L 23 SO 279/18 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 95 SO 1460/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 SO 279/18 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. November 2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) ab dem 29. Oktober 2018.

Der im Jahr 1983 geborene Antragsteller ist polnischer Staatsangehöriger. Ausweislich einer Verdienstbescheinigung hat er sich bereits vom 17. August bis 17. Oktober 2015, vom 26. Oktober bis 23. Dezember 2015 und vom 19. Juni bis 23. Dezember 2016 in der Bundesrepublik Deutschland zur Arbeit aufgehalten.

Ab dem 1. Februar 2018 (Arbeitsvertrag vom 31. Januar 2018) bzw. 12. Februar 2018 (Arbeitsbescheinigung vom 29. Juni 2018 sowie Angabe des Antragstellers) nahm er erneut eine Arbeitstätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland auf. Dieses Arbeitsverhältnis endete zum 28. April 2018. Während die Arbeitslosigkeit nach der Bescheinigung der Agentur für Arbeit Marzahn-Hellersdorf vom 25. Juli 2018 unfreiwillig eintrat, teilte der Arbeitgeber unter dem 3. August 2018 mit, dass der Antragsteller das Arbeitsverhältnis zum 28. April 2018 beendet habe und legte ein entsprechendes Kündigungsschreiben des Antragstellers vor. Unter dem 3. August 2018 wurde durch die Agentur für Arbeit Marzahn-Hellersdorf "Unfreiwillige Arbeitslosigkeit" nicht bestätigt.

Das Jobcenter Marzahn-Hellersdorf lehnte einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II mit Bescheid vom 9. August 2018 ab, gegen den der Antragsteller am 16. August 2018 Widerspruch erhob.

An den Antragsgegner wandte sich der Antragsteller am 24. Oktober 2018 und beantragte dort "Überbrückungshilfe § 23 SGB XII". Der Antragsteller verstand diesen Antrag als Antrag - auch - auf Leistungen zum Lebensunterhalt und trat in die Prüfung ein.

Am 16. Oktober 2018 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Berlin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eingereicht, gerichtet auf die vorläufige Verpflichtung des Jobcenters Marzahn-Hellersdorf zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB II bis mindestens 28. Oktober 2018 sowie auf Verpflichtung des "beizuladenden Land Berlins" auf Gewährung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII.

Das Sozialgericht hat letzteren Antrag am 26. Oktober 2018 als selbständiges Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtet gegen den Antragsgegner eintragen lassen.

Der Antragsteller hat eine eidesstattliche Versicherung eingereicht, nach der er bei seinem Arbeitsgeber einen leeren Zettel unterschrieben habe, in den ohne seine Kenntnis die Kündigung eingetragen worden sei. Auf den Hinweis des Sozialgerichts, dass Überbrückungsleistungen nur in Betracht kommen dürften, wenn ein Ausreisewille bestehe, hat der Antragsteller mitgeteilt, dass es auf einen Ausreisewillen nicht ankomme.

Mit Beschluss vom 26. November 2018 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Die Voraussetzungen des § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) seien nicht gegeben. Ein Anspruch gegen den Antragsgegner auf Leistungen nach dem SGB XII scheitere insbesondere an dem in § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII geregelten Leistungsausschluss, der verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Die Voraussetzungen für das Eingreifen einer Rückausnahme bei einem mindestens fünfjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 23 Abs. 3 Satz 7 SGB XII seien nicht glaubhaft gemacht. Überbrückungsleistungen kämen schon deshalb nicht in Betracht, da der Antragsteller nicht die Absicht habe, die Bundesrepublik zu verlassen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 4. Dezember 2018 eingelegte Beschwerde des Antragstellers. Ihm stehe ein Anspruch auf Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 23 Abs. 1 SGB XII zu. Es bestünden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Leistungsausschlusses nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII. Dieser verstoße gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG. Das Sozialgericht hätte dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz im Wege einer Folgenabwägung stattgeben müssen.

Zumindest stünde ihm ein Anspruch auf Überbrückungsleistungen zu, auf einen Ausreisewillen komme es nicht an. Ein Zwang einen entsprechenden Willen zu bilden, entspräche einem dem GG fremden totalitären Staatsverständnis (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - B 7 AY 7/12 R).

Der Antragsteller beantragt, den Antragsgegner unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts vom 26. November 2018 im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller Leistungen nach dem dritten Kapitel des SGB XII in gesetzlicher Höhe ab Antragstellung beim Sozialgericht bis zu einem in das Ermessen des Gerichts gestellten Zeitpunkt zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er teilt mit, dass der Antrag nach Eingang der erforderlichen Unterlagen am 7. Dezember 2018 abgelehnt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners und des Beigeladenen.

II.

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. November 2018 über die Ablehnung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz ist zulässig, insbesondere ist sie nach § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat es zu Recht abgelehnt, die begehrte einstweilige Anordnung zu erlassen.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftig¬keit der Anordnung begründet, voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen.

Grundsätzlich ist für das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache abzustellen. Allerdings ist der Rechtsschutzgarantie des Artikel 19 Abs. 4 GG insofern Rechnung zu tragen, als in den Fällen, in denen es um existentiell bedeutsame Leistungen für den Antragsteller geht, den Gerichten eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage verwehrt ist. Die Gerichte haben unter diesen Voraussetzungen die Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen. Nur soweit dem Gericht in einem solchen Fall eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich ist, ist die Entscheidung über die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes anhand einer Folgenabwägung zu treffen (vgl. zum Ganzen BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 -, NVwZ 2005, 927; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 6. August 2014 - 1 BvR 1453/12 -, SGb 2015, 175; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 27. Juli 2016 - 1 BvR 1241/16 -, NZS 2016, 863; BVerfG, Beschluss vom 14. September 2016 - 1 BvR 1335/13 -P, NVwZ 2017, 149).

Die von der Antragstellerin begehrte Entscheidung im Wege der Folgenabwägung ist vorliegend ausgeschlossen. Eine solche kommt - anders als in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung vielfach angenommen - nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 14. September 2016, 1 BvR 1335/13, a. a. O.) nur in Betracht, wenn eine Prüfung der Rechtslage unmöglich ist. Soweit das Bundesverfassungsgericht in vorangegangenen Entscheidungen - insbesondere in dem Beschluss vom 12. Mai 2005 (1 BvR 569/05, a. a. O.) - auch in anderen Fällen auf eine Entscheidung im Wege der Folgenabwägung verwiesen hat, hat Schoch (in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 123 Rn. 74b) zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Folgenabwägung ohne Berücksichtigung der Erfolgsaussichten bereits zuvor nicht gesetzeskonform war. Auch die Entscheidung nach § 86b Abs. 2 SGG setzt das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs voraus, der nicht "gesetzeswidrig" (so Schoch, a. a. O.) durch eine Folgenabwägung ersetzt werden kann. Dies hat mit dem Beschluss vom 14. September 2016 (1 BvR 1335/13, a. a. O.) auch das Bundesverfassungsgericht klargestellt.

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg (Beschluss vom 3. Dezember 2018 - L 7 SO 4027/18 ER-B, juris Rn 38) entnimmt der Rspr. des BVerfG insoweit zutreffend, dass die Fachgerichte auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht befugt sind, sich durch die Kreierung eines vom Gesetzgeber nicht geschaffenen Anspruchs aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz zu begeben (so ausdrücklich BVerfG, Beschluss vom 7. November 2005 - 1 BvR 1178/05 - BVerfGK 6, 323, 325 f., juris Rn. 11). Sie sind vielmehr, wenn sie von der Verfassungswidrigkeit einer Norm überzeugt sind, auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zur Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG verpflichtet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 2005 - 1 BvR 1178/05 - BVerfGK 6, 323, 325f., juris Rn. 11). Den Gerichten ist es insbesondere nicht gestattet, den zuständigen Träger allein auf der Grundlage von Verfassungsrecht, hier also des "Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums" (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - BVerfGE 125, 175 [222 ff.]; BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10 u.a. - BVerfGE 132, 134 [159 ff.]) zur Leistungsgewährung zu verpflichten (BVerfG, Beschluss vom 30. Oktober 2010 - 1 BvR 2037/10 - n.v.).

Im vorliegenden Fall musste und durfte sich der Senat deshalb nicht auf eine Folgenabwägung zurückziehen. Nicht aufklärbare Tatsachen sind vorliegend nicht gegeben. Rechtsfragen sind demgegenüber auch im Eilverfahren durch das Gericht zu entscheiden (vgl. dazu Burkiczak, NZS 2017, 75).

Ausgehend von dem so angelegten Prüfungsmaßstab war die begehrte einstweilige Anordnung nicht zu erlassen.

Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass es für den Zeitraum ab dem 29. Oktober 2018 an einem Anordnungsanspruch fehlt. Dem Antragsteller steht der ausdrücklich geltend gemachte Anspruch gegen den Anspruchsgegner auf Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt (§ 23 Abs. 1 SGB XII i. V. m. §§ 27 ff. SGB XII) nicht zu. Einem Anspruch des Antragstellers gegen den Antragsgegner steht jedenfalls entgegen, dass Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII (in der ab dem 29. Dezember 2016 gültigen Fassung) ausgeschlossen sind.

Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII erhalten Ausländer keine Leistungen nach Abs. 1 des § 23 SGB XII oder nach dem Vierten Kapitel, wenn sie kein Aufenthaltsrecht haben oder sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Der Leistungsausschluss bezieht sich ausweislich des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift u. a. auf die hier begehrten Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt (§ 23 Abs. 1 SGB XII i. V. m. §§ 27 ff. SGB XII). Er erfasst nach der durch das AuslPersGrSiuSHRegG zum 29. Dezember 2016 erfolgten Klarstellung auch die in § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII geregelte Sozialhilfe als Ermessensleistung (zur alten Rechtslage vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 44/15 R -, SozR 4-4200 § 7 Nr. 43).

Zutreffend geht das Sozialgericht davon aus, dass die Voraussetzungen des Leistungsausschlusses nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII hier erfüllt sind. Es bedarf keiner Klärung, ob der Antragsteller kein Aufenthaltsrecht hat oder ob sich ein Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Fest steht jedenfalls, dass neben einem möglichen, sich aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebenden Recht zum Aufenthalt (§ 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU) kein anderes Aufenthaltsrecht besteht und dass deshalb der Leistungsausschluss eingreift.

Eine Freizügigkeitsberechtigung (und damit ein Recht zum Aufenthalt) ergibt sich insbesondere nicht aus einem Verlängerungstatbestand nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1a FreizügG/EU. Nach dieser Regelung bleiben die Freizügigkeitsberechtigung und das Recht zum Aufenthalt nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU für Unionsbürger unberührt, die sich zur Arbeitsuche aufhalten, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Die letzte Tätigkeit des Antragstellers endete am 28. April 2018.

Ein Daueraufenthaltsrecht gemäß § 4a FreizügG/EU, das einen fünfjähren Aufenthalt im Bundesgebiet voraussetzt, scheitert daran, dass der Antragsteller lediglich zeitlich befristete Tätigkeiten im Bundesgebiet ausgeübt hat und zumindest für den Zeitraum zwischen dem 24. Dezember 2016 und Februar 2018 ein Aufenthalt weder vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht ist. Hieraus folgt zugleich, dass die in § 23 Abs. 3 Satz 7 SGB XII geregelte Ausnahme von dem Leistungsausschluss des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII nicht eingreift; die Vorschrift verlangt einen Aufenthalt im Bundesgebiet seit mindestens fünf Jahren, der hier gerade nicht gegeben ist.

Nach allem sind Ansprüche auf Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII ausgeschlossen.

Der Senat hat bereits entschieden, dass weder europarechtliche noch verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Ausschlussnorm durchgreifen (Beschluss vom 13. Februar 2017 - L 23 SO 30/17 B ER).

Der Anwendbarkeit der Vorschrift über den Leistungsausschluss stehen keine europarechtlichen Bestimmungen entgegen. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind Regelungen eines Mitgliedstaats, nach denen Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten vom Zugang zu beitragsunabhängigen Sozialleistungen ausgeschlossen werden, wenn ihnen gar kein Aufenthaltsrecht zusteht (Rechtssache "Dano", Urteil vom 11. November 2014 - C-333/13) oder wenn ihr Aufenthaltsrecht sich nur aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt (Rechtssache "Alimanovic", Urteil vom 15. September 2015 - C-67/14), mit Unionsrecht vereinbar. Vor diesem Hintergrund besteht kein Zweifel daran, dass der Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII europarechtskonform ist.

Der Senat hält den Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII auch für verfassungsgemäß, insbesondere verletzt er nicht das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG.

Das Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern. Es steht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 -, BVerfGE 132, 134). Bei der Bestimmung der Höhe der derart gebotenen Leistungen verfügt der Gesetzgeber über einen Gestaltungsspielraum; er hat die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Leistungsbedingungen im Hinblick auf die konkreten Bedarfe der Betroffenen auszurichten (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 -, BVerfGE 132, 134). Er kann bei der Festlegung des menschenwürdigen Existenzminimums die Besonderheiten bestimmter Personengruppen berücksichtigen (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 -, BVerfGE 132, 134).

Der Gesetzgeber hat mit dem Ausschluss von laufenden Leistungen für Ausländer, die kein Aufenthaltsrecht haben oder die ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ableiten, die Nachrangigkeit des deutschen Sozialleistungssystems gegenüber dem des Herkunftslandes normiert. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (so im Ergebnis bereits zur vor dem 29. Dezember 2016 geltenden Rechtslage: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. September 2015 - L 20 AS 2161/15 B ER -, juris; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. Juni 2015 - L 1 AS 2338/15 ER-B, L 1 AS 2358/15 B -, juris; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 5. November 2015 - L 3 AS 479/15 B ER -, juris; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 7. März 2016 - L 12 SO 79/16 B ER -, juris; zur ab dem 29. Dezember 2016 geltenden Rechtslage: SG Dortmund, Beschluss vom 31. Januar 2017 - S 62 SO 628/16 ER -, juris; Ulmer, ZRP 2016, 224; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 3. Dezember 2018 - L 7 SO 4027/18 ER-B - juris; Thüringer Landessozialgericht 4. Senat, Beschluss vom 1. November 2017 - L 4 AS 12125/17 B ER - juris; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 31. Senat, Beschluss vom 23. Oktober 2017 - L 31 AS 2007/17 B ER - juris; a.A. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 25. Senat , Beschluss vom 8. März 2018 - L 25 AS 337/18 B ER - juris; LSG Berlin-Brandenburg 18. Senat, Beschluss vom 7. Juni 2018 - L 18 AS 884/18 B ER - juris). Leistungsansprüche sind für diese Personengruppe nach der seit dem 29. Dezember 2016 geltenden Rechtslage nicht gänzlich ausgeschlossen, sondern lediglich auf solche Hilfen beschränkt, die erforderlich sind, um die Betroffenen in die Lage zu versetzen, existenzsichernde Leistungen ihres Heimatlandes in Anspruch zu nehmen. So räumt § 23 SGB XII nunmehr einen Anspruch auf eingeschränkte Hilfen bis zur Ausreise - Überbrückungsleistungen - ein (Abs. 3 Satz 3) und verpflichtet die Behörde darüber hinaus zur Übernahme der Kosten der Rückreise (Abs. 3a). Durch eine Härtefallregelung (Abs. 3 Satz 6) wird zudem jetzt sichergestellt, dass im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte Leistungen erbracht werden, die nach Art, Umfang und/oder Dauer noch über die "normalen" Überbrückungsleistungen hinausgehen. Der Gesetzgeber bewegt sich mit dieser Regelung innerhalb des Spielraums, welcher ihm bei der Ausgestaltung des Anspruchs auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG eingeräumt ist.

Anders als dem Personenkreis, für den das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) einen Anspruch auf laufende existenzsichernde Leistungen vermittelt, ist es Personen aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union in der Regel ohne weiteres möglich, kurzfristig in ihren Heimatstaat zurück zu reisen, um dort anderweitige Hilfemöglichkeiten zu aktivieren. Daher kann die Gewährleistungsverpflichtung aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG für Anspruchsberechtigte nach dem AsylbLG, die gerade nicht in jedem Fall zeitnah in ihre Heimat zurückkehren können, um dort ihren Lebensunterhalt zu sichern, auch umfangreichere und länger andauernde Leistungen zur Existenzsicherung erfordern. Bei Unionsbürgern kann sich die Gewährleistungsverpflichtung demgegenüber darin erschöpfen, sie bei den Bemühungen der Selbsthilfe durch eingeschränkte Leistungen (z. B. Überbrückungsleistungen, Übernahme der Kosten der Rückreise) zu unterstützen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. September 2015 - L 20 AS 2161/15 B ER –, juris; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. Juni 2015 - L 1 AS 2338/15 ER-B, L 1 AS 2358/15 B -, juris; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 5. November 2015 - L 3 AS 479/15 B ER -, juris; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 7. März 2016 - L 12 SO 79/16 B ER -, juris; SG Dortmund, Beschluss vom 31. Januar 2017 - S 62 SO 628/16 ER -, juris; Ulmer, ZRP 2016, 224).

Leistungsausschlüsse werden im Übrigen auch für andere Personengruppen geregelt, ohne dass dies zur Verfassungswidrigkeit der entsprechenden Regelungen führen würde. So hat das Bundesverfassungsgericht den in § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II (in der bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung) geregelten Ausschluss von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Auszubildende auch unter dem Gesichtspunkt des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG ausdrücklich gebilligt (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 8. Oktober 2014 - 1 BvR 886/11 -, juris).

Das Sozialgericht hat auch zutreffend entschieden, dass dem Antragsteller, der trotz mehrmaliger Aufforderung nicht klargestellt hat, dass er die Absicht hat ausreisen zu wollen, kein Anspruch gegen den Antragsgegner auf Überbrückungsleistungen (§ 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII) zusteht. Nach dieser Vorschrift werden hilfebedürftigen Ausländern, die dem Leistungsausschluss nach Abs. 3 Satz 1 des § 23 SGB XII unterfallen, bis zur Ausreise, längstens jedoch für einen Zeitraum von einem Monat, einmalig innerhalb von zwei Jahren eingeschränkte Hilfen gewährt, um den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken.

Der Senat hat bereits entschieden, dass dieser Anspruch im Verhältnis zu dem Anspruch auf laufende Leistungen nach dem SGB XII einen eigenständigen Streitgegenstand darstellt (Beschluss vom 13. Februar 2017 - L 23 SO 30/17 B ER unter Bezugnahme auf SG Dortmund, Beschluss vom 31. Januar 2017 - S 62 SO 628/16 ER -, juris, Rn. 42), der zumindest einen Rückkehrwillen voraussetzt (ebenso Bayerisches Landessozialgericht 8. Senat, Beschluss vom 24. April 2017 - L 8 SO 77/17 B ER - juris; a.A. Hessisches Landessozialgericht 4. Senat, Beschluss vom 13. Juni 2017 - L 4 SO 79/17 B ER, juris Rn. 10). Ob ein konkreter Ausreisetermin erforderlich ist, bedarf hier im Hinblick auf den mangelnden Rückkehrwillen keiner Entscheidung. Auch besteht kein Anspruch auf eine Leistungsgewährung aufgrund der Härtefallregelung des § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII. Nach dieser Vorschrift werden, soweit dies im Einzelfall besondere Umstände erfordern, Leistungsberechtigten nach Satz 3 des § 23 Abs. 3 SGB XII zur Überwindung einer besonderen Härte andere Leistungen im Sinne von Absatz 1 des § 23 SGB XII gewährt (§ 23 Abs. 3 Satz 6 Halbsatz 1 SGB XII); ebenso sind Leistungen über einen Zeitraum von einem Monat hinaus zu erbringen, soweit dies im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte und zur Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage geboten ist (§ 23 Abs. 3 Satz 6 Halbsatz 2 SGB XII). Die Härtefallregelung knüpft nach Wortlaut und Systematik an die Gewährung von Überbrückungsleistungen an und erlaubt im Einzelfall ihre Modifizierung im Hinblick auf Art, Umfang und Dauer der Leistungsgewährung (so zutreffend SG Dortmund, Beschluss vom 31. Januar 2017 - S 62 SO 628/16 ER -, juris, Rn. 44; vgl. auch die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 13. Oktober 2016, Drucks. 587/16, S. 11). Sie stellt sicher, dass innerhalb der Leistungsfrist von einem Monat - des Zeitraums der Gewährung von Überbrückungsleistungen - auch über das gewährte Niveau der vorgesehenen Überbrückungsleistungen hinausgehende Bedarfe wie zum Beispiel für Kleidung gedeckt werden können, soweit dies im Einzelfall zur Überwindung einer besonderen Härte erforderlich ist (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, a. a. O., S. 11). Ebenso können bei Vorliegen besonderer Umstände Bedarfe, die entstehen, soweit im Einzelfall eine Ausreise binnen eines Monats nicht möglich oder zumutbar ist (z. B. krankheitsbedingte Reiseunfähigkeit), gedeckt werden (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, a. a. O., S. 11). Es handelt sich bei der Härtefallregelung mithin um eine Bestimmung, die lediglich bei Vorliegen besonderer Umstände eingreift, um im Einzelfall für einen begrenzten Zeitraum unzumutbare Härten zu vermeiden, nicht um eine Regelung, mit der ein dauerhafter Leistungsbezug ermöglich wird (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, a. a. O., S. 11). Wie bereits dargelegt, beabsichtigt der Antragsteller im vorliegenden Fall nicht die Ausreise. Dementsprechend besteht auch kein Anspruch auf die Gewährung von - die Überbrückungsleistungen modifizierenden bzw. verlängernden - Leistungen nach der Härtefallregelung.

Der Senat folgt insoweit nicht der Auffassung des 15. Senats des Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 20. Juni 2017 - L 15 SO 104/17 B ER, L 15 SO 105/17 B ER PKH, juris). Wie bereits ausgeführt knüpft die Vorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII unmittelbar an die Regelung über die Überbrückungsleistungen (§ 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII) an und soll ausdrücklich eine Regelung darstellen, "die lediglich bei Vorliegen besonderer Umstände eingreift, um im Einzelfall für einen begrenzten Zeitraum unzumutbare Härten zu vermeiden, nicht um eine Regelung, mit der ein dauerhafter Leistungsbezug ermöglicht wird" (BT-Dr. 18/10211, 16f.). Wenn der 15. Senat Zweifel daran hat, dass sich nicht feststellen lasse, dass der Gesetzgeber damit die Folge hinnehmen wollte, Unionsbürger gerade dann leistungslos zu lassen, wenn die Verweisung auf Überbrückungsleistungen sich auch für einen längeren Zeitraum als unzumutbare Härte darstelle, mithin die den Leistungsausschluss begründende "Rückkehroption" sich gerade nicht ohne Weiteres verwirklichen lasse, so bestehen solche Zweifel jedenfalls dann nicht, wenn es an einem Rückkehrwillen gänzlich fehlt.

Schließlich war ein Anspruch auf Übernahme der Kosten der Rückreise (§ 23 Abs. 3a SGB XII) nicht zu prüfen. Ein dahingehendes Begehren des Antragstellers besteht ohne Ausreiseabsicht ersichtlich nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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