L 9 AS 282/13 B ER

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 16 AS 1089/12 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 282/13 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 25. März 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwältin B. aus B-Stadt wird abgelehnt.

Gründe:

Die am 15. April 2013 beim Sozialgericht Darmstadt eingegangene Beschwerde der Antragsteller mit dem sinngemäßen Antrag,

den die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 25. März 2013 aufzuheben und

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern ab 16. November 2012 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in gesetzlicher Höhe zu gewähren,

hilfsweise, den Beigeladenen im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII), hilfsweise nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), ab 16. November 2012 zu gewähren,

hat keinen Erfolg.

Die Voraussetzungen für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes liegen nicht vor. Das Sozialgericht hat daher den Antrag zu Recht abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis getroffen werden, wenn dies zur Abwehr wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht werden (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -).

Die Antragsteller haben einen Anordnungsanspruch hinsichtlich des auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II gerichteten Hauptantrages nicht glaubhaft gemacht.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II liegen hinsichtlich der Antragsteller zu 1. und 2. unzweifelhaft vor. Auch die Erwerbsfähigkeit der Antragsteller zu 1. und 2. ist vorliegend zu bejahen. Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB II kann zwar ein Ausländer nur im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB II erwerbstätig und damit auch erwerbsfähig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II sein, wenn ihm die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte. Der Gesetzgeber hat die Regelung aber zum 1. April 2011 um einen Satz 2 erweitert. Dieser bestimmt, dass für die Erwerbsfähigkeit die rechtliche Möglichkeit, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) aufzunehmen, ausreicht. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Änderung lediglich "verdeutlichen", dass - wie es aus seiner Sicht schon der früheren Praxis entsprach - ein nachrangiger Arbeitsmarktzugang ausreiche (BT-Drucks. 17/3404 S. 152). Entsprechend dieser gesetzlichen Klarstellung ist davon auszugehen, dass auch - ein Unionsbürger aus Bulgarien oder Rumänien, der noch nicht die vollständige Arbeitnehmerfreizügigkeit genießt, sondern nach § 284 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) einer Arbeitserlaubnis der Bundesagentur für Arbeit bedarf, zumindest dann erwerbsfähig im Sinne von § 8 SGB II ist, wenn dieser Erlaubnisvorbehalt allein aus Nachrangigkeitsgründen besteht und daher eine Arbeitserlaubnis-EU nach § 284 Abs. 3 SGB III i.V.m. § 39 Abs. 2 bis 4 und 6 AufenthG erteilt werden kann. Es reicht demnach ein abstrakt-genereller Arbeitsmarktzugang aus (vgl. Beschlüsse des erkennenden Senats vom 4. Januar 2013 - L 9 AS 681/12 B ER, L 9 AS 707/12 B ER und L 9 AS 781/12 B ER -; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Mai 2012 - L 3 AS 1477/11 -). Für die Antragsteller zu 3. und 4. liegen zwar die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 SGB II nicht vor, sie sind aber nach § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II leistungsberechtigt.

Vorliegend haben die Antragsteller die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II nicht glaubhaft gemacht. Insoweit fehlt es an der umfassenden Darlegung der Hilfebedürftigkeit. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Die Darlegung der Hilfebedürftigkeit erfordert vollständige, wahrheitsgemäße und nachprüfbare Angaben des Hilfesuchenden (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschlüsse vom 27. November 2007 - L 9 AS 297/07 ER -, vom 19. August 2008 - L 9 AS 226/08 B ER -, vom 18. September 2008 - L 9 AS 273/08 B ER -, vom 18. Dezember 2008 - L 9 AS 417/08 B ER - und vom 22. Dezember 2010 - L 9 AS 72/10 B ER -, vgl. bereits OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. Februar 1998 - 8 A 5181/95 - FEVS 49, 37). Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der anwaltlich vertretenen Antragsteller nicht. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsteller können nicht als hinreichend geklärt angesehen werden. Das Sozialgericht hat in dem angefochtenen Beschluss ausführlich dargelegt und begründet, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsteller, insbesondere die Einnahmen und Ausgaben aus der behaupteten selbständigen Erwerbstätigkeit der Antragstellerin zu 2., insgesamt ungeklärt sind und die Antragsteller unvollständige Angaben gemacht haben. Dieser ausführlichen Würdigung des Sozialgerichts sind die Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht entgegengetreten. Die Beschwerde wurde nicht begründet. Damit fehlt es schon an der Glaubhaftmachung der Hilfebedürftigkeit. Zur Begründung nimmt der Senat insoweit ergänzend Bezug auf die Gründe des Beschlusses des Sozialgerichts (§ 142 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Im Hinblick auf die fehlende Glaubhaftmachung der Hilfebedürftigkeit ist der Senat der Auffassung, dass die Frage, ob die Antragsteller über einen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I) in der Bundesrepublik Deutschland verfügen, im vorliegenden Eilverfahren nicht entschieden werden muss.

Auch der Hilfsantrag ist unbegründet. Die Antragsteller haben gegenüber dem Beigeladenen keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB XII oder nach dem AsylbLG glaubhaft gemacht. Ansprüche nach dem AsylbLG scheiden schon deshalb aus, weil die Antragsteller nicht zu dem leistungsberechtigten Personenkreis des § 1 Abs. 1 AsylbLG gehören. Hinsichtlich der geltend gemachten Sozialhilfeansprüche kann offen bleiben, ob das SGB XII vorliegend überhaupt anwendbar ist, ggf., ob Ansprüche ausgeschlossen sind, weil die Antragsteller in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen (§ 23 Abs. 3 SGB XII), und ob insoweit ein Anspruchsausschluss mit Europarecht vereinbar wäre. Denn die Antragsteller haben jedenfalls - wie ausgeführt - nicht glaubhaft gemacht, hilfebedürftig zu sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen nicht vor. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Sozialgerichtsgesetz - SGG - i. V. m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung - ZPO -).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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