L 7 AS 1048/16

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 AS 2870/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 1048/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 31.03.2016 geändert. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin unter Änderung des Bescheides vom 11.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2013 und der Bescheide vom 10.09.2012 und 23.04.2014 von Dezember 2012 bis März 2013 jeweils monatlich Unterkunfts- und Heizbedarfe in Höhe von weiteren 39,05 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu ¾ zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Unterkunfts- und Heizbedarfe vom 01.12.2012 bis 31.03.2013 streitig.

Die am 00.00.1971 geborene Klägerin ist alleinerziehende Mutter und Betreuerin ihrer am 00.00.1992 geborenen, ledigen Tochter G C. Ausweislich eines Pflegegutachtens des MDK Westfalen-Lippe vom 18.04.2005 leidet die Tochter an einer Mikrozephalie, beidseitigen Schwerhörigkeit und Sprachentwicklungsstörung. In der Jugendzeit auftretende Epilepsie- und Krampfanfälle sind nach medikamentöser Einstellung zuletzt nicht mehr aufgetreten. Bei der Tochter ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 mit den Merkzeichen G, H und B anerkannt. Die Tochter bezieht seit dem 01.12.2011 Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII einschließlich der kopfteiligen Bedarfe für Unterkunft und Heizung.

Nach der Trennung von ihrem früheren Ehemann im Oktober 2010 lebte die Klägerin mit ihrer Tochter zunächst in C. Die Klägerin zog mit ihrer Tochter Ende 2011 in eine 80 m² große Wohnung in der E Straße 00, I. Die Gesamtmiete für die Wohnung betrug 650 EUR (480 EUR Grundmiete inklusive 30 EUR für einen Pkw-Stellplatz, 85 EUR Betriebskosten, 85 EUR Heizkosten). Mit ihrer Tochter hat die Klägerin einen Untermietvertrag vom 18.11.2011 abgeschlossen, wonach die Tochter die Hälfte der Gesamtmiete von monatlich 325 EUR (240 EUR Grundmiete nebst Stellplatz, 42,50 EUR Betriebskosten, 42,50 EUR Heizkosten) an die Klägerin zu zahlen habe.

Am 16.04.2012 beantragte die Klägerin erstmalig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bei dem Beklagten. Mit bestandskräftigen Bescheiden vom 04.05.2012, 09.05.2012 und 15.06.2012 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen vom 01.04.2012 bis 30.09.2012. Darin berücksichtigte der Beklagte neben dem Regelbedarf kopfteilige Unterkunfts- und Heizbedarfe ohne Stellplatzkosten iHv monatlich 310 EUR (620 EUR: 2). Weitere Unterkunftsbedarfe iHv 310 EUR gewährte in diesem Zeitraum der beigeladene Sozialhilfeträger der Tochter. Der Kostenanteil für den Stellplatz iHv 30 EUR monatlich wurde weder vom Beklagten noch von der Beigeladenen übernommen.

Mit Schreiben vom 04.05.2012 teilte der Beklagte der Klägerin mit, die tatsächlichen Unterkunftskosten seien unangemessen und könnten längstens für sechs Monate übernommen werden. Für einen Zweipersonenhaushalt sei nach dem kommunalen Mietrichtwert maximal eine Bruttokaltmiete von 380 EUR nebst tatsächlichen Heizkosten vorgesehen. Das Ergebnis ihrer Kostensenkungsbemühungen habe die Klägerin bis zum 01.09.2012 und anschließend regelmäßig monatlich dem Beklagten nachzuweisen.

Mit Schreiben vom 10.05.2012 widersprach die Klägerin der Kostensenkungsaufforderung. Sie habe die Wohnung in der E Straße 00 in I nach ihrer Trennung von ihrem früheren Ehemann erst kurz vorher bezogen und renoviert. Zum Zwecke der Renovierung habe sie ihren Pkw verkauft. Es sei bei Einzug in die Wohnung zudem nicht absehbar gewesen, dass ihr Ex-Mann nicht in der Lage sein werde, Unterhalt zu zahlen. Die Auswahl sei dabei aus besonderen Gründen auf diese Wohnung gefallen, da es sich um eine abgeschiedene Hinterhof-Wohnung handele, bei der Störungen der Nachbarn wegen der Schreianfälle ihrer Tochter reduziert würden. In früheren Wohnverhältnissen sei der Klägerin wegen der Schreianfälle nahe gelegt worden, auszuziehen. Ein neuerlicher Wohnungsumzug sei mit einem Wechsel der Schule und Behindertenwerkstatt ihrer Tochter verbunden, was dieser aufgrund ihrer psychischen Instabilität nicht zugemutet werden könne. Ihre Tochter habe sich nach Trennung und Umzug erst jüngst an ihr neues Umfeld gewöhnen müssen. Diesen Widerspruch verwarf der Beklagte mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 15.06.2012 als unzulässig. Auf den Fortzahlungsantrag der Klägerin vom 20.08.2012 gewährte der Beklagte der Klägerin zunächst mit bestandskräftigem Bescheid vom 10.09.2012 Leistungen vom 01.10.2012 bis 30.11.2012 einschließlich kopfteiliger Unterkunfts- und Heizbedarfe iHv 310 EUR. Mit Bescheid vom 24.11.2012 erhöhte der Beklagte die Regelleistung ab dem 01.01.2013.

Mit weiterem Bescheid vom 10.09.2012 bewilligte der Beklagte vom 01.12.2012 bis 31.03.2013 Unterkunfts- und Heizbedarfe iHv (kopfteilig) 232,50 EUR ([380 EUR Bruttokaltmiete + 85 EUR Heizkosten]: 2). Die Klägerin legte hiergegen mit Schreiben vom 13.09.2012 Widerspruch ein, wobei sie im Wesentlichen ihre Stellungnahme zur Kostensenkungsaufforderung wiederholte. Nach Aufforderung durch den Beklagten reichte die Klägerin ein Attest des Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin O vom 01.10.2012 ein. Der Arzt bescheinigte der Tochter Verhaltensauffälligkeiten und eine Minderbegabung seit ihrer Geburt. Die Klägerin habe ihm berichtet, mehrere Wohnungsumzüge mit ihrer Tochter durchgeführt zu haben. In ihre Wohnung in der E Straße 00 hätten sie sich gerade eingelebt. G habe eine neue Freundin, die nicht weit von ihr wohne. Zudem sei ein Wechsel von G in eine Werkstatt zum 01.10.2012 geplant und ein Jahr später werde G in ein Wohnheim einziehen. Die Mutter befürchte, ein neuer Umzug werde G seelisch beinträchtigen. Er glaube aus medizinischer Sicht, ein neuerlicher Umzug würde aufgrund der Grunderkrankung zu einer Zunahme der Verhaltensstörung führen. Der amtsärztliche Dienst des Beklagten meinte hierzu, aus der Bescheinigung ergäben sich keine medizinischen Gründe, wonach die Tochter einen Umzug nicht verkraften würde. Gestützt hierauf wies der Beklagte den Widerspruch mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 14.11.2012 zurück.

Mit Schreiben vom 05.07.2013 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheides vom 10.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2012. Der Beklagte habe zum einen ein zu hohes Einkommen der Klägerin aus Unterhalt des Kindesvaters berücksichtigt und zu Unrecht die kopfteiligen Unterkunftskosten der Klägerin seit dem 01.12.2012 gekürzt. Der besondere Wohnbedarf der Familie aufgrund der Erkrankung der Tochter sei nicht berücksichtigt worden. Die Tochter leide an zwanghafter körperlicher Unruhe. Sie benötige daher Raum für das Ausleben dieses Bewegungsdrangs (Laufen/ Toben) und für bewegungsfördernde Geräte (Schaukel). Zudem komme es aufgrund der Krankheitssymptome immer wieder zu anhaltenden Schreikrämpfen. G habe daher einen erhöhten Raumbedarf, der insgesamt mit dem Bedarf einer weiteren im Haushalt lebenden Person gleichgesetzt werden könne. Zudem müssten die besonderen Anforderungen an die Lage der Wohnung berücksichtigt werden. Zumindest hätte der Beklagte bei der Heranziehung der Tabellenwerte nach dem WoGG einen Sicherheitszuschlag von 10 %, hier weitere 38 EUR, berücksichtigen müssen.

Mit Bescheid vom 11.07.2013 half der Beklagte dem Begehren der Klägerin hinsichtlich der Unterhaltsanrechnung ab. Hinsichtlich der Unterkunftskosten lehnte der Beklagte eine Änderung ab. Der Klägerin stünden ab dem 01.12.2012 nur kopfteilige Unterkunfts- und Heizbedarfe iHv monatlich 232,50 EUR zu. Den Widerspruch vom 08.08.2013 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.11.2013 zurück. Zwar sei die Festsetzung der Unterkunftskosten mangels ausreichender Daten nicht nach Maßgabe eines schlüssigen Konzepts erfolgt, jedoch habe der Beklagte die Richtwerte nach der Tabelle gemäß § 12 WoGG (ohne Zuschlag) herangezogen, wonach für einen Zweipersonenhaushalt eine Bruttokaltmiete von 380 EUR maßgeblich sei. Wegen der Behinderung der Tochter sei kein erhöhter Wohnflächenbedarf zu berücksichtigen. Ein solcher räumlicher Mehrbedarf könne nur bei Personen berücksichtigt werden, die dem besonderen Personenkreis der Nr. 8.2 Wohnnutzungsbestimmungen (WNB) Nordrhein-Westfalen angehören, was bei der Klägerin nicht der Fall sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 15.11.2013 Klage bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen erhoben. Die Klägerin bilde mit ihrer Tochter keine Bedarfsgemeinschaft, sodass der Unterkunftsbedarf einer Einpersonen-Bedarfsgemeinschaft maßgeblich sei. Zudem sei eine Kostenreduzierung nicht zumutbar, da die Beigeladene für die Tochter der Klägerin (kopfteilig) die tatsächlichen Unterkunftskosten berücksichtige. Es fehle zudem an einer einzelfallbezogenen Kostensenkungsaufforderung. Wegen der geistigen Behinderung und der damit verbundenen körperlichen Unruhe und des Bewegungsdrangs ihrer Tochter sei zumindest von dem Wohnflächenbedarf für einen Dreipersonenhaushalt auszugehen. Außerdem hätte der Beklagte bei der Heranziehung der Wohngeldtabellenwerte einen Sicherheitszuschlag iHv 10 % hinzuaddieren müssen.

Mit Abhilfebescheid vom 18.02.2014 hat der Beigeladene der Tochter der Klägerin auf ihren Überprüfungsantrag jeweils die Hälfte der tatsächlichen Unterkunftskosten für die Wohnung E Straße 00 (ohne Stellplatzanteil) für Dezember 2012 bis März 2013 gewährt. Mit Änderungsbescheid vom 23.04.2014 hat der Beklagte den Sicherheitszuschlag iHv 10 % zu den Werten der Wohngeldtabelle berücksichtigt und kopfteilige Unterkunfts- und Heizbedarfe iHv monatlich 251,50 EUR ([380 EUR Bruttokaltmiete + 38 EUR Sicherheitszuschlag + 85 EUR Heizkosten]: 2) von Dezember 2012 bis März 2013 berücksichtigt.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 11.07.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2013 zu verurteilen, ihr unter Abänderung des Bescheides vom 10.09.2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24.11.2012 und vom 23.04.2014 für den Zeitraum 01.12.2012 bis einschließlich 31.03.2013 für Kosten der Unterkunft und Heizung weitere Leistungen in Höhe von monatlich 58,50 EUR zu bewilligen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin bilde mit ihrer Tochter eine Bedarfsgemeinschaft, da es sich bei der Sozialhilfe nicht um ein vorgelagertes, sondern ein gleichrangiges Sicherungssystem handele. Daher sei der Mietrichtwert von einer Zweipersonenbedarfsgemeinschaft maßgeblich und kopfteilig zu übernehmen. Nach Berücksichtigung des Sicherheitszuschlags habe er die höchstangemessenen Unterkunftskosten bewilligt. Da für den streitigen Zeitraum Daten zur Erstellung eines schlüssigen Konzepts nicht vorlägen und auch nicht nachträglich erstellt werden könnten, habe der Beklagte auf die Tabellenwerte nach § 12 WoGG zurückgreifen dürfen. Die Behinderung der Tochter der Klägerin ändere an dem so ermittelten Wert nichts, denn diese begründe jedenfalls für die Klägerin keinen höheren Wohnflächenbedarf.

Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L vom 02.10.2014 eingeholt. Dieser hat von einer leichten Intelligenzminderung mit Verhaltensstörung bei der Tochter der Klägerin berichtet.

Mit Urteil vom 31.03.2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Zu Recht habe der Beklagte den Mietrichtwert für einen Zweipersonenhaushalt herangezogen, denn es bestehe zwischen der Klägerin und ihrer Tochter eine (gemischte) Bedarfsgemeinschaft. Gründe für einen größeren Wohnraumbedarf seien bei der Klägerin nicht gegeben. Mangels schlüssigem Konzept sei auf die Wohngeldtabelle nach § 12 WoGG nebst Sicherheitszuschlag abzustellen. Hieraus ergebe sich der von dem Beklagten mit Änderungsbescheid vom 23.04.2014 errechnete Kopfteil. Eine Kostensenkung, zu der die Klägerin von dem Beklagten mit Schreiben vom 04.05.2012 aufgefordert worden sei, sei der Klägerin möglich und zumutbar gewesen.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 11.05.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 31.05.2016 Berufung eingelegt. Die Tochter bilde mit der Klägerin keine Bedarfsgemeinschaft. Da die Tochter Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII bedarfsdeckend erhalte, könne sie die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aus eigenem Einkommen beschaffen. Daher gehöre sie gem. § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II nicht zur Bedarfsgemeinschaft der Mutter. In Anwendung der Grundsätze des Urteils des BSG vom 25.04.2018 - B 14 AS 14/17 R sei hinsichtlich des Wohnflächenbedarfs allein auf die Klägerin abzustellen. Zudem habe die Klägerin aufgrund der Behinderung der Tochter einen eigenen erhöhten Raumbedarf. Ein Umzug sei unzumutbar, da die Beigeladene die Unterkunftskosten für die Tochter in voller kopfteiliger Höhe anerkannt habe. Dies müsse sich auch auf die Klägerin auswirken. In einem Erörterungstermin am 18.05.2017 hat die Klägerin die behinderungsbedingten Belastungen beim Zusammenleben mit der Tochter in einem Haushalt geschildert.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 31.03.2016 zu ändern und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 11.07.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2013 zu verurteilen, ihr unter Abänderung des Bescheides vom 10.09.2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23.04.2014 für den Zeitraum von Dezember 2012 bis März 2013 für Kosten der Unterkunft und Heizung weitere Leistungen in Höhe von monatlich 58,50 EUR zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte meint, ein erhöhter Platzbedarf sei allein für die Tochter anzuerkennen, nicht für die Klägerin. Da die Beigeladene die vollen kopfteiligen Unterkunftskosten für die Tochter berücksichtige, sei der behinderungsbedingte Mehrbedarf ausreichend anerkannt. Eine weitere Erhöhung des Raumbedarfs durch den Beklagten scheide aus. Der Beklagte hat hinsichtlich der nicht gegebenen Möglichkeit, für den streitigen Zeitraum gültige Daten zur Ermittlung eines schlüssigen Konzepts zu den angemessenen Unterkunftskosten zu erstellen, seine Fachbereichsverfügung Angemessene Kosten der Unterkunft" vom 29.10.2015 vorgelegt. Hierin wird ausgeführt: "Vorliegend sind die Erkenntnismöglichkeiten zur Überzeugung der Stadt I ausgeschöpft. Die Stadt I kann nicht glaubhaft machen, dass ihr hinreichende Daten vorliegen würden, die zur Auswertung im Sinne eines schlüssigen Konzepts geeignet wären. Auch ist nicht ersichtlich, dass entsprechende Daten mittelfristig erhoben werden könnten ( ...) Es wurde festgestellt, dass für I die Daten in der von Bundessozialgericht geforderten Qualität und detailliertem Umfang für I nicht existieren. Auch die Zensus-Befragung 2011 hat nicht die erforderlichen Daten gebracht, da die entsprechenden Merkmale nicht abgefragt wurden".

Der Senat hat ärztliche Berichte über die Tochter der Klägerin eingeholt. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L, der die Tochter seit Mai 2011 behandelt, hat unter dem 29.06.2018 von einer mittelgradigen Intelligenzminderung mit Verhaltensstörung, leichter depressiven Episode und Schlafstörungen berichtet. Der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin O hat der Tochter, die er von 2001 bis 2013 behandelte, in seinem Bericht vom 10.07.2018 u.a. eine geistige Behinderung, Verhaltens- und Emotionsstörung bei einem Zustand nach Epilepsie sowie eine beidseitige Innenohrschwerhörigkeit attestiert. Aufgrund ihrer geistigen Behinderung seien der Tochter einige Routine- und Alltagstätigkeiten nicht möglich. Auf einen Rollstuhl sei sie nicht angewiesen und ein Umzug sei ihr unter Hilfe möglich gewesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist zum Teil begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage vollumfänglich abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig iSd § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG. Auf den Überprüfungsantrag der Klägerin sind die Bescheide zu ändern und der Klägerin für den Zeitraum vom 01.12.2012 bis 31.03.2013 monatlich weitere 39,05 EUR Unterkunfts- und Heizbedarfe, insgesamt 156,20 EUR, zuzusprechen.

Streitgegenstand des Verfahrens ist ein Anspruch der Klägerin auf Aufhebung der Ablehnung der Rücknahme der Bescheide vom 10.09.2012 und 23.04.2014 (Ablehnungsbescheid vom 11.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2013; der Änderungsbescheid vom 23.04.2014 ist gem. § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden), die Verpflichtung des Beklagten zu Änderung der Bewilligungsbescheide und die Zahlung höherer Unterkunftskosten von Dezember 2012 bis März 2013. Die Klägerin verfolgt dieses Begehren zutreffend mit der Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG; hierzu BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R). Die Klägerin hat den Rechtsstreit, was zulässig ist, auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung beschränkt (hierzu nur BSG Urteil vom 16.06.2015 - B 4 AS 37/14 R).

Ein Verwaltungsakt ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II iVm § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

Die Bescheide vom 10.09.2012 und 23.04.2014 sind rechtswidrig, weil der Beklagte zu Unrecht Unterkunfts- und Heizbedarfe lediglich iHv 251,50 EUR bewilligt hat. Die Klägerin hat einen Anspruch auf weitere Unterkunftskosten iHv monatlich 39,05 EUR.

Die Klägerin hat in dem zu überprüfenden Zeitraum dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Leistungen erhalten gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht vollendet haben (Nr. 1), erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig (Nr. 3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Die Klägerin erfüllt, wie vom Beklagten in den zur Überprüfung stehenden Leistungsbescheiden zutreffend festgestellt wird, diese Voraussetzungen und es lag kein Ausschlusstatbestand vor.

Den hieraus folgenden Anspruch der Klägerin auf Unterkunfts- und Heizbedarfe hat der Beklagte nicht in dem zustehenden Umfang gewährt.

Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Tatsächlich waren von der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum monatlich Unterkunfts- und Heizkosten iHv 650 EUR an ihren Vermieter zu erbringen. Die Kosten für den Stellplatz waren nach dem Mietvertrag Bestandteil der Grundmiete, sodass sie im Rahmen der tatsächlichen Aufwendungen nach § 22 Abs. 1 SGB II grundsätzlich berücksichtigt werden können, soweit eine gesonderte Kündigung des Stellplatzes - wie vorliegend - nicht möglich ist (vgl. BSG Urteile vom 06.08.2014 - B 4 AS 37/13 R und vom 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R).

Die Gesamtunterkunftskosten sind iHv 581,10 EUR angemessen. Der Begriff der Angemessenheit unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Nach gefestigter Rechtsprechung des BSG ist auf die Bruttokaltmiete als einheitliche Angemessenheitsgrenze abzustellen (zusammenfassend BSG Beschluss vom 02.04.2014 - B 4 AS 17/14 B; Urteil des Senats vom 06.09.2018 - L 7 AS 744/17). Die Bruttokaltmiete ist aus einer abstrakt angemessenen Grundmiete und abstrakt angemessenen Betriebskosten zu bilden. Die abstrakte Angemessenheitsgrenze ist nach der "Produkttheorie" durch Multiplikation der angemessenen Wohnfläche mit der angemessenen Bruttokaltmiete je Quadratmeter im örtlichen Vergleichsraum zu ermitteln (vgl. nur BSG Urteile vom 12.12.2017 - B 4 AS 33/16 R und vom 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R; Urteile des Senats vom 22.02.2018 - L 7 AS 2042/15, vom 29.10.2015 - L 7 AS 1310/11 und vom 24.11.2016 - L 7 AS 723/16). Hinzu kommen die angemessenen Heizkosten.

Die Angemessenheit der Unterkunfts- und Heizbedarfe richtet sich nach den Mietobergrenzen für eine zweiköpfige Bedarfsgemeinschaft (BSG Urteil vom 25.04.2018 - B 14 AS 14/17 R). Zutreffend hat das Sozialgericht eine (gemischte) Bedarfsgemeinschaft zwischen der Klägerin und ihrer Tochter angenommen. Nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II gehören zur Bedarfsgemeinschaft die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können. Die Tochter der Klägerin hatte im streitigen Zeitraum das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet, war unverheiratet und gehörte dem Haushalt der Klägerin, einer erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nach § 7 Abs. 3 Nr. 1 SGB II, an. Sie konnte die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht aus eigenen Einkommen und Vermögen beschaffen, denn sie bezog aufgrund ihrer Hilfebedürftigkeit Leistungen nach dem SGB XII. Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel SGB XII sind kein eigenes Einkommen iSv §§ 7, 11 SGB II. Dies folgt aus der Wertung des § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II, wonach Leistungen "nach diesem Buch" nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind. Die Vorschrift ist entsprechend auf die hier von der Tochter bezogenen Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII anzuwenden, weil andernfalls die Zuordnung zur Bedarfsgemeinschaft und damit die Höhe der angemessenen Unterkunftskosten von wertungsmäßig nicht zu rechtfertigen zufälligen Umständen des Einzelfalls abhängig wären. Würde die Tochter - zB wegen anzurechnenden Einkommens, das nach den Vorschriften des SGB XII berechnet zu einem Wegfall der Hilfebedürftigkeit iSd SGB XII führt - keinen Anspruch auf Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII haben, könnte sie gem. § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II Sozialgeld beanspruchen (hierzu ausführlich BSG Urteil vom 28.11.2018 - B 4 AS 46/17 R). Da diese Leistung gem. § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II ausdrücklich nicht als Einkommen anzusehen wäre, gilt dies entsprechend für die alternativ mit demselben Sicherungszweck gewährten Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII.

Für einen Zwei-Personen-Haushalt ist in Nordrhein-Westfalen grundsätzlich eine Wohnfläche von 65 m² angemessen (vgl. Urteil des Senats vom 22.02.2018 - L 7 AS 2042/15; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 12.10.2017 - L 19 AS 502/16). Diese grundsätzlich angemessene Wohnungsgröße ist aufgrund der Behinderung der Tochter auch für die Klägerin im streitigen Zeitraum zu erhöhen.

Die Frage des erhöhten Raumbedarfs ist im Einzelfall zu klären, sodass sich pauschale Lösungen verbieten (LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 17.06.2008 - L 20 B 225/07 AS ER; LSG Schleswig-Holstein Beschluss vom 04.08.2010 - L 11 AS 105/10 B; für § 22b Abs. 3 SGB II Luik, in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl., § 22b Rn. 14). Der Umstand, dass der Gesetzgeber einen besonderen Wohnbedarf wegen einer Behinderung grundsätzlich anerkennt, folgt aus § 22b Abs. 3 SGB II. Hiernach soll bei Erlass einer Satzung über die angemessenen Wohnkosten für Personen mit einem besonderen Bedarf für Unterkunft und Heizung eine Sonderregelung getroffen werden. Dies gilt insbesondere für Personen, die einen erhöhten Raumbedarf wegen einer Behinderung haben (§ 22b Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB II). Obwohl es sich insoweit nur um eine normative Vorgabe für den Inhalt von Satzungen gemäß § 22a SGB II handelt, weist die Regelung doch darauf hin, dass der Gesetzgeber diesen Bedarf grundsätzlich anerkennt (Urteil des Senats vom 06.09.2018 - L 7 AS 744/17). Zwar betrifft § 22b Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB II ausdrücklich nur den Wohnbedarf der behinderten Person selbst. Es handelt sich jedoch nur um ein Regelbeispiel für einen erhöhten Wohnbedarf ("insbesondere"). Die Anerkennung eines erhöhten Wohnbedarfs einer Person, die mit einem Menschen mit Behinderung zusammen lebt, wird - abweichend von der Meinung des Beklagten - hierdurch nicht ausgeschlossen. Aus den medizinischen Befundberichten geht hervor, dass die Tochter an einer Verhaltensstörung leidet, die mit einer motorischen Unruhe und einem Bewegungsdrang verbunden ist, die sich in der Kindheit und Jugend der Tochter in Epilepsie- und Schreianfällen manifestiert hat. Auch wenn die Epilepsie therapeutisch und medikamentös im streitgegenständlichen Leistungszeitraum gut eingestellt war, ist es gleichwohl nachvollziehbar, dass motorische Bewegungszwänge und Hyperaktivitäten der Tochter verblieben sind, wie sie von der Klägerin glaubhaft im Erörterungstermin vom 18.05.2017 geschildert wurden. Lebensnah betrachtet führt das Zusammenleben der Klägerin mit ihrer Tochter damit dazu, dass auch der Klägerin selbst ein gegenüber Personen, die nicht mit Menschen mit dem Störungsbild der Tochter zusammenleben, erhöhter Platzbedarf zur Ermöglichung einer gesunden räumlichen Distanzierung zugestanden werden muss, zumal die Klägerin selbst schwerbehindert ist und an einer Krebserkrankung leidet. Dies gilt insbesondere, weil die Klägerin alleinerziehend ist, was einen erhöhten Wohnflächenbedarf auslösen kann (vgl. hierzu BSG Urteil vom 16.04.2013 - B 14 AS 28/12 R) und auch nach der vom Beklagten selbst herangezogenen Ziffer 8.2 der Wohnraumnutzungsbestimmungen (WNB) Nordrhein-Westfalen einen zusätzlichen Raumbedarf rechtfertigen kann. Aktenkundig ist schließlich, dass die Tochter seit Geburt an einer beidseitigen Hörbehinderung leidet, sodass sie - wie die Klägerin nachvollziehbar im Erörterungstermin vom 18.05.2017 geschildert hat - sehr laut redet. Auch vor diesem Hintergrund ist ein räumlicher Mehrbedarf geboten, um der Klägerin Rückzugs- und Ruheräume zu ermöglichen, zumal auch Eigenbeschäftigungen der Tochter (Fernsehen, Musikhören) mit einer erheblichen Hörbelastung verbunden sein dürften. Der Senat orientiert sich bei der Festlegung des Umfangs des Mehrbedarfs an den WNB Nordrhein-Westfalen, in denen unter Ziffer 8.2 für Schwerbehinderte ein mindestens anzuerkennender weiterer Wohnflächenbedarf von 15 m² vorgesehen ist, sodass der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin insgesamt 80 m² (65 + 15) Wohnfläche zustanden.

Hinsichtlich der Ermittlung der angemessenen Bruttokaltmiete je Quadratmeter liegt ein Erkenntnisausfall vor. Der Beklagte hat nachvollziehbar durch Vorlage seiner Fachbereichsverfügung vom 29.10.2015 dargelegt, dass die umfassende Ermittlung und Auswertung von Daten zur Erstellung eines schlüssigen Konzepts im Sinne der BSG-Rechtsprechung (vgl. zu den Mindestvoraussetzungen eines schlüssigen Konzepts BSG Urteil vom 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R) nicht möglich ist. Versuche, entsprechende Daten unter Einschaltung der Wohnungsverwaltung, des Fachbereichs der Stadt I für Statistik und des Gutachterausschusses unter Zugrundelegung der für den Mietspiegel erfassten Daten zu erheben, sind gescheitert. Auch die Zensus-Befragung 2011 hat nicht die erforderlichen Daten gebracht, da entsprechende Daten nicht abgefragt worden sind. Diese Daten können wegen des Zeitablaufs nicht mehr erbracht werden. Unter diesen Umständen kann für den hier streitigen Zeitraum mit verhältnismäßigem Aufwand ein schlüssiges Konzept auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse und Daten nicht entwickelt werden. Der Erkenntnisausfall hinsichtlich der angemessenen Referenzmiete macht den Rückgriff auf die Tabellenwerte des § 12 WoGG zzgl. eines Sicherheitszuschlags erforderlich (BSG Urteile vom 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R und vom 25.04.2018 - B 14 AS 14/17 R).

Vorliegend entspricht der Raumbedarf der Klägerin und ihrer Tochter von insgesamt 80 m² dem Wohnflächenbedarf einer dreiköpfigen Bedarfsgemeinschaft. Daher ist bei dem Tabellenwert nach § 12 WoGG in der hier maßgeblichen Fassung vom 09.12.2010 auf drei zu berücksichtigende Haushaltsmitglieder abzustellen. Dass § 12 WoGG auf den Wohnflächenbedarf von Personen und anders als die Produkttheorie nicht auf eine nach Quadratmeter bemessene Wohnfläche abstellt, ist unbeachtlich. Denn die Anwendung der Wohngeldtabelle erfolgt als Behelfsmittel aufgrund eines Erkenntnisausfalls und daher nur in entsprechender Anwendung. Da für I gemäß der Anlage 1 zu § 1 Abs. 3 WoGV die Mietstufe 2 anzusetzen ist, ist für Wohnraum bis 80 m² im streitgegenständlichen Leistungszeitraum eine Höchstbetrag von 451 EUR für die Bruttokaltmiete zu berücksichtigen. Zuzüglich eines 10 %-igen Sicherheitszuschlags sind 496,10 EUR (451 EUR + 45,10 EUR) Bruttokaltmiete für die Bedarfsgemeinschaft der Klägerin und ihrer Tochter als angemessen anzusehen. Hinzu kommen die tatsächlichen Heizkosten, die durchgehend monatlich 85 EUR betrugen und an deren Angemessenheit weder Zweifel bestehen noch von dem Beklagten geltend gemacht werden. Der Klägerin und ihrer Tochter stehen mithin insgesamt 581,10 EUR (496,10 EUR + 85 EUR) zu.

Diese Gesamtunterkunfts- und Heizbedarfe sind in der Bedarfsgemeinschaft zwischen der Klägerin und ihrer Tochter nach Kopfteilen gleichmäßig zu verteilen, sodass auf die Klägerin monatlich 290,55 EUR entfallen. Von dem Kopfteilprinzip ist vorliegend nicht abzuweichen. Hintergrund für dieses auf das BVerwG (Urteil vom 21.01.1988 - 5 C 68/85) zurückgehende Kopfteilprinzip sind Gründe der Verwaltungsvereinfachung sowie die Überlegung, dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen deren Unterkunftsbedarf dem Grunde nach abdeckt und in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen nicht zulässt (BSG Urteil vom 22.08.2013 - B 14 AS 85/12 R; Urteil des Senats vom 22.02.2018 - L 7 AS 2042/18; Luik, in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl., § 22 Rn. 70 ff). So verhält es sich auch hier, denn anders als der Beklagte meint, ist - wie bereits dargelegt - der räumliche Mehrbedarf nicht ausschließlich der Tochter zuzuordnen.

Hieraus folgt, dass der Klägerin kopfteilige Unterkunfts- und Heizbedarfe iHv monatlich 290,55 EUR zustehen. Da der Beklagte hiervon zuletzt nur 251,50 EUR erbracht hat, stehen der Klägerin monatlich weitere 39,05 EUR, mithin insgesamt 156,20 EUR (4 x 39,05 EUR) zu.

Einen darüber hinausgehenden Anspruch hat die Klägerin auch nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II nicht. Zwar sind hiernach Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung, die den angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, jedoch kann dieser befristete Bestandschutz nach der gesetzlichen Regel längstens für sechs Monate beansprucht werden. Da die Kostensenkungsaufforderung vom 04.05.2012 der Klägerin unstreitig spätestens am 10.05.2012 (Datum des Widerspruchsschreibens) zugegangen ist, hat der Beklagte der Klägerin sogar eine Schonfrist von mehr als sechs Monate eingeräumt. Dass ein Umzug unmöglich und/oder unzumutbar war, ist bereits dadurch widerlegt, dass die Klägerin unstreitig 2013 umgezogen ist. Aus dem Befundbericht von Herrn O ergibt sich zudem, dass die Tochter trotz ihrer Behinderung mit Hilfe in der Lage war, umzuziehen. Die Kostensenkungsaufforderung berücksichtigt zutreffend eine Mietobergrenze für eine Mehrpersonenbedarfsgemeinschaft, was angesichts der hier vorliegenden gemischten Bedarfsgemeinschaft nicht zu beanstanden ist. Zwar sind die von dem Beklagten herangezogenen Mietrichtwerte - wie dargelegt - unzureichend, jedoch ist dies unschädlich, denn eine Kostensenkungsaufforderung ist lediglich ein Informationsschreiben mit Aufklärungs- und Warnfunktion, das einen "Eintritt in den Dialog" eröffnen soll (BSG Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R). Die Unmöglichkeit einer Kostensenkung kann vorliegen, wenn der Grundsicherungsträger - anders als im vorliegenden Fall - dem Hilfeempfänger zur Angemessenheit der Unterkunftskosten über die als angemessen angesehene Referenzmiete hinaus unrichtige Richtgrößen (Parameter) mitteilt und der Hilfeempfänger gerade deshalb keine angemessene Wohnung findet. Nur wenn diese Angaben dazu führen, dass der Hilfeempfänger mit den falschen Parametern oder auf dem falschen Wohnungsmarkt sucht und er auf Grund dessen keine Wohnung zur angegebenen Referenzmiete finden kann, bleibt der Grundsicherungsträger auf Grund des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II zur Übernahme auch zu hoher KdU verpflichtet, bis der Irrtum des Hilfeempfängers oder die Unmöglichkeit von Kostensenkungsmaßnahmen auf sonstige Weise beseitigt ist (BSG Urteil vom 19.02.209 - B 4 AS 30/09 R). Andernfalls müsste entgegen der Intention des Gesetzgebers, die zustehenden Unterkunftskosten grundsätzlich auf den angemessenen Betrag zu begrenzen, der Grundsicherungsträger gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II stets die vollen Unterkunftskosten zusprechen, wenn er bei der Ermittlung der Mietrichtwerte falsche Grundlagen anwendet und die Mietrichtwerte im Laufe eines Klageverfahrens angepasst werden.

Schließlich kann die Klägerin nicht deshalb eine volle Kostenübernahme verlangen, weil die Unterkunftskosten der Tochter von der Beigeladenen als Sozialhilfeträger (ohne Stellplatzkosten) kopfteilig übernommen wurden. Die Lebenssituation der Klägerin und ihrer Tochter ist hier nicht anders als in Haushaltsgemeinschaften, in denen ein Teil der Bewohner aus eigenem Einkommen seinen Unterkunftsanteil bestreiten kann. So ist eine Kostensenkungsaufforderung an einen Elternteil auch dann zulässig, wenn die in der gemeinsamen Wohnung lebenden Kinder ihren Lebensunterhalt aufgrund von Einkommen bestreiten können und daher nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehören. Erst recht gilt dies für eine gemischte Bedarfsgemeinschaft, in der alle Mitglieder ihren Unterkunftsanteil aus staatlichen Transferleistungen beziehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Revisionszulassungsgründe iSv § 160 Abs. 2 SGG nicht vorlagen.
Rechtskraft
Aus
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