S 35 AS 1517/12

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
35
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 35 AS 1517/12
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 553/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) für den Zeitraum ab 01.01.2012, die durch den Beklagten versagt worden sind.

Die 1967 geborene Klägerin bezog im Jahr 2010 als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft – bestehende aus ihr selbst, ihrem Ehemann und ihrem Sohn – Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Als Einkommen berücksichtigte der Beklagte das Arbeitslosengeld des Ehemannes und das Kindergeld für den Sohn der Klägerin. Am 23.07.2010 ging eine anonyme Anzeige bei der Bundesagentur für Arbeit ein, die am 28.07.2010 an den Beklagten weitergeleitet wurde. Hierin wurde mitgeteilt, dass die Klägerin über das Auktionshaus Ebay Verkäufe tätige, die weit über Privatauktionen hinausgehen würden. Es liege ein gewerbsmäßiger Handel bei ca. 2000 Vorgängen vor.

Der Beklagte nahm die Mitteilung zum Anlass das Hauptzollamt M. einzuschalten. Ab dem 01.10.2010 war der Ehemann der Klägerin als Kundendienstmonteur abhängig beschäftigt. Sein Einkommen wurde in die Leistungsberechnung ab 01.11.2010 eingestellt. Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 17.11.2010 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 28.12.2010 vorläufige Grundsicherungsleistungen für die Bedarfsgemeinschaft für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis 30.06.2011.

Am 25.03.2011 teilte das Hauptzollamt den Stand der bisherigen Ermittlungen mit. Über Ebay seien erstmals am 12.11.2001 Waren gekauft und am 31.03.2001 Waren verkauft worden. Die hinterlegte e-mail-Adresse laute ...de. Aus den Auswertungen ergab sich ein umfangreicher Internethandel. Das Hauptzollamt forderte den Beklagten auf einen etwaigen Vermögensschaden zu beziffern und weitere Informationen zum Leistungsbezug zu übermitteln.

Mit Schreiben vom 08.04.2011 forderte der Beklagte die Klägerin zur Mitwirkung auf. Es sei bekannt geworden, dass sie Ein- und Verkäufe bei Ebay getätigt habe. Es würden daher die Gewerbesteueranmeldung, die Einkommenssteuerbescheide der Jahre 2005 bis 2010, die Anlage "Abschließende Angaben zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit" für die Bewilligungszeiträume vom 01.01.2005 bis 30.06.2005, vom 01.08.2005 bis 30.09.2008, vom 22.01.2009 bis 31.12.2010, sowie die Anlage "EKS" für den Zeitraum 01.01.2011 bis 30.06.2011 benötigt. Diesen Unterlagen seien bis zum 25.04.2011 einzureichen.

Am 18.04.2011 sprach die Klägerin bei dem Beklagten vor. Sie teilte mit, dass sie keine selbständige Tätigkeit ausübe. Über Ebay würde sie zwar Ein- und Verkäufe tätigen, zudem aber auch für ihre Eltern und Schwiegereltern. Eine Gewerbesteueranmeldung könne sie nicht vorlegen, da sie kein Gewerbe angemeldet habe. Der Steuerbescheid für 2008 werde nachgereicht. Die Klägerin weigerte sich die Anlage EKS auszufüllen, da sie keine selbständige Tätigkeit ausübe. Sie wurde von dem Beklagten aufgefordert, eine Übersicht über die Auktionen bei Ebay zu erstellen und nachzureichen.

Am 03.05.2011 teilte das Hauptzollamt mit, dass die weiteren Ermittlungen ergeben hätten, dass die Klägerin weitere Ebay-Konten für Auktionen nutze.

Am 20.06.2011 beantragte die Klägerin für sich und die mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen die Weitergewährung der Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.07.2011. Sie gab dabei das Einkommen des Ehemannes aus seiner abhängigen Beschäftigung an. Mit Bescheid vom 22.06.2011 bewilligte der Beklagte Grundsicherungsleistungen an die Bedarfsgemeinschaft für den Zeitraum vom 01.07.2011 bis 31.12.2011. Mit Schreiben vom 30.06.2011 teilte der Beklagte mit, dass die mit dem Schreiben vom 08.04.2011 angeforderten Unterlagen nicht eingereicht worden seien. Die Leistungen würden daher zum 01.08.2011 vorläufig nach § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V.m. § 331 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) eingestellt. Zudem werde die Klägerin zu einer Aufhebung des Bewilligungsbescheides angehört.

Die Klägerin reichte in der Folge am 14.07.2011 Unterlagen zu den Kosten der Unterkunft und Heizung und zu den Vermögensverhältnissen ein. Als Einkommensnachweise waren jedoch nur der Leistungsbezug des Arbeitslosengeldes im Jahr 2010 und der Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für 2010 – jeweils des Ehemanns der Klägerin – beigefügt worden.

Mit Bescheid vom 14.10.2011 entzog der Beklagte die Leistungen an die Bedarfsgemeinschaft ab 01.08.2011 vollständig. Dieser Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.02.2012 ist Gegenstand des Parallelverfahrens unter dem Aktenzeichen S 35 AS 718/12.

Am 02.01.2012 beantragte die Klägerin für sich und die mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen die Weitergewährung der Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.01.2012. Mit Schreiben vom 09.01.2012 forderte der Beklagte die Klägerin zur Mitwirkung auf. Es würden noch weitere Unterlagen benötigt. Dies betreffe die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2005 bis 2010, die Gewerbesteueranmeldung sowie die Anlagen "Abschließende Angaben zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit", die bereits im Schreiben vom 08.04.2011 angefordert worden seien. Die Unterlagen seien bis zum 28.01.2012 einzureichen, anderenfalls könnten Leistungen bis zur Nachholung der Mitwirkung versagt werden. Am 27.01.2012 reichte die Klägerin die Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2005 bis 2010 ein. Sie verwies darauf, dass es keine Gewerbesteueranmeldung gebe. Die Erlöse aus den Ebay-Verkäufen seien privat und vom Rechtsanwalt mitgeteilt worden.

Mit Bescheid vom 31.01.2012 versagte der Beklagte die Leistungen ab dem 01.11.2011 (gemeint wohl 01.01.2012) vollständig. Die Klägerin habe die Unterlagen, die mit Schreiben vom 11.01.2012 angefordert worden seien, nicht eingereicht. Sie sei daher ihren Mitwirkungsverpflichtungen nicht nachgekommen. Die Anspruchsvoraussetzungen nach dem SGB II könnten nicht geprüft werden. Es seien keine Ermessensgesichtspunkte erkennbar, hier im Einzelfall von einer Versagung wegen fehlender Mitwirkung nach § 66 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) abzusehen.

Das Hauptzollamt unterrichtete den Beklagten am 13.04.2012 über weitere Ermittlungsergebnisse. Dabei wurde u.a. bekannt, dass der Ehemann der Klägerin seit dem 09.10.1990 über eine Reisegewerbekarte für den Verkauf von Zinnfiguren verfügt und im Händlerverzeichnis für das ...fest 2010 geführt worden war.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.2012 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Versagungsbescheid vom 31.01.2012 zurück. Aufgrund der Ermittlungsergebnisse des Hauptzollamtes sei davon auszugehen, dass Einkommen aus selbständiger Tätigkeit vorliege. Zudem sei ermittelt worden, dass die Klägerin und ihr Ehemann auch über andere Internetseiten Waren angeboten hätten und es sich dabei teilweise um Neuwaren und um ein wiederkehrendes Sortiment gehandelt habe (Zinnfiguren und Zubehör). Trotz der Aufforderungen vom 08.04.2011 und den nachfolgenden Schreiben habe die Klägerin nicht ausreichend mitgewirkt und nur unzureichende Angaben über ihre Käufe und Verkäufe über Ebay gemacht. Es seien nur die Einkommenssteuerbescheide eingereicht worden.

Mit der Klage vom 15.06.2012 wandte sich die Klägerin gegen die Leistungsversagung. Die Verkäufe bei Ebay seien rein privat gewesen. Es liege keine selbständige Tätigkeit vor, über die die Klägerin habe Auskunft geben können. Es könne auf die Ausführungen und das Ergebnis im parallel geführten Verfahren gegen die Bundesagentur für Arbeit verwiesen werden.

Die Klägerin beantragt:

den Bescheid des Beklagten vom 31.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2012 aufzuheben und ihr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab dem 01.01.2012 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er geht weiterhin davon aus, dass die Klägerin bis zur gesetzten Frist nicht alle angeforderten Unterlagen vorgelegt hat und insoweit Mitwirkungspflichten verletzt habe. Auf die bloße subjektive Annahme der Klägerin, sie übe keine selbständige Tätigkeit aus, könne es nicht ankommen. Vielmehr sei genau dies durch den Beklagten zu prüfen, was aber durch die verweigerten Angaben verhindert worden sei. Zudem spreche die durch die Klägerin vorgelegte Auflistung aus dem Verfahren gegen die Bundesagentur für Arbeit für das Vorliegen von Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit. Es sei ersichtlich, dass häufig Zinnfiguren und Zubehör verkauft worden seien. Dies entspreche der Reisegewerbekarte des Ehemanns der Klägerin.

Im Verfahren hat die Klägerin weitere Unterlagen zu den Ebay-Auktionen und PayPal-Konten sowie den Kosten der Unterkunft und Heizung nachgereicht, um eine nachträgliche Entscheidung des Beklagten nach § 67 SGB I zu ermöglichen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten sowie der beigezogenen Akte des Verfahrens S 11 AL 20/12 einschließlich der Verwaltungsakte der Bundesagentur für Arbeit ergänzend verwiesen. Diese haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung der Kammer.

Entscheidungsgründe:

1. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Festzuhalten ist zunächst, dass die Klage vorliegend allein von der Klägerin geführt wird. Dies ergibt sich eindeutig aus der Klageschrift und dem Antrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung. Soweit die weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ebenfalls von der Versagung betroffen sind, ist die Entscheidung des Beklagten bestandskräftig.

Es kann dahinstehen, ob die Klägerin ihr Begehren neben der Anfechtungsklage gegen den Versagungsbescheid vom 31.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2012 auch mit der Leistungsklage geltend machen kann. Die unmittelbare Klage auf Leistung bei Aufhebung des Versagungsbescheides wird vom Bundessozialgericht nur zugelassen, wenn die anderweitige Klärung der Leistungsvoraussetzungen behauptet oder zwischen den Beteiligten unstreitig ist (vgl. ausführlich zur Rechtsprechung: Seewald in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 66 SGB I, Rn. 40 ff.). Der Versagungsbescheid vom 31.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2012 ist jedoch rechtmäßig, so dass bereits aus diesem Grund kein Leistungsanspruch zuzusprechen war. Eine mögliche Entscheidung des Beklagten nach § 67 SGB I ist nicht Gegenstand des Verfahrens und ggf. außerhalb des Verfahrens zu treffen.

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Versagungsbescheides vom 31.01.2012 ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2012 maßgebend (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 54, Rn. 38b). Voraussetzung für die Versagung von Leistungen ist gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I, dass derjenige, der eine Sozialleistung – wie hier – beantragt, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert. Gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB I hat derjenige, der Sozialleistungen beantragt oder erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen (Nr. 1), Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen (Nr. 2) und Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen (Nr. 3.). Bei der Entscheidung, ob die beantragte Leistung nach § 66 SGB I mangels Mitwirkung versagt wird, ist dem Leistungsträger Ermessen eingeräumt. Zudem dürfen nach § 66 Abs. 3 SGB I Sozialleistungen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.

a) Der Beklagte hatte vorliegend erhebliche Anhaltspunkte durch die anonyme Anzeige und die Ermittlungen des Hauptzollamtes, dass die Klägerin allein oder mit ihrem Ehemann einer selbständigen Tätigkeit nachgeht. Es lagen Erkenntnisse vor, dass die Klägerin über Ebay seit 2001 Käufe von ca. 30.000 EUR und Verkäufe von ca. 45.000 EUR) getätigt hatte. Bereits für das Konto ... ergaben sich etwa 2000 Auktionen. Die Klägerin hatte die E-Mail-Adresse ...de angegeben, während ihr Ehemann solche Figuren ausweislich seines Internetauftritts http://www ... herstellt und offenbar auch vertreibt ( ...fest 2010). Dem Beklagten war bisher nicht bekannt gewesen, dass hier Einnahmen aus einer selbständigen Tätigkeit vorliegen könnten. Sie war daher gehalten, den Sachverhalt weiter aufzuklären und sich an die Klägerin (als Vertreterin der Bedarfsgemeinschaft) zu wenden.

Insoweit war die Klägerin auch zur Mitwirkung verpflichtet, denn die Angaben zu den Einnahmen und Ausgaben über Ebay konnten Einfluss auf die Leistungsberechnung haben. Bei Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit wäre das Einkommen nach §§ 11 ff. SGB II auf den Leistungsanspruch der Klägerin und der anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nach § 9 Abs. 1 und 2 SGB II anzurechnen gewesen.

Die angeforderten Angaben zur Gewerbesteueranmeldung, den Steuerbescheiden und den Einnahmen / Ausgaben aus den Ebay-Auktionen (Aufforderungsschreiben vom 09.01.2012) waren erforderlich für eine weitergehende Prüfung. Es sollte nach den Einlassungen des Beklagten gerade geprüft werden, ob und welchen Umfang hier Einkommen aus einer selbständigen Tätigkeit vorliegt. Dabei ist es unschädlich, dass Angaben über die Einnahmen und Ausgaben vor dem laufenden Bewilligungszeitraum ab 01.01.2012 angefordert worden sind. Die Mitwirkungspflicht erstreckt sich im vorliegenden Fall auch und gerade auf in der Vergangenheit liegende Verhältnisse. Der Beklagte stellt nachvollziehbar darauf ab, dass eine Beurteilung der Plausibilität der Angaben der Klägerin auch erfordert, die Verhältnisse in den vor Antragstellung abgeschlossenen Zeiträumen zu kennen. Dies gilt umso mehr, weil vorliegend völlig unbekannt war, dass der Ehemann ein Reisegewerbe angemeldet hatte. Zudem waren die Angaben erforderlich, damit ggf. eine Prognose für eine vorläufige Bewilligung unter Anrechnung etwaigen Einkommens aus selbständiger Tätigkeit hätte getroffen werden können.

Gründe dafür, dass der Klägerin die verlangten Mitwirkungshandlungen nicht zumutbar sein könnten, sind nicht erkennbar. Insbesondere ist ein Verstoß gegen § 65 SGB I nicht ersichtlich. Die begehrte Mitwirkungshandlung steht in einem i.S.v. § 65 Abs. 1 Nr. 1 SGB I angemessenen Verhältnis zur beantragten Leistung, da der Zweck der Mitwirkungsaufforderung (Einkommensermittlung) in einem ausgewogenem Verhältnis zum Mittel (Angabe der Einnahmen und Ausgaben und Auktionen über Ebay) steht und damit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Klägerin das hierzu entwickelte Formular nutzen sollte.

Ebenfalls war es dem Beklagten nicht möglich, sich die erforderlichen Kenntnisse i.S.v. § 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I durch einen geringeren Aufwand zu beschaffen, als ihn die Klägerin zu betreiben hätte. Dem Beklagten lagen nur die Ergebnisse der Ermittlungen des Hauptzollamtes vor. Dies betraf die Angaben von Ebay über das Konto und die dortigen Aktivitäten. Damit allein kann aber – wie die Klägerin selbst ausgeführt hat – noch kein Rückschluss auf eine selbständige Tätigkeit gezogen werden. Gerade die Angaben der Klägerin, es seien nur Privatauktionen (auch für andere) durchgeführt worden, waren weiter aufzuklären. Dies konnte aber nur durch die Klägerin selbst erfolgen. Die Einholung einer Auskunft bei Dritten war insoweit nicht angezeigt oder zielführend, so dass die unterlassene vollständige Mitwirkung der Klägerin die Sachaufklärung erheblich erschwert hat.

Die Klägerin hat mit der Einreichung der Steuerbescheide und der Mitteilung, es liege keine Gewerbesteueranmeldung und keine selbständige Tätigkeit vor, ihre Mitwirkungspflicht nicht erfüllt. Es genügt keinesfalls die Selbsteinschätzung der Klägerin, dass sie ihre Aktivitäten auf Ebay nicht als selbständige bzw. gewerbliche Tätigkeit sieht. Vielmehr wäre die Klägerin verpflichtet gewesen, durch vollständige Angaben der Einnahmen und Ausgaben dem Beklagten eine detaillierte Prüfung zu ermöglichen. So ging dieser nach den Vorermittlungen des Hauptzollamtes davon aus, dass die Indizien für eine Selbständigkeit sprächen. Wie jedoch die Abrede im Rahmen der persönlichen Vorsprache der Klägerin am 18.04.2011 zeigt, war eine abschließende Prüfung noch nicht erfolgt und von der weiteren Mitwirkung der Klägerin abhängig. Diese sollte eine Zusammenstellung der Auktionen einreichen. Weder dieser Aufforderung noch der Aufforderung sich der Formulare zur Angabe der Einnahmen und Ausgaben zu bedienen, ist die Klägerin bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides nachgekommen.

Die nunmehr im gerichtlichen Verfahren erfolgte Nachreichung einiger – wenn auch unvollständiger – Unterlagen ist nicht für die Frage der Rechtmäßigkeit der Versagungsentscheidung relevant. Sie ist aber im Rahmen einer Entscheidung des Beklagten nach § 67 SGB I zu berücksichtigten.

b) Der Beklagte hat die Klägerin auch auf die möglichen Folgen einer unterlassenen Mitwirkung im Aufforderungsschreiben vom 09.01.2012 hingewiesen und eine angemessene Frist bis zum 28.01.2012 zur Einreichung der Unterlagen gesetzt.

Der in § 66 Abs. 3 SGB I vorgesehene vorherige Hinweis ist eine zwingende Voraussetzung der Versagung/Entziehung. Er soll sicherstellen, dass der Betroffene in Kenntnis der ihm drohenden Folgen seine Haltung überdenkt und durch die spätere Entscheidung nach § 66 SGB I nicht überrascht wird. Der Hinweis muss anhand der dem Leistungsträger durch § 66 Abs. 1 und 2 SGB I eingeräumten Entscheidungsmöglichkeiten unmissverständlich und konkret die Entscheidung bezeichnen, die im Einzelfall beabsichtigt ist, wenn der Betroffene dem Mitwirkungsverlangen innerhalb der gesetzten Frist nicht nachkommt.

Diese Vorgaben hat der Beklagte erfüllt, indem er eine vollständige Leistungsversagung in Aussicht gestellt hat, da es auf die genauen Einkommensverhältnisse in der Bedarfsgemeinschaft ankam.

c) Die Rechtsfolge einer fehlenden Mitwirkung steht gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I im Ermessen der Behörde. Der Beklagte kann die beantragte Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen. Das Gericht darf gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Ermessensentscheidungen nur auf Ermessensfehler hin überprüfen.

Die vollständige Versagung der Leistungen nach § 66 Abs. 1 SGB I ist nicht ermessenfehlerhaft. Weder hinsichtlich der Frage des "ob", also der Entscheidung über eine Versagung an sich, noch hinsichtlich der Frage des "wie", nämlich in Bezug auf eine völlige oder nur teilweise Versagung, lagen Gründe vor, die in der Abwägungsentscheidung hätten anders gewichtet werden müssten. Der Beklagte hat das ihm obliegende Ermessen bei Erlass der Entscheidung ausgeübt. Es ist nicht zu beanstanden, wenn er mangels weiterer Angaben der Klägerin drauf abstellt, dass eine Versagung hier angezeigt war, um nicht zu Unrecht Leistungen auszureichen.

Der nicht unerhebliche Eingriff durch die Versagung in ein subjektiv-öffentliches Recht wird zudem durch den Umstand relativiert, dass nach Nachholung der Mitwirkungshandlung gemäß § 67 SGB I nachträglich die – tatsächlich zustehenden – Leistungen erbracht werden können.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 i.V.m. § 193 Abs. 1 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.

3. Die Berufung ist vorliegend nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig. Die Leistungsversagung betrifft für die Klägerin den Zeitraum ab 01.01.2012, so dass ausgehend vom Vortrag der Klägerin der Beschwerdewert von 750,00 EUR überschritten wird.
Rechtskraft
Aus
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