S 7 AS 2010/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Reutlingen (BWB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AS 2010/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§ 79 Abs. 2 VwGO ist im Sozialgerichtsprozess entsprechend anzuwenden. Das Jobcenter verletzt wesentliche Verfahrensrechte, wenn es zu Unrecht einen Widerspruch als unzulässig verwirft. Ein entsprechender Widerspruchsbescheid ist isoliert anfechtbar.
Die einem Rechtsanwalt ausgestellte Vollmacht ist nicht formgebunden und kann auch elektronisch erfolgen. Mit der Übersendung der (ausgedruckten) elektronischen Vollmacht per Fax erfolgt ein schriftlicher Nachweis im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X.
Der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 17.07.2018 wird aufgehoben. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob der Beklagte den Widerspruch der Kläger als unzulässig zurückweisen durfte.

Die. geb. Klägerin und der ... geb. Kläger leben in Bedarfsgemeinschaft zusammen. Sie erhalten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten. Mit Bescheid vom 14.05.2018 setzte der Beklagte die Leistungen für den Zeitraum vom 01.07.2018 bis 30.06.2019 fest.

Die Kläger waren mit der Höhe der Bedarfsberechnung für Unterkunft und Heizung nicht einverstanden. Sie recherchierten im Internet und leiteten den Bescheid als Anlage zu einer E-Mail an die prozessbevollmächtigte Rechtsanwalts GmbH weiter. Sie erhielten einen elektronischen Link, der zu einer Vollmachtsvorlage führte. Die Klägerin unterzeichnete daraufhin am 18.05.2018 auf dem Tablet des Klägers mit dem Finger die Vollmacht und sandte sie an die Bevollmächtigten auf elektronischem Wege zurück. Die Prozessbevollmächtigten waren daraufhin in der Lage, die nun komplettierte Vollmacht aus dem Mandantenordner herunterzuladen und auszudrucken. Die Vollmacht ermächtigt nach ihrem Wortlaut im Wesentlichen zur Vertretung im Widerspruchsverfahren und Überprüfungsverfahren gegen das Jobcenter und/oder Sozialbehörde im Zusammenhang mit ALG-II, Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung und zur Durchführung sämtlicher Gerichtsverfahren, einschließlich einer Untätigkeitsklage, Klage gegen Widerspruchsbescheid, Erinnerungsverfahren und einstweiligen Rechtsschutz.

Mit Fax vom 29.05.2018 erhoben die Prozessbevollmächtigten der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.05.2018 und fügten dabei die auf elektronischem Wege erhaltene Vollmacht der Klägerin vom 18.05.2018 bei. Mit dem Widerspruch werden inhaltlich höhere Bedarfe für Unterkunft und Heizung geltend gemacht.

Mit Schreiben vom 30.05.2018 wies der Beklagte die Prozessbevollmächtigten darauf hin, dass die Unterschrift auf der Vollmacht sich von den Unterschriften der Klägerin auf sonstigen Anträgen deutlich unterscheide. Es werde gebeten, eine entsprechende Erklärung der Klägerin vorzulegen. Nachdem auf eine Erinnerung vom 25.06.2018 eine Reaktion nicht erfolgt war, verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.07.2018 den Widerspruch als unzulässig. Weder sei die Vollmacht in erforderlicher Weise nachgereicht noch widerspruchsbegründende Unterlagen, die auf eine solche schließen lassen könnten. Bei der dem Widerspruchsfax beigefügten Vollmacht handele es sich außerdem um eine Generalvollmacht ohne jeglichen Bezug zu einem Verwaltungsverfahren. Die hinreichende Identifikation des Kunden, des konkreten Verwaltungsverfahrens und diesbezüglichen Beauftragung in und mit der Vollmacht sei damit nicht erfolgt.

Die Kläger haben am 15.08.2018 zum Sozialgericht Reutlingen Klage erhoben mit dem Ziel der isolierten Aufhebung des Widerspruchsbescheides. Es liege eine ordnungsgemäße Widerspruchseinlegung vor. Es sei nicht erforderlich gewesen, eine weitere Vollmacht vorzulegen. Ob die Behörde nach § 13 Abs. 1 Satz 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) den schriftlichen Nachweis einer Vollmacht verlange, stehe in ihrem Ermessen. Sie solle nach der Intention des Gesetzgebers einen schriftlichen Nachweis nur dann verlangen, wenn sie Zweifel an der Vertretungsbefugnis habe. Dieses Ermessen habe der Beklagte nicht rechtmäßig ausgeübt, denn es lägen keine Anhaltspunkte vor, die Zweifel an der Vertretungsbefugnis begründen könnten. Vorliegend handele es sich bei den Bevollmächtigten um eine Rechtsanwaltsgesellschaft. Bei Rechtsanwälten als Organen der Rechtspflege sei im Regelfall eine ordnungsgemäße Vertretungsmacht anzunehmen. Hinzu komme, dass die Bevollmächtigten mit Erhebung des Widerspruchs eine schriftliche Vollmacht vorgelegt hätten. Die Kläger hätten die Bevollmächtigten mit der Prüfung und Einleitung weiterer Schritte gegen den an sie gerichteten Bewilligungsbescheid beauftragt. Sofern der Beklagte die Ansicht vertrete, eine Vollmacht sei immer auf ein individuelles und aktuelles Verwaltungsverfahren beschränkt, sei diese Auffassung in dieser Allgemeinheit nicht feststellbar. Insbesondere sei ein derartiger Rechtssatz nicht dem § 13 Abs. 1 SGB X zu entnehmen.

Der per Fax übersandten Klageschrift haben die Bevollmächtigten der Kläger eine von der Klägerin zu 1 mit Datum vom 29.05.2018 unterzeichnete Vollmacht beigefügt.

Die Kläger beantragen,

den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 17.07.2018 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wie bereits der Widerspruch sei auch die Klage als unzulässig zu verwerfen. Die auf der Vollmacht vom 18.05.2018 ersichtliche Unterschrift sei offensichtlich digital eingefügt worden. Es handele sich somit auch nicht um eine qualifizierte elektronische Signatur. Die Unterschrift stimme auch nicht mit den bekannten Unterschriften der Klägerin auf Anträgen überein. Im Klageverfahren sei zwar eine neue Vollmacht mit Datum vom 29.05.2018 vorgelegt worden. Diese sei jedoch ebenfalls als Generalvollmacht zu werten, da der generalisierte Inhalt nicht ausreiche und kein Bezug zu einem konkreten Verfahren hergestellt werde. Lediglich die Unterschrift stimme nun mit den bekannten Unterschriften der Klägerin überein. Zweifel an den vorliegenden Vollmachten bestünden, da weder das konkrete Verfahren bezeichnet werde, noch zweifelsfrei erkenntlich sei, dass das vorliegende Verfahren von der Vollmacht umfasst sei. Schriftliche Erklärungsformen betreffend die Vollmachten müssten – unabhängig der hinreichenden Bestimmtheit – jeweils gemein haben, dass der Vollmachtgeber jeweils konkret identifiziert und zugeordnet werden könne. Solche Erklärungsformen, die dem schriftlichen Erfordernis genügten, wären zum Beispiel die handschriftliche, höchstpersönliche Unterzeichnung einer hinreichenden Vollmacht, die Protokollierung der Vollmacht bei Gericht oder zur Niederschrift des Gerichts, eine persönlich unterzeichnete Vollmacht per Fax oder eine persönlich unterzeichnete Vollmacht im direkten Gespräch. Diese Erklärungsformen seien im vorliegenden Fall nicht gewählt worden. Vielmehr seien im Widerspruchs- und im Klageverfahren Vollmachten vorgelegt worden, die nur in elektronischer Form und Übermittlung generiert worden seien. Es hätten keine persönlichen Kundenkontakte zwischen Klägern und den Prozessbevollmächtigten stattgefunden. Die Unterzeichnung müsse zweifelsfrei sein. Dies sei bei Vergleich der Unterschriften nicht gegeben. Vorliegend sei eine Authentizität in Bezug auf die Klägerin nicht gegeben. Bezüglich der Klageerhebung bestünden zudem die Zweifel der hinreichenden Bevollmächtigung und in der vorliegenden generalisierenden Form im Hinblick auf die Frage, wozu bevollmächtigt sein solle, wo man am 29.05.2018 keinen Widerspruchsbescheid vom 17.07.2018 habe kennen können. Dann habe aus diesem Blickwinkel heraus auch kein Wille zur Klageerhebung am 29.05.2018 vorhanden sein können, wo ein Widerspruchsbescheid vom 17.07.2018 noch gar nicht existiert habe. Vorliegend sei dann lediglich die elektronische Form der Übermittlung einer irgendwie erstellten bzw. unterzeichneten Vollmacht gewählt. Deshalb könne dahingestellt bleiben, welche anderen Formen der Vollmacht sonst noch möglich gewesen wären. Die Vollmachterteilung halte den Anforderungen an eine qualifizierte, elektronische Signierung im rechtliche Sinne nicht stand. Die Anforderungen dazu, wie sie der Gesetzgeber bzw. die Europäischen Bestimmungen vorgegeben hätten, würden vorliegend nicht erfüllt, weder hinsichtlich der hinreichenden Identifikation noch hinsichtlich der Authentizität und der hinreichenden Bestimmtheit und Zuordenbarkeit alleinig auf die ausstellende Person bezogen. Die Erzeugung der Unterschrift auf diesem Wege sei ungeeignet und nicht hinreichend rechtssicher. Das jeweilige Gekritzel in unterschiedlicher Form komme noch hinzu. Die Übermittlung elektronischer Dokumente per qualifizierter elektronischer Signatur sei in § 65a geregelt. Wenn aber die Klägerin keine handschriftliche Unterzeichnung in den geschilderten Formen leiste, könne eine per Fax versandte Vollmacht an das Sozialgericht nicht ausreichen, wenn die schriftliche Vollmachtserteilung selbst nur auf jenem ungenügenden elektronischen Wege erfolgt sei. Eine Übermittlung elektronischer Dokumente bzw. ein Widerspruch oder eine Klage in elektronischer Form bedürfe nach § 84 Abs. 1 SGG i.V. mit § 36a Abs. 2 SGB I bzw. nach § 90 SGG i.V. mit § 65a SGG der qualifizierten elektronischen Signatur nach der Verordnung über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt vom 23.07.2014. Die verwendeten zertifizierten Verfahren müßten gewährleisten, dass die elektronische Signatur ausschließlich dem Unterzeichner zugeordnet werden könne, dass dadurch dessen Identifizierung zweifelsfrei gewährleistet sei und mit Mitteln erzeugt werde, die der Unterzeichner (hier Kunde) mit einem hohen Maß an Vertrauen unter seiner alleinigen Kontrolle verwenden könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des umfangreichen Vorbringens des Beklagten wird auf dessen Schriftsätze 29.08.2018,und 09.10.2018 verwiesen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen, insbesondere wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten, wird verwiesen auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten (ab Bl. 117), deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung der Kammer gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als isolierte Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. Sozialgerichtsgesetz (SGG)) gegen den Widerspruchsbescheid vom 17.07.2018 zulässig. Die isolierte Anfechtung des Widerspruchsbescheides bedeutet, dass entgegen der Vorschrift des § 95 SGG gerade nicht der ursprüngliche Verwaltungsakt in Gestalt des Widerspruchsbescheides Klagegegenstand wird, sondern allein (isoliert) der Widerspruchsbescheid. Anders als in der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) (vgl. dort § 79) ist dies im SGG nicht ausdrücklich geregelt; im Sozialgerichtsprozess aber ebenso möglich (vgl. B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage § 95 Rdnrn. 3c bis 3e; Wehrhahn in Schlegel/Voelzke, juris-PK-SGG, 1. Auflage 2017 § 95 Rdnr. 16).

Ein berechtigtes Interesse der Kläger, also ein Rechtsschutzbedürfnis für die isolierte Anfechtung des Widerspruchsbescheides (vgl. zu dieser Voraussetzung: B. Schmidt, a.a.O., Rdnr. 3e und Keller in Meyer-Ladewig, a.a.O., § 54 Rdnr. 4b), ist hinreichend dargelegt. Die Kläger gehen – wie sie in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht haben – ebenso wie bereits im Widerspruchsverfahren davon aus, dass sie einen Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung haben und der Beklagte dem bei inhaltlicher Prüfung auch nachkommen wird. Vor diesem Hintergrund lässt sich das Rechtsschutzbedürfnis für die isolierte Anfechtungsklage nicht verneinen. Die Kammer sieht es zur Wahrung effektiven Rechtsschutzes zudem als geboten an, die Vorschrift des § 79 Abs. 2 VwGO im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anzuwenden (vgl. hierzu Wehrhahn, a.a.O.). Danach kann der Widerspruchsbescheid auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält (Satz 1). Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht (Satz 2). Diese Voraussetzungen liegen vor. Denn die Kläger machen geltend, der Beklagte habe zu Unrecht den Widerspruchsbescheid ohne inhaltliche Prüfung als unzulässig verworfen. Darin liegt der Vorwurf einer Verletzung von wesentlichen Verfahrensrechten.

Die Klage ist auch nicht aufgrund des Fehlens einer für die Prozessbevollmächtigten ausgestellten Vollmacht unzulässig. Die Prozessbevollmächtigten der Kläger haben eine von der Klägerin unterzeichnete Vollmacht vom 29.05.2018 schriftlich zu den Akten eingereicht. Die hier erfolgte Übermittlung per Fax entspricht einem schriftlichen Nachweis (vgl. Schmidt, a.a.O., § 73 Rdnr. 62). Im Übrigen wäre vorliegend aufgrund der Vorschrift des § 73 Abs. 6 Satz 5 SGG ein schriftlicher Nachweis der Vollmacht nicht erforderlich gewesen, weil es sich bei dem Bevollmächtigten um Rechtsanwälte bzw. eine Rechtsanwalts GmbH handelt. Die vorgelegte Vollmacht ist hinreichend konkret und aussagekräftig. Sie wurde (auch) zur Durchführung eines Gerichtsverfahrens nach Erlass eines Widerspruchsbescheides erteilt. Der Umstand, dass die Vollmacht vor Erlass des Widerspruchsbescheides ausgestellt wurde, ändert daran nichts. Gerade deswegen lautet die Formulierung ausdrücklich dahingehend, dass die Vollmacht zur Durchführung des (nachfolgenden) Gerichtsverfahrens ermächtigt. Im Übrigen haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung ohnehin deutlich gemacht, dass sie die Bevollmächtigten mit der Durchführung des Klageverfahrens beauftragt haben.

Die Klage ist auch begründet. Der Widerspruchsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Zu Unrecht hat der Beklagte den Widerspruch der Kläger als unzulässig verworfen. Er hat damit ein wesentliches Verfahrensrecht, nämlich jenes auf inhaltliche Prüfung des Widerspruchs, verletzt. Das Gericht musste dementsprechend den Widerspruchsbescheid aufheben.

Der Widerspruch der Kläger gegen den Bescheid vom 14.05.2018 war zulässig.

Die Ausführungen des Beklagten zur Unzulässigkeit von Widerspruch und Klage gehen im Wesentlichen an den hier rechtlich maßgebenden Verhältnissen vorbei. Insbesondere spielt die Frage einer qualifizierten elektronischen Signatur keine Rolle. Außerdem verwechselt der Beklagte den schriftlichen Nachweis der Vollmacht mit einer – vom Gesetz nicht geforderten – Schriftform der Vollmachterteilung.

§ 84 Abs. 1 Satz 1 SGG schreibt für den Widerspruch die Schriftform vor ("schriftlich oder zur Niederschrift"). Das Schriftformerfordernis haben die Kläger mit der per Fax erfolgten Übermittlung des Widerspruchsschreibens eingehalten (vgl. dazu: B. Schmidt, a.a.O., § 84 Rdnr. 3).

Die Erteilung der Vollmacht, welche zunächst allein das Innenverhältnis zwischen Mandant und Prozess- bzw. Verfahrensbevollmächtigten betrifft, ist hingegen nicht formgebunden (vgl. B. Schmidt, a.a.O. § 73 Rdnr. 62) und kann sogar schlüssig erteilt werden (B. Schmidt, a.a.O., Rdnr. 73; Vogelsang in Hauck/Noftz, SGB 06/09, §13 Rdnr. 13). Daher kann vorliegend an einer wirksamen Bevollmächtigung der Prozessbevollmächtigten nicht ansatzweise gezweifelt werden, was die Kläger in der mündlichen Verhandlung auch noch einmal bestätigt haben (Unterschrift der Klägerin zu 1 mit dem Finger auf der auf dem Tablet des Klägers angezeigten Datei und anschließender Übermittlung an die Prozessbevollmächtigten).

Allerdings ist die Vollmacht auf Verlangen der Behörde schriftlich vorzulegen (§ 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X). Eine schriftliche Vorlage ist erfolgt und zwar gleichzeitig mit der Erhebung des Widerspruchs selbst.

Das Gericht lässt offen, ob es sachgerechter Ausübung des Verfahrensermessens entspricht, wenn die Behörde bei Rechtsanwälten die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht verlangt (vgl. zur Problematik Pitz in: Schlegel/Völzke, juris-PK, SGB II, 2. Auflage 2017, § 13 Rdnr. 9); ferner, ob es einem fairen Verwaltungsverfahren entspricht, den Widerspruch ohne Rückfrage beim betroffenen angeblichen Vollmachtgeber als unzulässig zu verwerfen, wenn es nach Auffassung der Behörde an einem schriftlichen Nachweis der Vollmacht fehlt. Denn vorliegend ist bereits mit dem Widerspruchsschreiben eine schriftliche Vorlage der Vollmacht erfolgt. Die Bevollmächtigten der Kläger haben dem Beklagten als Anhang zum Widerspruchsschreiben nicht etwa eine (elektronische) Datei übersandt, sondern die Faxkopie der elektronischen Vollmacht. Damit existiert eine schriftliche Verkörperung, die ähnlich wie beim Computerfax mit eingescannter Unterschrift dem Schriftformerfordernis Genüge tut (vgl. zum Computerfax: Beschluss des Gemeinsamen Senates der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 05.04.2000 – GmS-OGB 1/98 – (juris); B. Schmidt, a.a.O. § 90 Rdnr. 5a).

Das Gericht teilt auch nicht die Auffassung des Beklagten, dass die auf den 18.05.2018 datierte Vollmacht den Urheber der Unterschrift (nämlich die Klägerin zu 1) nicht erkennen lasse. Das Schriftbild entspricht den in den Akten befindlichen Unterschriften der Klägerin. Es ergibt sich lediglich durch die Wahl der elektronischen Form eine deutliche Verkleinerung der Unterschrift. Im Übrigen bestanden auch aus den Gesamtumständen keine Zweifel an der Urheberschaft, weil sich der Widerspruch, dem die Vollmacht beigefügt war, konkret gegen den an die Klägerin gerichteten kurz zuvor erlassenen Bescheid vom 14.05.2018 richtete. Es widerspricht jeder Lebenswirklichkeit, dass Rechtsanwälte, bei denen es sich um Organe der Rechtspflege handelt, Widerspruch gegen einen Bescheid einlegen, ohne hierzu beauftragt worden zu sein. Allein die Tatsache, dass den Bevollmächtigten der Bescheid bekannt war, konnte nach den gegebenen Umständen nur bedeuten, dass die Klägerin ihn zur Verfügung gestellt hatte.

Vor diesem Hintergrund fehlte es auch nicht an einer hinreichenden Konkretisierung der Vollmacht (vgl. hierzu wiederum B. Schmidt, a.a.O. § 73, Rdnr. 61 m.w.N.), denn die Vollmacht war zeitlich nachfolgend zur Erteilung des Bescheides vom 14.05.2018 unterzeichnet worden und dem Schriftsatz in einem konkreten Verfahren, nämlich dem Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.05.2018 beigelegt worden. Dies reicht zur Konkretisierung sogar dann aus, wenn vergessen wurde, den Bevollmächtigten zu bezeichnen, es an einem Datum fehlt oder dem Hinweis auf das zugrundeliegende Verfahren (B. Schmidt, a.a.O.).

Nach alledem wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.05.2018 formwirksam und auch ansonsten zulässig erhoben. Nach der durch die heutige Gerichtsentscheidung verfügten Aufhebung des Widerspruchsbescheides wird sich der Beklagte inhaltlich mit dem Begehren der Kläger zu befassen haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Eine Entscheidung über die Zulassung der Berufung brauchte die Kammer nicht zu treffen, weil Berufungsbeschränkungsgründe im Sinne des § 144 Abs. 1 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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