Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
ÃG
Abteilung
10
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 10 SF 2/17 EK
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 11.100,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt als ehemals Beigeladene eine Entschädigung wegen einer überlangen Verfahrensdauer eines Klageverfahrens (bestehend aus drei verbundenen Verfahren) vor dem Sozialgericht Magdeburg (SG).
In dem führenden Verfahren (zunächst S 22 SO 55/11, später S 19 SO 55/11) erhob der Prozessbevollmächtigte des damaligen Klägers G. D., dieser vertreten durch seine Betreuerin, am 6. April 2011 Klage gegen das Land Sachsen-Anhalt, vertreten durch die Sozialagentur Sachsen-Anhalt. Klagebegehren war die Abänderung eines Bescheides vom 17. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 3. März 2011. Gegenstand der angefochtenen Entscheidung war die Ablehnung eines Antrags vom 10. Juli 2008 des im Wohnheim für Suchtkranke der Therapiegemeinschaft W. e.V. in W. untergebrachten Klägers auf Gewährung von Fahrkosten für eine medizinisch angeordnete Fahrt zur ambulanten fachärztlichen Behandlung. Zur Begründung der Ablehnung war ausführt, die Gewährung von Fahrkosten sei keine Leistung der Eingliederungshilfe. Verbunden mit der zunächst ohne Begründung erfolgten Klageerhebung war der Antrag auf Einsicht in die Verwaltungsvorgänge. Das SG übersandte dem Beklagten die Klageschrift mit einem Schriftsatz vom 11. April 2011. Am 4. Mai 2011 erfolgte der Eingang der vom Beklagen übersandten Verwaltungsvorgänge. Diese übersandte das SG mit Schreiben vom 9. Mai 2011 an den Prozessbevollmächtigten des Klägers. Mit einem am 30. Mai 2011 bei Gericht eingegangenem Schreiben reichte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Verwaltungsvorgänge wieder zurück.
In dem Verfahren S 22 SO 57/11 erhob der Prozessbevollmächtigte des damaligen Klägers G. D., dieser vertreten durch seine Betreuerin, am 6. April 2011 Klage gegen das Land Sachsen-Anhalt, vertreten durch die Sozialagentur Sachsen-Anhalt. Er wandte sich gegen die Ablehnung eines Antrags vom 25. August 2008 auf Gewährung von Fahrkosten für eine medizinisch angeordnete Fahrt zur ambulanten fachärztlichen Behandlung mit einem Bescheid vom 25. August 2008 in der Gestalt eines Widerspruchsbescheides vom 3. März 2011.
In dem Verfahren S 22 SO 59/11 erhob der Prozessbevollmächtigte des damaligen Klägers G. D., dieser vertreten durch seine Betreuerin, ebenfalls am 6. April 2011 Klage gegen das Land Sachsen-Anhalt, vertreten durch die Sozialagentur Sachsen-Anhalt, und wandte sich gegen die Ablehnung eines Antrags vom 26. August 2008 auf Gewährung von Fahrkosten für eine medizinisch angeordnete Fahrt zur ambulanten fachärztlichen Behandlung mit einem Bescheid vom 27. August 2008 in der Gestalt eines Widerspruchsbescheides vom 3. März 2011.
Mit einem am 28. Juni 2011 eingegangenen Schriftsatz erfolgte durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers eine ausführliche Klagebegründung (acht Seiten), die sich inhaltlich auf alle drei Verfahren bezog.
Das SG verband die drei Verfahren mit Beschluss vom 11. Juli 2011 unter dem führenden Aktenzeichen S 22 SO 55/11 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Die Übersendung des Beschlusses an die Beteiligten erfolgte mit Schreiben vom 14. Juli 2011, wobei für den Beklagten die Klagebegründung zur Kenntnisnahme mit übersandt wurde.
Am 2. August 2012 ging beim SG ein Schriftsatz des Prozessbevollmächtigens des Klägers ein, mit dem dieser um die Anberaumung eines Termins bat und mit einem weiteren am 10. September 2014 eingegangenem Schriftsatz erfolgte der Hinweis, dass das Verfahren für den Kläger aufgrund seines desolaten Gesundheitszustands sowie seiner schwierigen wirtschaftlichen Situation besonders dringlich sei.
Mit einem Schreiben vom 17. September 2014 informierte das SG, dass das Verfahren aufgrund eines Kammerwechsels nunmehr unter dem Aktenzeichen S 19 SO 55/11 geführt werde. Mit einem Schriftsatz vom 13. Oktober 2014 teilte das SG mit: Das Verfahren sei zur mündlichen Verhandlung vorgesehen. Aufgrund des Kammerwechsels sei eine gewisse Einarbeitungszeit erforderlich. Eine Terminierung sei für Dezember 2014/Januar 2015 vorgesehen.
Mit am 15. Oktober 2014 beim SG eingegangenem Schriftsatz beantragte der Prozessbevollmächtigte des damaligen Klägers eine Beiladung der Klägerin des hier zu entscheidenden Entschädigungsverfahrens und führte aus, diese sei Träger des Wohnheims, in dem der Kläger untergebracht sei. Der Beklagte teilte mit einem Schriftsatz vom 3. November 2014 mit, er erhebe keine Einwände gegen die Beiladung.
Mit Beschluss vom 20. November 2014 erfolgte eine einfache Beiladung nach § 75 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Mit einem am 12. Dezember 2014 beim SG eingegangenen Schriftsatz zeigte der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen an, diese zu vertreten und beantragte Akteneinsicht. Das SG übersandte mit Schreiben vom 14. Januar 2015 die Verwaltungsakten zur Einsichtnahme. Der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen sandte mit einem am 2. Februar 2015 beim SG eingegangenen Schreiben die Verwaltungsakten zurück und bat um Übersendung auch der Gerichtsakte. Diese wurde vom SG mit Schreiben vom 17. Februar 2015 übersandt und mit einem am 27. Februar 2015 beim SG eingegangenen Schreiben zurückgesandt.
Mit einem Schreiben vom 26. März 2015 fragte das SG beim Prozessbevollmächtigten der damaligen Beigeladenen an, ob noch eine Stellungnahme beabsichtigt sei. Diese könne bis zum 10. Mai 2015 erfolgen; nach Ablauf der Frist solle der Rechtsstreit einer Entscheidung zugeführt werden.
Am 10. Mai 2015 ging dann eine vierseitige Stellungnahme des Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen mit einer Anlage beim SG ein, die den anderen Beteiligten vom SG mit Schreiben vom 1. Juni 2015 zur Stellungnahme übersandt wurde.
Der Beklagte nahm mit einem am 22. Juni 2015 eingegangenen Schriftsatz fünfseitigen Schriftsatz Stellung zur Klage und zu den Ausführungen der Beigeladenen.
Mit Schreiben vom 18. Januar 2016 erfolgte die Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 16. Februar 2016. Dieser Termin wurde mit Schreiben vom 15. Februar 2016 wegen einer Erkrankung der Kammervorsitzenden wieder aufgehoben. Am 24. Februar 2016 erfolgte eine neue Ladung zur mündlichen Verhandlung für den 14. März 2016. Daraufhin teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit einem Schreiben vom 1. März 2016 mit, er könne diesen Termin nicht wahrnehmen, weil schon früher eine Ladung für einen anderen Termin am selben Tage zugegangen sei. Auch der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen teilte mit, den Termin nicht wahrnehmen zu können. Die Kammervorsitzende beim SG hob die Terminbestimmung daraufhin mit Schreiben vom 8. März 2016 auf.
Der Beklagte fragte mit Schriftsatz vom 10. März 2016 an, ob eine Entscheidung auch ohne mündliche Verhandlung erfolgen könne. Dieses Schreiben übersandte das SG den übrigen Beteiligten zur Stellungnahme.
Mit einem am 1. April 2016 eingegangenen Schriftsatz teilte der Prozessbevollmächtigte des damaligen Klägers dem SG mit, dass dieser verstorben sei und dass noch ermittelt werden müsse, ob Hinterbliebene vorhanden seien.
Mit einem am 17. August 2016 eingegangenen Schriftsatz rügte der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen eine überlange Verfahrensdauer.
Mit einem am 29. August 2016 eingegangenen Schriftsatz nahm der Prozessbevollmächtigte des damaligen Klägers die Klage zurück. Abschriften dieses Schriftsatzes wurden den Beteiligten mit Schreiben des SG vom 12. September 2016 zugestellt.
Die Beigeladene im Ausgangsverfahren (im Folgenden nunmehr als Klägerin bezeichnet) hat am 27. Februar 2017 beim hiesigen Landessozialgericht eine Klage auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) erhoben und ausgeführt: Die drei am 6. April 2011 beim SG eingegangenen Klagen hätten jeweils mehr als fünf Jahre und vier Monate gedauert. In rechtlicher Hinsicht seien die Verfahren als durchschnittlich anzusehen gewesen und in tatsächlicher Hinsicht habe es keine Besonderheiten gegeben. Die ausführliche Klagebegründung habe in den Ausgangsverfahren bereits seit dem 28. Juni 2011 vorgelegen. Abzüglich der für jedes Verfahren anzusetzenden Vorbereitungs- und Bedenkzeit von zwölf Monaten hätten bis einschließlich September 2014 entschädigungsrelevante Verzögerungen im Umfang von jeweils 24 Monaten in den drei Verfahren vorgelegen. Nach der erfolgten Beiladung seien nach Rücklauf der ihrem Prozessbevollmächtigten übersandten Prozessakten bis zur ersten Ladung am 18. Januar 2018 weitere volle sieben Monate ohne verfahrensfördernde gerichtliche Aktivitäten vergangen. Nach der zweiten Abladung hätten sich bis zur Erledigung durch Klagerücknahme weitere sechs Monate gerichtlicher Untätigkeit angeschlossen. Addiert lägen in jedem Verfahren insgesamt 37 Monate mit Phasen gerichtlicher Inaktivität vor. Dass die Beiladung erst am 20. November 2014 erfolgt sei, könne den entschädigungsrelevanten Zeitraum nicht mindern. Die Beiladung sei bereits verspätet erfolgt, weil die Voraussetzungen dafür bereits beim Eingang der Klagen vorgelegen hätten. Sofern man aber für den Beginn des entschädigungsrelevanten Zeitraums auf den Beiladungsbeschluss vom 20. November 2014 abstelle, sei von einer Zeit der gerichtlichen Untätigkeit von jeweils 13 Monaten in jedem der drei Verfahren auszugehen. Sie habe auch einen Nachteil nicht vermögensrechtlicher Art erlitten. Das SG habe selbst in dem Beiladungsbeschluss ausgeführt, dass durch die Entscheidung in den Verfahren ihre rechtlichen Interessen berührt seien, denn sie wäre nach Auffassung des beklagten Lands als subsidiäre Kostenschuldnerin in Betracht gekommen. Aus dem gemäß § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG vorgegebenen Richtwert ergebe sich eine Entschädigung von 100,00 EUR pro Monat.
Die Klägerin beantragt,
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin wegen überlanger Verfahrensdauer der vor dem Sozialgericht Magdeburg unter den Az.: S 22 SO 55/11, S 22 SO 57/11 und S 22 SO 59/11 registrierten, durch Beschluss vom 11. Juli 2011 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 22 SO 55/11 verbundenen und unter dem Aktenzeichen S 19 SO 55/11 erledigten Verfahren eine Entschädigung in Höhe von mindestens 11.100,00 EUR nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach der Vorschrift des § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuches auf diese Entschädigung seit dem 20. März 2017 zu zahlen.
hilfsweise
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin wegen überlanger Verfahrensdauer der vor dem Sozialgericht Magdeburg unter den Az.: S 22 SO 55/11, S 22 SO 57/11 und S 22 SO 59/11 registrierten, durch Beschluss vom 11. Juli 2011 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 22 SO 55/11 verbundenen und unter dem Aktenzeichen S 19 SO 55/11 erledigten Verfahren eine Entschädigung in Höhe von mindestens 3.900,00 EUR nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach der Vorschrift des § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuches auf diese Entschädigung seit dem 20. März 2017 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint: Es sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin als Beigeladene im Ausgangsverfahren deutlich weniger von dem Prozess betroffen gewesen sei als der damalige Kläger. Sie sei erst nach der Verbindung der drei Verfahren beigeladen worden. Das Verfahren unterscheide sich somit nicht von einem solchen, in dem von Anfang an eine objektive Klagehäufung vorgenommen worden sei.
Die Klägerin könne - wenn überhaupt - lediglich für Verfahrenszeiträume anspruchsberechtigt sein, in denen sie selbst auch Verfahrensbeteiligte im Ausgangsverfahren gewesen sei. Der Beiladungsbeschluss sei am 25. November 2014 zugestellt worden, so dass es für eine Entschädigung allein auf den Zeitraum November 2014 bis August 2016 ankomme. Hiervon sei dann ein Zeitraum von zwölf Monaten abzusetzen, den das Bundessozialgericht (BSG) dem jeweiligen Gericht als Vorbereitungs- und Bedenkzeit einräume. Damit ergebe sich eine potentielle Verzögerungszeit nach der Beiladung von 6 ½ Monaten. Der Zeitraum nach der Mitteilung, dass der Kläger verstorben sei, sei nicht als Verzögerungszeit einzubeziehen.
Unabhängig davon sei die Wirksamkeit der Verzögerungsrüge vom 17. August 2016 zweifelhaft. Zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin bereits gewusst, dass der damalige Kläger, der in ihrer Einrichtung gelebt habe, verstorben sei.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Akten (Gerichtsakten des Ausgangsverfahrens und die Verwaltungsakten der Sozialagentur Sachsen-Anhalt) Bezug genommen. Diese haben bei der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die auf Zahlung einer Entschädigung aufgrund einer unangemessenen Verfahrensdauer gerichtete Klage ist zulässig. Sie ist aber nicht begründet.
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft. Maßgebend für das Entschädigungsklageverfahren sind die §§ 198 ff. GVG sowie die §§ 183, 197a, 202 SGG, jeweils in der Fassung vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) und des Gesetzes vom 6. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2554). Nach § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. § 202 Satz 2 SGG sind die Vorschriften des SGG über das Verfahren im ersten Rechtszug heranzuziehen. Nach § 54 Abs. 5 SGG kann mit der Klage die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Die Klägerin stützt die begehrte Entschädigungszahlung auf § 198 GVG, wonach angemessen entschädigt wird, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet (Satz 1 der Vorschrift). Eine vorherige Verwaltungsentscheidung sieht das Gesetz nicht vor.
An der Einhaltung der in § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG normierten Frist für eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer bestehen im Ergebnis keine Zweifel.
Nach Beendigung des Ausgangsverfahrens durch die Klagerücknahme mit dem Schriftsatz vom 29. August 2016 muss die Klage gem. § 197 Abs. 5 Satz 2 GVG spätestens sechs Monate nach der Erledigung erhoben werden. Diese Frist wurde mit der Klageerhebung am 27. Februar 2017 gewahrt. Die Klage wurde auch nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach der Erhebung der Verzögerungsrüge vom 17. August 2016 erhoben (s. § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG).
Die Klage ist nicht begründet, weil die Klägerin keinen eine Entschädigungspflicht rechtfertigenden Nachteil erlitten hat. Dies betrifft sowohl den Haupt- als auch den Hilfsantrag, die sich nur in der Höhe des geltend gemachten Betrags unterscheiden.
Der allein für die Begründung des Anspruchs in Betracht kommende § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG setzt voraus, dass ein Verfahrensbeteiligter infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens einen Nachteil erleidet. Aufgrund des Fehlens eines Nachteils sieht der Senat von einer Prüfung der übrigen Anspruchsvoraussetzungen ab.
Es ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin infolge der langen Dauer des Ausgangsverfahrens einen materiellen Schaden erlitten hat. Sie hat weder die Kosten für die Krankenfahrten des damaligen Klägers endgültig getragen noch bis zu einer Klärung einer rechtlichen Verpflichtung, ob diese vom Beklagten des Ausgangsverfahrens zu tragen waren, vorgestreckt. Sie hat auch nicht vorgetragen, insofern Rückstellungen gebildet oder in sonstiger Weise einen materiellen Schaden erlitten zu haben.
Auch ein immaterieller Schaden der Klägerin ist nicht feststellbar. Nach § 198 Abs. 2 GVG wird zwar ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Diese Vermutung ist aber schon nach dem Wortlaut der genannten Vorschrift widerleglich (s hierzu: BSG, Beschluss vom 8. Januar 2018, B 10 ÜG 14/17 B, Rn. 8, juris; BSG, Urteil vom 21. Februar.2013, B 10 ÜG 1/12 KL, SozR 4-1720 § 198 Nr. 1; BSG, Urteil vom 5. Mai 2015, B 10 ÜG 5/14 R, SozR 4-1720 § 198 Nr. 12 Rn. 31 m.w.N.; Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 20. November 2013, X K 2/12, BFHE 243, 151, Rn. 26; Bundesgerichtshof - BGH -, Urteil vom 13. April 2017, III ZR 277/16, Rn. 21, juris; siehe auch Gesetzentwurf der Bundesregierung BT-Drucks 17/3802, S. 19).
Die Vermutung greift die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) auf, der eine starke, aber widerlegbare Vermutung dafür annimmt, dass ein überlanges Gerichtsverfahren in aller Regel einen immateriellen Nachteil zur Folge hat (vgl. Beschluss vom 29. März 2006, 36813/97). Widerlegt ist die Vermutung eines auf der Verfahrensdauer beruhenden immateriellen Nachteils, wenn das Entschädigungsgericht unter Berücksichtigung der vom Kläger gegebenenfalls geltend gemachten Beeinträchtigungen nach einer Gesamtbewertung bzw. Gesamtabwägung der Folgen, die die Verfahrensdauer mit sich gebracht hat, die Überzeugung gewinnt, dass die (unangemessene) Verfahrensdauer nicht zu einem Nachteil geführt hat (Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Urteil vom 29. Februar 2016, 5 C 31/15 D, DÖV 2016, 619; Röhl in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 198 GVG, Rn. 115). Es handelt sich um eine widerlegliche Tatsachenvermutung im Sinne des § 292 Satz 1 Zivilprozessordnung (BGH, Urteil vom 12. Februar 2015, III ZR 141/14, juris, Rn. 40, 41).
Hier liegt eine besondere Verfahrenskonstellation vor, die immaterielle Ersatzansprüche nach § 198 GVG ausschließt. Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf Beteiligung an dem Verfahren und damit auch keinen Anspruch auf eine zügige Entscheidung des Verfahrens.
Zu keinem Zeitpunkt hat die Klägerin die Verletzung eigener Rechte geltend gemacht; solche sind auch nicht erkennbar (tatsächlich anders lag der vom Schleswig-Holsteinisches LSG mit Urteil vom 16. August 2013, L 12 SF 4/12 EK, juris, entschiedene Fall). Das Sozialgericht hatte lediglich auf Drängen des Klägers des Ausgangsverfahrens - zutreffend - gemäß § 75 Abs. 1 SGG einfach beigeladen. Eine solche Beiladung ist nicht zwingend, sondern fakultativ. Beigeladen werden kann jeder, der ein berechtigtes Interesse an dem Rechtsstreit hat. Das Gericht hat einen sehr großen Ermessensspielraum (Gall in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 75 SGG, Rn. 34 m.w.N.). Ein solches Interesse besteht, wenn der Ausgang des Rechtsstreits für den Dritten in rechtlicher, wirtschaftlicher, tatsächlicher, kultureller, sozialer oder ideeller Hinsicht von Bedeutung sein kann (BSG, 19. Februar 1996, 6 RKa 40/93, SozR 3-1930 § 8 Nr. 2; Benkel NZS 1997, 256). Ein Anspruch auf einfache Beiladung besteht nicht und ihr Unterlassen ist regelmäßig kein Verfahrensfehler (so Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, § 75 Rn. 8b; Ulmer in Hennig, SGG, § 75 Rn. 35; Straßfeld in Roos/Wahrendorf, SGG, § 75 Rn. 307; Gall in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 75 SGG, Rn. 176; enger BSG, Urteil vom 28. September 2005, B 6 KA 71/04 R, SozR 4-2500 § 83 Nr. 2; zustimmend Fock in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 75 Rn. 14).
Eine solche Beiladung, die im Unterschied zu §§ 65, 66 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und zu § 60 Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht einmal eine rechtliche Betroffenheit erfordert, ist von dem Justizgewährleistungsanspruch und nachfolgend von dem Entschädigungsanspruch des § 198 GVG nicht erfasst. Denn dieser sieht (nur) bei Verletzung des Gebots auf einen effektiven Rechtschutz auf der Rechtsfolgenseite eine angemessene Entschädigung vor (vgl. Urteil des Senats vom 29. November 2012, L 10 SF 5/12 ÜG, Rn. 191, juris). Wie die Entstehungsgeschichte der Vorschrift und ihr Sinn und Zweck (vgl. BT-Drucks. 17/3802, S. 1, 15, 18) bestätigen, dient sie dem Ausgleich einer Verletzung von Justizgewährleistungsvorschriften. Sie wurzelt in Art. 6 Abs. 1 EMRK (vgl. EGMR, Beschlüsse vom 2. September 2010, Nr. 46344/06, juris; 24. Juni 2010, Nr. 21423/07, juris, Rn. 32), aber auch in Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. August 2012, 1 BvR 1098/11, juris, m. w. N.). Diese Vorschriften verlangen auch eine rechtskräftige Entscheidung innerhalb einer angemessenen Frist (Urteil des Senats a.a.O., juris; Esser in Löwe / Rosenberg, Kommentar StPO, 26. Aufl., § 6 EMRK/Art. 14. IPBPR, Rn. 314; Althammer / Schäuble, NJW 2012, 1 ff., Schenke, NVwZ 2012, 257 ff.; Guckelberger, DÖV 2012, 279 ff.; Wehrhahn, SGb 2013, 63; Ulmer, SGb 2013, 527, 532).
Eine Sachentscheidung in dem Ausgangsverfahren hätte die dort Beigeladene auch nicht mit Rechtsmitteln angreifen können. Im Verhältnis zu einem einfach Beigeladenen entfaltet ein Urteil in der Regel - und so wäre es auch im vorliegenden Fall gewesen - keine materielle Beschwer; er wird nicht in seinen Rechten verletzt (Ulmer in Henning, SGG, § 75 Rn. 21, Stand: Juni 2015). Der einfach Beigeladene hat somit lediglich eine fast zuschauerähnliche Stellung.
Es ist auch tatsächlich kein Nachteil erkennbar. Die Klägerin hat weder in ihren vorbereitenden Schriftätzen noch in der mündlichen Verhandlung einen materiellen bzw. immateriellen Nachteil oder auch nur Beeinträchtigungen benannt. Sie hat lediglich vorgetragen, dass das Sozialgericht in dem Ausgangsverfahren die Beiladung damit begründet habe, dass ihre rechtlichen bzw. berechtigten Interessen berührt seien. Diese Formulierung gibt aber lediglich die im § 75 Abs. 1 SGG formulierte Voraussetzung für eine sogenannte einfache Beiladung wieder. Welche Interessen berührt sein könnten, hat das Sozialgericht nicht bezeichnet. Als berechtigtes Interesse der damaligen Beigeladenen kam lediglich das Interesse auf Klärung in Betracht, ob der damalige Beklagte (oder eine Krankenkasse) als Kostenträger für die notwendigen Krankenfahrten des damaligen Klägers in Betracht kam oder ob dieser die Fahrtkosten selbst tragen musste. Dies mag zwar für die Klägerin des vorliegenden Verfahrens eine praktische Bedeutung haben, berührt aber keine rechtlich geschützten Interessen. Es ist keine Rechtsgrundlage erkennbar oder jemals von dem Kläger des Ausgangsverfahrens oder der Klägerin des vorliegenden Verfahrens behauptet worden, nach der die Beigeladene des Ausgangsverfahrens die Fahrtkosten tragen sollte (tatsächlich anders in dem vom BSG mit Urteil vom 2. Februar 2010, B 8 SO 20/08 R, juris, entschiedenen Fall). Die stets bestehende theoretische Möglichkeit, dass zukünftig vielleicht einmal Klage erhoben werden könnte, kann niemals ausgeschlossen werden und begründet keine entschädigungspflichtige Ungewissheit. Hier hätte die Klägerin ggf. selbst eine Klage zur Feststellung der Pflicht zur Kostentragung erheben müssen. Die Klägerin hat auch weder vorgetragen noch ist es ersichtlich, dass sie Fahrtkosten tatsächlich (z.B. aus einer moralischen Verpflichtung) übernehmen wollte.
Das fehlende tatsächliche Interesse der Klägerin zeigt auch das Ausgangsverfahren. Zu keinem Zeitpunkt hat sich die Klägerin des anhängigen Verfahrens vor der Beiladung um eine Verfahrensbeteiligung bemüht oder sich im Verfahren geäußert, obgleich das Verfahren bis zur Beiladung rund 3 ½ Jahre anhängig war. Die Beiladung erfolgte aufgrund eines Antrages des Klägers des Ausgangsverfahrens. Dies indiziert eine fehlende Bedeutung des Verfahrens für die Klägerin.
Allein die Beteiligung an dem Verfahren genügt nicht. Denn der der überlangen Verfahrensdauer immanente Nachteil einer langen Ungewissheit unter der Voraussetzung überlanger Verfahrensdauer liegt naturgemäß ausnahmslos vor. Damit würde mit einer derartigen Schlussfolgerung die widerlegliche Nachteilsvermutung tatsächlich zu einer unwiderleglichen Vermutung, was der Konzeption des Gesetzes nicht entspricht (BFH, Urteil vom 20. November 2013, X K 2/12, BFHE 243, 151, Rn. 28).
Im Übrigen würde es auch an der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen überlangem Verfahren und Nachteil fehlen (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 16. August 2013, L 12 SF 4/12 EK, Rn. 33, juris; Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 63). Denn das Gerichtsverfahren konnte unabhängig von seiner Dauer nichts für die Klägerin klären und war dafür auch nicht bestimmt. Die Ungewissheit bestand damit unabhängig von dem geführten Gerichtsverfahren und dessen Dauer, wie nicht zuletzt der konkrete Verlauf zeigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO und folgt der Sachentscheidung.
Die Revision ist zuzulassen. Es bedarf der Klärung der Frage, ob ein im Ausgangsverfahren einfach Beigeladener regelmäßig keine Entschädigung wegen einer überlangen Verfahrensdauer geltend machen kann.
Die Festsetzung des Streitwertes erfolgt nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 11.100,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt als ehemals Beigeladene eine Entschädigung wegen einer überlangen Verfahrensdauer eines Klageverfahrens (bestehend aus drei verbundenen Verfahren) vor dem Sozialgericht Magdeburg (SG).
In dem führenden Verfahren (zunächst S 22 SO 55/11, später S 19 SO 55/11) erhob der Prozessbevollmächtigte des damaligen Klägers G. D., dieser vertreten durch seine Betreuerin, am 6. April 2011 Klage gegen das Land Sachsen-Anhalt, vertreten durch die Sozialagentur Sachsen-Anhalt. Klagebegehren war die Abänderung eines Bescheides vom 17. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 3. März 2011. Gegenstand der angefochtenen Entscheidung war die Ablehnung eines Antrags vom 10. Juli 2008 des im Wohnheim für Suchtkranke der Therapiegemeinschaft W. e.V. in W. untergebrachten Klägers auf Gewährung von Fahrkosten für eine medizinisch angeordnete Fahrt zur ambulanten fachärztlichen Behandlung. Zur Begründung der Ablehnung war ausführt, die Gewährung von Fahrkosten sei keine Leistung der Eingliederungshilfe. Verbunden mit der zunächst ohne Begründung erfolgten Klageerhebung war der Antrag auf Einsicht in die Verwaltungsvorgänge. Das SG übersandte dem Beklagten die Klageschrift mit einem Schriftsatz vom 11. April 2011. Am 4. Mai 2011 erfolgte der Eingang der vom Beklagen übersandten Verwaltungsvorgänge. Diese übersandte das SG mit Schreiben vom 9. Mai 2011 an den Prozessbevollmächtigten des Klägers. Mit einem am 30. Mai 2011 bei Gericht eingegangenem Schreiben reichte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Verwaltungsvorgänge wieder zurück.
In dem Verfahren S 22 SO 57/11 erhob der Prozessbevollmächtigte des damaligen Klägers G. D., dieser vertreten durch seine Betreuerin, am 6. April 2011 Klage gegen das Land Sachsen-Anhalt, vertreten durch die Sozialagentur Sachsen-Anhalt. Er wandte sich gegen die Ablehnung eines Antrags vom 25. August 2008 auf Gewährung von Fahrkosten für eine medizinisch angeordnete Fahrt zur ambulanten fachärztlichen Behandlung mit einem Bescheid vom 25. August 2008 in der Gestalt eines Widerspruchsbescheides vom 3. März 2011.
In dem Verfahren S 22 SO 59/11 erhob der Prozessbevollmächtigte des damaligen Klägers G. D., dieser vertreten durch seine Betreuerin, ebenfalls am 6. April 2011 Klage gegen das Land Sachsen-Anhalt, vertreten durch die Sozialagentur Sachsen-Anhalt, und wandte sich gegen die Ablehnung eines Antrags vom 26. August 2008 auf Gewährung von Fahrkosten für eine medizinisch angeordnete Fahrt zur ambulanten fachärztlichen Behandlung mit einem Bescheid vom 27. August 2008 in der Gestalt eines Widerspruchsbescheides vom 3. März 2011.
Mit einem am 28. Juni 2011 eingegangenen Schriftsatz erfolgte durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers eine ausführliche Klagebegründung (acht Seiten), die sich inhaltlich auf alle drei Verfahren bezog.
Das SG verband die drei Verfahren mit Beschluss vom 11. Juli 2011 unter dem führenden Aktenzeichen S 22 SO 55/11 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Die Übersendung des Beschlusses an die Beteiligten erfolgte mit Schreiben vom 14. Juli 2011, wobei für den Beklagten die Klagebegründung zur Kenntnisnahme mit übersandt wurde.
Am 2. August 2012 ging beim SG ein Schriftsatz des Prozessbevollmächtigens des Klägers ein, mit dem dieser um die Anberaumung eines Termins bat und mit einem weiteren am 10. September 2014 eingegangenem Schriftsatz erfolgte der Hinweis, dass das Verfahren für den Kläger aufgrund seines desolaten Gesundheitszustands sowie seiner schwierigen wirtschaftlichen Situation besonders dringlich sei.
Mit einem Schreiben vom 17. September 2014 informierte das SG, dass das Verfahren aufgrund eines Kammerwechsels nunmehr unter dem Aktenzeichen S 19 SO 55/11 geführt werde. Mit einem Schriftsatz vom 13. Oktober 2014 teilte das SG mit: Das Verfahren sei zur mündlichen Verhandlung vorgesehen. Aufgrund des Kammerwechsels sei eine gewisse Einarbeitungszeit erforderlich. Eine Terminierung sei für Dezember 2014/Januar 2015 vorgesehen.
Mit am 15. Oktober 2014 beim SG eingegangenem Schriftsatz beantragte der Prozessbevollmächtigte des damaligen Klägers eine Beiladung der Klägerin des hier zu entscheidenden Entschädigungsverfahrens und führte aus, diese sei Träger des Wohnheims, in dem der Kläger untergebracht sei. Der Beklagte teilte mit einem Schriftsatz vom 3. November 2014 mit, er erhebe keine Einwände gegen die Beiladung.
Mit Beschluss vom 20. November 2014 erfolgte eine einfache Beiladung nach § 75 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Mit einem am 12. Dezember 2014 beim SG eingegangenen Schriftsatz zeigte der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen an, diese zu vertreten und beantragte Akteneinsicht. Das SG übersandte mit Schreiben vom 14. Januar 2015 die Verwaltungsakten zur Einsichtnahme. Der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen sandte mit einem am 2. Februar 2015 beim SG eingegangenen Schreiben die Verwaltungsakten zurück und bat um Übersendung auch der Gerichtsakte. Diese wurde vom SG mit Schreiben vom 17. Februar 2015 übersandt und mit einem am 27. Februar 2015 beim SG eingegangenen Schreiben zurückgesandt.
Mit einem Schreiben vom 26. März 2015 fragte das SG beim Prozessbevollmächtigten der damaligen Beigeladenen an, ob noch eine Stellungnahme beabsichtigt sei. Diese könne bis zum 10. Mai 2015 erfolgen; nach Ablauf der Frist solle der Rechtsstreit einer Entscheidung zugeführt werden.
Am 10. Mai 2015 ging dann eine vierseitige Stellungnahme des Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen mit einer Anlage beim SG ein, die den anderen Beteiligten vom SG mit Schreiben vom 1. Juni 2015 zur Stellungnahme übersandt wurde.
Der Beklagte nahm mit einem am 22. Juni 2015 eingegangenen Schriftsatz fünfseitigen Schriftsatz Stellung zur Klage und zu den Ausführungen der Beigeladenen.
Mit Schreiben vom 18. Januar 2016 erfolgte die Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 16. Februar 2016. Dieser Termin wurde mit Schreiben vom 15. Februar 2016 wegen einer Erkrankung der Kammervorsitzenden wieder aufgehoben. Am 24. Februar 2016 erfolgte eine neue Ladung zur mündlichen Verhandlung für den 14. März 2016. Daraufhin teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit einem Schreiben vom 1. März 2016 mit, er könne diesen Termin nicht wahrnehmen, weil schon früher eine Ladung für einen anderen Termin am selben Tage zugegangen sei. Auch der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen teilte mit, den Termin nicht wahrnehmen zu können. Die Kammervorsitzende beim SG hob die Terminbestimmung daraufhin mit Schreiben vom 8. März 2016 auf.
Der Beklagte fragte mit Schriftsatz vom 10. März 2016 an, ob eine Entscheidung auch ohne mündliche Verhandlung erfolgen könne. Dieses Schreiben übersandte das SG den übrigen Beteiligten zur Stellungnahme.
Mit einem am 1. April 2016 eingegangenen Schriftsatz teilte der Prozessbevollmächtigte des damaligen Klägers dem SG mit, dass dieser verstorben sei und dass noch ermittelt werden müsse, ob Hinterbliebene vorhanden seien.
Mit einem am 17. August 2016 eingegangenen Schriftsatz rügte der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen eine überlange Verfahrensdauer.
Mit einem am 29. August 2016 eingegangenen Schriftsatz nahm der Prozessbevollmächtigte des damaligen Klägers die Klage zurück. Abschriften dieses Schriftsatzes wurden den Beteiligten mit Schreiben des SG vom 12. September 2016 zugestellt.
Die Beigeladene im Ausgangsverfahren (im Folgenden nunmehr als Klägerin bezeichnet) hat am 27. Februar 2017 beim hiesigen Landessozialgericht eine Klage auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) erhoben und ausgeführt: Die drei am 6. April 2011 beim SG eingegangenen Klagen hätten jeweils mehr als fünf Jahre und vier Monate gedauert. In rechtlicher Hinsicht seien die Verfahren als durchschnittlich anzusehen gewesen und in tatsächlicher Hinsicht habe es keine Besonderheiten gegeben. Die ausführliche Klagebegründung habe in den Ausgangsverfahren bereits seit dem 28. Juni 2011 vorgelegen. Abzüglich der für jedes Verfahren anzusetzenden Vorbereitungs- und Bedenkzeit von zwölf Monaten hätten bis einschließlich September 2014 entschädigungsrelevante Verzögerungen im Umfang von jeweils 24 Monaten in den drei Verfahren vorgelegen. Nach der erfolgten Beiladung seien nach Rücklauf der ihrem Prozessbevollmächtigten übersandten Prozessakten bis zur ersten Ladung am 18. Januar 2018 weitere volle sieben Monate ohne verfahrensfördernde gerichtliche Aktivitäten vergangen. Nach der zweiten Abladung hätten sich bis zur Erledigung durch Klagerücknahme weitere sechs Monate gerichtlicher Untätigkeit angeschlossen. Addiert lägen in jedem Verfahren insgesamt 37 Monate mit Phasen gerichtlicher Inaktivität vor. Dass die Beiladung erst am 20. November 2014 erfolgt sei, könne den entschädigungsrelevanten Zeitraum nicht mindern. Die Beiladung sei bereits verspätet erfolgt, weil die Voraussetzungen dafür bereits beim Eingang der Klagen vorgelegen hätten. Sofern man aber für den Beginn des entschädigungsrelevanten Zeitraums auf den Beiladungsbeschluss vom 20. November 2014 abstelle, sei von einer Zeit der gerichtlichen Untätigkeit von jeweils 13 Monaten in jedem der drei Verfahren auszugehen. Sie habe auch einen Nachteil nicht vermögensrechtlicher Art erlitten. Das SG habe selbst in dem Beiladungsbeschluss ausgeführt, dass durch die Entscheidung in den Verfahren ihre rechtlichen Interessen berührt seien, denn sie wäre nach Auffassung des beklagten Lands als subsidiäre Kostenschuldnerin in Betracht gekommen. Aus dem gemäß § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG vorgegebenen Richtwert ergebe sich eine Entschädigung von 100,00 EUR pro Monat.
Die Klägerin beantragt,
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin wegen überlanger Verfahrensdauer der vor dem Sozialgericht Magdeburg unter den Az.: S 22 SO 55/11, S 22 SO 57/11 und S 22 SO 59/11 registrierten, durch Beschluss vom 11. Juli 2011 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 22 SO 55/11 verbundenen und unter dem Aktenzeichen S 19 SO 55/11 erledigten Verfahren eine Entschädigung in Höhe von mindestens 11.100,00 EUR nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach der Vorschrift des § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuches auf diese Entschädigung seit dem 20. März 2017 zu zahlen.
hilfsweise
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin wegen überlanger Verfahrensdauer der vor dem Sozialgericht Magdeburg unter den Az.: S 22 SO 55/11, S 22 SO 57/11 und S 22 SO 59/11 registrierten, durch Beschluss vom 11. Juli 2011 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 22 SO 55/11 verbundenen und unter dem Aktenzeichen S 19 SO 55/11 erledigten Verfahren eine Entschädigung in Höhe von mindestens 3.900,00 EUR nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach der Vorschrift des § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuches auf diese Entschädigung seit dem 20. März 2017 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint: Es sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin als Beigeladene im Ausgangsverfahren deutlich weniger von dem Prozess betroffen gewesen sei als der damalige Kläger. Sie sei erst nach der Verbindung der drei Verfahren beigeladen worden. Das Verfahren unterscheide sich somit nicht von einem solchen, in dem von Anfang an eine objektive Klagehäufung vorgenommen worden sei.
Die Klägerin könne - wenn überhaupt - lediglich für Verfahrenszeiträume anspruchsberechtigt sein, in denen sie selbst auch Verfahrensbeteiligte im Ausgangsverfahren gewesen sei. Der Beiladungsbeschluss sei am 25. November 2014 zugestellt worden, so dass es für eine Entschädigung allein auf den Zeitraum November 2014 bis August 2016 ankomme. Hiervon sei dann ein Zeitraum von zwölf Monaten abzusetzen, den das Bundessozialgericht (BSG) dem jeweiligen Gericht als Vorbereitungs- und Bedenkzeit einräume. Damit ergebe sich eine potentielle Verzögerungszeit nach der Beiladung von 6 ½ Monaten. Der Zeitraum nach der Mitteilung, dass der Kläger verstorben sei, sei nicht als Verzögerungszeit einzubeziehen.
Unabhängig davon sei die Wirksamkeit der Verzögerungsrüge vom 17. August 2016 zweifelhaft. Zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin bereits gewusst, dass der damalige Kläger, der in ihrer Einrichtung gelebt habe, verstorben sei.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Akten (Gerichtsakten des Ausgangsverfahrens und die Verwaltungsakten der Sozialagentur Sachsen-Anhalt) Bezug genommen. Diese haben bei der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die auf Zahlung einer Entschädigung aufgrund einer unangemessenen Verfahrensdauer gerichtete Klage ist zulässig. Sie ist aber nicht begründet.
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft. Maßgebend für das Entschädigungsklageverfahren sind die §§ 198 ff. GVG sowie die §§ 183, 197a, 202 SGG, jeweils in der Fassung vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) und des Gesetzes vom 6. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2554). Nach § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. § 202 Satz 2 SGG sind die Vorschriften des SGG über das Verfahren im ersten Rechtszug heranzuziehen. Nach § 54 Abs. 5 SGG kann mit der Klage die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Die Klägerin stützt die begehrte Entschädigungszahlung auf § 198 GVG, wonach angemessen entschädigt wird, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet (Satz 1 der Vorschrift). Eine vorherige Verwaltungsentscheidung sieht das Gesetz nicht vor.
An der Einhaltung der in § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG normierten Frist für eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer bestehen im Ergebnis keine Zweifel.
Nach Beendigung des Ausgangsverfahrens durch die Klagerücknahme mit dem Schriftsatz vom 29. August 2016 muss die Klage gem. § 197 Abs. 5 Satz 2 GVG spätestens sechs Monate nach der Erledigung erhoben werden. Diese Frist wurde mit der Klageerhebung am 27. Februar 2017 gewahrt. Die Klage wurde auch nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach der Erhebung der Verzögerungsrüge vom 17. August 2016 erhoben (s. § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG).
Die Klage ist nicht begründet, weil die Klägerin keinen eine Entschädigungspflicht rechtfertigenden Nachteil erlitten hat. Dies betrifft sowohl den Haupt- als auch den Hilfsantrag, die sich nur in der Höhe des geltend gemachten Betrags unterscheiden.
Der allein für die Begründung des Anspruchs in Betracht kommende § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG setzt voraus, dass ein Verfahrensbeteiligter infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens einen Nachteil erleidet. Aufgrund des Fehlens eines Nachteils sieht der Senat von einer Prüfung der übrigen Anspruchsvoraussetzungen ab.
Es ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin infolge der langen Dauer des Ausgangsverfahrens einen materiellen Schaden erlitten hat. Sie hat weder die Kosten für die Krankenfahrten des damaligen Klägers endgültig getragen noch bis zu einer Klärung einer rechtlichen Verpflichtung, ob diese vom Beklagten des Ausgangsverfahrens zu tragen waren, vorgestreckt. Sie hat auch nicht vorgetragen, insofern Rückstellungen gebildet oder in sonstiger Weise einen materiellen Schaden erlitten zu haben.
Auch ein immaterieller Schaden der Klägerin ist nicht feststellbar. Nach § 198 Abs. 2 GVG wird zwar ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Diese Vermutung ist aber schon nach dem Wortlaut der genannten Vorschrift widerleglich (s hierzu: BSG, Beschluss vom 8. Januar 2018, B 10 ÜG 14/17 B, Rn. 8, juris; BSG, Urteil vom 21. Februar.2013, B 10 ÜG 1/12 KL, SozR 4-1720 § 198 Nr. 1; BSG, Urteil vom 5. Mai 2015, B 10 ÜG 5/14 R, SozR 4-1720 § 198 Nr. 12 Rn. 31 m.w.N.; Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 20. November 2013, X K 2/12, BFHE 243, 151, Rn. 26; Bundesgerichtshof - BGH -, Urteil vom 13. April 2017, III ZR 277/16, Rn. 21, juris; siehe auch Gesetzentwurf der Bundesregierung BT-Drucks 17/3802, S. 19).
Die Vermutung greift die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) auf, der eine starke, aber widerlegbare Vermutung dafür annimmt, dass ein überlanges Gerichtsverfahren in aller Regel einen immateriellen Nachteil zur Folge hat (vgl. Beschluss vom 29. März 2006, 36813/97). Widerlegt ist die Vermutung eines auf der Verfahrensdauer beruhenden immateriellen Nachteils, wenn das Entschädigungsgericht unter Berücksichtigung der vom Kläger gegebenenfalls geltend gemachten Beeinträchtigungen nach einer Gesamtbewertung bzw. Gesamtabwägung der Folgen, die die Verfahrensdauer mit sich gebracht hat, die Überzeugung gewinnt, dass die (unangemessene) Verfahrensdauer nicht zu einem Nachteil geführt hat (Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Urteil vom 29. Februar 2016, 5 C 31/15 D, DÖV 2016, 619; Röhl in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 198 GVG, Rn. 115). Es handelt sich um eine widerlegliche Tatsachenvermutung im Sinne des § 292 Satz 1 Zivilprozessordnung (BGH, Urteil vom 12. Februar 2015, III ZR 141/14, juris, Rn. 40, 41).
Hier liegt eine besondere Verfahrenskonstellation vor, die immaterielle Ersatzansprüche nach § 198 GVG ausschließt. Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf Beteiligung an dem Verfahren und damit auch keinen Anspruch auf eine zügige Entscheidung des Verfahrens.
Zu keinem Zeitpunkt hat die Klägerin die Verletzung eigener Rechte geltend gemacht; solche sind auch nicht erkennbar (tatsächlich anders lag der vom Schleswig-Holsteinisches LSG mit Urteil vom 16. August 2013, L 12 SF 4/12 EK, juris, entschiedene Fall). Das Sozialgericht hatte lediglich auf Drängen des Klägers des Ausgangsverfahrens - zutreffend - gemäß § 75 Abs. 1 SGG einfach beigeladen. Eine solche Beiladung ist nicht zwingend, sondern fakultativ. Beigeladen werden kann jeder, der ein berechtigtes Interesse an dem Rechtsstreit hat. Das Gericht hat einen sehr großen Ermessensspielraum (Gall in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 75 SGG, Rn. 34 m.w.N.). Ein solches Interesse besteht, wenn der Ausgang des Rechtsstreits für den Dritten in rechtlicher, wirtschaftlicher, tatsächlicher, kultureller, sozialer oder ideeller Hinsicht von Bedeutung sein kann (BSG, 19. Februar 1996, 6 RKa 40/93, SozR 3-1930 § 8 Nr. 2; Benkel NZS 1997, 256). Ein Anspruch auf einfache Beiladung besteht nicht und ihr Unterlassen ist regelmäßig kein Verfahrensfehler (so Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, § 75 Rn. 8b; Ulmer in Hennig, SGG, § 75 Rn. 35; Straßfeld in Roos/Wahrendorf, SGG, § 75 Rn. 307; Gall in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 75 SGG, Rn. 176; enger BSG, Urteil vom 28. September 2005, B 6 KA 71/04 R, SozR 4-2500 § 83 Nr. 2; zustimmend Fock in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 75 Rn. 14).
Eine solche Beiladung, die im Unterschied zu §§ 65, 66 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und zu § 60 Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht einmal eine rechtliche Betroffenheit erfordert, ist von dem Justizgewährleistungsanspruch und nachfolgend von dem Entschädigungsanspruch des § 198 GVG nicht erfasst. Denn dieser sieht (nur) bei Verletzung des Gebots auf einen effektiven Rechtschutz auf der Rechtsfolgenseite eine angemessene Entschädigung vor (vgl. Urteil des Senats vom 29. November 2012, L 10 SF 5/12 ÜG, Rn. 191, juris). Wie die Entstehungsgeschichte der Vorschrift und ihr Sinn und Zweck (vgl. BT-Drucks. 17/3802, S. 1, 15, 18) bestätigen, dient sie dem Ausgleich einer Verletzung von Justizgewährleistungsvorschriften. Sie wurzelt in Art. 6 Abs. 1 EMRK (vgl. EGMR, Beschlüsse vom 2. September 2010, Nr. 46344/06, juris; 24. Juni 2010, Nr. 21423/07, juris, Rn. 32), aber auch in Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. August 2012, 1 BvR 1098/11, juris, m. w. N.). Diese Vorschriften verlangen auch eine rechtskräftige Entscheidung innerhalb einer angemessenen Frist (Urteil des Senats a.a.O., juris; Esser in Löwe / Rosenberg, Kommentar StPO, 26. Aufl., § 6 EMRK/Art. 14. IPBPR, Rn. 314; Althammer / Schäuble, NJW 2012, 1 ff., Schenke, NVwZ 2012, 257 ff.; Guckelberger, DÖV 2012, 279 ff.; Wehrhahn, SGb 2013, 63; Ulmer, SGb 2013, 527, 532).
Eine Sachentscheidung in dem Ausgangsverfahren hätte die dort Beigeladene auch nicht mit Rechtsmitteln angreifen können. Im Verhältnis zu einem einfach Beigeladenen entfaltet ein Urteil in der Regel - und so wäre es auch im vorliegenden Fall gewesen - keine materielle Beschwer; er wird nicht in seinen Rechten verletzt (Ulmer in Henning, SGG, § 75 Rn. 21, Stand: Juni 2015). Der einfach Beigeladene hat somit lediglich eine fast zuschauerähnliche Stellung.
Es ist auch tatsächlich kein Nachteil erkennbar. Die Klägerin hat weder in ihren vorbereitenden Schriftätzen noch in der mündlichen Verhandlung einen materiellen bzw. immateriellen Nachteil oder auch nur Beeinträchtigungen benannt. Sie hat lediglich vorgetragen, dass das Sozialgericht in dem Ausgangsverfahren die Beiladung damit begründet habe, dass ihre rechtlichen bzw. berechtigten Interessen berührt seien. Diese Formulierung gibt aber lediglich die im § 75 Abs. 1 SGG formulierte Voraussetzung für eine sogenannte einfache Beiladung wieder. Welche Interessen berührt sein könnten, hat das Sozialgericht nicht bezeichnet. Als berechtigtes Interesse der damaligen Beigeladenen kam lediglich das Interesse auf Klärung in Betracht, ob der damalige Beklagte (oder eine Krankenkasse) als Kostenträger für die notwendigen Krankenfahrten des damaligen Klägers in Betracht kam oder ob dieser die Fahrtkosten selbst tragen musste. Dies mag zwar für die Klägerin des vorliegenden Verfahrens eine praktische Bedeutung haben, berührt aber keine rechtlich geschützten Interessen. Es ist keine Rechtsgrundlage erkennbar oder jemals von dem Kläger des Ausgangsverfahrens oder der Klägerin des vorliegenden Verfahrens behauptet worden, nach der die Beigeladene des Ausgangsverfahrens die Fahrtkosten tragen sollte (tatsächlich anders in dem vom BSG mit Urteil vom 2. Februar 2010, B 8 SO 20/08 R, juris, entschiedenen Fall). Die stets bestehende theoretische Möglichkeit, dass zukünftig vielleicht einmal Klage erhoben werden könnte, kann niemals ausgeschlossen werden und begründet keine entschädigungspflichtige Ungewissheit. Hier hätte die Klägerin ggf. selbst eine Klage zur Feststellung der Pflicht zur Kostentragung erheben müssen. Die Klägerin hat auch weder vorgetragen noch ist es ersichtlich, dass sie Fahrtkosten tatsächlich (z.B. aus einer moralischen Verpflichtung) übernehmen wollte.
Das fehlende tatsächliche Interesse der Klägerin zeigt auch das Ausgangsverfahren. Zu keinem Zeitpunkt hat sich die Klägerin des anhängigen Verfahrens vor der Beiladung um eine Verfahrensbeteiligung bemüht oder sich im Verfahren geäußert, obgleich das Verfahren bis zur Beiladung rund 3 ½ Jahre anhängig war. Die Beiladung erfolgte aufgrund eines Antrages des Klägers des Ausgangsverfahrens. Dies indiziert eine fehlende Bedeutung des Verfahrens für die Klägerin.
Allein die Beteiligung an dem Verfahren genügt nicht. Denn der der überlangen Verfahrensdauer immanente Nachteil einer langen Ungewissheit unter der Voraussetzung überlanger Verfahrensdauer liegt naturgemäß ausnahmslos vor. Damit würde mit einer derartigen Schlussfolgerung die widerlegliche Nachteilsvermutung tatsächlich zu einer unwiderleglichen Vermutung, was der Konzeption des Gesetzes nicht entspricht (BFH, Urteil vom 20. November 2013, X K 2/12, BFHE 243, 151, Rn. 28).
Im Übrigen würde es auch an der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen überlangem Verfahren und Nachteil fehlen (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 16. August 2013, L 12 SF 4/12 EK, Rn. 33, juris; Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 63). Denn das Gerichtsverfahren konnte unabhängig von seiner Dauer nichts für die Klägerin klären und war dafür auch nicht bestimmt. Die Ungewissheit bestand damit unabhängig von dem geführten Gerichtsverfahren und dessen Dauer, wie nicht zuletzt der konkrete Verlauf zeigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO und folgt der Sachentscheidung.
Die Revision ist zuzulassen. Es bedarf der Klärung der Frage, ob ein im Ausgangsverfahren einfach Beigeladener regelmäßig keine Entschädigung wegen einer überlangen Verfahrensdauer geltend machen kann.
Die Festsetzung des Streitwertes erfolgt nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
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