L 9 U 79/17

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 225/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 U 79/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 6/19 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein Hinterbliebener nach § 64 Abs. 1 SGB VII hat nur dann einen Anspruch auf Sterbegeld, wenn er im Sinne des § 64 Abs. 3 SGB VII die Kosten der Bestattung trägt.
2. Eine Kostentragung nach § 64 Abs. 3 SGB VII liegt jedenfalls nicht vor, wenn eine Person lediglich eine schuldrechtliche Zahlungspflicht begründet, ohne tatsächlich Zahlungen zu leisten oder gesetzlich zur Kostentragung verpflichtet zu sein.
3. Die Anwendbarkeit von § 64 Abs. 4 SGB VII setzt voraus, dass entweder kein Hinterbliebener nach § 64 Abs. 1 SGB VII existiert oder keiner der dort Genannten die Bestattungskosten im Sinne des § 64 Abs. 3 SGB VII trägt.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 21. April 2017 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin auch für das Berufungsverfahren die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Bewilligung von Sterbegeld.

Die Klägerin war die nichteheliche Lebensgefährtin des 1965 geborenen Versicherten E. C. (im Folgenden: Versicherter). Der Beigeladene ist dessen Vater. Der Versicherte war geschieden und hatte mit seiner früheren Ehefrau zwei gemeinsame Kinder.

Am xx. xxx 2014 verstarb der Versicherte in Folge einer von der Beklagten anerkannten Berufskrankheit (BK) Nr. 4105 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV). Alleinerbin des Versicherten wurde die Klägerin.

Der Beigeladene beauftragte daraufhin das Bestattungsinstitut F. mit der Bestattung, die Firma G. & H. mit der Anfertigung der Grabplatte und die Firma J. mit der Schmückung von Sarg und Trauerhalle. Am xx. Mai 2014 fand die Beerdigung statt. Unter dem 22. Mai 2014 beantragte der Beigeladene bei der Beklagten die Auszahlung von Sterbegeld und teilte mit, dass er die Bestattungskosten getragen habe.

Auf die jeweiligen an den Beigeladenen adressierten Rechnungen der von ihm beauftragten Betriebe veranlasste dieser Überweisungen vom Girokonto des Versicherten (Sparkasse A-Stadt, Kto.-Nr. xxx1). Eine Verfügungsberechtigung für dieses Konto hatte der Beigeladene nicht. Das Konto wurde zugunsten der Firma F. (auf die Rechnung vom 23. Mai 2014) am 26. Mai 2014 mit 2.535,53 Euro belastet. Am 3. Juni 2014 wurde von dem Konto (auf die Rechnung vom 23. Mai 2014) ein Betrag zugunsten der Firma J. in Höhe von 140,00 Euro abgebucht. Zugunsten der Firma G. & H. erfolgte (auf die Rechnung vom 23. Mai 2014) am 24. Juni 2014 eine Belastung des Kontos in Höhe von 1.274,49 Euro.

Die Beklagte bewilligte dem Beigeladenen mit Bescheid vom 1. Juli 2014 Sterbegeld in Höhe von insgesamt 4.740,00 Euro und zahlte es an ihn aus.

Am 9. Dezember 2014 erteilte das Amtsgericht Darmstadt - Nachlassgericht - (43 VI 872/14 [2014]) einen Erbschein, nach dem die Klägerin Alleinerbin des Versicherten geworden ist.

Am 8. Januar 2015 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Leistungen anlässlich des Todes des Versicherten. Mit Bescheid vom 26. März 2015 lehnte die Beklagte sowohl die Bewilligung von Verletztengeld als auch die Bewilligung von Sterbegeld gegenüber der Klägerin ab. Zur Begründung führte sie aus, ein Anspruch auf den Verletztengeldspitzbetrag habe die Klägerin nicht. Denn nicht sie, sondern der Beigeladene sei Sonderrechtsnachfolger nach § 56 Abs. 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I). Ein Anspruch der Klägerin auf Sterbegeld bestehe ebenfalls nicht, da sämtliche Bestattungsrechnungen an den Beigeladenen "gegangen seien", welcher schriftlich bestätigt habe, dass er die Bestattungskosten getragen habe, so dass die Beklagte die Leistung zu Recht erbracht und befreiend ausgezahlt habe. Bestattungsrechnungen, welche an die Klägerin "gegangen seien", seien nicht vorgelegt worden. Hieraus folge, dass die Klägerin die Kosten der Bestattung nicht getragen habe. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 9. April 2015 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, sie habe mit dem Versicherten einen gemeinsamen Haushalt geführt, während der Beigeladene in einer davon getrennten Wohnung gelebt habe, so dass sie Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten geworden sei. Hinsichtlich ihres Anspruchs auf Sterbegeld seien die Kosten aus dem Nachlass, nämlich dem Konto des Versicherten entnommen worden. Daher sei das Sterbegeld an die Klägerin als Erbin auszuzahlen. § 64 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) stelle darauf ab, wer die Bestattungs- und Überführungskosten trage. Die Adressierung einer Rechnung könne allenfalls ein Anhaltspunkt sein. Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2015 bewilligte die Beklagte der Klägerin einen Verletztengeldbetrag in Höhe von 5.416,80 Euro und wies den Widerspruch hinsichtlich des Sterbegeldes zurück. Letzteres begründete sie damit, dass bei der Zahlung des Sterbegeldes von der Berufsgenossenschaft als Erbringerin der Sozialleistungen nicht zu prüfen sei, wie derjenige, der die Kosten der Bestattung getragen hat, diese bezahlt habe.

Am 22. Dezember 2015 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Darmstadt erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ihren Vortrag aus dem Vorverfahren wiederholt. Der Beigeladene hat vorgetragen, dass er zunächst davon ausgegangen sei, als Vater Erbe des Versicherten geworden zu sein, da ihm von einem Testament nichts bekannt gewesen sei. Aus diesem Grunde habe er sich um die Beerdigung gekümmert und die Rechnungen vom Konto des Versicherten beglichen. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass sie sich darauf verlassen können müsse, dass der Rechnungsadressat Träger der Kosten sei, weil andernfalls nicht hinnehmbare Verzögerungen bei der Zahlung von Sterbegeld entstünden.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 21. April 2017 den Bescheid vom 26. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2015 abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin 3.950,02 Euro Sterbegeld zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass demjenigen das Sterbegeld zustehe, der die Kosten für die Bestattung und Überführung getragen habe. Dies sei vorliegend nicht der Beigeladene, sondern die Klägerin gewesen, da durch die Minderung des Nachlasses bei ihr unmittelbar eine Vermögensminderung eingetreten sei. Denn diese sei Erbin des Versicherten geworden. Wenn Rechnungsadressat (Kostenschuldner) und Leistender auseinanderfielen, komme es letztlich darauf an, bei wem eine Vermögensminderung eingetreten sei. Die Einwendungen der Beklagten seien demgegenüber rein praktischer Natur und könnten durch Zahlungen unter Vorbehalt oder Zuwarten bis zur Klärung der Erbfolge begegnet werden. Letztlich bestünde auch die Möglichkeit einer Rückforderung nach § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), wenn ein Antragsteller falsche Angaben mache.

Die Beklagte hat am 9. Mai 2017 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Sie trägt vor, der Beigeladene habe sich durch Vertragsschluss mit dem Bestattungsunternehmen verpflichtet, die Kosten des Auftrags zu übernehmen. Hierdurch sei er zum Besorger der Bestattung geworden. Es sei somit ein Schuldverhältnis zwischen ihm und dem Bestattungsunternehmen entstanden. Hierdurch sei er zum Anspruchsberechtigten nach § 64 Abs. 3 SGB VII geworden. Diese Vorschrift diene lediglich dazu, die Rangfolge der Anspruchsberechtigten nach § 64 Abs. 1 SGB VII zu regeln, sei aber keinesfalls Argument für Ansprüche nachrangig Berechtigter nach § 64 Abs. 4 SGB VII. Aus welchen Mitteln ein Anspruchsberechtigter die Kosten der Bestattung beglichen habe, habe keinen Einfluss darauf, ob er zum Besorger der Bestattung geworden sei. Sofern die Kosten nicht von seinem Konto, sondern vom Konto eines Dritten (Nachlasskonto) bestritten worden seien, betreffe dies ausschließlich das Innenverhältnis zwischen dem Beigeladenen und der Klägerin. Im Außenverhältnis zur Beklagten gehöre der Beigeladene zum privilegierten Personenkreis. Er sei darüber hinaus als Anspruchsberechtigter Besorger der Bestattung nach § 64 Abs. 3 SGB VII aufgetreten. Durch die Regelung des § 64 Abs. 1 SGB VII sei ein Anspruchsschuldverhältnis zwischen dem Beigeladenen und der Beklagten begründet worden. Dieses Schuldverhältnis beinhalte die Gewährung von Sterbegeld in Höhe eines Siebtels der im Zeitpunkt des Todes geltenden Bezugsgröße. Nach dem Willen des Gesetzgebers seien hierbei erbrechtliche Vorschriften nicht beachtlich. Andernfalls - so die Beklagte - hätte der Gesetzgeber, wie in anderen Vorschriften des SGB VII (zum Beispiel § 66), dies eindeutig eingeführt. Langwierige Entscheidungsprozesse wie zum Beispiel die Klärung von Erbansprüchen stünden damit bei der Bewilligung von Sterbegeld nicht im Vordergrund. Insoweit sei auch die nachträgliche Einsetzung eines Erben als Anspruchsberechtigten nach § 64 Abs. 4 SGB VII nicht statthaft. Die Klägerin sei zu keinem Zeitpunkt Trägerin der Bestattung gewesen und habe auch nicht aktiv als Besorgerin dazu beigetragen, zumal in dem Zeitpunkt, in dem die Bestattungskosten zu tragen gewesen seien, ihre Erbberechtigung noch nicht festgestanden habe. Sie sei auch nicht Trägerin der Bestattungskosten im Sinne des § 64 Abs. 4 SGB VII, weil dies ein Vertragsverhältnis mit den Leistungserbringern voraussetze. Für die Auffassung der Beklagten spreche zudem das Beschleunigungsgebot nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I. Soweit die Klägerin der Auffassung sei, dass sie durch die Entnahme der Bestattungskosten aus dem Nachlass des Versicherten in ihrem Erbe einen vermögenswerten Nachteil erlitten habe, stehe es ihr frei, diesen gegenüber dem Beigeladenen geltend zu machen. Dass das Sterbegeld nicht ausschließlich als Aufwendungsersatz zu sehen sei, folge daraus, dass es der Höhe nach auf ein Siebtel der im Zeitpunkt des Todes geltenden Bezugsgröße festgelegt sei und darüber hinaus auch dann an die Hinterbliebenen gezahlt werde, wenn eine Bestattung nicht stattfinde, weil der Versicherte beispielweise ertrunken, verschollen oder für tot erklärt worden sei. Zudem sei das Sterbegeld ohne weitere Prüfung der aufgewandten Bestattungskosten zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 21. April 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Beigeladene
stellt keinen Antrag.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Ergänzend zu ihrem Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren trägt sie vor, dass zivilrechtlich der Erbe nach § 1968 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verpflichtet sei, die Kosten der Beerdigung zu tragen. Der beerdigungskostenverauslagende Totenfürsorgeberechtigte oder auch ein Dritter habe auf dieser Grundlage einen Erstattungsanspruch gegen den Nachlass bzw. die Erben. Mit der von dem Beigeladenen vorgenommenen Entnahme der Kosten aus dem Nachlass sei dieser zivilrechtlichen Vorgabe entsprochen worden. Die Klägerin habe als Erbin damit die Bestattungskosten getragen. § 64 Abs. 3 SGB VII stelle klar, dass anspruchsberechtigt nur Personen seien, welche die Bestattungskosten tatsächlich getragen hätten. § 64 Abs. 4 SGB VII erfasse gerade auch die Fälle, in denen zwar Angehörige nach Absatz 1 existierten, diese aber keine Bestattungs- und Überführungskosten getragen hätten. Die Differenzierung des Kreises der Anspruchsberechtigten, die in den Regelungen des § 64 Abs. 1 SGB VII einerseits und § 64 Abs. 4 SGB VII andererseits ihren Ausdruck finde, beziehe sich auf die unterschiedliche Anspruchshöhe. Die Klägerin trägt weiter vor, dass es ihr aufgrund von § 13 Hessisches Friedhofs- und Bestattungsgesetz nicht möglich gewesen wäre, die Bestattung des Versicherten zu veranlassen, da dort als für die Totenfürsorge Verpflichtete lediglich die Angehörigen aufgezählt würden. Zudem stelle § 64 SGB VII nicht auf die "Besorgung" der Bestattung ab, sondern auf die Tragung der Kosten, mithin auf die wirtschaftliche Übernahme des Bestattungsaufwandes. Die Auffassung der Beklagten führe dazu, dass ein regelrechter Wettlauf um die Bestattung einsetzen könne, in dem gerade Hinterbliebene, die nicht Erben geworden seien, schleunigst die Bestattung veranlassen, die dafür erforderlichen Mittel aufgrund faktischer Möglichkeiten dem Nachlass entnehmen, um darüber hinaus auch noch das Sterbegeld zu vereinnahmen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Beklagtenakte Bezug genommen, die der Entscheidung zugrunde gelegen haben.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung, über die ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, ist zulässig, aber unbegründet.

1. Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben, §§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

2. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht die Beklagte zur Bewilligung von Sterbegeld in Höhe von 3.950,02 Euro verurteilt.

Denn die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthafte (§ 54 Abs. 1, 4 SGG) und auch im Übrigen zulässige Klage ist begründet.

Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 64 Abs. 4 SGB VII. Sowohl die in § 63 SGB VII (a) als auch die in § 64 SGB VII (b) geregelten Anspruchsvoraussetzungen liegen vor.

a) Nach § 63 Abs. 1 SGB VII haben Hinterbliebene Anspruch auf Sterbegeld (Satz 1 Nr. 1), wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalles eingetreten ist (Satz 2). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Denn der Versicherte ist infolge der von der Beklagten anerkannten BK Nr. 4105 BKV verstorben.

Wer Hinterbliebener ist, wird allerdings nicht durch § 63 SGB VII, sondern durch die jeweiligen Regelungen für die einzelnen Ansprüche nach den §§ 64 ff. SGB VII geregelt, ist also in Zusammenschau mit der jeweiligen Leistungsart zu beurteilen (LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8. Februar 2001 - L 2 KN 168/00 U -, juris, Rn. 19). Hingegen hat der Begriff des Hinterbliebenen in § 589 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) eine andere Bedeutung. Nach § 589 Abs. 1 RVO werden in den Nummern 1 und 2 abschließend die Ansprüche auf Sterbegeld und Überführungskosten geregelt, ohne den Begriff des Hinterbliebenen zu benutzen. Dieser wird erst in § 589 Abs. 1 Nr. 3 RVO verwandt, wonach vom Todestage an den Hinterbliebenen eine Rente nach den §§ 590 - 599 zu gewähren ist. Der so mit einer Rentenberechtigung verknüpfte Begriff des Hinterbliebenen lässt sich nicht auf den § 63 SGB VII übertragen (LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8. Februar 2001 - L 2 KN 168/00 U -, juris, Rn. 20).

b) Nach § 64 Abs. 4 SGB VII werden die Bestattungskosten bis zur Höhe des Sterbegeldes nach Abs. 1 an denjenigen gezahlt, der diese Kosten trägt, wenn ein Anspruchsberechtigter nach Abs. 1 nicht vorhanden ist. Der zum 1. August 2001 durch das Gesetz zur Organisationsform in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (BGBl. I 2001 Seite 1600) eingefügte Abs. 4 erstreckt den Anspruch auf Erstattung der Bestattungskosten auf Dritte, die nicht zum Kreise der Anspruchsberechtigten nach Abs. 1 gehören. Für diese Personengruppe war vorher eine Anspruchsberechtigung umstritten (siehe dazu Mülheims, SGb 1997, 513). Berechtigte nach § 64 Abs. 4 SGB VII können Personen beliebiger Art sein, egal ob sie zur Kostentragung verpflichtet sind wie zum Beispiel nach § 1968 BGB die Erben oder nicht wie zum Beispiel Lebensgefährten, Bekannte, Freunde, Arbeitgeber (Ricke, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 64 SGB VII Rn. 13, Stand: Juni 2015).

Die Voraussetzungen des § 64 Abs. 4 SGB VII liegen vor. Ein Anspruchsberechtigter nach § 64 Abs. 1 SGB VII ist nicht vorhanden (1) und die Klägerin hat die Bestattungskosten getragen (2).

(1) Ein Anspruchsberechtigter nach § 64 Abs. 1 SGB VII ist nicht vorhanden.

Nach § 64 Abs. 1 SGB VII erhalten Witwen, Witwer, Kinder, Stiefkinder, Pflegekinder, Enkel, Geschwister, frühere Ehegatten und Verwandte der aufsteigenden Linie der Versicherten Sterbegeld in Höhe eines Siebtels der im Zeitpunkt des Todes geltenden Bezugsgröße.

Der Beigeladene ist zwar Verwandter der aufsteigenden Linie. Eine Anspruchsberechtigung nach § 64 Abs. 1 SGB VII setzt allerdings zusätzlich voraus, dass auch die Voraussetzungen des § 64 Abs. 3 SGB VII erfüllt sind. Mithin ist ein Anspruchsberechtigter nach § 64 Abs. 1 SGB VII nicht vorhanden, wenn entweder keiner der dort aufgezählten Hinterbliebenen existiert oder ein solcher keine Kosten getragen hat (ganz h. M., zum Beispiel Saarländisches OLG, Urteil vom 20. März 2014 - 4 U 64/13 , juris, Rn. 32; Ricke, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 64 SGB VII Rn. 13, Stand: September 2018; Mertens, in: Eichenhofer/Wenner, SGB VII, 2010, § 64 Rn. 18; a. A. wohl nur Schmitt, SGB VII, 4. Aufl. 2009, § 64 Rn. 14). Nach § 64 Abs. 3 SGB VII wird das Sterbegeld an denjenigen Berechtigten gezahlt, der die Bestattungskosten trägt. Weder der Beigeladene noch ein sonstiger Hinterbliebener im Sinne des § 64 Abs. 1 SGB VII hat jedoch die Bestattungskosten getragen.

Hierbei kann dahinstehen, ob eine Kostentragung im Sinne des § 63 Abs. 3 SGB VII (bereits) vorliegt, wenn eine Person die Kosten kraft Gesetzes nach bürgerlich-rechtlichen Vorschriften zu tragen hat (so die Rechtsprechung des BSG zu der inzwischen aufgehobenen Regelung des § 58 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), siehe Urteil vom 11. Oktober 1994 - 1 RK 38/93 -, juris, Rn. 13; in diese Richtung auch Saarländisches OLG, Urteil vom 20. März 2014 - 4 U 64/13 -, juris, Rn. 32), wenn die Bestattungskosten zu Lasten einer Person und auf deren Rechnung gehen (Riebel, in: Hauck/Noftz, SGB VII, § 64 Rn. 19, Stand: 01/04) oder ob eine Kostentragung in diesem Sinne nur vorliegt, wenn eine entsprechende Zahlungen tatsächlich geleistet wurden (so zum Beispiel Ziegler, in: Becker/Franke/Molkentin (Hrsg.), SGB VII, 5. Aufl. 2018, § 64 Rn. 9, 11; Jentsch, in: jurisPK-SGB VII, § 64 Rn. 16, Stand: 15.03.2014; Schmitt, SGB VII, 4. Aufl. 2009, § 64 Rn. 13; Ricke, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 64 SGB VII Rn. 10, Stand: Juni 2015, der aber abweichend in Rn. 11 ausführt, dass maßgeblich sei, ob die Person Zahlungen geleistet oder sich zu ihnen verpflichtet habe). Denn kein Hinterbliebener im Sinne des § 64 Abs. 1 SGB VII hat die Kosten der Bestattung tatsächlich getragen oder war hierzu kraft Gesetzes nach bürgerlich-rechtlichen Vorschriften verpflichtet.

Gesetzlich verpflichtet zur Kostentragung war ausschließlich die Klägerin als Alleinerbin nach § 1968 BGB. Danach trägt der Erbe die Kosten der Beerdigung des Erblassers. Eine Pflicht eines Unterhaltsberechtigten zur Zahlung der Beerdigungskosten nach §§ 1360a Abs. 3, 1615 Abs. 2 BGB bestand hingegen nicht.

Die Klägerin hat auch die Kosten tatsächlich getragen. Denn die Zahlungen wurden von dem Konto des Verstorbenen angewiesen. Das Guthaben auf diesem Konto ist der Klägerin als Alleinerbin zugefallen. Nach § 1922 Abs. 1 BGB geht mit dem Tode einer Person deren Vermögen als Ganzes auf eine oder mehrere Personen über (Gesamtrechtsnachfolge). Dadurch tritt der Erbe auch in das Rechtsverhältnis zur Bank ein; das beim Erbfall vorhandene Guthaben steht dem Erben zu (Weidlich, in: Palandt (Begr.), BGB, 78. Aufl. 2019, § 1922 Rn. 30).

Entgegen der Auffassung der Beklagten bedarf es keiner ausdrücklichen Aufnahme von zivilrechtlichen Vorschriften in den Gesetzestext einer unfallversicherungsrechtlichen Vorschrift, um die zivilrechtliche Rechtslage als maßgeblich anzusehen. Dies ist vielmehr eine Frage der Gesetzesauslegung.

Hingegen ist der bloße Umstand, dass die Rechnungen hinsichtlich der jeweiligen Bestattungskosten an den Beigeladenen adressiert waren und dieser die Aufträge erteilt hat, nicht ausreichend, um eine Tragung der Bestattungskosten anzunehmen. Die bloße Begründung einer schuldrechtlichen Verpflichtung zur Tragung der Beerdigungskosten stellt keine Kostentragung im Sinne des § 63 Abs. 3 SGB VII dar (abweichend Ricke, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 64 SGB VII Rn. 11, Stand: September 2018). Dafür spricht neben dem Wortlaut auch der Sinn und Zweck der Norm. Anders als die in den §§ 65 ff. SGB VII aufgeführten Leistungen hat das Sterbegeld keine Unterhalts-, sondern eine Aufwendungsersatzfunktion und soll mithin demjenigen, der Kosten für die Beerdigung eines verstorbenen Versicherten getragen hat, (pauschaliert) die Aufwendungen ersetzen (LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8. Februar 2001 - L 2 KN 168/00 U -, juris, Rn. 18). Auch die pauschale Bewilligung von Sterbegeld nach § 64 Abs. 1 SGB VII will den finanziellen Aufwand einer Beerdigung ausgleichen. Der Betrag von 1/7 der Bezugsgröße (nach § 18 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (- SGB IV -) entspricht nämlich den in etwa üblichen Ausgaben für eine Bestattung (Keller, in: Hauck/Noftz, SGB VII, § 64 Rn. 9, Stand: 01/04). Zudem könnte sich bei einem anderen Verständnis jeder der Hinterbliebenen im Sinne des § 63 Abs. 1 SGB VII einen Anspruch auf Sterbegeld verschaffen, indem er auf eigene Rechnung einen Bestattungsunternehmer beauftragt. Es bestünde dann die Gefahr eines "Wettlaufs" um das Sterbegeld in den Fällen, in denen das pauschalierte Sterbegeld die Bestattungskosten übersteigt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt etwas anderes auch nicht aus dem Umstand, dass das Sterbegeld auch dann beansprucht werden kann, wenn keine Bestattung stattfindet, insbesondere wegen Nichtauffindens der Leiche. Denn das Sterbegeld deckt als Pauschale auch Kosten zum Beispiel für Todesanzeigen und Trauergottesdienste ab, die auch in diesem Falle entstehen (vgl. Ricke, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 64 SGB VII Rn. 10, Stand: Juni 2015). Solche Aufwendungen genügen für die Begründung des Anspruchs auf Sterbegeld, sind aber auch erforderlich (Mertens, in: Eichenhofer/Wenner, SGB VII, 2010, § 64 Rn. 15).

Unerheblich ist, ob die Beklagte im Zeitpunkt der Zahlung an den Beigeladenen die erbrechtliche Situation gekannt hat. Entscheidend ist allein, dass die Klägerin mit dem Tod des Versicherten Alleinerbin geworden ist. Bei entsprechenden Unklarheiten ist der Unfallversicherungsträger gehalten, Leistungen unter Vorbehalt zu bewilligen.

Sofern die Beklagte die Auffassung vertritt, dass es wegen ihrer Pflicht zur zeitnahen Entscheidung über das Sterbegeld ausreichend sei, lediglich darauf abzustellen, wer der Rechnungsadressat sei, verkennt sie, dass dieser Aspekt die rechtlich vorgegebenen Anspruchsvoraussetzungen nicht modifizieren kann. Maßgeblicher Zeitpunkt für deren Beurteilung ist derjenige der letzten mündlichen Verhandlung oder - bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung - derjenige der gerichtlichen Entscheidung. Spätestens mit Erteilung des Erbscheins am 9. Dezember 2014 und damit jedenfalls noch vor der Ausgangsentscheidung gegenüber der Klägerin war zudem klar, dass die Klägerin Alleinerbin geworden ist.

(2) Mithin liegt auch die weitere Anspruchsvoraussetzung des § 64 Abs. 4, 3 SGB VII, dass die Klägerin die Bestattungskosten getragen hat, vor.

Nicht zu entscheiden hat der Senat über die Frage, wie eine Bewilligung von Sterbegeld zu erfolgen hat, wenn mehrere Berechtigte die Kosten getragen haben (siehe dazu zum Beispiel Ziegler, in: Becker/Franke/Molkentin (Hrsg.), SGB VII, 5. Aufl. 2007, § 64 Rn. 12). Diese Rechtsfrage ist nicht erheblich. Denn vorliegend hat die Klägerin sämtliche Kosten getragen.

Der Anspruch besteht in Höhe der tatsächlichen Bestattungskosten bis zur Höhe des Sterbegeldes nach § 64 Abs. 1 SGB VII. Mithin kann die Klägerin die Zahlung von Sterbegeld in Höhe von 3.950,02 Euro beanspruchen.

Der Anspruch der Klägerin auf Sterbegeld wurde schließlich auch nicht durch die Zahlung an den Beigeladenen erfüllt. Denn die Beklagte hat an einen Nichtberechtigten geleistet.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

III. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Die Frage, wann eine Kostentragung nach § 64 Abs. 3 SGB VII vorliegt, hat Bedeutung über den Einzelfall hinaus und ist bislang nicht geklärt.
Rechtskraft
Aus
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