L 9 U 3862/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 20 U 2059/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 3862/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19. September 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist Gewährung einer Verletztenrente.

Der 1949 geborene Kläger, der 1990 als Spätaussiedler aus Tadschikistan nach Deutschland gekommen war, arbeitete zunächst in Tadschikistan als Schweißer, in Deutschland vom 06.08.1990 bis 31.12.2004 als Schmelzschweißer bei der Firma F. GmbH & Co KG und vom 01.01.2005 bis 28.02.2010 als Schweißer bei der Firma H. AG.

Am 04.07.2011 beantragte er die Anerkennung des Bestehens einer Berufskrankheit (BK) nach den Nrn. 2108/2109 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) sowie die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Nachdem er im Juni 2013 nähere Angaben zu seinen Wirbelsäulenbeschwerden sowie zu den wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten gemacht hatte, holte die Beklagte bei Dr. G., dem Chefarzt der Orthopädie der R.-Klinik Bad K., eine beratungsärztliche Stellungnahme ein, der darin am 09.07.2013 im Hinblick auf eine mögliche Konstellation B2 in den beiden unteren LWS-Segmenten die Durchführung einer Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule empfahl. Nach Durchführung derselben führte Dr. G. im Schreiben vom 11.08.2013 aus, nach Durchsicht der Unterlagen handle es sich lediglich um Bandscheibenvorwölbungen in den betroffenen Segmenten nebst fortgeschrittener Osteochondrose L4/5 und L5/S1 mit deutlichen Spondylophyten und Spondylarthrosen. Unter Anwendung der Richtlinien der Konsensempfehlungen ergäben sich keine Hinweise auf ein belastungskonformes Schadensbild. Hauptsächlich betroffen seien zwar einerseits die Segmente L4/5 und L5/S1, andererseits seien aber auch die übrigen Lendenwirbelsäulensegmente degenerativ verändert und zeigten kleinere Bandscheibenvorwölbungen. Mit Bescheid vom 17.10.2013 lehnte die Beklagte daraufhin das Vorliegen einer BK nach Nr. 2108 bzw. Nr. 2109 der Anlage 1 zur BKV ab und verneinte zugleich einen Anspruch auf Leistungen. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.03.2014 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 29.04.2014 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben, die zum einen auf die Feststellung einer BK, zum anderen auf Gewährung einer Verletztenrente gerichtet war. Das Gericht hat bei dem Orthopäden und Sportmediziner Dr. H. ein Gutachten in Auftrag gegeben, der darin am 07.05.2015 die bandscheibenbedingte Erkrankung der Konstellation B1 zugeordnet hat. Wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren für die bandscheibenbedingte Erkrankung L4/5 und L5/S1 seien nicht vorhanden, eine Begleitspondylose bestehe aber in den übrigen LWS-Segmenten. Die Lokalisation betreffe die Bandscheiben L4/5 und L5/S1 mit einem Ausprägungsgrad der Chondrose von II oder höher. Für diesen Fall werde bei den Konsensempfehlungen einen Zusammenhang als wahrscheinlich angegeben. Zwar bestünden auch degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule oberhalb von LWK 4 bis hinauf in die untere Brustwirbelsäule, doch seien diese erheblich geringer ausgeprägt als bei L4/5 und L5/S1. Insofern bestehe eine eindeutig führende Symptomatik der beiden unteren LWS-Segmente. Es sei somit eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung gegeben. Eine BK nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV sei daher gegeben. Eine BK nach Nr. 2109 oder 2110 der Anlage 1 liege aber nicht vor. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 20 v. H. Vergleichend hierzu werde in den entsprechenden Tabellen ein Wirbelbruch ohne wesentliche Verschiebung Ende des zweiten Jahres mit 0 bis 20 v. H. bewertet, ein Wirbelbruch mit Bewegungsbehinderung und Beschwerden mit 20 bis 40 v. H.

Die Beklagte hat daraufhin eine weitere beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. G. eingeholt, der darin am 07.09.2015 dem Vorliegen der BK Nr. 2108 zugestimmt hat. Allerdings betrage die MdE nicht 20 v. H., sondern lediglich 10 v. H. Die vom Kläger beklagten subjektiv geäußerten Beschwerden stünden nicht im Einklang mit den von Dr. H. erhobenen und dokumentierten Untersuchungsbefunden. Die einzelnen Wirbelsäulenabschnitte seien altersentsprechend ausreichend frei beweglich ohne Hinweise für Blockierungen und ohne neurologische, insbesondere radikuläre Auffälligkeiten. Hierzu hat Dr. H. auf Veranlassung des SG erwidert, Dr. G. habe die glaubhaften Schmerzen sowie die Minderung der Belastbarkeit mit Heben und Tragen nicht berücksichtigt. Er bleibe bei seiner Auffassung, dass auch der Gesichtspunkt der Schmerzhaftigkeit und Minderbelastbarkeit Eingang in die Gesamtbeurteilung der MdE finden müsse. Dieses gelte seit dem Datum der Antragstellung.

Nach Durchführung von Ermittlungen zur Arbeitsplatzexposition und Einholung eines Vorerkrankungsverzeichnisses bei der Krankenkasse hat die Beklagte mit Bescheid vom 25.08.2016 unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides vom 17.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2014 das Vorliegen einer BK nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV anerkannt. Der Versicherungsfall sei am 17.02.2010 eingetreten. Dies sei der erste Tag, an dem der Kläger keine wirbelsäulengefährdenden Tätigkeiten mehr verrichtet habe. Kosten der Heilbehandlung würden übernommen, ein Anspruch auf Rente wegen der BK bestehe nicht.

Die nunmehr nur noch auf Gewährung einer Verletztenrente wegen der BK Nr. 2108 BKV auf Basis einer MdE von wenigstens 20 v. H. gerichtete Klage hat das SG mit Urteil vom 19.09.2017 abgewiesen mit der Begründung, die Gesundheitsstörungen des Klägers rechtfertigten keine MdE in der begehrten Höhe. Im Rahmen seiner Untersuchung habe Dr. H. keine pathologischen bzw. auffälligen Befunde im Sinne einer vermehrten Schmerzhaftigkeit oder Blockade finden können. In der Literatur werde die MdE bei bandscheibenbedingten BKen der Wirbelsäule bei einem lokalen LWS-Syndrom oder lumbalen Wurzelkompressionssyndrom mit leichten belastungsabhängigen Beschwerden und leichten Funktionseinschränkungen mit 10 v. H. bewertet. Eine MdE von 20 v. H. werde bei einem lokalen LWS-Syndrom oder lumbalem Wurzelkompressionssyndrom mit mittelgradigen belastungsabhängigen Beschwerden angenommen, bei einer Lumboischialgie mit belastungsabhängigen Beschwerden, deutlichen Funktionseinschränkungen mittelgradigen Funktionseinschränkungen und Beschwerden nach Operation. Die festgestellten Untersuchungsergebnisse rechtfertigen lediglich das Vorliegen leichter belastungsabhängiger Beschwerden und leichter Funktionseinschränkungen ohne neurologische Ausfälle oder eine radikuläre Symptomatik. Eine zusätzliche Berücksichtigung von Schmerzen komme nur in Ausnahmefällen in Betracht, wenn die Schmerzen über das normale zu erwartende Maß deutlich hinausgingen. Dies sei im Fall des Klägers nicht erkennbar. Die Klage sei daher abzuweisen, von den außergerichtlichen Kosten des Klägers trage die Beklagte wegen der Anerkennung der BK Nr. 2108 der BKV die Hälfte.

Gegen das seinem Bevollmächtigten am 27.09.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 04.10.2017 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt, ohne diese näher zu begründen.

Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19. September 2017 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 25. August 2016 zu verurteilen, ihm wegen der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung eine Verletztenrente auf Basis einer MdE von wenigsten 20 v. H. zu gewähren bei Vorliegen eines Leistungsfalls vom 17. Februar 2010.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat auf den Vortrag in der ersten Instanz sowie auf den Inhalt des angegriffenen Urteils Bezug genommen.

Der Senat hat Prof. Dr. C. mit der Erstellung eines Gutachtens über die Höhe der MdE beauftragt, der darin nach ambulanter Untersuchung in seinem Gutachten vom 17.09.2018 eine MdE von 10 v. H. als ausreichend erachtet hat. Für die Annahme einer MdE von 20 v. H. würden übereinstimmend deutliche oder starke Funktionseinschränkungen gefordert. Vorliegend seien in der Akte keine Arztbriefe oder Befundberichte behandelnder Ärzte enthalten. In den Jahren 2008 und 2009 seien nur relativ kurze Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen einer Radikulopathie im Lumbalbereich dokumentiert. Dies lasse die Schlussfolgerung zu, dass regelmäßige schwere oder deutliche Funktionseinschränkungen, die zu entsprechenden Arztkonsultationen, Arbeitsunfähigkeitszeiten oder Behandlungen geführt hätten, ganz offensichtlich nicht vorgelegen hätten. Neurologische Defizite wie sensible oder motorische Nervenwurzelreizerscheinungen oder Lähmungen seien ebenfalls nicht dokumentiert. Die Tatsache, dass dem zum Untersuchungszeitpunkt 69-jährigen Kläger das Aufrichten aus vorn übergebeugter Stellung nur durch Abstützen mit den Händen an den Oberschenkeln gelinge, könne ebenfalls nicht als Argument für eine schwere berufsbedingte Funktionsbeeinträchtigung gewertet werden, da dies knapp sieben Jahre nach Ende der beruflichen Belastung ein Befund sei, der immer wieder auch bei gleichaltrigen Personen, die keiner beruflichen Belastung ausgesetzt gewesen seien, zu beobachten sei. Die MdE sei somit im Fall des Klägers mit 10 v. H. korrekt und ausreichend bewertet.

Der Kläger hat zum Gutachten des Prof. Dr. C. keine Stellung genommen.

Mit Schreiben vom 18.10.2018 hat der Senat eine Entscheidung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Aussicht gestellt und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

II.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht erhobene Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Der Senat entscheidet durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.

Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat mit dem angefochtenen Urteil vom 19.09.2017 die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und Abs. 5 SGG) zu Recht abgewiesen. Gegenstand des Verfahrens ist nur noch der Bescheid vom 25.08.2016, da dieser während des Klageverfahrens den Bescheid vom 17.10.2013 und den Widerspruchsbescheid vom 27.03.2014 aufgehoben und ersetzt hat (§ 96 SGG). Streitig ist daher noch die Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen der BK Nr. 2108 der BKV; die BK Nr. 2109 ist nicht mehr streitig, die Gewährung von Verletztengeld bzw. Übergangsleistungen im Rahmen des § 3 BKV ist Gegenstand des Verfahrens S 17 U 421/17 und nicht des vorliegenden. Der Bescheid vom 25.08.2016 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Verletztenrente, da die als BK Nr. 2108 der BKV anerkannten Gesundheitsstörungen keine MdE von 20 v. H. bedingen.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern (§ 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB VII).

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004 - B 2 U 14/03 R -, Juris): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Die durch die BK bedingten Gesundheitsstörungen rechtfertigen zur Überzeugung des Senats keine MdE von 20 v. H. Der Senat folgt insoweit im Wesentlichen der Einschätzung des Prof. Dr. C. sowie des Beratungsarztes Dr. G. Wie Prof. Dr. C. in seinem Gutachten vom 17.09.2018 dargelegt hat, leidet der Kläger an degenerativen Veränderungen der unteren beiden Bewegungssegmente der LWS mit Bewegungseinschränkung und Belastungsminderung, ohne Nervenwurzelreizerscheinung, die bandscheibenbedingte Erkrankungen im Sinne der BK Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV sind. Diese Gesundheitsstörungen bedingen eine MdE von 10 v. H. Prof. Dr. C. stützt sich hierbei auf Schiltenwolf/Hollo (Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, 6. Auflage 2014, Seite 524 f. ) sowie Schönberger-Mehrtens-Valentin (Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S. 548), dessen MdE-Bewertung bandscheibenbedingter Erkrankungen der Lendenwirbelsäule mit der aus den Konsensempfehlungen aus 2005 (Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten BKen der Lendenwirbelsäule, vgl. Trauma Berufskranheit 2005, S. 320 ff; so auch Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Stand Januar 2018, M 2108 Rdnr. 8) übereinstimmt. Diese Konsensempfehlungen bilden nach der Rechtsprechung eine hinreichende Grundlage für die Bestimmung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes ab (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23.04.2015 - B 2 U 10/14 R -, Juris und zuletzt Urteil vom 07.09.2018 - B 2 U 10/17 R – Terminbericht 38/18, Juris). Die Bestimmung der MdE ist hiernach vorzunehmen anhand des Schweregrads der Leistungseinschränkung, für den 4 Stufen (1. Stufe leichte Leistungseinschränkungen MdE 10 v.H, 2. Stufe mittlere Leistungseinschränkung MdE 20 v.H, 3. Stufe schwere Leistungseinschränkung MdE 0 bis 40 v. H. und 4. Stufe schwerste Leistungseinschränkung MdE 50 v. H.) entwickelt wurden (im Einzelnen vgl. Konsensempfehlungen, a.a.O., S. 327 Tabelle 15). Mit einer MdE von 10 v. H. ist nach den Konsensempfehlungen ein lokales Lendenwirbelsäulensyndrom oder lumbales Wurzelkompressionssyndrom mit leichten (auch anamnestischen) belastungsabhängigen Beschwerden und leichten Funktionseinschränkungen, auch nach – ggf. operiertem – Prolaps zu bewerten. Eine MdE von 20 v. H. ist dann gerechtfertigt, wenn mittelgradige belastungsabhängige Beschwerden und deutliche Funktionseinschränkungen oder mittelgradige Funktionseinschränkungen und Beschwerden nach Operation vorliegen.

Vorliegend hat Prof. Dr. C. zwar eine Schmerzangabe beim Palpieren der paravertebralen Muskulatur sowie eine Klopfschmerzangabe über den Dornfortsätzen der unteren LWS und eine Schmerzangabe im Lenden-Kreuzbein-Übergang bei Rückneigung beschrieben. Die paraverte-brale Muskulatur war aber kräftig entwickelt und es gab nur mittelgradige Verspannungen sowie nur endgradige Einschränkungen der Seitneigung und Seitdrehung. Neurologische Defizite wie sensible oder motorische Nervenwurzelreizerscheinungen oder Lähmungen bestanden weder zum Untersuchungszeitpunkt durch Prof. Dr. C. noch zuvor. Der Finger-Fußbodenabstand betrug 20 cm. Ähnlich sah der Befund aus, den Dr. H. in seinem Gutachten vom 07.05.2015 beschrieben hat. Auch hier war im Sitzen eine Seitneigung des Rumpfes von je 40 Grad, eine Rotation von je 60 Grad, eine Rückwärtsneigung von ca. 10 Grad sowie eine Vorwärtsneigung von 40 Grad möglich. Die Rotation des Rumpfes aus Bauch- und Rückenlage beidseits sowie das Aufrichten aus der Rückenlage zum Langsitz waren jeweils problemlos möglich. Beim Langsitz mit Vorneigung des Rumpfes reichten die Fingerspitzen bis knapp eine Handbreit über dem Sprunggelenk. Bei einer manualtherapeutischen Segmentprüfung fand sich kein pathologischer bzw. auffälliger Befund im Sinne einer vermehrten Schmerzhaftigkeit oder Blockade; eine orientierende neurologische Prüfung im Einzugsbereich der LWS zeigte keine Auffälligkeiten oder Defizite. Das Ausmaß dieser Funktionseinschränkungen und belastungsabhängigen Beschwerden ist als leicht im Sinne der Konsensempfehlungen zu beschreiben und erreicht keinen mittelgradigen Umfang, der zu einer MdE von 20 v. H. führen würde. Erst recht werden keine starken Funktionseinschränkungen erreicht, wie sie in Schiltenwolf/Hollo (a.a.O., S. 525) für das Vorliegen einer MdE von 20 v. H. verlangt werden. Es ergeben sich auch aus der Akte nur relativ kurze Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen einer Radikulopathie im Lumbalbereich, Anhaltspunkte für regelmäßige Arztkonsultationen lassen sich den Akten gleichfalls nicht entnehmen. Neurologische Defizite sind, worauf Prof. Dr. C. zu Recht hinweist, zu keinem Zeitpunkt dokumentiert. Vor dem Hintergrund der von Prof. Dr. C. erhobenen Befunde fällt die Tatsache, dass sich der 69-jährige Kläger aus vornübergebeugter Stellung nur durch Abstützung mit den Händen an den Oberschenkeln wieder aufrichten konnte, nicht ins Gewicht, zumal eine solches Abstützen im Alter von 69 Jahren nicht ungewöhnlich ist. Jedenfalls zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. H. wurde auch keine regelmäßige Physiotherapie durchgeführt – auch dies spricht gegen höhere Funktionseinschränkungen bzw. belastungsabhängige Beschwerden. Soweit Dr. H. im Hinblick auf die vom Kläger geschilderten Schmerzen und die Minderung der Belastbarkeit mit Heben und Tragen eine MdE von 20 v. H. feststellt, überzeugt dies den Senat nicht, da sich diese Schmerzen und auch die Minderbelastbarkeit der LWS nicht in den von ihm selbst und Prof. Dr. C. erhobenen Befunden widerspiegeln. Die Bezugnahme des Dr. H. auf Tabellen zum Wirbelbruch zur Beurteilung der MdE ist für den Senat nicht nachvollziehbar, weil sich diese MdE-Tabelle auf Wirbelsäulenverletzungen bezieht (s. hierzu Schönberger u.a., a.a.O., Seite 465 f) und eine solche Verletzung hier nicht Gegenstand der Beurteilung ist. Offensichtlich lagen Dr. H. die o.a. Konsensempfehlungen bzw. andere medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten BKen der LWS nicht vor.

Die MdE ist daher nach Überzeugung des Senats mit 10 v. H. zutreffend bewertet, so dass die Gewährung einer Verletztenrente nicht in Betracht kommt.

Die Berufung war daher zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das Unterliegen des Klägers im Rechtsmittelverfahren. Anlass, die erstinstanzliche Kostenentscheidung zu ändern, bestand nicht.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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