L 2 U 46/17

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 40 U 72/16
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 U 46/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund einer anerkannten Berufskrankheit, insbesondere ob die Behandlung einer Ohrenentzündung auf die Berufskrankheit zurückzuführen ist.

Der 1940 geborene Kläger war als niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin tätig. Er gab seine berufliche Tätigkeit aufgrund einer beruflich bedingten Atemwegserkrankung auf. Mit Bescheid vom 24. Januar 1985 wurde bei ihm eine Berufskrankheit der Nr. 4301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) anerkannt. Als Folgen der Berufskrankheit würden ein allergisches behandlungsbedürftiges Asthma bronchiale bei hochaktueller Tierhaarallergie, eine allergische Rhinitis und Konjunktivitis sowie eine stark ausgeprägte kombinierte Lungenfunktionseinbuße anerkannt. Zwischenzeitlich lebt der Kläger seit Jahren auf den B ...

Mit E-Mail vom 1. März 2015 beantragte der Kläger die Übernahme der Kosten für eine fachärztliche HNO-Behandlung in N ... Wegen anhaltender chronisch rezidivierender allergischer Rhinitis mit nachhaltigen akuten Schüben habe er den Facharzt für HNO in N. aufsuchen müssen.

Laut Bericht von MD T. aus der Notambulanz in S. habe er den Kläger an den Tagen 30. Dezember 2014, 4. Januar 2015 und 7. Januar 2015 behandelt. Die Behandlung sei aufgrund der beiderseitigen Ohrenbeschwerden mit vermindertem Gehör und mit chronischer Verstopfung der Nase, vermutlich durch Allergene verursacht, erfolgt. Diagnostiziert wurde eine beiderseitige otitis externa (Entzündung des äußeren Gehörgangs) und seröse otitis media (Mittelohrentzündung), vermutlich verursacht durch die chronische allergische Nasenschleimhautentzündung. Es werde ein Breitbandantibiotikum empfohlen. Dr. G. berichtete über die Behandlung im Hospital in N. am 19. Februar 2015, dass eine beiderseitige otitis media et externa mit beiderseitiger konduktiver und sensorischer Verminderung des Gehörs vorgelegen habe.

Am 11. Mai 2015 nahm der Beratungsarzt der Beklagten, der HNO-Arzt Dr. L., Stellung, dass nach den vorliegenden Unterlagen sowohl die Gehörgangsentzündung als auch die Mittelohrentzündung mit der zugehörigen Innenohrbeteiligung nichts mit Allergien zu tun hätten. Der behandelnde HNO-Arzt habe zwar vermutet, dass eine allergische Rhinitis zu einer Flüssigkeitsansammlung im Mittelohr geführt habe. Hier müsse man allerdings einschränken, dass der behandelnde Arzt nicht einmal den Nasenbefund in seinem Arztbericht beschrieben und diesen auch nicht therapiert habe. Insofern sei ein Zusammenhang zwischen der Berufskrankheit und der aktuell aufgetretenen Mittelohrentzündung bei gleichzeitiger Gehörgangsentzündung nicht zu erkennen.

Mit Bescheid vom 21. Mai 2015 lehnte die Beklagte die Übernahme der im Zusammenhang mit der HNO-ärztlichen Behandlung entstandenen Aufwendungen ab. Zur Begründung führte sie aus, die Behandlung sei aufgrund einer Außenohrentzündung (Otitis externa), beidseitigen Mittelohrentzündung und einer kombinierten Schwerhörigkeit erfolgt. Eine eingehende medizinische Prüfung habe ergeben, dass diese Befunde nicht im ursächlichen Zusammenhang mit der anerkannten Berufskrankheit stünden. Ein Nasenbefund mit entsprechender Therapie werde im Arztbrief nicht beschrieben.

Mit E-Mail vom 8. Juli 2015 und anwaltlichem Schriftsatz vom 30. September 2015 legte der Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Aufgrund der eingereichten ärztlichen Bescheinigungen sei ein unmittelbarer kausaler Zusammenhang zwischen der Berufskrankheit und den entzündlichen Erkrankungen im Ohr des Klägers gegeben. Er legte ein Schreiben von dem HNO-Arzt und Allergologen Dr. S1 bei, dass die behinderte Nasenatmung bedingt durch die Nasenmuschelhyperplasie auf allergischer Genese beruhe. Es komme zu häufig rezidivierenden Tubenmittelohrkatarrhen und Belüftungsstörungen des Mittelohres. Hierdurch komme es zu häufigen Ohrentzündungen. Es bestehe daher ein ursächlicher Zusammenhang.

In einem Befundbericht vom 20. Oktober 2015 führte der HNO-Arzt und Allergologe Dr. S1 an die Beklagte aus, der Kläger sei bis Mai 2015 sein Patient und im Dezember 2014 und zuletzt am 2. April 2015 in seiner Praxis gewesen. Er habe bei dem Kläger eine Gehörgangsmykose, eine Innenohrschwerhörigkeit beiderseits und einen Tubenmittelohrkatarrh diagnostiziert. Er habe dem Kläger bei seinem letzten Besuch erklärt, dass theoretisch ein Zusammenhang zwischen der allergischen Rhinitis und den behaupteten Mittelohrentzündungen möglich sei. Er selbst habe bei dem Kläger weder einen Allergietest durchgeführt noch eine Mittelohrentzündung diagnostiziert. Auf den Einwand der Beklagten bestätigte Dr. S1, dass er den Kläger nicht persönlich untersucht habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 2016 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück und führte aus, dass Versicherte nur einen Anspruch auf Heilbehandlungen und Leistungen zur medizinischen Rehabilitation hätten, wenn es sich um durch den Versicherungsfall verursachte Gesundheitsschäden handeln würde. Dies sei hier nicht der Fall. Als Folgen eines Versicherungsfalls könnten nur die Beschwerden und Veränderungen anerkannt werden, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Versicherungsfall stünden. Eine solche Wahrscheinlichkeit liege vor, wenn unter Berücksichtigung der herrschenden ärztlich wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spreche und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung außer Acht gelassen werden könnten. In den vom Kläger eingereichten Berichten würden eine Otitis externa und Otitis media beidseits sowie eine kombinierte Schwerhörigkeit beschrieben. Verordnet worden seien Antibiotika, Cortison und durchblutungsfördernde Mittel. Hierbei handele es sich um eine klassische Medikation, die bei einem Hörsturz oder auch entzündungsbedingter Innenohrschädigung verordnet werde. Das würde bedeuten, dass sowohl die Gehörgangsentzündung als auch die Mittelohrentzündung mit Innenohrbeteiligung nicht allergisch bedingt seien. Der behandelnde Arzt des Klägers habe vermutet, dass eine allergische Rhinitis zu einer Flüssigkeitsansammlung im Mittelohr geführt habe. Allerdings beschreibe er in seinem Bericht keinen Nasenbefund und auch keine entsprechende Therapie.

Am 23. März 2016 hat der Kläger beim Sozialgericht Hamburg dagegen Klage erhoben. Er habe durch die Bescheinigungen von Herrn Dr. S1, Dr. T. und Dr. G. ausreichend belegt, dass die allergische Rhinitis wesentliche Ursache für die Mittelohrentzündung gewesen sei. Das Sozialgericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Dr. S1 hat mitgeteilt, dass sich der Kläger seit dem 13. April 2012 mehrfach in seiner Praxis wegen wiederholter Entzündungen seiner Ohren befunden habe. Die erhobenen HNO-Befunde seien bis auf die bekannte chronische Otitis externa chronica unauffällig gewesen. Dr. R. hat am 11. Dezember 2016 einen Arztbericht für den Kläger erstellt, wonach ein eindeutiger Zusammenhang zwischen oberen Atemwegen und Mittelohrentzündung bestehe.

Der Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde Dr. K. hat am 21. April 2017 ein Gutachten nach Aktenlage erstellt. Infolge der Allergenwirkung komme es bei der allergischen Rhinitis zu einer Schleimhautschwellung der Nasenmuscheln und der übrigen Nasenschleimhäute. In experimentellen Untersuchungen sei es gelungen, durch Allergenprovokation eine Schwellung der Eustachischen Röhre/der Eingänge der Eustachischen Röhre zu provozieren. Die Eustachische Röhre stelle die einzige Belüftungsverbindung zum Mittelohr dar. Bei einer Blockade des Druckausgleichs zwischen Mittelohr und Nasenrachenraum z. B. durch infektbedingte Schwellungen könne es als pathomechanische Folge zu einer Flüssigkeitsbildung durch die Mittelohrschleimhaut kommen. Ein solcher Paukenerguss könne sich infizieren. Weiterhin seien ototoxische Effekte bei Infektionserkrankungen beschrieben. Es werde vermutet, dass hier über Diffusionsmechanismen ototoxische Substanzen vom Mittelohr ins Innenohr wandern und einen Innenohrhörverlust hervorrufen würden. Obwohl nach den geschilderten Mechanismen der Zusammenhang zwischen allergischer Rhinitis und otitis media mit Paukenerguss zunächst einleuchtend erscheine, zeichne die Literatur seit vielen Jahren hierzu kein einheitliches Bild. Vor diesem Hintergrund erscheine es zumindest angebracht, nicht von einem sicheren Zusammenhang auszugehen. In der individuellen Fallkonstellation verwende der Proband bereits über einen längeren Zeitraum Telfast (systemisches Antihistaminikum) sowie ein orales Cortisonpräparat. In Bezug auf die Wirkung der Präparate auf die vorbestehende und diagnostizierte allergische Rhinitis müsse von einer starken Wirkpotenz der Medikation ausgegangen werden. Die klinische Erfahrung zeige, dass Patienten mit chronischer Rhinosinusitis oder allergischer Rhinitis in der Regel vollkommen beschwerdefrei sein dürften, wenn eine derartige Medikation eingenommen werde. Da infektbedingte Nasenerkrankungen aufgrund der eingangs und zuvor geschilderten Symptome einer allergischen Rhinitis zumindest anamnestisch kaum gegen eine allergische Rhinitis abzugrenzen seien und ebenfalls eine starke Häufigkeit aufwiesen, werde im Zuge der Abwägung der wahrscheinlichen Ursache der Nasenbeschwerden des Probanden eine allergische Genese für eher unwahrscheinlich erachtet. Die alleinige anamnestische Feststellung einer verstopften Nase sei nicht geeignet, um eine allergische Rhinitis zu diagnostizieren. Auch der antiinfektive Behandlungsansatz durch den Notfallmediziner auf L. und den HNO-Facharzt in N. spreche gegen eine allergische Genese der Erkrankung. Aus den vorliegenden Unterlagen lasse sich erkennen, dass der HNO-Facharzt eine durchblutungsfördernde Therapie bei der kombinierten Hörstörung verordnet habe. Ototoxische Effekte durch Paukenergüsse fänden sich bei allergischer Genese nicht, könnten jedoch bei infektiöser Genese auftreten. Ein Zusammenhang der akuten Ohrenerkrankungen im Februar/März 2015 mit der anerkannten Berufskrankheit lasse sich nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen. Nachdem der naturwissenschaftliche Zusammenhang als ungeklärt gelten müsse, spreche insbesondere zusätzlich die Dauermedikation des Probanden, die klinisch über viele Jahre offenbar nicht im Vordergrund stehende allergische Rhinitis sowie die vielfältigen konkurrierenden Ursachen und die klar antiinfektive intendierte Behandlungen der sich vor Ort befindlichen Kollegen gegen eine kausale Beziehung zwischen der Berufskrankheit und des geltend gemachten Folgeschadens. Eine aktuelle persönliche Untersuchung des Klägers sei nicht erforderlich, weil dies keine Rückschlüsse auf die Entstehung der zurückliegenden Ohrenerkrankung zulasse.

Der Kläger ist bei seiner Auffassung verblieben, dass seine anerkannte Berufserkrankung in jedem Fall die oberen Luftwege und somit den Pharynx-Rachenraum mit einschließe. Die alleinige Innen- und Mittelohrbelüftung werde durch die Eustachische Röhre geregelt. Bei krankhafter Anschwellung des Pharynx komme es folglich zu einer Störung des Tubenkanals mit Einschränkung der Ventilation des Mittel- und Innenohres. Die chronischen Organveränderungen des Rachenraumes hätten zu einer Schwächung der Schleimhaut geführt, die ein nichtallergisches Eigenleben zur Folge gehabt habe. Der Gutachter erwecke den Eindruck, dass er sehr stark auf sein Fachgebiet fokussiert sei. Denn es sei nicht nachvollziehbar, warum sämtliche an der Behandlung involvierten Fachärzte einen Zusammenhang zwischen den Ohrbeschwerden und den beteiligten Organen der oberen Luftwege annehmen würden.

In einem vom Kläger bei der Beklagten eingereichten Befundbericht der HNO-Ärztin Dr. C. vom 21. Juni 2017 hat diese ausgeführt, dass der Kläger seit Jahren immer wieder unter beidseitigen Mittelohrentzündungen leide. Im Rahmen ihrer Befunderhebung seien die Nase frei und die Rachenhinterwand blande gewesen. Nach ihrer Einschätzung sei ein Zusammenhang zwischen Allergie und vermehrten Mittelohrentzündungen allgemein anerkannt. Oft führten Allergien auch zu einem Juckreiz in den Ohren, was durch Manipulation dann Gehörentzündungen verursache. Das örtliche-allergische Geschehen werde dann von bakteriellen Sekundärinfektionen überlagert, das eine bedinge das andere. Aus ihrer Sicht sei dies indirekt auf die schwere allergische Symptomatik zurückzuführen.

Mit Gerichtsbescheid vom 14. November 2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Kosten der ärztlichen Behandlung seiner Ohrenerkrankungen in N. (B.) sowie die Fahrtkosten und sonstigen Kosten infolge der anerkannten Berufskrankheit verursacht worden seien. Nach § 26 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) gewähre der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung nach Eintritt des Arbeitsunfalls nach Maßgabe der folgenden Vorschriften und unter Beachtung des Neunten Buches näher bezeichnete Leistungen, unter anderem Heilbehandlung, Fahrtkosten usw. Voraussetzung sei das Vorliegen eines Versicherungsfalles (§ 7 Abs. 1 SGB VII) mit unfallbedingten Folgen. Der Kläger leide seit Ende 1979 an der anerkannten Berufskrankheit Nr. 4301 der Anlage 1 zur BKV. Dieser Versicherungsfall sei nach dem Gesamtergebnis des Verwaltungs- und des gerichtlichen Verfahrens nicht ursächlich im unfallversicherungsrechtlichen Sinne für die Kosten im Februar/März 2015 bezüglich der Ohrenerkrankung beim Kläger. Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen der Beklagten weise das Gericht darauf hin, dass auch die Beweisaufnahme im gerichtlichen Verfahren zu dem Ergebnis geführt habe, dass der kausale Zusammenhang zwischen der anerkannten Berufskrankheit und der Erkrankung der Ohren (Februar/März 2015) nicht feststellbar sei. Insbesondere habe der Gutachter Dr. K. in seinem Gutachten den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand über die kausalen Zusammenhänge zwischen allergischen Erkrankungen, wie sie beim Kläger in Form der anerkannten Berufskrankheit Nr. 4301 der Anlage 1 zur BKV vorliegen, und Ohrenerkrankungen dargelegt. Diesen aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zur generellen Verursachung stelle das Gericht unter Bezugnahme auf das Gutachten vom 21. April 2017 fest. Nach den Ausführungen des Dr. K. sei ein genereller und anerkannter Kausalzusammenhang in der medizinischen Wissenschaft nicht feststellbar. Auch im konkreten Einzelfall des Klägers sei der kausale Zusammenhang nicht hinreichend wahrscheinlich. Auch hier folge das Gericht den schlüssigen und zutreffenden Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen. Es spreche mehr gegen als für einen naturwissenschaftlichen Zusammenhang. Nicht die anerkannte "allergische" Berufskrankheit sei ursächlich gewesen, sondern die Behandlung sei – hinreichend wahrscheinlich – aufgrund einer infektiösen Ohrenerkrankung erfolgt. Der Sachverständige habe insoweit zutreffend die Befunde erläutert, dass eine allergische Verursachung nicht durch die dokumentierten Befunde gestützt werden könne und die Behandlung eher auf eine Infektion hindeute.

Gegen den ihm am 17. November 2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 15. Dezember 2017 Berufung eingelegt. Als Folge der Berufskrankheit sei auch ein Bronchialasthma anerkannt. Dies bedeute eine Mitbeeinträchtigung und Ausstrahlung in die oberen Luftwege unter Einschluss des Rachenraumes. Zwischen dem Rachenraum und dem Innen- und Mittelohr bestehe über die Eustachische Röhre eine anatomische Verbindung. Somit seien bei einer Erkrankung des Rachenraumes auch das Innen- und Mittelohr beteiligt. Ein Infekt begünstige einerseits den allergischen Prozess, andererseits überlagere und begünstige ein allergisches Geschehen durch Schleimhautschwellung und Verengung der Tube die Infektion der unmittelbar angrenzenden Organe Innen- und Mittelohr.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 14. November 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 21. Mai 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Februar 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die Kosten der ärztlichen Behandlung seiner Ohrenerkrankung zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Mit Übertragungsbeschluss vom 24. Januar 2018 hat der Senat der Berichterstatterin, die zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet, das Verfahren nach § 153 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte, die Akte S 36 U 51/12 und die Verwaltungsakte verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung seiner Kosten für die ärztliche Behandlung seiner Ohrenerkrankung.

Ein Erstattungsanspruch scheidet aus, weil der Kläger keinen Anspruch auf Heilbehandlung gegen die Beklagte hatte. Versicherte haben nach § 26 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf Heilbehandlung sowie auf Geldleistungen. Nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII hat die Beklagte mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern. Bei dem Kläger ist als Versicherungsfall die Berufskrankheit Nr. 4301 nach der Anlage 1 zur BKV (Durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Rhinopathie), die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können) festgestellt.

Bei dem Kläger wurden laut Befundbericht der Notambulanz in M1 und des Hospitals in N. eine beiderseitige otitis externa und eine seröse otitis media behandelt. Diese Gesundheitsstörungen beruhen jedoch nicht überwiegend wahrscheinlich auf der festgestellten Berufskrankheit des Klägers. Zur Feststellung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung in Folge eines Versicherungsfalles muss zwischen dem Versicherungsfall und den geltend gemachten Folgen entweder mittels des Gesundheitserstschadens oder direkt ein Ursachenzusammenhang nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung bestehen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R, BSGE 96, 196). Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung ist zunächst zu prüfen, welche Ursachen im Sinne der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie in Betracht kommen, weil sie nicht hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg entfiele (sog. conditio-sine-qua-non-Theorie). Anschließend ist in einem zweiten Prüfungsschritt zu beurteilen, welche Ursachen rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden können bzw. denen der Erfolg zugerechnet werden kann. Danach werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (vgl. BSG a.a.O.). Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob die Berufskrankheit wesentlich war. Für die Feststellung genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, a.a.O.). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (vgl. BSG a.a.O.).

Vorliegend spricht nicht mehr für als gegen eine Verursachung der Otitis durch die allergische Rhinopathie. Der Senat folgt ebenso wie das Sozialgericht dem schlüssigen und überzeugenden Gutachten von Dr. K ... Es besteht zwar die Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs, aber es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Otitis des Klägers auf der allergischen Rhinopathie beruht. Dr. K. legt ausführlich unter Auswertung einschlägiger Literatur dar, dass es bereits in der Wissenschaft keine einheitliche Meinung darüber gibt, ob eine allergische Rhinopathie das Risiko für eine Otitis erhöht. Zudem kommen beim Kläger individuelle Faktoren hinzu, die auch im konkreten Einzelfall eher gegen eine Verursachung durch die allergische Rhinopathie und das allergische Asthma bronchiale sprechen. Zum einen ist aufgrund der Dauermedikation des Klägers mit Kortison und dessen hohem Wirkpotential nicht vom Vorhandensein von allergischen Beschwerden auszugehen. Auch die HNO-Ärztin Dr. C. führt in ihrem Arztbericht vom 21. Juni 2017 aus, dass im Rahmen ihrer Befunderhebung trotz der allergischen Rhinitis die Nase frei und die Rachenhinterwand blande gewesen seien. Zum anderen kommen aber auch Erkältungen als konkurrierende Ursachen in Betracht. Für letztere sprechen im vorliegenden Fall nach überzeugender Darlegung von Dr. K. die eindeutig antiinfektiv intendierten Therapien der behandelnden Ärzte vor Ort.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.

Die Übereinstimmung vorstehender Abschrift mit der Urschrift wird beglaubigt. Hamburg, 05.12.2018,

Höfling, Verwaltungsfachangestellte als Urkundsbeamter/in der Geschäftsstelle
Rechtskraft
Aus
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