S 49 KA 349/16

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
49
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 49 KA 349/16
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) und 2).

Tatbestand:

Streitig ist die Entziehung der Zulassung des Klägers. Der Kläger ist seit 23.10.1986 als fachärztlich tätiger Internist mit dem Schwerpunkt Gastroenterologie in A-Stadt niedergelassen. Mit Schreiben vom 29.07.2015 beantragte die Beigeladene zu 1), dem Kläger wegen nicht erbrachten Fortbildungsnachweises die Zulassung zu entziehen. Mit Schreiben vom 01.09.2015 stellte die Beigeladene zu 1) einen zweiten Antrag auf Zulassungsentziehung und führte aus, dass der Kläger im Zeitraum vom 01.07.2004 bis 30.06.2009 erstmals fortbildungsverpflichtet gemäß §95d SGB V gewesen sei. Im Zeitraum vom 01.10.2004 bis zum 31.3.2005 habe seine Zulassung geruht, damit habe der Nachweis sechs Monate später, bis zum 31.12.2009, eingereicht werden können. Wegen der Regelung des §95d Abs. 3 S. 6 SGB V habe die Frist zur Einreichung des Fortbildungsnachweises am 31.12.2011 geendet. Aufgrund eines EDV-Fehlers sei es zu einer verzögerten Bearbeitung gekommen, so dass der Antrag auf Entziehung der Kassenzulassung erst zum jetzigen Zeitpunkt gestellt werden könne. Wegen eines Schreibfehlers seien in ihrem ersten Antrag vom 29.7.2015 falsche Daten hinsichtlich des Einreichungszeitraums genannt worden, insbesondere das im ersten Antrag genannte Datum 31.12.2014 beziehe sich auf den aktuellen und damit den zweiten Fortbildungszeitraum vom 1.1.2010 bis 31.12.2014. Dies ändere jedoch nichts an der Tatsache, dass vom Kläger für den maßgeblichen ersten Fortbildungszeitraum die erforderlichen 250 Fortbildungspunkte nicht erbracht worden seien. Der Nachweis über erbrachte Fortbildungspunkte sei vom Kläger erst verspätet am 31.8.2015 der Geschäftsstelle des Zulassungsausschusses vorgelegt worden. Aus der vorgelegten Übersicht der Bayerischen Landesärztekammer sei ersichtlich, dass der Kläger für den maßgeblichen ersten Fortbildungszeitraum 111 Fortbildungspunkte erbracht und folglich seine Fortbildungspflicht für den maßgeblichen Zeitraum nicht erfüllt habe. Schon um Honorarabzüge zu vermeiden, sei der Kläger jeweils mit Schreiben vom 19.4.2011, 08.08.2011, 16.05.2012, 31.10.2011, 25.06.2014, 25.9.2014 und 16.10.2014 darüber informiert worden, dass der Fortbildungsnachweis noch nicht eingegangen sei. Auch in ihrem Mitgliedermagazin sei mehrfach über die Bedeutung der Fortbildungspflicht und die Zulassungsentziehung als mögliche Folge des fehlenden Fortbildungsnachweiseses informiert worden. Der Kläger habe kein einziges Mal auf ihre Schreiben reagiert und geantwortet. Für den Zeitraum vom 1.Quartal 2010 bis heute habe der Kläger entsprechend Honorarabzug erhalten (erst 10 % und dann später jeweils 25 % pro Quartal). Im Quartal 4/2014 habe der Kläger 175 Fälle abgerechnet. Die Beigeladene zu 1) vertrat die Auffassung, dass Disziplinarmaßnahmen, wie zum Beispiel das Ruhen der Zulassung nicht ausreichend seien, um das Vertrauensverhältnis zwischen ihr und dem Kläger wiederherzustellen.

Die Klägerbevollmächtigen nahmen zu den Anträgen der Beigeladenen zu 1) Stellung. Der Kläger verkenne keineswegs seine Pflichten zur vertragsärztlichen Fortbildung und deren Nachweis in ihrer Bedeutung und verweigere sich ihnen auch nicht nachhaltig. Die Klägerbevollmächtigten nahmen Bezug auf eine E-Mail des Klägers an den zuständigen Sachbearbeiter der Beigeladenen zu 1) vom 10.11.2014, den letzten schriftlichen Korrespondenzwechsel zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) im Jahr 2014. Der Kläger schrieb in dieser E-Mail, dass die Beigeladene zu 1) in ihrem Schreiben vom 24.06.2014 an die Nachweisführung von Fortbildungspunkten über die letzten fünf Jahre erinnert habe. Durch eine schwere Erkrankung und die Tätigkeit in seiner Praxis sei er verhindert gewesen, ausreichend Fortbildungspunkte für diesen Zeitraum zu sammeln. Anbei sei ein Attest seines behandelnden Arztes über eine Erkrankung zu finden. Außerdem ein paar Bescheinigungen über Fortbildungen, die er bereits besucht habe. Er werde bis Ende des Jahres noch weitere Bescheinigungen beibringen, die er aber alle noch einscannen müsse für das Fortbildungskonto bei der Bayerischen Landesärztekammer. Die Klägerbevollmächtigten führten dazu aus, in dieser Email sei zwar etwas missverständlich davon die Rede, dass Fortbildungspunkte noch nicht ausreichend gesammelt worden seien. Dies sei jedoch unzutreffend, wie der Blick auf das aktuelle Fortbildungspunktekonto des Klägers zeige. Schließlich habe er ausreichend Fortbildungspunkte im relevanten Zeitraum bis Ende 2014 gesammelt und diese bislang nur leider noch nicht gemeldet gehabt. Grund hierfür sei die Erkrankung des Klägers gewesen bezüglich derer er auch ein Attest des behandelnden Arztes eingereicht habe. Der Kläger sei nach dieser Rückmeldung an die Beigeladene zu 1) davon ausgegangen, zum einen bereits ausreichend erste Nachweise über die Fortbildung erbracht zu haben und zum anderen, dass ihm mit Blick auf die Vervollständigung der Unterlagen notfalls auch noch eine Nachfrist über den 31.12.2014 hinaus gewährt würde, da er keine gegenteilige Rückmeldung erhalten habe. Insbesondere seien er und seine Mitarbeiter auch im Jahr 2014 nicht mehr telefonisch kontaktiert worden. Es sei durchaus auch Aufgabe des Klägers, Unterlagen und Nachweise beizubringen und hereinzureichen, durch das Schweigen der Beigeladenen zu 1) auf seine Mail sei jedoch ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden. Aufgrund der grundlegenden Bedeutung der Sache für den Kläger hätte von Seiten der Beigeladenen zu 1) an dieser Stelle noch einmal schriftlich auf den drohenden Fristablauf hingewiesen werden müssen. Der Kläger habe sich nunmehr, nach Eingang des Antrags auf Zulassungsentziehung, umgehend um Sachverhaltsaufklärung bemüht. Insbesondere habe er auch sein Fortbildungskonto bei der Bayerischen Landesärztekammer aktualisieren lassen und könne nachweisen, dass er durchaus seine Fortbildungspflichten erfüllt habe. Dem beiliegenden Fortbildungspunktekonto vom 28.08.2015 sei zu entnehmen, dass er 250 Fortbildungspunkte zum Stand 31.12.2014 gehabt und damit seine Fortbildungsverpflichtung gemäß § 95d SGB V erfüllt habe. Vor diesem Hintergrund sei nach einer notwendigen umfassenden Würdigung der Sach- und Rechtslage die Entziehung der Zulassung, selbst im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des BSG, nicht gerechtfertigt, was sich spätestens aus einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im engeren Sinne ergebe. Insbesondere relevant sei hierbei, dass die Pflicht zur Fortbildung schon gar nicht verletzt sei, wie sich aus dem Fortbildungspunktekonto ergebe. Mit Blick auf die Frage der Verletzung der Nachweispflicht sei einzuwenden, dass insoweit der Kläger, leider irrtümlich, davon ausgegangen sei, dass er noch Zeit für die Vorlage der Nachweise habe. Zutreffend sei zwar auch, dass er in den Vorjahren bereits Honorarkürzungen habe hinnehmen müssen, mit Blick auf seine E-Mail vom 10.11.2014 an die Beigeladene zu 1) sei er aber trotzdem davon ausgegangen, dass er zum einen bereits erste ausreichende Unterlagen an diese weitergeleitet habe, zum anderen aber auch über den 31.12.2014 hinaus notfalls Unterlagen hereinreichen könne. Dies habe auch aus Sicht der Beigeladenen zu 1) so verstanden werden müssen, da der Kläger auch durch die Vorlage des Attests seines behandelnden Arztes deutlich gemacht habe, dass er für die Vorlage der Unterlagen noch mehr Zeit benötige. Auf jeden Fall sei der Vorwurf einer groben Verletzung der vertragsärztlichen Pflichten vor diesem Hintergrund nicht haltbar. Dem stehe auch entgegen, dass dem zu diesem Zeitpunkt erst genesenden Kläger im Jahr 2014 seitens der Beigeladenen zu 1) nicht mehr mitgeteilt worden sei, dass er den Stichtag 31.12.2014 bezüglich Vorlage seiner Nachweise zwingend einzuhalten habe. Der Kläger habe sich "leider" stattdessen darauf konzentriert, zu genesen und seine Patienten zu behandeln. Auch wenn nach der Rechtsprechung die Frage, ob ein Verschulden des Vertragsarztes bezüglich einer Pflichtverletzung vorliege, grundsätzlich keine Rolle spiele, müsse dennoch im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung derartigen Umständen Rechnung getragen werden. Der Kläger bedauere, dass er für derartige Irritationen gesorgt habe. Er sei jedoch seiner Pflicht zur Fortbildung nachgekommen und möchte auch die vertragsärztliche Tätigkeit im Interesse seiner Patienten und deren bestmöglicher Versorgung fortführen, da er gerade viele alte Patienten betreue, die auf seine persönliche Betreuung schon lange Jahre und Jahrzehnte vertrauten und auf sie angewiesen seien. Der jetzige Zulassungsentzug sei, gerade auch im Lichte des darin gelegenen Eingriffs in das Grundrecht des Klägers auf Berufsfreiheit, unverhältnismäßig. Wenn nach der Rechtsprechung des BSG schon die knappe Verfehlung der Fortbildungsverpflichtung im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht für einen Entzug ausreiche, müsse dies erst recht für die zeitlich nur knappe Verfehlung des Nachweiszeitpunktes gelten. Außerdem sei in dieser Hinsicht das Vertrauensverhältnis zwischen der Beigeladenen zu 1) und dem Kläger nicht ernsthaft und dauerhaft erschüttert, wie an der vorgelegten Korrespondenz abzulesen sei. Schließlich sei auch die persönliche Situation des Klägers zu gewichten, der 2005 mit dem Bayerischen Verdienstorden für seine wissenschaftliche Leistung in der Medizin und sein soziales Engagement ausgezeichnet worden sei. Der Kläger sei auch schon durch die Sanktion der Honorarkürzungen entsprechend getroffen worden und habe schließlich auf das letzte Schreiben der Beigeladenen zu 1) reagiert, hierauf jedoch dann keine Antworten erhalten. Dass er hartnäckig seine Mitwirkungspflichten verletze, sei daher nicht der Fall. Der neue Vortrag im zweiten Antrag werde bestritten und stehe im Übrigen nicht im Einklang mit der bisherigen Korrespondenz zwischen der Beigeladenen zu 1) und dem Kläger. Dem Schreiben der Klägerbevollmächtigen war zudem ein Anlagenkonvolut beigefügt, aus dem nach Ansicht der Klägerseite neben den bereits im Punktekonto ausgewiesenen Fortbildungsleistungen weitere Fortbildungen anhand der dortigen Nachweise ersichtlich seien. Der Kläger habe während des Fortbildungszeitraum auch eine intensive Forschungstätigkeit ausgeübt und an zahlreichen nationalen und internationalen Kongressen teilgenommen. Gerade mit Blick auf die angeblichen Tippfehler der Beigeladenen zu 1) sowie die äußerst zögerliche Bearbeitung könne gerade im Verhältnis zu den im Raum stehenden Sanktionen keine antragsgemäße Entscheidung erfolgen.

Mit Bescheid des Zulassungsausschusses vom 1.10.2015 (Beschluss am 21.09.2015) wurde dem Kläger die Zulassung entzogen. Der Kläger sei im Zeitraum 01.07.2004 bis 30.06.2009 erstmals fortbildungsverpflichtet gewesen, der Nachweis habe gemäß § 95d Abs. 3 S. 6 SGB V noch bis zum 30.6.2011 erbracht werden können. Durch das Ruhen der Zulassung im Zeitraum vom 1.10.2004 bis zum 31.3.2005 habe der Nachweis noch sechs Monate später-bis zum 31.12.2011- eingereicht werden können. Der Kläger habe für den maßgeblichen Zeitraum jedoch nur 111 Fortbildungspunkte erbracht und könne folglich den erforderlichen Nachweis der Fortbildungspflicht nicht erfüllen. Den Nachweis habe der Kläger auch erst am 30.8.2015 eingereicht, die Frist zum 31.12.2011 sei damit weit überschritten worden. Das genannte Datum 31.12.2014 gelte nicht für den ersten Zeitraum der Fortbildungsverpflichtung, sondern für den aktuellen -zweiten-Fortbildungszeitraum. Selbst dieses Datum sei überschritten worden, da die Nachweise erst am 31.8.2015 eingereicht worden seien. In Ermangelung des ersten Fortbildungsnachweises habe der Kläger somit nicht nachweisen können, dass er den von Gesetzgeberseite gewollten qualitativen Standard einer patientengerechten Versorgung auf hohem Niveau gewährleisten könne. Der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung vor dem Zulassungsausschuss ausgeführt, dass er internationale Kongresse besuche und als einziger Europäer in Peking zu einem Vortrag eingeladen worden sei. Außerdem habe er selbst viele Bücher geschrieben. Damit habe er angegeben, dass er sich fortgebildet hätte und gleichzeitig für die Patientenversorgung da gewesen sei. Diese Tatsachen reichten für den geforderten Fortbildungsnachweis über die BLÄK jedoch nicht aus. Es zählten allein die dort formal rechtmäßig eingereichten und an die Beigeladene zu 1) übermittelten 111 Fortbildungspunkte. Auch die mit Schreiben vom 17.9.2015 später eingereichten Nachweise entsprächen nicht den formalen Voraussetzungen und seien damit nicht ausreichend, um die Punktzahl auf 250 zu erhöhen. Die Tatsache, dass der Kläger seit seiner Erkrankung im Mai 2010 immer wieder ärztliche Untersuchungen und Behandlungen gehabt habe, rechtfertige keine Verschiebung des Einreichungszeitraums. Allein im Zeitraum vom 1.10.2004 bis zum 31.3.2005 habe seine Zulassung geruht, was den Fortbildungszeitraum verschoben und damit zu einer Verschiebung des Einreichungszeitraums bis zum 31.12.2011 geführt habe. Zu einem späteren Zeitpunkt der Erkrankung habe die Zulassung nicht mehr geruht, so dass sich der erste Zeitraum nicht weiter verschoben habe. Auch wenn sich die fachärztliche Bestätigung vom 1.11.2014 zurück auf den Zeitpunkt ab Mai 2010 erstrecke, ändere dies aber auch nichts an der Festlegung des erforderlichen ersten Fortbildungszeitraums. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung könnten auch unverschuldete Pflichtverletzungen zur Zulassungsentziehung führen. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, dass er sich der Verpflichtung zur Fortbildung beziehungsweise der Pflicht der Nachweisführung nicht bewusst gewesen sei. Er sei durch mehrfache Schreiben der Beigeladenen zu 1) sowie die umfassende Information über deren Mitgliedermagazin auf die Verpflichtung zur Fortbildung und die einhergehende Nachweispflicht hingewiesen worden. Nicht zuletzt durch die jedes Quartal den Abrechnungsunterlagen angefügte Anlage, in der die aufgrund der Nichterfüllung der Verpflichtung nach § 95d SGB V vorzunehmende Honorarkürzung aufgeschlüsselt werde, sei dem Kläger der mangelnde Fortbildungsnachweis offenbart worden. Der Kläger habe sich somit seit geraumer Zeit des Verstoßes gegen die Fortbildungsverpflichtung beziehungsweise des mangelnden Nachweises und der daraus resultierenden Folgen bewusst sein müssen. Daran ändere auch nichts die Tatsache, dass es Email-Kontakt mit dem zuständigen Sachbearbeiter gegeben habe, der sich allein auf den aktuellen, zweiten Fortbildungszeitraum bezogen habe. Es sei auch unerheblich, ob sich bei dem Antrag der Beigeladenen zu 1) vom 25.7.2015 ein Schreibfehler ergeben habe, da im Ergebnis der Sachverhalt vor dem Zulassungsausschuss klar dargestellt und zwischen dem ersten und zweiten Fortbildungszeitraum differenziert worden sei. Durch sein Verhalten habe der Kläger eine wesentliche vertragsärztliche Verpflichtung über mehrere Jahre hinweg vernachlässigt. Durch die Schwere des begangenen Pflichtverstoßes über einen langen Zeitraum sei das erforderliche Vertrauensverhältnis der Krankenkassen und der Beigeladenen zu 1) zum Kläger wesentlich gestört, eine weitere Zusammenarbeit sei nicht mehr zumutbar. Durch sein Verhalten habe er sich auch als für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ungeeignet erwiesen. Trotz mehrfacher Informationen und Aufforderung durch die Beigeladene zu 1) sei der Kläger seiner Verpflichtung zur Fortbildung beziehungsweise zur Führung des entsprechenden Nachweises nicht nachgekommen, so dass der Zulassungsausschuss auch unter Berücksichtigung des so genannte Ultima-Ratio-Prinzips zu der Auffassung gelange, dass zur Sanktionierung des Pflichtenverstoßes des Klägers ein Disziplinarverfahren nicht mehr ausreichend sei, sondern allein die Zulassungsentziehung eine angemessene Sanktion des Fehlverhaltens darstelle. Der sich über einen langen Zeitraum erstreckende Pflichtverstoß sei nicht lediglich als Fehlverhalten aus Unachtsamkeit zu werten sondern als vorsätzliche Missachtung einer gesetzlich geregelten, vertragsärztlichen Pflicht, die das Wohl und die qualitative Versorgung der gesetzlich versicherten Patienten zum Ziel habe. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit sei zwar zu würdigen, dass der Kläger insgesamt für den ersten Fortbildungszeitraum 111 Punkte erbracht habe. Diese Punkte seien aber erst im Sommer diesen Jahres bei der BLÄK eingereicht und dann weitergeleitet worden. Es sei noch nicht einmal die Hälfte der erforderlichen Punktzahl erreicht und die Punkte seien viel zu spät eingereicht worden. Damit könne sich der Kläger nicht auf Vertrauensschutz berufen. Zudem habe der Kläger im Jahr 2014 durchschnittlich lediglich 164 Fälle im Quartal behandelt, was im Verhältnis zum Fachgruppendurchschnitt von 770 Fällen relativ wenig sei. Die behandelten GKV- Patienten könnten auch auf andere zugelassene Fachärzte verteilt werden. Die vollständige Entziehung sei daher verhältnismäßig.

Gegen diesen Beschluss erhob der Kläger am 30.10.2015 Widerspruch, den der Beklagte mit Bescheid vom 07.03.2016 (Beschluss 04.02.2016) zurückwies. Der Zulassungsausschuss habe dem Kläger zu Recht die Zulassung entzogen. Vorliegend sei der Zulassungsausschuss von einer gröblichen Verletzung vertragsärztlicher Pflichten sowie der fehlenden Bereitschaft des Klägers ausgegangen, vertragsärztliche Pflichten, wie hier die Pflicht zur Fortbildung, zu erfüllen. Nach Auffassung des Beklagten seien die Voraussetzungen für eine Zulassungsentziehung erfüllt, da der Kläger von der Beigeladenen zu 1) mehrfach angeschrieben worden sei sowie über deren Mitgliedermagazin eine umfassende Information über die Verpflichtung zur Fortbildung und der Nachweispflicht gegenüber der Beigeladenen zu 1) erhalten habe. Der Kläger habe sich somit seit geraumer Zeit des Verstoßes gegen die Fortbildungsverpflichtung beziehungsweise des mangelnden Nachweises und der daraus resultierenden Folgen bewusst sein müssen. Dennoch sei er seiner gesetzlich normierten Pflicht zur Fortbildung nicht nachgekommen. Dabei sei von besonderer Bedeutung, dass der Kläger trotz der ab dem 1.Quartal 2010 laufenden Honorarkürzungen nicht bereit gewesen sei, seiner Fortbildungspflicht nachzukommen. Dies sei ein Hinweis auf eine vorsätzliche Missachtung vertragsärztlicher Pflichten, die im Sinne der Rechtsprechung des BSG eine weitere Zusammenarbeit im Rahmen des Vertragsarztsystems ausschließe. Nach Auffassung des Beklagten hätte der Kläger wissen müssen, dass sich ein Arzt fortbilden und dies der KVB nachweisen müsse. Der Kläger könne sich daher nicht etwa darauf berufen, ihm sei sie nicht bewusst gewesen, für welchen Zeitraum er die Fortbildungspunkte hätte erbringen müssen. Die Zulassungsentziehung sei auch nicht unverhältnismäßig. Die Gründe, die der Zulassungsausschuss für die Ungeeignetheit des Klägers angeführt habe, reichten unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für die Entziehung der Zulassung aus. Ein milderes Mittel, zum Beispiel eine Disziplinarmaßnahme, komme nicht in Betracht. Auch die vielfachen Schreiben der Beigeladenen zu 1) sowie schließlich die Honorarkürzungen hätten nicht zu einem vertragskonformen Verhalten des Klägers geführt, so dass ihm wegen Ungeeignetheit im Sinne des § 21 Ärzte-ZV die Zulassung als Vertragsarzt entzogen werden müsse. Damit sei die Zulassungsentziehung Ultima Ratio. Auch das BSG habe in einem gleich gelagerten Fall die Zulassungsentziehung für erforderlich gehalten. Auch die Ausführungen der Klägerbevollmächtigten führten zu keiner anderen rechtlichen Bewertung.

Die am 06.04.2016 erhobene Klage wurde mit den bereits im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Erwägungen begründet.

Der Klägerbevollmächtigte beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 07.03.2016 wegen Entzug der Zulassung aufzuheben.

Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1) und 2) beantragen, die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakte soweit die vom Gericht beigezogenen Beklagtenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gegen den Bescheid des Beklagten erhobene Anfechtungsklage ist zulässig, war aber als unbegründet abzuweisen. Der allein klagegegenständliche Bescheid des Beklagten erweist sich als rechtmäßig, der Kläger ist dadurch nicht in seinen Rechten verletzt. Der Beklagte hat dem Kläger die Zulassung wegen Verletzung der Fortbildungspflichten zu Recht entzogen. Es liegt eine gröbliche Verletzung vertragsärztlicher Pflichten vor und die Entziehung der Zulassung war auch nicht unverhältnismäßig.

Die Zulassungsentziehung stützt sich auf § 95 Abs. 6 SGB V als Rechtsgrundlage. Danach ist die Zulassung unter anderem dann zu entziehen, wenn ein Vertragsarzt seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt.

Der Kläger hat vorliegend seine Fortbildungspflichten gemäß §95d SGB V verletzt. Der Gesetzgeber hat in dieser Vorschrift eine Pflicht der Vertragsärzte zur fachlichen Fortbildung vorgesehen und in Abs. 2 geregelt, wie die Erfüllung dieser Pflicht nachzuweisen ist. Dieser Nachweis ist in erster Linie durch Fortbildungszertifikate der Kammern zu führen, in Ausnahmefällen kann die Übereinstimmung der Fortbildung mit den gesetzlichen Anforderungen durch sonstige Nachweise erbracht werden, die Einzelheiten sind von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zu regeln. Gemäß §95d Abs. 3 ist der Nachweis alle fünf Jahre zu erbringen. Wie vom Beklagten in seinem Bescheid und der Beigeladenen zu 1) in ihrem zweiten Antrag ausführlich dargelegt, endete für den Kläger die Frist zum Nachweis der Erfüllung seiner Fortbildungsverpflichtung für den ersten Fortbildungszeitraum vom 01.07.2004 bis 30.06.2009 am 31.12.2011. Unstreitig hatte der Kläger bis zu diesem Zeitraum keine Nachweise über Fortbildungen erbracht. Auch die Klägerseite hat bereits im Verwaltungsverfahren ausgeführt, dass sich der Kläger erstmals im August 2015 an die zuständige Bayerische Landesärztekammer wandte und sich um einen Nachweis bemühte. Auch um die Anerkennung sonstiger Nachweise, die im Verwaltungsverfahren und auch im Gerichtsverfahren vorgelegt wurden, hat der Kläger sich unstreitig bis zum Ablauf der Nachweisfrist nicht gekümmert. Abgesehen davon, dass der Kläger auch im August 2015, wie vom Beklagten ausgeführt, für den ersten Fortbildungszeitraum nur 111 und nicht die erforderlichen 250 Punkte nachgewiesen hat, geht der diesbezügliche Vortrag der Klägerseite auch insofern ins Leere, als nach gefestigter Rechtsprechung eine nachträgliche Erfüllung der Fortbildungspflicht bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen für eine Zulassungsentziehung gegeben sind, keine Berücksichtigung finden kann (vgl. BSG vom 28.10.2015, B 6 KA 36/15 mwN; ausführlich dazu auch Bayerisches LSG vom 19.03.2014, L 12 KA 72/13). Das Vorliegen einer Pflichtverletzung setzt auch ein Verschulden des Klägers nicht voraus. Schon aus diesem Grund ist der Vortrag der Klägerseite, durch missverständliche oder fehlende Hinweise der Beigeladenen zu 1) wäre sich der Kläger der strengen Fristen nicht bewusst gewesen, unbeachtlich. Der Verstoß des Klägers gegen seine Fortbildungspflicht war auch gröblich im Sinne des §95 Abs. 6 S. 1 SGB V. Nach gefestigter Rechtsprechung ist eine Pflichtverletzung dann gröblich, wenn sie so schwer wiegt, dass ihretwegen die Entziehung der Zulassung zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung notwendig ist. Davon ist wiederum auszugehen, wenn die gesetzliche Ordnung der vertragsärztlichen Versorgung durch das Verhalten des Arztes in erheblichem Maße verletzt wird und das Vertrauensverhältnis zu den vertragsärztlichen Institutionen tiefgreifend und nachhaltig gestört ist, so dass ihnen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertragsarzt nicht mehr zugemutet werden kann (BSG vom 11.02.2015, B6 KA 37/14 B). Das BSG führt in der zitierten Entscheidung weiter aus, der Verstoß gegen §95d SGB V betreffe grundlegende vertragsärztliche Pflichten. Vorliegend hat sich der Kläger, auch nach eigenem Vortrag, erstmals 2015, also beinahe vier Jahre nach Ablauf des Nachweiszeitraums um die Anerkennung von Fortbildungen bemüht. Dies trotz einer Vielzahl von Schreiben, Hinweisen und Fristsetzungen durch die Beigeladene zu 1) sowie durchgehende Honorarkürzungen seit über fünf Jahren. Ebenfalls nach eigenem Vortrag der Klägerseite hat der Kläger erstmals Ende 2014 auf die Anschreiben der Beigeladenen zu 1) überhaupt reagiert. Vorher hatte der Kläger über 11 Jahre keine Bereitschaft gezeigt, seiner Fortbildungspflicht nachzukommen. Der Beklagte hat dies zutreffend als Hinweis auf eine vorsätzliche Missachtung vertragsärztlicher Pflichten gewertet, die eine weitere Zusammenarbeit im Rahmen des Vertragsarztsystems ausschließt. Nicht konstitutiv für das Vorliegen des Entziehungsgrundes der gröblichen Verletzung einer vertragsärztlichen Pflicht ist ein Antrag der Kassenärztlichen Vereinigung nach §95d Abs. 3 S. 6 SGB V, insofern sind auch etwaige Tipp- oder Schreibfehler im ersten Antrag der Beigeladenen zu 1) ohne Bedeutung.

Die streitige Zulassungsentziehung aufgrund des Vorliegens einer gröblichen Verletzung vertragsärztlicher Pflichten erweist sich auch als verhältnismäßig. Wie bereits ausgeführt, hat der Kläger bis zum November 2014, also weit nach Ablauf des Fortbildungszeitraums, zu keinem Zeitpunkt auch nur erkennen lassen, dass er gewillt ist, seiner gesetzlichen Verpflichtung zur Fortbildung nachzukommen beziehungsweise dies nachzuweisen. Da ihn auch das mildere Sanktionsmittel der Honorarkürzungen über einen erheblichen Zeitraum nicht dazu veranlasst hat, überhaupt mit der Beigeladenen zu 1) Kontakt aufzunehmen, ist die Zulassungsentziehung ulitma ratio. Wie bereits der Zulassungsausschuss, dessen Prüfung der Beklagte sich zu Eigen gemacht hat, ausführte, kann sich der Kläger vorliegend auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Für die Kammer ist weder ersichtlich noch nachvollziehbar, auf welche Tatsachen sich ein etwaiger, von Klägerseite vorgetragener Vertrauensschutz stützen sollte. Dem Kläger wurde insbesondere bereits mit Schreiben vom 31.10.2011 und 16.05.2012 angedroht, dass die Beigeladene zu 1) einen Antrag auf Zulassungsentzug stellen werde und Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. Eine Reaktion des Klägers darauf ist nicht bekannt. Wie sich aus einer Email des Klägers selbst vom November 2014 und damit weit nach Ablauf des Fortbildungszeitraums, auf den die Beigeladene zu 1) aus Sicht des Klägers nicht reagiert hat, Vertrauensschutz ergeben soll, erschließt sich der Kammer nicht. Auch die Tatsache, dass die Beigeladene zu 1) erst im Jahr 2015 einen Antrag auf Zulassungsentziehung gestellt hat, führt nicht zu einer Unverhältnismäßigkeit der Zulassungsentziehung. §95d Abs. 3 S.6 SGB V sieht zwar vor, dass die Kassenärztliche Vereinigung nach Ablauf des Nachweiszeitraums "unverzüglich" einen Antrag auf Zulassungsentziehung stellen solle. Die Tatsache, dass diese eigentlich zu Lasten des Klägers gehende Vorgabe nicht umgesetzt wurde, kann aber nicht im Umkehrschluss einen Vertrauensschutz des Klägers generieren. Dies auch im Hinblick darauf, dass der Antrag der Beigeladenen zu 1), wie bereits ausgeführt, keine zwingende Voraussetzung für die vorliegende Zulassungsentziehung ist. Wie sich aus der Rechtsprechung des BSG ergibt, gibt es auch keine "Verjährungsfrist", die die Zulassungsgremien daran hindern würde, länger zurückliegende gröbliche Pflichtverletzungen zur Begründung einer Zulassungsentziehung heranzuziehen (BSG vom 02.04.2014, B 6 KA 58/13 B). Auch wenn das BSG in og. Entscheidung davon ausgeht, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit es gebiete, Pflichtverletzungen, die länger als die übliche Bewährungszeit von fünf Jahren zurückliegen, nur noch dann zur Grundlage einer Zulassungsentziehung zu machen, wenn sie besonders gravierend sind oder wenn sie aus anderen Gründen fortwirken, lag vorliegend das pflichtwidrige Verhalten des Klägers zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten im Jahr 2016 nicht länger als fünf Jahre zurück. Auch war für den Beklagten eine Einstellungs- oder Verhaltensänderung des Klägers nicht ersichtlich, vielmehr hatte der Kläger auch für den zweiten Fortbildungszeitraum bis dato nicht genügend Punkte nachgewiesen. Eine Prognose für rechtmäßiges Verhalten des Klägers zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten hätte jeder Grundlage entbehrt. Aus dem Vortrag der Klägerseite selbst ergibt sich, dass der Kläger erst nach Stellung des Antrags auf Zulassungsentziehung tätig wurde. Insofern liegt auch keine der vom BSG in einem Beschluss (B6 KA 37/14 B) erwähnten Fallgestaltung vergleichbare Sachlage vor, dass der vorgegebene Nachweis um Stunden verfehlt wird. Schließlich könne auch die von Klägerseite vorgetragenen Verdienste des Klägers eine vom vorgegebenen Regelfall abweichende Beurteilung nicht rechtfertigen.

Die Entscheidung über die Kosten basiert auf §§197a Abs. 1 S. 1 2. HS SGG iVm §154 Abs. 1 VwGO.
Rechtskraft
Aus
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