L 1 SV 6/19 E

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 1 SV 6/19 E
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Für Entscheidungen über eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 198 SGG i.V.m. § 767 ZPO gegen die Vollstreckung einer Gerichtskostenforderung ist immer das Prozessgericht der ersten Instanz (hier: Sozialgericht) zuständig. Dies gilt selbst dann, wenn eine Kostengrundentscheidung des Landessozialgerichts im Streit steht.
2. Für die instanzielle Zurückverweisung an das Sozialgericht ist es unerheblich, ob die Vollstreckungsabwehrklage überhaupt zulässig ist.
Die Vollstreckungsabwehrklage der Klägerin vom 25. September 2018 gegen die Gerichtskostenfeststellung des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. Oktober 2016 (Verfahren Az.: L 14 R 5102/16 B ER; L 14 R 5103/16 B ER) wird an das zuständige Sozialgericht Regensburg verwiesen.

Gründe:

I.

Im Streit steht im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage die Vollziehung einer Gerichtskostenforderung vom 11.10.2016 in Höhe von 432,00 EUR.

Die Klägerin führte beim Bayerischen Landessozialgericht (nachfolgend LSG) die Beschwerdeverfahren Az.: L 14 R 5102/16 B ER und Az.: L 14 R 5103/16 B ER, in denen sie sich gegen Beschlüsse des Sozialgerichts Regensburg vom 13.06.2016 zu den Az.: S 2 R 8026/16 ER und S 2 R 8026/16 ER wandte. In den Verfahren streitig waren die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Bescheid vom 05.05.2015 sowie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 05.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2016. Gegenstand des Bescheides war eine Beitragsnachforderung der DRV Knappschaft-Bahn-See in Höhe von 8.454,98 EUR für die Zeit von Februar 2008 bis Oktober 2012 einschließlich Kosten und Säumniszuschlägen.

Das LSG wies die Beschwerden mit den Beschlüssen vom 14.09.2016 zurück, legte der Klägerin jeweils die Kosten des Verfahrens auf und setzte den Streitwert jeweils auf 2.853,16 EUR fest.

Mit Gerichtskostenfeststellung vom 11.10.2016 erfolgte gegenüber der Klägerin der Gerichtskostenansatz für die Verfahren L 14 R 5102/16 B ER und L 14 R 5103/16 B ER. Angesetzt wurde jeweils eine Gebühr nach KV-Nr. 7220 bei einem Streitwert von 2.853,16 EUR in Höhe von 216,00 EUR, insgesamt 432,00 EUR. Die Gerichtskostenfeststellung wurde am 11.10.2016 an den damaligen Bevollmächtigten der Klägerin übersandt.

Mit einem am 03.11.2016 beim LSG eingegangenen Schreiben beantragte der Ehemann der Klägerin als ihr Bevollmächtigter die Stundung der Gerichtskostenforderung und verwies auf Schriftverkehr mit dem Sozialgericht Regensburg zur Stundung der dort angefallenen Gerichtskosten. Mit gerichtlichem Schreiben vom 28.02.2017 wurde der Ehemann der Klägerin aufgefordert, kurz darzulegen, weshalb eine Begleichung der Forderung nicht möglich sei.

Mit dem am 17.07.2017 eingegangenen Schreiben wies der Bevollmächtigte auf die Stundungsbewilligung des Sozialgerichts Regensburg hin. In Anbetracht der Tatsache, dass das Sozialgericht Regensburg am 30.05.2017 in dem Verfahren Az.: S 2 R 8023/16 die Vollstreckung für unzulässig erklärt und in dem Verfahren Az.: S 2 R 8024/16 die Bescheide aufgehoben habe, habe die Beklagte die Verfahrenskosten zu tragen. Vorgelegt wurden Kopien jeweils der Seite 1 der Urteile des Sozialgerichts Regensburg vom 30.05.2017 zu den Verfahren S 2 R 8023/16 und S 2 R 8024/16. Danach wurde die Zwangsvollstreckung aus dem Bescheid vom 05.05.2015 für unzulässig erklärt und es wurden die Bescheide vom 05.05.2015 und 03.06.2015, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2016, aufgehoben. Die Kosten der Verfahren hatte danach jeweils die Beklagte zu tragen.

Mit Schreiben vom 23.08.2018 wies der Kostenbeamte des LSG auf die rechtskräftigen Kostenentscheidungen in den Beschlüssen des LSG vom 14.09.2016 hin, die mit der Gerichtskostenfeststellung vom 11.10.2016 umgesetzt seien. Es bestehe Gelegenheit zur Zahlung, anderenfalls erfolge die Beitreibung der Forderung ohne weitere Mahnung.

Der Bevollmächtigte erhob mit Schreiben vom 10.09.2018 Einwendungen gegen die beabsichtigte Fortsetzung der Zwangsvollstreckung. Die Gründe für die Stundung seien nicht weggefallen. Die Vollstreckung sei unzulässig, da mit den Urteilen des Sozialgerichts Regensburg vom 30.05.2017 der grundlegende Bescheid aufgehoben und die Zwangsvollstreckung aus dem Bescheid für unzulässig erklärt worden sei. Dies wirke zwingend auch für alle im Eilverfahren ergangenen Entscheidungen.

Mit Schreiben vom 14.09.2018 wies der Kostenbeamte des LSG nochmals auf die rechtskräftigen Beschlüsse vom 14.09.2016 hin und bat um Darlegung der finanziellen Situation der Klägerin.

Mit einem am 27.09.2018 beim LSG eingegangenen Schreiben vom 25.09.2018, das zunächst unter dem Az.: L 12 SF 356/18 E geführt worden ist, hat sich der Bevollmächtigte gegen die Kostenrechnung vom 11.10.2016 gewandt und ausgeführt, dass es sich um eine Vollstreckungsabwehrklage handele. Auch die Kosten aus abgetrennten Eil- oder Teilverfahren würden dem Ergebnis der Hauptsache unterliegen. Den Bescheid, der Anlass für die geführten Verfahren gewesen sei, habe das Sozialgericht Regensburg aufgehoben. Die der Kostenrechnung zu Grunde liegende Entscheidung sei nicht rechtskonform. Es hätte keiner Abtrennung der Verfahren bedurft, weil nach der Zivilprozessordnung (ZPO) zweifelsfrei innerhalb einer Vollstreckungsabwehrklage eine einstweilige Einstellung geboten und möglich gewesen wäre. Unbeschadet dieser Tatsachen liege ein Stundungsantrag vor. An den dort vorgetragenen Umständen habe sich außer einer gesundheitsbedingten Verschärfung nichts geändert. Die Staatsoberkasse habe die Vollstreckung versucht. Das Sozialgericht Regensburg habe am 05.10.2016 Stundung gewährt. Die einzig zutreffende Sachbehandlung sei die Niederschlagung wegen unrichtiger Sachbehandlung.

Mit weiterem Schreiben vom 22.11.2018 hat sich der Bevollmächtigte der Klägerin gegen die Behandlung der Einwendungen als Erinnerung gewandt. Keines der Schreiben sei eine Erinnerung gegen den Kostenansatz. Die Kostenrechnung sei nicht angefochten, sie habe sich nur durch die Grundsatzentscheidung des Sozialgerichts Regensburg selbst aufgehoben. Auch durch waghalsige Auslegungen sei nicht von einer Erinnerung auszugehen. Es handele sich um einen untauglichen und abenteuerlichen Ablenkungsversuch in der Annahme einer Erinnerung, um von der Bitte um dienstaufsichtliche Prüfung abzulenken.

Mit dem gerichtlichen Schreiben vom 13.12.2018 ist der Hinweis erfolgt, dass Einwendungen gegen den beizutreibenden Anspruch nach § 8 Absatz 1 Justizbeitreibungsgesetz (JBeitrG) im Verfahren der Erinnerung nach dem Gerichtskostengesetz geltend zu machen seien. Einer Behandlung der geltend gemachten Einwendungen als Erinnerung stehe aber das Schreiben des Bevollmächtigten vom 22.11.2018 entgegen.

Mit Verfügung vom 15.01.2019 wurde das Verfahren bezüglich der Vollstreckungsabwehrklage an den 1. Senat des LSG zuständigkeitshalber abgegeben und dort unter dem Az: L 1 SV 6/19 E fortgeführt.

Die Beteiligten sind mit Schreiben des Berichterstatters vom 01.02.2019 zur Verweisung des Rechtsstreits an das zuständige Sozialgericht Regensburg angehört worden. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat mit Schreiben vom 11.02.2019 eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend gemacht und einen Befangenheitsantrag gestellt. Dabei hat er nicht dargelegt, gegen welche konkrete Gerichtsperson sich der Antrag richtet. Zur beabsichtigten Verweisung des Rechtsstreits hat der Klägerbevollmächtigte keine inhaltlichen Ausführungen gemacht.

Eine Äußerung des Bezirksrevisors ist nicht erfolgt.

Ergänzend wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten in den Verfahren Az: L 1 SV 6/19 E und L 1 SV 5/19 ER.

II.

Die Vollstreckungsabwehrklage wird nach § 98 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 17a Absatz 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) an das instanziell zuständige Sozialgericht Regensburg verwiesen.

1. Die instanzielle Zuständigkeit ist ein Unterfall der sachlichen Zuständigkeit, sodass § 98 SGG zumindest entsprechend anwendbar ist (vgl. MKLS/B. Schmidt, 12. Aufl. 2017, SGG § 98 Rn. 2; BSG SozR 3-1500 § 166 Nr. 5; BSG Urteil v. 18.03.15 - B 2 U 8/13 R, NZS 15, 558; ebenso zu § 83 VwGO BVerwGE 18, 53, 58; BVerwG NVwZ 02, 992; NVwZ-RR 16, 579). Als das örtlich zuständige erstinstanzliche Gericht ist hier das Sozialgericht Regensburg (§§ 8, 57 SGG) zuständig.

Eine erstinstanzliche Zuständigkeit des Bayerischen Landessozialgerichts ist nicht gegeben. Dieses entscheidet nach § 29 Absatz 1 SGG grundsätzlich im zweiten Rechtszug über die Berufung gegen die Urteile und die Beschwerden gegen andere Entscheidungen der Sozialgerichte. Eine Berufung scheidet aus, weil die Vollstreckungsabwehrklage nicht schon Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens vor dem SG war, sondern neu zum LSG erhoben worden ist. Eine erstinstanzliche Zuständigkeit des LSG in den besonderen Verfahren nach § 29 Absatz 2 bis 4 SGG ist nicht gegeben. Weitere spezialgesetzliche Regelungen über die erstinstanzliche Zuständigkeit von Landessozialgerichten sind ebenfalls nicht einschlägig.

Vorliegend besteht nach § 198 SGG i. V. m. §§ 767, 794, 802 ZPO vielmehr eine ausschließliche Zuständigkeit des Prozessgerichts des ersten Rechtszuges. Nach § 198 SGG i. V. m. § 767 Absatz 1 ZPO sind Einwendungen, die den durch das Urteil (für sonstige Vollstreckungstitel vgl. § 794 ZPO) festgestellten Anspruch selbst betreffen, von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges (hier Sozialgericht Regensburg) geltend zu machen. Dies gilt selbst dann, wenn als Streitgegenstand - wie hier - eine Kostenentscheidung eines Landessozialgerichts betroffen ist (vgl. nur LSG Thüringen Beschluss vom 03.07.2014 - L 6 P 702/14 KL, BeckRS 2014, 71452; mwH MüKoZPO/Schmidt/Brinkmann ZPO § 767 Rn. 52). Durch Eröffnung des vollständigen Instanzenzuges wird effektiver Rechtsschutz gem. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz gewährleistet. Vorliegend handelt es sich nach dem ausdrücklichen Willen der Klägerin um eine Vollstreckungsabwehrklage (vgl. nur Schreiben vom 25.09.2018). Eine Umdeutung oder Auslegung nach §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch analog in eine Erinnerung nach § 8 Absatz 1 Satz 1 der Justizbeitreibungsordnung (JBeitrO) i. V. m. § 66 Gerichtskostengesetz, für die eine Zuständigkeit des LSG bestehen würde, kommt nicht in Betracht, weil der Prozessbevollmächtigte der Klägerin dem ausdrücklich widersprochen hat (Schreiben vom 22.11.2018 unter dem Az.: L 1 SV 5/19 ER).

Für die (Zurück-)Verweisung an das instanziell zuständige Sozialgericht Regensburg ist auch unerheblich, ob die Klage gem. § 767 ZPO überhaupt zulässig ist (vgl. hierzu BFH, Beschluss vom 15. November 2007 - IX E 11/07, OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.04.2012 - 2 U 17/11; Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 767 ZPO Rn. 7). Diese Frage hat das Sozialgericht in eigener Zuständigkeit zu entscheiden.

2. Der vom Klägerbevollmächtigten gestellte Befangenheitsantrag ist offensichtlich unzulässig. Der Klägerbevollmächtigte hätte aufzeigen müssen, weshalb und mit welcher Begründung gegen welches Mitglied des Senats die Besorgnis der Befangenheit zu befürchten ist. Eine Besorgnis der Befangenheit ist nur dann gegeben, wenn ein objektiv vernünftiger Grund vorliegt, der den Beteiligten von seinem Standpunkt aus vernünftigerweise befürchten lassen kann, der Richter werde nicht unparteiisch entscheiden (vgl. nur BSG SozR 4-1500 § 60 Nr 4 RdNr 13). Es müssen daher Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegen ablehnende Beteiligte oder auf Willkür beruht (vgl BSG aaO).

Vorliegend wurde zum einen nicht bezeichnet, gegen welches Mitglied des Senats sich der Befangenheitsantrag richtet. Eine Ablehnung eines gesamten Berufungssenats ist bereits dann missbräuchlich, wenn das Ablehnungsgesuch nicht ausreichend individualisiert wird (vgl nur BSG SozR Nr 5 zu § 42 ZPO; s auch BVerfGE 72, 51, 59). Ferner ist nicht ausreichend dargelegt worden, welches konkrete Verhalten zu einer Besorgnis der Befangenheit führen soll.

Die Rüge der Verweigerung des rechtlichen Gehörs ist angesichts der umfangreichen Stellungnahmen der Klägerin im Verfahren bereits nicht nachvollziehbar. Eine Anhörungsrüge kann während eines laufenden Verfahrens nicht zulässig erhoben worden.

Der Beschluss ist nach § 98 Satz 2 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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