Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 1929/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4589/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21.11.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung streitig.
Der am 1961 geborene Kläger erlernte nach eigenen Angaben keinen Beruf, war von 1979 bis 1996 als Schleifer, von 1996 bis 1997 als Leiharbeiter und nach Zeiten der Arbeitslosigkeit zuletzt von Herbst 1998 - unterbrochen durch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit - bis Sommer 2012 als Polierer und Sandstrahler sozialversicherungspflichtig tätig. Sodann trat bei ihm (erneut) Arbeitsunfähigkeit ein; sein letztes Arbeitsverhältnis endete im Frühjahr 2014. Seither ist er ohne Beschäftigung und arbeitsuchend.
Ende 2013/Anfang 2014 nahm der Kläger an einer ganztägig ambulanten Rehabilitationsmaßnahme im W. Gesundheitszentrum P. teil, aus der er ausweislich des Entlassungsberichtes arbeitsfähig und mit einem Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (überwiegend im Sitzen, in Tagschicht, ohne Heben und Tragen von schweren Lasten, häufiges Bücken, Zwangshaltungen, lange Anforderungen an das Geh- und Stehvermögen, Ersteigen von Leitern und Gerüsten) im Umfang von sechs Stunden und mehr täglich entlassen wurde (Diagnosen: ventrale Fusion der Halswirbelsäule - HWS - im Juni 2003 bei Spinalkanalstenose und Bandscheibenvorfall C5/6, Lumbalgien bei Bandscheibenvorfall L1/2, Hüft-Totalendoprothese - TEP - links im Jahr 2006, rezidivierende Omalgien rechts, Adipositas).
Am 27.11.2015 beantragte der Kläger (erneut) die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte zog medizinische Unterlagen bei, holte das Gutachten des Orthopäden Dr. S. ein (Diagnosen nach Untersuchung des Klägers: Spondylodese C5/6 nach operativer Fusion mit guter HWS-Beweglichkeit, degenerative Veränderungen der Brustwirbelsäule - BWS - und Lendenwirbelsäule - LWS - mit Rundrücken, Schulterkontraktur rechts, Hüft-TEP links mit guter Beweglichkeit, Adipositas Grad II; Leistungsvermögen: leichte bis teilweise mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen bzw. mit überwiegendem Sitzen, ohne Zwangshaltungen, Tragen und Heben von Lasten über 10 kg, Steigen auf Leitern und Gerüsten, häufiges Bücken und ohne hohe Überkopfarbeiten sechs Stunden und mehr arbeitstäglich) und lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 01.03.2016 und Widerspruchsbescheid vom 12.05.2016 sowie mit der Begründung ab, dass der Kläger unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne und daher im Sinne der gesetzlichen Regelungen nicht erwerbsgemindert sei; Berufsschutz genieße der Kläger im Hinblick auf sein Geburtsdatum ohnehin nicht.
Hiergegen hat der Kläger mit E-Mail an die Beklagte am 30.05.2016 "Widerspruch" erhoben. Mit Schreiben vom 01.06.2016 hat die Beklagte ihn um Mitteilung gebeten, ob seine E-Mail als Klage gewertet werden solle. Dies hat der Kläger mit weiterer E-Mail vom 02.06.2016 bejaht, sodass die Beklagte den Vorgang als Klage an das Sozialgericht Karlsruhe (SG) - mit dortigem Eingang am 10.06.2016 - abgegeben hat.
Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger auf seine gesundheitlichen Einschränkungen sowie auf das Gutachten des Beratungsarztes des Jobcenters P. , Orthopäde und Chirurg Dr. S. , von Juli 2016 (Bl. 66 f. SG-Akte) verwiesen.
Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Internist und Kardiologe Dr. S. hat im Wesentlichen über eine belastungsabhängige Atemnot beim Kläger ohne Anhalt für eine koronare Herzerkrankung berichtet. Gegen eine leichte, vollschichtige Tätigkeit bestünden aus kardiologischer Sicht keine Bedenken. Allgemein- und Arbeitsmedizinerin Dr. D. , die Hausärztin des Klägers, hat mitgeteilt, der Kläger leide fast ausschließlich an orthopädischen Beschwerden im HWS-, LWS- und Schulter-Arm-Bereich rechts. Eine vollschichtige leichte Tätigkeit sei ausgeschlossen. Chirurg, Unfallchirurg und Orthopäde Dr. O. hat die Diagnosen eines Zustands nach ventraler Fusion C 5/6 mit Spinalkanalentlastung und eines LWS-Syndroms mit belastungsabhängigen rezidivierenden, progredierenden Lumbalgien genannt. Zum Leistungsvermögen hat er sich nicht geäußert.
Das SG hat sodann von Amts wegen das Sachverständigengutachten des Orthopäden Dr. C. eingeholt, der nach Untersuchung des Klägers Ende September 2016 auf seinem Fachgebiet folgende Diagnosen genannt hat: end- bis mittelgradige Funktionseinschränkung der HWS auf Grund einer Spondylodese C 5/6 mit degenerativen Veränderungen ohne sensomotorische Ausfälle an den oberen Extremitäten, mittelgradige Funktionseinschränkung der BWS und LWS bei Rundrücken und degenerativen Veränderungen mit leichter Fehlstatik sowie regionalen Muskelverspannungen ohne sensomotorische Ausfälle an den unteren Extremitäten, mittelgradige Funktionseinschränkung des rechten Schultergelenks, Hüftgelenks-TEP links mit guter Funktion, Belastungsschmerzen in beiden Kniegelenken mit aktuell leichtem Reizerguss rechts, Hohl-Spreizfuß, Hallux Valgus und Digitus V varus beidseits. Dem Kläger seien leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im überwiegenden Sitzen unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (kein Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, keine Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, keine Arbeiten unter Kälte-, Zugluft- und Nässeexposition, kein häufiges Knien, Bücken, Hocken, keine nach vorn geneigte Körperhaltung, keine Überkopfarbeiten und längere Arbeiten in Armvorhalte, kein häufiges Treppensteigen, keine Akkord- und Fließbandarbeit) noch acht Stunden arbeitstäglich möglich.
Mit Urteil vom 21.11.2016 hat das SG die Klage, im Wesentlichen gestützt auf das Sachverständigengutachten des Dr. C. und auf das Gutachten des Dr. S. , abgewiesen, da der Kläger noch in der Lage sei, mindestens sechs Stunden täglich zu arbeiten, sodass keine Erwerbsminderung vorliege. Seinen Beschwerden könne mit qualitativen Einschränkungen Rechnung getragen werden. Die entgegenstehende Einschätzung des Dr. S. (Leistungsvermögen drei bis unter sechs Stunden täglich) überzeuge nicht, weil sie nicht begründet worden sei. Zudem habe Dr. S. Herz- und Kreislaufbeschwerden zu Grunde gelegt, die nach Dr. S. keine Auswirkungen auf das zeitliche Leistungsvermögen hätten.
Gegen das ihm am 24.11.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 09.12.2016 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht, dass Dr. S. seine Auffassung sehr wohl begründet habe, nämlich mit einer Minderbelastbarkeit des Bewegungs- und Haltungsapparates, Herz- und Kreislaufleiden sowie dem Übergewicht. Außerdem habe er weiterhin erhebliche orthopädische Beschwerden, insbesondere im Lumbalbereich, weswegen davon auszugehen sei, dass ihm erneut Krankengymnastik und Massagen verordnet werden würden. Zudem sei ein "Kribbeln" in den Beinen hinzugekommen; das Einreiben der Beine mit Salbe verschaffe eine leichte Linderung.
Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst, vgl. Bl. 14 Senats-Akte),
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21.11.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 01.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.05.2016 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat Dr. S. und den behandelnden Neurologen Dr. S. schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Dr. S. hat mitgeteilt, den Kläger seit seiner Auskunft gegenüber dem SG noch zweimal untersucht zu haben. Bei ihm bestünden weiterhin eine hypertensive Herzerkrankung bei Aortenklappen-Insuffizienz Typ I und cardiovaskulären Risikofaktoren mit Belastungsdyspnoe. Eine Änderung - auch seiner Leistungsbeurteilung in der Auskunft gegenüber dem SG - habe sich nicht ergeben. Dr. S. hat bekundet, den Kläger zuletzt (einmalig) im Mai 2017 wegen Kribbelmissempfindungen in den Beinen untersucht zu haben. Radikuläre Ausfälle, eine zervikale Myelopathie bzw. eine Polyneuropathie habe er bei Verdacht auf ein Restless-Legs-Syndrom ausgeschlossen. Nach Verordnung von Restex habe sich der Kläger nicht mehr vorgestellt. Eine offensichtliche Einschränkung der klägerischen Arbeitsfähigkeit sei nicht erkennbar gewesen.
Für die Beklagte hat Urologin Dr. W.-H. zu den Ermittlungen des Senats Stellung genommen (Bl. 45 f. Senats-Akte).
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheidet, ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Dies folgt nicht bereits daraus, dass die Klage wegen Nichteinhaltung der Klagefrist (§ 87 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGG) unzulässig wäre. Der Senat hat insoweit von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wofür er zuständig ist, weil das SG über die Wiedereinsetzung nicht entschieden hat; der Senat kann selbst die Voraussetzung für die Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist feststellen (Senatsurteile vom 22.01.2015, L 10 R 3585/11 und 19.09.2013, L 10 R 31/12, jeweils m.w.N.).
Die Einhaltung der Klagefrist ist Prozessvoraussetzung und daher von Amts wegen zu beachten. Die Klagefrist beträgt nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG einen Monat. Sie beginnt mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids (§ 87 Abs. 2 SGG). Eine förmliche Zustellung ist nicht erforderlich. Die Bekanntgabe durch einfachen Brief, wie hier, ist zulässig (§ 85 Abs. 3 SGG). Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben (§ 37 Abs. 2 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - SGB X -). Dies gilt nicht, wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (§ 37 Abs. 2 Satz 3 SGB X). Hier wurde der mit ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung versehene Widerspruchsbescheid nach dem Vermerk in der Verwaltungsakte am 13.05.2016 (vgl. Bl. 27 RMG-VerwA) zur Post aufgegeben, sodass er unter Anwendung von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X als am 16.05.2016 zugegangen gilt. Demgemäß endete die einmonatige Klagefrist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGG am 16.06.2016, einem Donnerstag.
Eine wirksame Klageerhebung hat bis zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht vorgelegen. Zwar gilt die Frist für die Erhebung der Klage auch dann als gewahrt, wenn die Klageschrift innerhalb der Frist statt bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit bei einem Versicherungsträger eingegangen ist (§ 91 Abs. 1 SGG). Die - einfachen, elektronisch nicht signierten, von der Beklagten ausgedruckten und dem SG vorgelegten - E-Mails des Klägers an die Beklagte haben indes nicht den gesetzlichen Formerfordernissen genügt. Es entspricht der gesicherten höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass die Einlegung der Klage per einfacher E-Mail weder dem gesetzlich vorgegebenen Schriftformerfordernis (§ 90 Alt. 1 SGG) noch den Anforderungen an die Übermittlung elektronischer Dokumente (§ 65a SGG) entspricht (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 12.10.2016, B 4 AS 1/16 R in SozR 4-1500 § 65a Nr. 3; Beschluss vom 06.07.2016, B 9 SB 1/16 R, in juris, Rdnr. 6 jeweils m.w.N.).
Der Kläger hat die Nichteinhaltung der Klagefrist jedoch nicht zu vertreten, ihm ist deshalb Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 Abs. 1 SGG zu gewähren. Nach § 67 Abs. 1 SGG ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne sein Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Ein solcher Fall ist unter Annahme einer Fürsorgepflichtverletzung dann anzunehmen, wenn (bestimmende) Schriftsätze weit vor Ablauf der Rechtsbehelfsfrist übersandt werden und es dem Gericht bzw. der Behörde i.S.d. § 91 Abs. 1 SGG ohne weiteres möglich gewesen wäre, auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage unter dem Gesichtspunkt des Schriftformerfordernisses hinzuweisen (vgl. BSG, Beschluss vom 06.07.2016, B 9 SB 1/16 R, a.a.O., Rdnr. 8 m.w.N.). Angesichts der Mitteilung der Beklagten im Schreiben vom 01.06.2016 - also noch innerhalb der Klagefrist - hat der Kläger darauf vertrauen dürfen, dass alles Nötige zur Fristwahrung veranlasst worden ist und seinerseits keine weiteren Schritte erforderlich gewesen sind. Hierin ist der Kläger durch die Klageeingangsbestätigung des SG noch bestätigt worden, in der ebenfalls nicht auf die Nichteinhaltung der Formvorschriften hingewiesen worden ist. Der Kläger hat dann mit Vorlage der von ihm eigenhändig unterschriebenen, am 23.06.2016 beim SG eingegangenen Schweigepflichtentbindungserklärung (innerhalb der Frist des § 67 Abs. 3 SGG) hinreichend deutlich - und insoweit formwirksam - zum Ausdruck gebracht, dass er gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen will (vgl. Senatsurteil vom 22.01.2015, L 10 R 3585/11).
Das SG hat die Klage gleichwohl zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 01.03.2016 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 12.05.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger ist im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, weshalb ihm weder Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung zusteht.
Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist § 43 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser (Abs. 1 Satz 1 der Regelung) bzw. voller (Abs. 2 Satz 1 der Regelung) Erwerbsminderung, wenn sie - u.a. - teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des BSG bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75 in SozR 2200 § 1246 Nr. 13). Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach diesen Maßstäben ist das SG zutreffend - wenn auch mit knapper Begründung - auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens des Dr. C. , des Gutachtens des Dr. S. sowie der Auskunft des Dr. S. davon ausgegangen, dass die beim Kläger vorliegenden Beeinträchtigungen vorwiegend auf orthopädischem Fachgebiet keine quantitative Leistungsminderung zur Folge haben, sodass er unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Der Senat sieht insoweit deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Zu ergänzen ist, dass dabei zugunsten des Klägers die vom Sachverständigen Dr. C. , vom Gutachter Dr. S. und von den Ärzten des W. Gesundheitszentrums P. beschriebenen qualitativen Einschränkungen (wechselnde Körperhaltungen, überwiegend im Sitzen, Arbeit in Tagschicht, kein Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, kein häufiges Bücken, Knien und Hocken, kein Ersteigen von Leitern und Gerüsten, kein häufiges Treppensteigen, keine Arbeiten unter Kälte-, Nässe- und Zugluftexposition, keine Zwangshaltungen wie z.B. hohe Überkopf- und länger andauernde Armvorhaltearbeiten, keine nach vorn geneigten Arbeiten sowie auch keine Akkord- und Fließbandtätigkeiten) zu Grunde zu legen sind.
Ebenso wie das SG geht auch der Senat davon aus, dass der Kläger in seinem beruflichen Leistungsvermögen in erster Linie durch die oben genannten Erkrankungen von Seiten des orthopädischen Fachgebietes eingeschränkt ist, die hieraus resultierenden funktionellen Beeinträchtigungen jedoch nicht so schwerwiegend sind, dass sie der Ausübung einer leichten, den oben dargelegten Anforderungen Rechnung tragenden beruflichen Tätigkeit entgegenstehen.
Dr. C. hat in seinem Sachverständigengutachten - auch für den Senat - auf Grund der von ihm erhobenen Befunde (namentlich guter Allgemeinzustand, während der 60-minütigen Anamnese kein Aufstehen vom Stuhl, zwar breitbeinig humpelnder, aber hinkfreier Gang mit normalem Abrollverhalten, Hochstemmen aus der Hocke freihändig, Zehen- und Fersengang beidseits regelgerecht, nach Angaben des Klägers uneingeschränkte Möglichkeit, ein Kraftfahrzeug zu führen und öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, lediglich end- bis mittelgradige Beweglichkeitseinschränkungen der Wirbelsäule, keine sensomotorischen Defizite bzw. Sensibilitätsstörungen, lediglich mittelgradige Beweglichkeitseinschränkung des rechten Schultergelenks, links weitgehend frei, "gute" Hüft-TEP-Versorgung links, nur leichte Ergussbildung im rechten Knie bei seitengleich freier Beweglichkeit) schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass dem Kläger zumindest leichte körperliche Arbeiten unter Beachtung der oben genannten qualitativen Einschränkungen noch mehr als sechs Stunden täglich möglich sind. Dies überzeugt den Senat auch im Hinblick auf die vom Kläger gegenüber Dr. C. angegebenen Tagesablauf- und Alltagsaktivitäten (Spaziergänge 30 bis 60 Minuten möglich, Bl. 57 SG-Akte; längere Autostrecken möglich, Bl. 47 SG-Akte; Erledigung von Einkäufen und Behördengängen, Durchführung von Hausarbeiten wie Staubsaugen, Wischen, Wäschewaschen, Bügeln, Bl. 48 SG-Akte; Betreuung eines Eishockeyvereins, Besuch von Handball- und Fußballspielen bzw. Konzerten, geselliges Beisammensein, Bl. 48 SG-Akte), worauf der Sachverständige auch hingewiesen hat (Bl. 57 SG-Akte).
Soweit der Kläger sich mit seinem Rechtsmittel darauf berufen hat, "weiterhin" erhebliche orthopädische Beschwerden, insbesondere im Lumbalbereich zu haben und dass davon auszugehen sei, dass ihm erneut Krankengymnastik und Massagen verordnet werden würden, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Eine Verschlimmerung der orthopädischen Leiden hat der Kläger damit nicht einmal ansatzweise behauptet, sodass keine Veranlassung besteht, von der Leistungsbeurteilung des Sachverständigen abzuweichen. Ohnehin hat Dr. C. darauf hingewiesen, dass eine Besserung der Wirbelsäulen- und Schultergelenksfunktion durch geeignete physiotherapeutische Maßnahmen und eine Gewichtsreduktion wahrscheinlich zu erreichen ist (Bl. 60 SG-Akte). Insoweit ist der klägerische Vortrag schon nicht nachvollziehbar.
Soweit der Kläger geltend gemacht hat, er leide nun auch an einem "Kribbeln" in den Beinen, führt dies - worauf Dr. W.-H. hingewiesen hat - ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung. Dabei kann offenbleiben, ob der Kläger an einem Restless-Legs-Sydrom leidet. Unabhängig davon, dass Dr. S. lediglich den Verdacht einer solchen Erkrankung geäußert hat, nachdem der Kläger bei ihm nach entsprechender (insoweit einmaliger) Behandlung und Verordnung von Restex nicht mehr konsultiert hat, kommt es im Rahmen der Prüfung von Erwerbsminderung nicht auf eine bestimmte Diagnosestellung oder Bezeichnung von Befunden an, sondern auf die Beeinflussung des individuellen quantitativen sowie qualitativen Leistungsvermögens durch dauerhafte Gesundheitsstörungen (BSG, Beschluss vom 28.02.2017, B 13 R 37/16 BH, in juris, Rdnr. 15), also auf die durch die Gesundheitsstörungen verursachten funktionellen Beeinträchtigungen. Dem entsprechend kommt es auch auf die Ursachen der Gesundheitsstörung nicht an (BSG, a.a.O.). Dr. S. hat indes in seiner Auskunft gegenüber dem Senat keine gravierenden Funktionseinschränkungen beschrieben (vgl. auch Stellungnahme der Dr. W.-H. , Bl. 45 Senats-Akte). Zudem hat der Kläger angegeben, die von ihm verwendete Salbe bringe eine ("leichte") Linderung.
Soweit sich der Kläger auch im Rechtsmittelverfahren auf seine Herz- und Kreislaufbeschwerden berufen hat, hat der behandelnde Internist und Kardiologe Dr. S. in seiner Auskunft gegenüber dem Senat mitgeteilt, dass eine Verschlimmerung der oben aufgeführten internistischen Leiden nicht eingetreten ist und dass sich auch eine Änderung seiner Leistungsbeurteilung in seiner Auskunft gegenüber dem SG (keine zeitliche Leistungseinschränkung) nicht ergeben hat.
Soweit sich der Kläger schließlich weiterhin auf die Einschätzung des Dr. S. beruft, hat bereits das SG dargelegt, warum dieser nicht zu folgen ist. Entgegen der klägerischen Auffassung hat Dr. S. seine Beurteilung gerade nicht begründet, weil sein Gutachten - worauf Dr. W.-H. zutreffend hingewiesen hat (Bl. 45 Senats-Akte) - keinerlei objektiv-klinische Befunde enthält. Im Übrigen hat Dr. S. seiner Beurteilung kardiale, also für ihn fachfremde Gesundheitsstörungen zu Grunde gelegt, die nach Internist und Kardiologe Dr. S. gerade keine Auswirkungen auf das zeitliche Leistungsvermögen haben; auch darauf hat bereits das SG zutreffend aufmerksam gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung streitig.
Der am 1961 geborene Kläger erlernte nach eigenen Angaben keinen Beruf, war von 1979 bis 1996 als Schleifer, von 1996 bis 1997 als Leiharbeiter und nach Zeiten der Arbeitslosigkeit zuletzt von Herbst 1998 - unterbrochen durch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit - bis Sommer 2012 als Polierer und Sandstrahler sozialversicherungspflichtig tätig. Sodann trat bei ihm (erneut) Arbeitsunfähigkeit ein; sein letztes Arbeitsverhältnis endete im Frühjahr 2014. Seither ist er ohne Beschäftigung und arbeitsuchend.
Ende 2013/Anfang 2014 nahm der Kläger an einer ganztägig ambulanten Rehabilitationsmaßnahme im W. Gesundheitszentrum P. teil, aus der er ausweislich des Entlassungsberichtes arbeitsfähig und mit einem Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (überwiegend im Sitzen, in Tagschicht, ohne Heben und Tragen von schweren Lasten, häufiges Bücken, Zwangshaltungen, lange Anforderungen an das Geh- und Stehvermögen, Ersteigen von Leitern und Gerüsten) im Umfang von sechs Stunden und mehr täglich entlassen wurde (Diagnosen: ventrale Fusion der Halswirbelsäule - HWS - im Juni 2003 bei Spinalkanalstenose und Bandscheibenvorfall C5/6, Lumbalgien bei Bandscheibenvorfall L1/2, Hüft-Totalendoprothese - TEP - links im Jahr 2006, rezidivierende Omalgien rechts, Adipositas).
Am 27.11.2015 beantragte der Kläger (erneut) die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte zog medizinische Unterlagen bei, holte das Gutachten des Orthopäden Dr. S. ein (Diagnosen nach Untersuchung des Klägers: Spondylodese C5/6 nach operativer Fusion mit guter HWS-Beweglichkeit, degenerative Veränderungen der Brustwirbelsäule - BWS - und Lendenwirbelsäule - LWS - mit Rundrücken, Schulterkontraktur rechts, Hüft-TEP links mit guter Beweglichkeit, Adipositas Grad II; Leistungsvermögen: leichte bis teilweise mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen bzw. mit überwiegendem Sitzen, ohne Zwangshaltungen, Tragen und Heben von Lasten über 10 kg, Steigen auf Leitern und Gerüsten, häufiges Bücken und ohne hohe Überkopfarbeiten sechs Stunden und mehr arbeitstäglich) und lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 01.03.2016 und Widerspruchsbescheid vom 12.05.2016 sowie mit der Begründung ab, dass der Kläger unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne und daher im Sinne der gesetzlichen Regelungen nicht erwerbsgemindert sei; Berufsschutz genieße der Kläger im Hinblick auf sein Geburtsdatum ohnehin nicht.
Hiergegen hat der Kläger mit E-Mail an die Beklagte am 30.05.2016 "Widerspruch" erhoben. Mit Schreiben vom 01.06.2016 hat die Beklagte ihn um Mitteilung gebeten, ob seine E-Mail als Klage gewertet werden solle. Dies hat der Kläger mit weiterer E-Mail vom 02.06.2016 bejaht, sodass die Beklagte den Vorgang als Klage an das Sozialgericht Karlsruhe (SG) - mit dortigem Eingang am 10.06.2016 - abgegeben hat.
Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger auf seine gesundheitlichen Einschränkungen sowie auf das Gutachten des Beratungsarztes des Jobcenters P. , Orthopäde und Chirurg Dr. S. , von Juli 2016 (Bl. 66 f. SG-Akte) verwiesen.
Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Internist und Kardiologe Dr. S. hat im Wesentlichen über eine belastungsabhängige Atemnot beim Kläger ohne Anhalt für eine koronare Herzerkrankung berichtet. Gegen eine leichte, vollschichtige Tätigkeit bestünden aus kardiologischer Sicht keine Bedenken. Allgemein- und Arbeitsmedizinerin Dr. D. , die Hausärztin des Klägers, hat mitgeteilt, der Kläger leide fast ausschließlich an orthopädischen Beschwerden im HWS-, LWS- und Schulter-Arm-Bereich rechts. Eine vollschichtige leichte Tätigkeit sei ausgeschlossen. Chirurg, Unfallchirurg und Orthopäde Dr. O. hat die Diagnosen eines Zustands nach ventraler Fusion C 5/6 mit Spinalkanalentlastung und eines LWS-Syndroms mit belastungsabhängigen rezidivierenden, progredierenden Lumbalgien genannt. Zum Leistungsvermögen hat er sich nicht geäußert.
Das SG hat sodann von Amts wegen das Sachverständigengutachten des Orthopäden Dr. C. eingeholt, der nach Untersuchung des Klägers Ende September 2016 auf seinem Fachgebiet folgende Diagnosen genannt hat: end- bis mittelgradige Funktionseinschränkung der HWS auf Grund einer Spondylodese C 5/6 mit degenerativen Veränderungen ohne sensomotorische Ausfälle an den oberen Extremitäten, mittelgradige Funktionseinschränkung der BWS und LWS bei Rundrücken und degenerativen Veränderungen mit leichter Fehlstatik sowie regionalen Muskelverspannungen ohne sensomotorische Ausfälle an den unteren Extremitäten, mittelgradige Funktionseinschränkung des rechten Schultergelenks, Hüftgelenks-TEP links mit guter Funktion, Belastungsschmerzen in beiden Kniegelenken mit aktuell leichtem Reizerguss rechts, Hohl-Spreizfuß, Hallux Valgus und Digitus V varus beidseits. Dem Kläger seien leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im überwiegenden Sitzen unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (kein Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, keine Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, keine Arbeiten unter Kälte-, Zugluft- und Nässeexposition, kein häufiges Knien, Bücken, Hocken, keine nach vorn geneigte Körperhaltung, keine Überkopfarbeiten und längere Arbeiten in Armvorhalte, kein häufiges Treppensteigen, keine Akkord- und Fließbandarbeit) noch acht Stunden arbeitstäglich möglich.
Mit Urteil vom 21.11.2016 hat das SG die Klage, im Wesentlichen gestützt auf das Sachverständigengutachten des Dr. C. und auf das Gutachten des Dr. S. , abgewiesen, da der Kläger noch in der Lage sei, mindestens sechs Stunden täglich zu arbeiten, sodass keine Erwerbsminderung vorliege. Seinen Beschwerden könne mit qualitativen Einschränkungen Rechnung getragen werden. Die entgegenstehende Einschätzung des Dr. S. (Leistungsvermögen drei bis unter sechs Stunden täglich) überzeuge nicht, weil sie nicht begründet worden sei. Zudem habe Dr. S. Herz- und Kreislaufbeschwerden zu Grunde gelegt, die nach Dr. S. keine Auswirkungen auf das zeitliche Leistungsvermögen hätten.
Gegen das ihm am 24.11.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 09.12.2016 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht, dass Dr. S. seine Auffassung sehr wohl begründet habe, nämlich mit einer Minderbelastbarkeit des Bewegungs- und Haltungsapparates, Herz- und Kreislaufleiden sowie dem Übergewicht. Außerdem habe er weiterhin erhebliche orthopädische Beschwerden, insbesondere im Lumbalbereich, weswegen davon auszugehen sei, dass ihm erneut Krankengymnastik und Massagen verordnet werden würden. Zudem sei ein "Kribbeln" in den Beinen hinzugekommen; das Einreiben der Beine mit Salbe verschaffe eine leichte Linderung.
Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst, vgl. Bl. 14 Senats-Akte),
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21.11.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 01.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.05.2016 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat Dr. S. und den behandelnden Neurologen Dr. S. schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Dr. S. hat mitgeteilt, den Kläger seit seiner Auskunft gegenüber dem SG noch zweimal untersucht zu haben. Bei ihm bestünden weiterhin eine hypertensive Herzerkrankung bei Aortenklappen-Insuffizienz Typ I und cardiovaskulären Risikofaktoren mit Belastungsdyspnoe. Eine Änderung - auch seiner Leistungsbeurteilung in der Auskunft gegenüber dem SG - habe sich nicht ergeben. Dr. S. hat bekundet, den Kläger zuletzt (einmalig) im Mai 2017 wegen Kribbelmissempfindungen in den Beinen untersucht zu haben. Radikuläre Ausfälle, eine zervikale Myelopathie bzw. eine Polyneuropathie habe er bei Verdacht auf ein Restless-Legs-Syndrom ausgeschlossen. Nach Verordnung von Restex habe sich der Kläger nicht mehr vorgestellt. Eine offensichtliche Einschränkung der klägerischen Arbeitsfähigkeit sei nicht erkennbar gewesen.
Für die Beklagte hat Urologin Dr. W.-H. zu den Ermittlungen des Senats Stellung genommen (Bl. 45 f. Senats-Akte).
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheidet, ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Dies folgt nicht bereits daraus, dass die Klage wegen Nichteinhaltung der Klagefrist (§ 87 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGG) unzulässig wäre. Der Senat hat insoweit von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wofür er zuständig ist, weil das SG über die Wiedereinsetzung nicht entschieden hat; der Senat kann selbst die Voraussetzung für die Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist feststellen (Senatsurteile vom 22.01.2015, L 10 R 3585/11 und 19.09.2013, L 10 R 31/12, jeweils m.w.N.).
Die Einhaltung der Klagefrist ist Prozessvoraussetzung und daher von Amts wegen zu beachten. Die Klagefrist beträgt nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG einen Monat. Sie beginnt mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids (§ 87 Abs. 2 SGG). Eine förmliche Zustellung ist nicht erforderlich. Die Bekanntgabe durch einfachen Brief, wie hier, ist zulässig (§ 85 Abs. 3 SGG). Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben (§ 37 Abs. 2 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - SGB X -). Dies gilt nicht, wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (§ 37 Abs. 2 Satz 3 SGB X). Hier wurde der mit ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung versehene Widerspruchsbescheid nach dem Vermerk in der Verwaltungsakte am 13.05.2016 (vgl. Bl. 27 RMG-VerwA) zur Post aufgegeben, sodass er unter Anwendung von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X als am 16.05.2016 zugegangen gilt. Demgemäß endete die einmonatige Klagefrist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGG am 16.06.2016, einem Donnerstag.
Eine wirksame Klageerhebung hat bis zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht vorgelegen. Zwar gilt die Frist für die Erhebung der Klage auch dann als gewahrt, wenn die Klageschrift innerhalb der Frist statt bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit bei einem Versicherungsträger eingegangen ist (§ 91 Abs. 1 SGG). Die - einfachen, elektronisch nicht signierten, von der Beklagten ausgedruckten und dem SG vorgelegten - E-Mails des Klägers an die Beklagte haben indes nicht den gesetzlichen Formerfordernissen genügt. Es entspricht der gesicherten höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass die Einlegung der Klage per einfacher E-Mail weder dem gesetzlich vorgegebenen Schriftformerfordernis (§ 90 Alt. 1 SGG) noch den Anforderungen an die Übermittlung elektronischer Dokumente (§ 65a SGG) entspricht (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 12.10.2016, B 4 AS 1/16 R in SozR 4-1500 § 65a Nr. 3; Beschluss vom 06.07.2016, B 9 SB 1/16 R, in juris, Rdnr. 6 jeweils m.w.N.).
Der Kläger hat die Nichteinhaltung der Klagefrist jedoch nicht zu vertreten, ihm ist deshalb Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 Abs. 1 SGG zu gewähren. Nach § 67 Abs. 1 SGG ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne sein Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Ein solcher Fall ist unter Annahme einer Fürsorgepflichtverletzung dann anzunehmen, wenn (bestimmende) Schriftsätze weit vor Ablauf der Rechtsbehelfsfrist übersandt werden und es dem Gericht bzw. der Behörde i.S.d. § 91 Abs. 1 SGG ohne weiteres möglich gewesen wäre, auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage unter dem Gesichtspunkt des Schriftformerfordernisses hinzuweisen (vgl. BSG, Beschluss vom 06.07.2016, B 9 SB 1/16 R, a.a.O., Rdnr. 8 m.w.N.). Angesichts der Mitteilung der Beklagten im Schreiben vom 01.06.2016 - also noch innerhalb der Klagefrist - hat der Kläger darauf vertrauen dürfen, dass alles Nötige zur Fristwahrung veranlasst worden ist und seinerseits keine weiteren Schritte erforderlich gewesen sind. Hierin ist der Kläger durch die Klageeingangsbestätigung des SG noch bestätigt worden, in der ebenfalls nicht auf die Nichteinhaltung der Formvorschriften hingewiesen worden ist. Der Kläger hat dann mit Vorlage der von ihm eigenhändig unterschriebenen, am 23.06.2016 beim SG eingegangenen Schweigepflichtentbindungserklärung (innerhalb der Frist des § 67 Abs. 3 SGG) hinreichend deutlich - und insoweit formwirksam - zum Ausdruck gebracht, dass er gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen will (vgl. Senatsurteil vom 22.01.2015, L 10 R 3585/11).
Das SG hat die Klage gleichwohl zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 01.03.2016 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 12.05.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger ist im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, weshalb ihm weder Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung zusteht.
Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist § 43 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser (Abs. 1 Satz 1 der Regelung) bzw. voller (Abs. 2 Satz 1 der Regelung) Erwerbsminderung, wenn sie - u.a. - teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des BSG bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75 in SozR 2200 § 1246 Nr. 13). Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach diesen Maßstäben ist das SG zutreffend - wenn auch mit knapper Begründung - auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens des Dr. C. , des Gutachtens des Dr. S. sowie der Auskunft des Dr. S. davon ausgegangen, dass die beim Kläger vorliegenden Beeinträchtigungen vorwiegend auf orthopädischem Fachgebiet keine quantitative Leistungsminderung zur Folge haben, sodass er unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Der Senat sieht insoweit deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Zu ergänzen ist, dass dabei zugunsten des Klägers die vom Sachverständigen Dr. C. , vom Gutachter Dr. S. und von den Ärzten des W. Gesundheitszentrums P. beschriebenen qualitativen Einschränkungen (wechselnde Körperhaltungen, überwiegend im Sitzen, Arbeit in Tagschicht, kein Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, kein häufiges Bücken, Knien und Hocken, kein Ersteigen von Leitern und Gerüsten, kein häufiges Treppensteigen, keine Arbeiten unter Kälte-, Nässe- und Zugluftexposition, keine Zwangshaltungen wie z.B. hohe Überkopf- und länger andauernde Armvorhaltearbeiten, keine nach vorn geneigten Arbeiten sowie auch keine Akkord- und Fließbandtätigkeiten) zu Grunde zu legen sind.
Ebenso wie das SG geht auch der Senat davon aus, dass der Kläger in seinem beruflichen Leistungsvermögen in erster Linie durch die oben genannten Erkrankungen von Seiten des orthopädischen Fachgebietes eingeschränkt ist, die hieraus resultierenden funktionellen Beeinträchtigungen jedoch nicht so schwerwiegend sind, dass sie der Ausübung einer leichten, den oben dargelegten Anforderungen Rechnung tragenden beruflichen Tätigkeit entgegenstehen.
Dr. C. hat in seinem Sachverständigengutachten - auch für den Senat - auf Grund der von ihm erhobenen Befunde (namentlich guter Allgemeinzustand, während der 60-minütigen Anamnese kein Aufstehen vom Stuhl, zwar breitbeinig humpelnder, aber hinkfreier Gang mit normalem Abrollverhalten, Hochstemmen aus der Hocke freihändig, Zehen- und Fersengang beidseits regelgerecht, nach Angaben des Klägers uneingeschränkte Möglichkeit, ein Kraftfahrzeug zu führen und öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, lediglich end- bis mittelgradige Beweglichkeitseinschränkungen der Wirbelsäule, keine sensomotorischen Defizite bzw. Sensibilitätsstörungen, lediglich mittelgradige Beweglichkeitseinschränkung des rechten Schultergelenks, links weitgehend frei, "gute" Hüft-TEP-Versorgung links, nur leichte Ergussbildung im rechten Knie bei seitengleich freier Beweglichkeit) schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass dem Kläger zumindest leichte körperliche Arbeiten unter Beachtung der oben genannten qualitativen Einschränkungen noch mehr als sechs Stunden täglich möglich sind. Dies überzeugt den Senat auch im Hinblick auf die vom Kläger gegenüber Dr. C. angegebenen Tagesablauf- und Alltagsaktivitäten (Spaziergänge 30 bis 60 Minuten möglich, Bl. 57 SG-Akte; längere Autostrecken möglich, Bl. 47 SG-Akte; Erledigung von Einkäufen und Behördengängen, Durchführung von Hausarbeiten wie Staubsaugen, Wischen, Wäschewaschen, Bügeln, Bl. 48 SG-Akte; Betreuung eines Eishockeyvereins, Besuch von Handball- und Fußballspielen bzw. Konzerten, geselliges Beisammensein, Bl. 48 SG-Akte), worauf der Sachverständige auch hingewiesen hat (Bl. 57 SG-Akte).
Soweit der Kläger sich mit seinem Rechtsmittel darauf berufen hat, "weiterhin" erhebliche orthopädische Beschwerden, insbesondere im Lumbalbereich zu haben und dass davon auszugehen sei, dass ihm erneut Krankengymnastik und Massagen verordnet werden würden, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Eine Verschlimmerung der orthopädischen Leiden hat der Kläger damit nicht einmal ansatzweise behauptet, sodass keine Veranlassung besteht, von der Leistungsbeurteilung des Sachverständigen abzuweichen. Ohnehin hat Dr. C. darauf hingewiesen, dass eine Besserung der Wirbelsäulen- und Schultergelenksfunktion durch geeignete physiotherapeutische Maßnahmen und eine Gewichtsreduktion wahrscheinlich zu erreichen ist (Bl. 60 SG-Akte). Insoweit ist der klägerische Vortrag schon nicht nachvollziehbar.
Soweit der Kläger geltend gemacht hat, er leide nun auch an einem "Kribbeln" in den Beinen, führt dies - worauf Dr. W.-H. hingewiesen hat - ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung. Dabei kann offenbleiben, ob der Kläger an einem Restless-Legs-Sydrom leidet. Unabhängig davon, dass Dr. S. lediglich den Verdacht einer solchen Erkrankung geäußert hat, nachdem der Kläger bei ihm nach entsprechender (insoweit einmaliger) Behandlung und Verordnung von Restex nicht mehr konsultiert hat, kommt es im Rahmen der Prüfung von Erwerbsminderung nicht auf eine bestimmte Diagnosestellung oder Bezeichnung von Befunden an, sondern auf die Beeinflussung des individuellen quantitativen sowie qualitativen Leistungsvermögens durch dauerhafte Gesundheitsstörungen (BSG, Beschluss vom 28.02.2017, B 13 R 37/16 BH, in juris, Rdnr. 15), also auf die durch die Gesundheitsstörungen verursachten funktionellen Beeinträchtigungen. Dem entsprechend kommt es auch auf die Ursachen der Gesundheitsstörung nicht an (BSG, a.a.O.). Dr. S. hat indes in seiner Auskunft gegenüber dem Senat keine gravierenden Funktionseinschränkungen beschrieben (vgl. auch Stellungnahme der Dr. W.-H. , Bl. 45 Senats-Akte). Zudem hat der Kläger angegeben, die von ihm verwendete Salbe bringe eine ("leichte") Linderung.
Soweit sich der Kläger auch im Rechtsmittelverfahren auf seine Herz- und Kreislaufbeschwerden berufen hat, hat der behandelnde Internist und Kardiologe Dr. S. in seiner Auskunft gegenüber dem Senat mitgeteilt, dass eine Verschlimmerung der oben aufgeführten internistischen Leiden nicht eingetreten ist und dass sich auch eine Änderung seiner Leistungsbeurteilung in seiner Auskunft gegenüber dem SG (keine zeitliche Leistungseinschränkung) nicht ergeben hat.
Soweit sich der Kläger schließlich weiterhin auf die Einschätzung des Dr. S. beruft, hat bereits das SG dargelegt, warum dieser nicht zu folgen ist. Entgegen der klägerischen Auffassung hat Dr. S. seine Beurteilung gerade nicht begründet, weil sein Gutachten - worauf Dr. W.-H. zutreffend hingewiesen hat (Bl. 45 Senats-Akte) - keinerlei objektiv-klinische Befunde enthält. Im Übrigen hat Dr. S. seiner Beurteilung kardiale, also für ihn fachfremde Gesundheitsstörungen zu Grunde gelegt, die nach Internist und Kardiologe Dr. S. gerade keine Auswirkungen auf das zeitliche Leistungsvermögen haben; auch darauf hat bereits das SG zutreffend aufmerksam gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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