben ist, welches beim Kläger belegt ist, wie oben ausgeführt.
Der Senat konnte anhand des Versicherungsverlaufs vom 07.10.2015 (Blatt 6 VA) festzustellen, dass der Kläger von Januar 2007 bis Dezember 2010 Pflichtbeitragszeiten aufgrund des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II zurückgelegt hat und seitdem ein durchgehender Bezug von SGB-Leistungen vorliegt, sodass 36 Monate Pflichtbeitragszeit innerhalb des aufgrund der Anrechnungszeiten durch den Bezug von SGB II Leistungen ab dem 01.01.2011 verlängerten Zeitraums (§ 43 Absatz 4 SGB VI) vorliegen, mithin die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Ausgehend vom Reha-Entlassungsbericht sowie dem Bericht des Berufsförderwerkes, bestätigt durch die Gutachten Dr. J. und Dr. Sch., konnte der Senat den Eintritt des Leistungsfalls durch die Begutachtung des Dr. Sch. am 02.05.2016 (Untersuchungstag) feststellen. Während Dr. J. noch weiteren Aufklärungsbedarf gesehen und die Alkoholkrankheit, wie Dr. Sch. formuliert, noch bagatellisiert hat, ist durch die Untersuchung des Dr. Sch. und der nachgehenden sozialmedizinischen Stellungnahme des Internisten Pf. die Relevanz der Alkoholkrankheit für das Leistungsvermögen belegt. Davon, dass zu einem früheren Zeitpunkt bereits ein dauerhaft eingeschränktes Leistungsvermögen bestanden hat, konnte sich der Senat nicht überzeugen, auch wenn der Entlassungsbericht des Berufsförderwerks hierfür Anhaltspunkte liefert.
Gemäß § 99 Absatz 1 SGB VI wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet. Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden auf Zeit geleistet, § 102 Absatz 2 Satz 1 SGB VI. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn, Renten auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann, hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen, § 102 Absatz 2 Satz 2 und 5 SGB VI. Gestützt auf das Sachverständigengutachten Br. konnte der Senat feststellen, dass bei dem Kläger die Möglichkeit einer Besserung innerhalb eines Zeitraumes von zwei bis drei Jahren besteht, sodass nicht unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. Der Kläger kann daher nur eine befristete Rente beanspruchen, wobei diese bei einem festzustellenden Leistungsfall mit der Untersuchung des Dr. Sch. (vgl. oben) ab dem 01.12.2016 beginnt und aufgrund des vorgegebenen Drei-Jahres-Zeitraumes am 30.11.2019 endet. Der Senat verkennt dabei nicht, dass der Sachverständige Br. einen längeren Behandlungsbedarf prognostiziert hat, kann aber eine Unwahrscheinlichkeit der Behebung der Leistungsminderung nicht feststellen und daher zum Entscheidungszeitpunkt nicht über einen Zeitraum von drei Jahren nach Rentenbeginn hinausgehen.
Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte weder gehindert ist, während der laufenden Rentengewährung Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder auch zur beruflichen Rehabilitation zu gewähren, da nach § 10 Absatz 1 Nr.1 SGB VI die persönlichen Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe auch bei einer geminderten, nicht nur bei einer gefährdeten Erwerbsfähigkeit gegeben sind.
Nachdem der Senat feststellen konnte, dass das Leistungsvermögen auf jedenfalls unter sechs Stunden täglich gesunken ist und der Kläger keinen Arbeitsplatz innehat, sodass die teilweise Erwerbsminderung in eine volle Erwerbsminderung umschlägt, musste der Senat nicht entscheiden, ob das Leistungsvermögen unter drei Stunden täglich gesunken ist.
Das Urteil des Sozialgerichts sowie die Bescheide der Beklagten waren daher entsprechend abzuändern und die Beklagte zur Rentengewährung für die Zeit vom 01.12.2016 bis 30.11.2019 zu verurteilen. Im Übrigen war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger zwar mit seinem Begehren auf eine Dauerrente erfolglos geblieben ist, jedoch dem gesetzlichen Regelfall entsprechend eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren war.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers hat die Beklagte in beiden Instanzen 2/3 zu tragen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Der 1962 geborene Kläger beantragte bei der Beklagten am 06.10.2015 die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die Beklagte zog den Entlassungsbericht der W. Klink vom 07.05.2012 über die in der Zeit vom 21.03.2012 bis 25.04.2012 durchgeführte stationäre medizinische Rehabilitation bei (Diagnosen: rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, Burn-out-Syndrom, kombinierte Hyperlipidämie, Adipositas). Zum Leistungsvermögen wurde ausgeführt, dass eine Tätigkeit als Diplom-Fachwirt für Touristik nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich ausgeübt werden könne, leichte Tätigkeiten ohne Nachtschicht und ohne Stressbelastung könnten sechs Stunden und mehr verrichtet werden.
In der Zeit vom 08.06.2015 bis 10.07.2015 befand sich der Kläger zu Lasten der Beklagten im Berufsförderwerk B. (Biografieorientiertes Assessment zur Sicherung der Erwerbsfähigkeit – B.A.S.E. -, Ergebnisbericht vom 24.07.2015).
Die Beklagte holte das ärztliche Gutachten für die gesetzliche Rentenversicherung des Dr. J. vom 01.12.2015 (Blatt X) ein, der eine Angststörung mit sozialem Rückzug, eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig remittiert, eine Gonalgie beidseits bei Zustand nach Binnenschädigungen der Kniegelenke, einen moderaten Gebrauch von Alkohol bei Zustand nach Alkoholmissbrauch sowie eine vorbeschriebene posttraumatische Belastungsstörung und eine Persönlichkeitsstörung diagnostizierte. Zur Leistungseinschätzung führte der Gutachter aus, dass zunächst eine psychiatrische Begutachtung durchgeführt werden müsse.
Die Beklagte holte sodann das ärztliche Gutachten für die Rentenversicherung des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sch. vom 12.05.2016 ein, der eine rezidivierende depressive Störung gegenwärtig leicht bis mittelgradig beschrieb und den Kläger für leichte Tätigkeiten für vollschichtig leistungsfähig erachtete.
Ausweislich der Mitteilung vom 12.01.2016 (Blatt 13 VA) erklärte sich die Beklagte bereit, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erbringen und erklärte sich grundsätzlich bereit, einen Eingliederungszuschuss an den Arbeitgeber zu leisten. Die Zusage war daran gebunden, dass bis 31.01.2019 ein abschließender Vermittlungsvorschlag zustande kommt.
Mit Schreiben vom 12.01.2016 wies die Beklagte darauf hin, dass der Kläger der Einladung zur Untersuchung bei Dr. B. nicht nachgekommen sei und wies darauf hin, dass alternativ eine Begutachtung in Stuttgart bei dem sozialmedizinischen Dienst in Betracht komme.
Hierzu nahm der Kläger mit am 25.01.2016 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben dahingehend Stellung, dass eine ortsnahe Begutachtung durchgeführt werden solle, da andernfalls Fahrtkosten, Kosten für eine Begleitperson und Übernachtungskosten anfallen würden.
Der Arzt für Innere Medizin Pf. erstattete die sozialmedizinische Stellungnahme vom 17.06.2016 und führte aus, dass in der Zusammenschau der Befunde ein vollschichtiges Leistungsvermögen bestehe, weiterhin sei ein zumindest relevanter Alkoholmissbrauch bei fehlendem Problembewusstsein gegeben. Nach dem Gutachter Dr. Sch. sei eine Entgiftung daher nicht erfolgversprechend, unter den gegebenen Umständen könne auch keine LTA-Anregung erfolgen.
Mit Bescheid vom 01.06.2016 (Blatt XX VA) lehnte die Beklagte den Antrag ab und führte zur Begründung aus, dass der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein könne.
Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 09.06.2016 (Blatt XX VA) Widerspruch und machte geltend, dass aus den Gutachten hervorgehe, dass er maximal drei bis vier Stunden täglich arbeiten könne. Dem Urteil des Sozialgerichts Heilbronn sei in keinster Weise nachgekommen worden, er erwarte die Gewährung einer Rehabilitation.
Zu der Widerspruchsbegründung erstattete Dr. J. die sozialmedizinische Stellungnahme vom 20.06.2016 und führte aus, dass im Widerspruch keine neuen medizinischen Aspekte vorgetragen worden seien, eine umfangreiche Sachaufklärung sei erfolgt.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.08.2016 zurück und führte im Anschluss an die Rechtsbehelfsbelehrung aus, dass gemäß dem im früheren Klageverfahren S 3 R 4289/12 geschlossenen Vergleich mit Bescheid vom 27.10.2014 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach bewilligt worden seien. Die Reha-Fachberatung werde sich baldmöglichst mit dem Kläger wegen eines Beratungstermins in Verbindung setzen.
Am 05.09.2016 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG).
Das SG holte das nervenärztliche Sachverständigengutachten des Prof. Dr. G. vom 10.02.2017 (Blatt XX SG-Akte) ein, der ausführte, dass bei dem Kläger wahrscheinlich ein manisch-depressiver Zustand bestehe, sodass der Kläger nicht mehr in der Lage sei, eine feste Tagesstruktur aufrecht zu erhalten. Eine Erwerbstätigkeit sei dem Kläger nicht mehr möglich.
Die Beklagte legte die sozialmedizinische Stellungnahme der Dr. De. vom 14.03.2017 (Blatt XX SG-Akte) vor, das SG zog den Entlassungsbericht der Ameos-Klinik über die stationäre Behandlung vom 14.09.2016 bis 02.10.2016 (Blatt XX SG-Akte) bei. Dr. De. erstatte die weitere sozialmedizinische Stellungnahme vom 26.04.2016 und führte zusammenfassend aus, dass dem Sachverständigengutachten keine zeitlich überdauernde Leistungsminderung entnommen werden könne.
Das SG beauftragte Prof. Dr. Eb. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens (Verfügung vom 11.05.2017, Blatt XX SG-Akte) und hob den Auftrag auf, nachdem der Kläger mitteilte, sich nicht in der Lage zu sehen, den Sachverständigen aufzusuchen.
Das SG zog den Entlassungsbericht der Ha. Klinik vom 20.12.2017 (stationärer Aufenthalt vom 26.10.2017 bis 04.12.2017, Blatt XX SG-Akte) bei, zu dem die Beklagte die sozialmedizinische Stellungnahme der Dr. De. vom 01.03.2018 (Blatt XX SG-Akte) vorlegte.
Die Klage wies das SG mit Urteil vom 09.03.2018 ab und führte zur Begründung aus, dass die Kammer vom Vorliegen einer depressiven Störung überzeugt sei, als nicht nachgewiesen müsse jedoch die von Prof. Dr. G. beschriebene bipolare affektive Störung angesehen werden. Es könnten nur noch körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Arbeitshaltung unter Ausschluss von alkoholnahen Arbeiten durchgeführt werden. Die Kammer habe sich jedoch nicht davon überzeugen können, dass eine dauerhafte Leistungsminderung bei dem Kläger vorliege, zwar sei der Kläger seit 2008 bereits in Behandlung, jedoch liege ein phasenhafter Verlauf vor. Da der Kläger nicht bereit gewesen sei, sich einer weiteren Begutachtung zu unterziehen, habe der Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt werden können, was nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers gehe. Zu einer konkreten Darlegung der Tätigkeiten, zu denen der Kläger aus gesundheitlichen Gründen noch in der Lage sei, bestehe keine Verpflichtung.
Gegen das dem Kläger am 06.04.2018 (Blatt 123a SG-Akte) zugestellte Urteil hat der Kläger am 30.04.2018 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und geltend gemacht, dass die Gutachten nicht richtig gewürdigt, falsch ausgelegt und aus dem Zusammenhang gerissen worden seien.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 09.03.2018 sowie den Bescheid der Beklagten vom 01.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.11.2015 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat das Sachverständigengutachten des Facharztes für Psychosomatische Medizin Br. vom 10.09.2018 (Blatt XX Senatsakte) eingeholt.
Dem Sachverständigengutachten ist die Beklagte unter Vorlage der sozialmedizinischen Stellungnahme der Dr. De. vom 02.10.2018 entgegengetreten.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Trotz Ausbleibens des ordnungsgemäß geladenen Klägers im Termin hat der Senat aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden können, denn die Beteiligten waren in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (§ 110 Abs. 1 SGG).
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und teilweise begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 01.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt worden ist. In diesem Umfang waren die Bescheide der Beklagten und das Urteil des SG abzuändern.
Formal ist das Urteil des SG, entgegen der Auffassung des Klägers, nicht zu beanstanden. Der Senat konnte nämlich feststellen, dass der Kläger zwar eine Verhinderung zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, jedoch keinen Verlegungsantrag gestellt und auch keine medizinische Bescheinigung über eine Verhandlungsunfähigkeit beigebracht hat. Für die Vertagung der mündlichen Verhandlung bestand vor diesem Hintergrund keine Veranlassung, die Anordnung des persönlichen Erscheinens ist vom SG in der mündlichen Verhandlung – deklaratorisch – aufgehoben worden.
Gemäß § 43 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte bis zur Vollendung der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Satz 1 Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Satz 1 Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1 Nr. 3). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im Übrigen identischen Tatbestandsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich – bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche - ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Nach diesen Maßstäben konnte der Senat feststellen, dass bei dem Kläger ein auf unter sechs Stunden täglich gesunkenes Leistungsvermögen vorliegt.
Dem Entlassungsbericht der W.-Klinik vom 07.05.2012 entnimmt der Senat, dass der Kläger 2009 und 2010 wegen schweren Depressionen und von September 2010 bis November 2010 wegen einer Suchtproblematik stationär behandelt wurde. Zum psychischen Befund wird angegeben, dass der Kläger bewusstseinsklar und voll orientiert, im Kontakt zugewandt war. Die Berichterstattung erfolgte sachlich ohne Hinweise auf Aggravation. Die Stimmung war niedergeschlagen, subdepressiv, der Affekt adäquat und schwingungsfähig. Der Antrieb erschien reduziert, psychomotorisch unauffällig, Mimik und Gestik waren der Situation angemessen, es zeigten sich keine inhaltlichen oder formalen Denkstörungen. Die kognitiven und mnestischen Funktionen waren intakt, die Intelligenz dem Bildungsgrad entsprechend. Es ergaben sich Hinweise für selbstunsichere, ängstliche aber auch zwanghafte Persönlichkeitsanteile. Zum Entlassungsbefund ist mitgeteilt, dass der Kläger zwar deutlich stabiler und ausgeglichener gewirkt habe, aber aufgrund der noch bestehenden psychischen Problematik habe sich der Kläger psychisch labil gezeigt, sodass eine teilstationäre Behandlung empfohlen werde. Die psychophysische Stabilität sei gefestigt worden, aber zur Zeit noch nicht genügend tragfähig. Nach wie vor sei der Kläger nicht soweit stabil, dass er einen neuen beruflichen Anfang erwägen könne. Der Kläger wurde als arbeitsunfähig entlassen und ein Aufenthalt in einer psychosomatischen Tagesklinik und anschließende ambulante Psychotherapie empfohlen. Der Senat konnte daher feststellen, dass der Kläger bereits im Jahr 2012 mit der Einschätzung einer fehlenden psychischen Stabilität für die Wiederaufnahme einer Arbeitstätigkeit entlassen worden ist, mithin die angegebene Leistungseinschätzung der Klinik auf sechs Stunden und mehr mit den erhobenen Befunden und den beschriebenen Einschränkungen nicht in Einklang steht.
Die fehlende berufliche Belastbarkeit des Klägers hat sich im Rahmen des Aufenthalts im Berufsförderwerk B. bestätigt. Im Abschlussbericht vom 24.07.2015 ist ausgeführt, dass sich der Kläger in den Übungen sehr belastet zeigte und sich im Verlauf der Maßnahme etwas stabilisierte. Die Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit wird als inkonsistent beschrieben, der Kläger schilderte teils starke psychosomatische Beschwerden und eine hohe Belastung. Aufgrund des Gesamtergebnisses wurde zur Stabilisierung zunächst eine psychotherapeutische Behandlung, bei erfolgreicher Stabilisierung und beruflichem Wiedereinstieg eine begleitende Psychotherapie empfohlen. Die psychische Situation des Klägers wird als eher stabil beschrieben, jedoch darauf verwiesen, dass zur Klärung der Frage, ob eine volle Belastbarkeit bestehe, eine Arbeitserprobung durchgeführt werden müsse. Auch das Berufsförderwerk hat somit keine volle Belastbarkeit des Klägers beschrieben, sondern lediglich nach weiterer Stabilisierung einen beruflichen Wiedereinstieg für möglich gehalten.
Abgesehen davon, dass aus dem Abschlussbericht die Einschränkungen des Leistungsvermögens, wie sie bereits die Rehaklinik beschrieben hat, nochmals hervorgehen, folgt aus dem Bericht auch, dass die Rehabilitationsmaßnahme nicht in dem Sinne erfolgreich gewesen ist, als der Kläger wieder in den allgemeinen Arbeitsmarkt hätte eingegliedert werden können, sondern vielmehr die Notwendigkeit weiterer Rehabilitationsmaßnahmen beschrieben worden ist, sodass das Reha-Verfahren durch die einmalige Leistung nicht als abgeschlossen angesehen werden kann. Dr. Jörges hat in seinem ärztlichen Gutachten für die Rentenversicherung vom 01.12.2015 zwar ein nahezu unauffälliges psychisches Befinden angegeben, aber ebenfalls darauf verwiesen, dass sich anhand der Vorbefunde die Beurteilung der quantitativen Leistungsfähigkeit als schwierig erweist, wobei das Berufsförderwerk die Leistungsfähigkeit unter Vorgabe einer regelmäßigen Psychotherapie gesehen habe, die derzeit nicht durchgeführt werde.
In dem auf Empfehlung des Dr. Jörges sodann eingeholten nervenärztlichen Gutachten des Dr. Sch. vom 12.05.2016 ist ausgeführt, dass der Kläger sich im Warteraum unauffällig verhalten habe. Er sei mit einem farbenfrohen Hemd gekleidet gewesen und habe eine auffallend rötlich bis braungebrannte Gesichtsfarbe gehabt. Die Mimik sei freundlich und höflich gewesen. Der Kläger sei wach, bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten voll orientiert gewesen. Es bestanden keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen, keine Störung der Meinhaftigkeit, keine Sinnestäuschungen. Affektiv wirkte der Kläger zum Teil verbittert, immer wieder äußerte er sichtbar erregt seine Beschwerden, dann wieder auch ausgeglichen bis ausgelassen. Eine wesentliche depressive Verstimmung oder Affektlabilität wird von dem Gutachter verneint, der Antrieb war erhalten, es zeigten sich keine Störungen der Intelligenzfunktionen. Als Diagnosen benennt der Gutachter eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leicht bis allenfalls mittelgradige Episode, sowie einen Alkoholabusus, nicht abstinent, und führt zusammenfassend aus, dass der Kläger recht erfolgreich mit Citalopram 30mg behandelt werde, ein weiteres Problem sei ein persistierender Alkoholabusus. Dr. J. spreche in seinem Gutachten beschönigend von einem moderaten Alkoholgebrauch, was mit der aktuellen Angabe und dem sicheren Zustand nach Alkoholmissbrauch nicht vereinbar sei. Diesbezüglich bestehe kein wesentliches Problembewusstsein, zu empfehlen sei die Vorstellung in einer psychosozialen Beratungsstelle und bei entsprechender Motivation ggf. nochmals eine stationäre Behandlung. Qualitative Leistungseinschränkungen würden sich für Arbeiten in Wechselschichten ergeben, alkoholnahe Arbeiten oder Arbeiten unter erheblichem Zeitdruck seien zu vermeiden, für alle übrigen körperlich leichten bis mittelschweren Arbeiten sei von neurologisch-psychiatrischer Seite eine volle Leistungsfähigkeit gegeben.
Die Befunde des Dr. Sch. bestätigen damit ebenfalls die vorbeschriebenen Einschränkungen, insbesondere verweist dieser, in Abweichung von Dr. Jörges, auf eine bestehende Alkoholproblematik, die einer ggf. auch stationären Behandlung bedürfe. Die Leistungseinschätzung des Dr. Sch. erweist sich insbesondere vor dem Hintergrund, dass er selbst auf die Relevanz der Alkoholproblematik verweist, als nicht nachvollziehbar. Der Wertung dahingehend, dass die Alkoholproblematik nur zu einer qualitativen Einschränkung dahingehend führen würde, dass "alkoholnahe Tätigkeiten" nicht mehr leidensgerecht erscheinen, vermag sich der Senat unter Berücksichtigung der Vorbefunde nicht anzuschließen.
Dies wird bestätigt durch die sozialmedizinische Stellungnahme des Arztes für Innere Medizin Pf. vom 17.05.2016, der in Auswertung des Gutachtens des Dr. Sch. dargelegt hat, dass bei dem Kläger weiterhin ein relevanter Alkoholmissbrauch bei fehlendem Problembewusstsein besteht und darauf verweist, dass eine Entgiftung- bzw. Entwöhnung nicht erfolgversprechend sei und unter den gegebenen Umständen keine LTA-Anregung erfolgen könne. Abgesehen davon, dass der sozialmedizinische Dienst eine relevante Alkoholerkrankung bestätigt, können die Darlegungen nur so verstanden werden, dass eine Reha-Fähigkeit des Klägers verneint wird, mithin die von dem Berufsförderwerk für notwendig erachtete Arbeitserprobung auch nach Auffassung des sozialmedizinischen Dienstes nicht durchzuführen gewesen ist. Wenn der Kläger aber gesundheitlich gehindert ist, an Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation teilzunehmen, ist es unschlüssig, von einer vollschichtigen Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszugehen, da die Rehamaßnahmen gerade der Wiedereingliederung in das Erwerbsleben dienen sollen. Auch wenn es hierauf nicht entscheidungserheblich ankommt, da ein Rentenantrag gestellt worden ist, dürfte die Ausgangslage Veranlassung geben, die Umdeutung des Reha- in einen Rentenantrag zu prüfen (§ 116 Absatz 2 SGB VI).
Gegenüber dem Sachverständigen Prof. Dr. G. (Sachverständigengutachten vom 10.02.2017, Blatt 23/56 SG-Akte) hat der Kläger angegeben, seit Oktober 2016 alkoholabstinent zu sein und dass der Konsum jeweils parallel zu den depressiven Phasen angestiegen sei. Aus dem Entlassungsbericht der AMEOS-Klinik über die stationäre Behandlung des Klägers vom 14.09.2016 bis 02.10.2016 ergibt sich, dass während des Aufenthaltes das Krankheitsverständnis verbessert und eine Motivation zu weiteren Maßnahmen zur Krankheitsbewältigung (ambulante Psychotherapie) hergestellt werden konnte. Eine weitere fachärztliche psychiatrische Behandlung wurde empfohlen, nachdem sich in der psychiatrischen Eingangsuntersuchung eine rezidivierende depressive Störung zeigte. Aus dem Umstand, dass die Entlassung am 02.10.2016 in gebessertem Allgemeinzustand, körperlich stabil und psychisch gefestigt in die weitere hausärztliche Betreuung erfolgte, kann nicht der Rückschluss gezogen werden, dass der Kläger hinreichend leistungsfähig für eine vollschichtige Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gewesen wäre. Dagegen sprechen insbesondere die für notwendig erachteten weiteren therapeutischen Maßnahmen, im Übrigen hat die Klinik den Kläger nicht im Hinblick auf das berufliche Leistungsvermögen untersucht. Die Ausführungen belegen daher nur, dass es einer weiteren stationären Behandlung des Klägers nicht mehr bedurfte.
Dies wird auch in dem vier Monate nach Entlassung erstellten Sachverständigengutachten des Prof. Dr. G. deutlich. Zum psychopathologischen Untersuchungsbefund teilt der Sachverständige mit, dass der Kläger wach und zu allen Qualitäten voll orientiert war, das Denken geordnet, die Antworten beschreibt er als inhaltlich adäquat, jedoch ideenflüchtig wirkend und sprunghaft. Ein geordnetes Gespräch war über die gesamte Dauer der Untersuchung möglich. Die Stimmung wird als weniger zum Depressiven hin verschoben beschrieben, der Kläger wirkte jedoch verzweifelt, ratlos, resigniert und teilweise aufgebracht. Sichere Defizite in den mnestischen Funktionen konnte der Sachverständige nicht feststellen, beschreibt aber Defizite in den Bereichen Konzentrationsvermögen und Aufmerksamkeit, was mit den Ausführungen des Berufsförderwerkes korrespondiert. Prof. Dr. G. führt weiter aus, dass der Kläger eine feste Tagesstruktur verloren hat und Schwierigkeiten bei der Bewältigung des Alltages bestehen. In diagnostischer Hinsicht führt der Sachverständige aus, dass zwar die Kriterien einer phasenhaft verlaufenden depressiven Störung als erfüllt anzusehen sind, daneben aber auch Symptome geschildert worden sind, die auf eine bipolare affektive Störung hindeuten und nicht auf eine monopolare depressive Störung. Hierzu verweist er darauf, dass der Zustand des Klägers zum Untersuchungszeitpunkt nicht nur depressiv gefärbt gewesen ist, nachdem der Kläger seine Ausführungen mit lebhafter Gestik und Mimik unterstützte, dabei aber eher gereizt, anfänglich latent aggressiv wirkte, viel und rasch redete, dann aber wieder traurig, gedrückt und zurückgezogen wirkte. Der Sachverständige kommt für den Senat überzeugend zu dem Ergebnis, dass aufgrund der mangelnden Fähigkeit des Klägers zur Tagesstruktuierung eine vollschichtige Erwerbstätigkeit nicht in Betracht kommt.
Die Einwände der Dr. De. (sozialmedizinische Stellungnahmen vom 14.03.2017 und 26.04.2017) überzeugen nicht. Soweit auf die Vorgutachten Dr. J. und Dr. Sch. verwiesen wird, ergibt sich aus diesen gerade kein vollschichtiges Leistungsvermögen, wie oben bereits ausgeführt, sodass auch der Querschnittsbetrachtung der Dr. De. nicht gefolgt werden kann. Dass der Kläger die Entzugsbehandlung gegenüber dem Sachverständigen nicht angegeben haben mag, stellt die Befunderhebung des Sachverständigen nicht in Frage, abgesehen davon, dass dem Sachverständigengutachten jedenfalls entnommen werden kann, dass der Kläger eine Abstinenz seit Oktober 2016, mithin also seit der Entlassung aus der stationären Behandlung in der AMEOS-Klinik angegeben hat. Unabhängig davon, dass der Entlassungsbericht der AMEOS-Klinik eine vollschichtige Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (vgl. oben) nicht annehmen lässt, setzt sich Dr. De. mit der Argumentation des Sachverständigen, dass der psychische Befund des Klägers zu einer Aufhebung der Tagesstruktur geführt und der Kläger bereits Probleme damit hat, seinen Alltag zu strukturieren, woraus er überzeugend auf die Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens schließt, nicht auseinander.
Dem Entlassungsbericht der Ha. Klinik vom 20.12.2017 (Blatt 103/108 SG-Akte – stationärer Aufenthalt vom 26.10.2017 bis 04.12.2017) ist zu entnehmen, dass der Kläger angegeben hat, dass vor sechs Wochen eine Notarztbehandlung erforderlich wurde, nachdem seine Freundin einen Suizid befürchtet habe. Zum psychischen Befund ist mitgeteilt, dass der Kläger bewusstseinsklar und allseits orientiert gewesen ist. Das äußere Erscheinungsbild war altersentsprechend, die Stimmung deutlich zum depressiven Pol verschoben, der Kläger wirkte gereizt bei reduzierter affektiver Schwingungsfähigkeit, der zielgerichtete Antrieb war vermindert. Der Denkablauf war formal unauffällig, inhaltlich negativistisch geprägt. Während der testpsychologischen Untersuchung wirkte der Kläger dominant und raumfüllend sowie anfangs fassadenhaft. Probleme bei der Konzentration wurden angegeben, die Testergebnisse wiesen auf eine schwergradige Globalbelastung hin, insbesondere zeigte sich eine schwergradige Symptombelastung auf den Skalen Zwang und Somatisierung. Der AUDIT-Test (Alkohol Use Disorder Identification Test) wies auf ein kritisches Konsumverhalten hin. Zum Verlauf ist angegeben, dass sich die Behandlung als schwierig erwies, da sich der Kläger zwar schnell in die Patientengemeinschaft integrieren konnte, in seinen Kontakten aber oberflächlich und unverbindlich blieb. Nach einem Therapeutenwechsel wird ein Austesten von Grenzen beschrieben, in den therapeutischen Einzelgesprächen zeigte sich ein wechselnd eher reizbares, dann wieder überangepasstes-devotes Verhalten. Auf emotionaler Ebene erschien der Kläger kaum erreichbar, nach einem Erprobungswochenende kehrte der Kläger verspätet zurück, wobei die Klinik darauf hinweist, dass ein exzessiver Alkoholgenuss als Grund für die verspätete Rückkehr anzunehmen ist. Zusammenfassend wird beschrieben, dass sich eine chronische Alkoholabususproblematik heraus kristallisiert hat, die mit den psychischen Gesundheitsstörungen in komplexer Weise interagiert. Beim Abholen des Gepäcks wird der Kläger als alkoholisiert beschrieben, diagnostisch wurde davon ausgegangen, dass die ursprünglich sekundäre Alkoholkrankheit sich mittlerweile in den Vordergrund geschoben hat und eine fruchtbare Bearbeitung der übrigen Problemkreise im Vordergrund steht. Die Ausführungen der Klinik bestätigen die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. G., dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht leistungsfähig ist, die beschriebenen Schwierigkeiten in der therapeutischen Behandlung und die geschilderten Verhaltensweisen des Klägers entsprechen den von Prof. Dr. G. dargelegten Einschränkungen. In den durchgeführten Testverfahren haben sich die Einschränkungen bestätigt, ohne dass die Klinik Anhaltspunkte dafür mitgeteilt hat, dass die Testergebnisse nicht valide wären oder mit dem klinischen Befund unvereinbar sind. Aus dem Bericht folgt auch, dass von einer Abstinenz des Klägers nicht ausgegangen werden kann, sodass sich nicht erschließt, welche Rückschlüsse auf das Leistungsvermögen des Klägers daraus zu ziehen sein sollen, dass der Kläger die Entzugsbehandlung im September/Oktober 2016 gegenüber der Klinik nicht angegeben hat, worauf Dr. De. meint die Einschätzung eines weiterhin bestehenden vollschichtigen Leistungsvermögens stützen zu können (sozialmedizinische Stellungnahme vom 01.03.2018, Blatt 113/114 SG-Akte). Gänzlich fehl geht es, wenn Dr. De. aus den Darlegungen des Prof. Dr. G., dass der Kläger die Tendenz gehabt habe, seine Beschwerden und Klagen wirklich deutlich werden zu lassen, auf eine Simulation von Beschwerden schließt, was sie dadurch gestützt sieht, dass der Kläger Vorbehandlungen verschweige. Zum einen hat Prof. Dr. G. ausdrücklich darauf hingewiesen, dass trotz der erkennbaren Tendenz keine Zweifel bestehen, dass essentielle Beeinträchtigungen vorliegen, zum Anderen bleibt offen, welche Auswirkungen es auf die Tatsache haben soll, dass sich im Rahmen der stationären Behandlung in der Ha. Klinik ein (erneuter) Alkoholkonsum ergeben hat, dass der Kläger nicht angegeben hat, im Oktober 2016 mit Erfolg entgiftet worden zu sein. Ohne, dass es hierauf entscheidungserheblich ankommt, müsste Dr. Dellbrück auch die Angabe vermissen, dass Prof. Dr. G. den Kläger begutachtet und ihn für nicht leistungsfähig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erachtet hat. Wenn sich indessen schon die Behandlung des Klägers aufgrund des Beschwerdebildes als problematisch erwiesen hat, bleibt offen, wie der Kläger vollschichtig einer beruflichen Tätigkeit nachkommen können sollte. Im Übrigen bestätigt die Klinik, dass bei dem Kläger eine fortbestehende Alkoholabhängigkeit vorliegt, mithin zum einen die Entgiftung nicht von dauerhaftem Erfolg gewesen ist und der Senat, wie oben bereits dargelegt, sich der Auffassung nicht anschließen kann, dass bei einem nicht abstinenten Alkoholiker lediglich qualitative Einschränkungen zu beachten wären.
Festzustellen ist somit, dass der Bericht des Berufsförderwerkes bereits Einschränkungen im Hinblick auf das zeitliche Leistungsvermögen ergeben hat, die durch das Gutachten des Dr. Sch. bestätigt worden sind und auch die stationäre sechswöchige Behandlung in der AMEOS-Klinik nicht auf ein vollschichtiges Leistungsvermögen hindeutet. Darüber hinaus lässt der im Februar 2017 von Prof. Dr. G. erhobene Befund eine vollschichtige Leistungsfähigkeit nicht erkennen, bereits im Oktober 2017 war eine erneute mehrwöchige Behandlung des Klägers in der Ha. Klinik notwendig, wobei die Alkoholproblematik wieder deutlich sichtbar geworden ist.
Dem Sachverständigengutachten Br. vom 10.09.1018 entnimmt der Senat, dass in der Untersuchungssituation bei der Erarbeitung des Tagesablaufs Zeichen von Rat- und Hilflosigkeit zu erkennen waren, trotz offensichtlicher Anstrengung konnte keine Struktur hergestellt werden. Gegenüber dem Sachverständigen gab der Kläger Versagensängste und starken sozialen Rückzug an. Das Haus verlasse er nur zum Essen kaufen, er fühle sich minderwertig und habe Probleme mit Aufmerksamkeit und Konzentration. Zur Untersuchung kam der Kläger in Begleitung einer Freundin und gab an, dass die sozialen Ängste und Panikattacken in den letzten Monaten wieder zugenommen hätten. Der Sachverständige beschreibt ein erheblich ängstlich-depressives Zustandsbild mit Rückzug, gedrückter, dysphorischer Stimmung, Schlafstörungen und Insuffizienzgefühlen. In der Gegenübertragung wurden Traurigkeit und Verzweiflung sichtbar, es bestand ein Ruhetremor, wobei der Kläger seinen Alkoholkonsum bagatellisierte. Einen Foetor alcoholicus konnte der Sachverständige nicht feststellen, verweist aber darauf, dass eine deutliche Venenzeichnung im Gesicht bestanden hat. Hinweise für eine produktive Symptomatik oder eine inhaltliche Denkstörung ergaben sich nicht, ebenso keine Hinweise auf Simulation oder Verdeutlichungstendenzen. Zum Teil wurden die Beschwerden und Probleme verharmlosend dargestellt bei deutlich spürbarem Leidensdruck. Bei zunehmendem Vertrauen beschreibt der Sachverständige eine Krankheitseinsicht des Klägers. Auf struktureller Ebene ergab sich eine verzerrte Selbst- und Objektwahrnehmung sowie eine eingeschränkte affektive Kommunikation nach Innen und Außen sowie eine eingeschränkte Selbststeuerung. Klinisch zeigte sich dies im Rahmen einer narzisstischen, fragilen Selbstwertproblematik, wodurch es bei Misserfolgen rasch zu einer depressiven Stimmungslage kommt und bei Erfolg zu einer Mobilisation von Ressourcen, wobei der Sachverständige darauf verweist, dass es dem Kläger schwer fällt, von einer Behandlung zu profitieren, da er dies dann nicht aus eigener Kraft erreicht hat. Zusammenfassend führt der Sachverständige aus, dass durch die verzerrte Selbst- und Objektwahrnehmung es in sozialen Situationen rasch zu Stimmungswechseln, Frustration und Erschöpfung kommt, wobei sich zusätzlich die chronisch gewordene depressiv-ängstliche Symptomatik negativ auswirkt, die seit 2009 ohne wesentliche Besserung behandelt wird. Durch die Schlafstörungen sieht der Sachverständige ein generell reduziertes Leistungsvermögen und weist weiter darauf hin, dass eine erhebliche Antriebsstörung, Freud- und Lustlosigkeit bei selbstzerstörerischen Tendenzen besteht. Der Kläger sei selbst mit seinem monotonen Alltag überfordert, Veränderungen, wie zu einem Gutachten zu gehen, würden ihn in eine derartige Unruhe versetzen, dass er solche Situationen nicht alleine bewältigen kann.
Ebenso wie der Vorgutachter sieht der Sachverständige Br. für den Senat überzeugend kein vollschichtiges Leistungsvermögen des Klägers, weiterhin kann der Senat gestützt auf das Sachverständigengutachten feststellen, dass der Kläger die gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht aus eigener Kraft überwinden kann, mithin also nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine Rentengewährung die Leistungseinschränkungen entfallen lassen würde, was nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, Urteil vom 29.03.2006 – B 13 RJ 31/05 R, juris RdnR. 21 f.), der der Senat folgt (vgl. auch Senatsbeschluss vom 09.11.2018 - L 8 R 778/17, n.v.), indessen erforderlich ist, um einen Rentenanspruch unter Hinweis auf nicht ausgeschöpfte Behandlungsmöglichkeiten verneinen zu können.
Die neuerlichen Ausführungen von Dr. De. in ihrer Stellungnahme vom 02.10.2018 überzeugen hingegen nicht. Soweit sie erneut auf das Begutachtungsergebnis des Dr. Sch. verweist, lässt sich aus diesem, wie oben im Einzelnen dargelegt, ein vollschichtiges Leistungsvermögen gerade nicht herleiten. Auch kann aus dem Umstand, dass die AMEOS Klinik den Kläger in gebessertem Allgemeinzustand, körperlich stabil und psychisch gefestigt in die weitere hausärztliche Behandlung entlassen hat, nicht auf ein vollschichtiges Leistungsvermögen des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt geschlossen werden. Im Übrigen geht die Klinik ausweislich des Entlassungsberichtes auch von einem fortbestehenden Behandlungsbedarf des Klägers aus, was sich letztlich auch dadurch bestätigt, dass sich der Kläger ab dem 26.10.2017 erneut in stationärer Behandlung befunden hat. Die Schlussfolgerung der Dr. De., dass die Alkoholerkrankung des Klägers einer Behandlung gut zugänglich gewesen ist, obwohl nicht mal eine sich üblicherweise anschließende Suchtrehabilitation durchgeführt wurde, ist nicht nachvollziehbar. Abgesehen davon, dass die Befunde des Prof. Dr. G. und die Befunde der Ha. Klinik eine nachhaltige Besserung gerade nicht erkennen lassen, ist nicht erkennbar, weshalb die Beklagte sich nicht veranlasst gesehen hat, auf die Durchführung entsprechender Leistungen zur medizinischen Rehabilitation hinzuwirken, nachdem, wie oben dargelegt, ein noch nicht als abgeschlossen anzusehendes Rehabilitationsverfahren vorliegt. Aus dem Unterlassen der Suchtrehabilitation darauf zu schließen, dass kein Behandlungsbedarf bestand bzw. besteht, wie Dr. De. glauben machen möchte, geht insbesondere deshalb fehl, da die Klinik den weiteren Behandlungsbedarf dargelegt hat. Im Übrigen erschließt sich nicht, weshalb die Beklagte ausgehend von ihrem Rechtstandpunkt das berufliche Reha-Verfahren nicht fortgesetzt hat, da wenn, wie die Beklagte meint, ein vollschichtiges Leistungsvermögen für den allgemeinen Arbeitsmarkt besteht, die Reha-Fähigkeit nicht verneint werden kann.
Einschränkungen auf internistischen oder orthopädischen Fachgebiet, die einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit entgegenstünden, konnte der Senat hingegen nicht feststellen. Insoweit sind keine pathologischen Befunde beschrieben worden, soweit der Kläger wiederholt über Kniebeschwerden geklagt hat, lassen sich keine Befunde erkennen, die mehr als qualitative Einschränkungen dahingehend begründen, dass keine knieenden Tätigkeiten ausgeübt werden können, oder die Wegefähigkeit des Klägers in Frage stellen könnten. Weshalb Dr. De. vor diesem Hintergrund das Fehlen einer eingehenden körperlichen Untersuchung durch den psychosomatischen Sachverständigen Br. bemängelt, ist nicht nachvollziehbar. Abgesehen davon lassen sich sowohl dem Sachverständigengutachten des Prof. Dr. G. als auch dem Bericht der Ha. Klinik keine auffälligen Befunde entnehmen, auf solche haben auch beide Sachverständigen nicht abgestellt, sodass nicht erkennbar ist, weshalb hier weiterer Aufklärungsbedarf bestanden haben sollte. Weshalb der Sachverständige Br. sich hätte gedrängt fühlen sollen, die näheren Umstände der wohl verhängten Haftstrafe aufzuklären, wie Dr. De. meint, erschließt sich ebenfalls nicht. Selbst wenn diese im Zusammenhang mit der Alkoholproblematik stehen sollte, kann dadurch nur das Bestehen der Alkoholproblematik erneut bestätigt werden, was durch die Gutachten bereits belegt ist.
Dass Dr. De. abschließend meint, das Sachverständigengutachten Br. deshalb in Frage stellen zu können, weil dieser eine Psychotherapie empfiehlt ohne zunächst eine Behandlung der Alkoholproblematik für erforderlich zu halten, stützt die Ablehnung der Annahme einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens nicht, sondern bestätigt dieses vielmehr. Entscheidungsrelevant im Rentenverfahren wegen Erwerbsminderung ist jedoch nicht die Frage nach der richtigen diagnostischen Einordnung von Gesundheitsstörungen und deren Behandlung, sondern ausreichend ist, dass ein eingeschränktes Leistungsvermögen von unabsehbarer Dauer gegeben ist, welches beim Kläger belegt ist, wie oben ausgeführt.
Der Senat konnte anhand des Versicherungsverlaufs vom 07.10.2015 (Blatt 6 VA) festzustellen, dass der Kläger von Januar 2007 bis Dezember 2010 Pflichtbeitragszeiten aufgrund des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II zurückgelegt hat und seitdem ein durchgehender Bezug von SGB-Leistungen vorliegt, sodass 36 Monate Pflichtbeitragszeit innerhalb des aufgrund der Anrechnungszeiten durch den Bezug von SGB II Leistungen ab dem 01.01.2011 verlängerten Zeitraums (§ 43 Absatz 4 SGB VI) vorliegen, mithin die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Ausgehend vom Reha-Entlassungsbericht sowie dem Bericht des Berufsförderwerkes, bestätigt durch die Gutachten Dr. J. und Dr. Sch., konnte der Senat den Eintritt des Leistungsfalls durch die Begutachtung des Dr. Sch. am 02.05.2016 (Untersuchungstag) feststellen. Während Dr. J. noch weiteren Aufklärungsbedarf gesehen und die Alkoholkrankheit, wie Dr. Sch. formuliert, noch bagatellisiert hat, ist durch die Untersuchung des Dr. Sch. und der nachgehenden sozialmedizinischen Stellungnahme des Internisten Pf. die Relevanz der Alkoholkrankheit für das Leistungsvermögen belegt. Davon, dass zu einem früheren Zeitpunkt bereits ein dauerhaft eingeschränktes Leistungsvermögen bestanden hat, konnte sich der Senat nicht überzeugen, auch wenn der Entlassungsbericht des Berufsförderwerks hierfür Anhaltspunkte liefert.
Gemäß § 99 Absatz 1 SGB VI wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet. Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden auf Zeit geleistet, § 102 Absatz 2 Satz 1 SGB VI. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn, Renten auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann, hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen, § 102 Absatz 2 Satz 2 und 5 SGB VI. Gestützt auf das Sachverständigengutachten Br. konnte der Senat feststellen, dass bei dem Kläger die Möglichkeit einer Besserung innerhalb eines Zeitraumes von zwei bis drei Jahren besteht, sodass nicht unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. Der Kläger kann daher nur eine befristete Rente beanspruchen, wobei diese bei einem festzustellenden Leistungsfall mit der Untersuchung des Dr. Sch. (vgl. oben) ab dem 01.12.2016 beginnt und aufgrund des vorgegebenen Drei-Jahres-Zeitraumes am 30.11.2019 endet. Der Senat verkennt dabei nicht, dass der Sachverständige Br. einen längeren Behandlungsbedarf prognostiziert hat, kann aber eine Unwahrscheinlichkeit der Behebung der Leistungsminderung nicht feststellen und daher zum Entscheidungszeitpunkt nicht über einen Zeitraum von drei Jahren nach Rentenbeginn hinausgehen.
Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte weder gehindert ist, während der laufenden Rentengewährung Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder auch zur beruflichen Rehabilitation zu gewähren, da nach § 10 Absatz 1 Nr.1 SGB VI die persönlichen Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe auch bei einer geminderten, nicht nur bei einer gefährdeten Erwerbsfähigkeit gegeben sind.
Nachdem der Senat feststellen konnte, dass das Leistungsvermögen auf jedenfalls unter sechs Stunden täglich gesunken ist und der Kläger keinen Arbeitsplatz innehat, sodass die teilweise Erwerbsminderung in eine volle Erwerbsminderung umschlägt, musste der Senat nicht entscheiden, ob das Leistungsvermögen unter drei Stunden täglich gesunken ist.
Das Urteil des Sozialgerichts sowie die Bescheide der Beklagten waren daher entsprechend abzuändern und die Beklagte zur Rentengewährung für die Zeit vom 01.12.2016 bis 30.11.2019 zu verurteilen. Im Übrigen war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger zwar mit seinem Begehren auf eine Dauerrente erfolglos geblieben ist, jedoch dem gesetzlichen Regelfall entsprechend eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren war.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
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