L 17 U 143/16

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 18 U 118/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 143/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 08.01.2016 teilweise abgeändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 09.10.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2014 verurteilt, dem Kläger ab dem 01.01.1996 höhere Verletztenrente zu zahlen und dabei den ab dem 01.04.1989 nach § 573 Abs. 3 RVO angepassten, erhöhten Jahresarbeitsverdienst eines Studienassessors im Hessischen Landesdienst zugrunde zu legen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte trägt 3/4 der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Jahresarbeitsverdienstes (JAV) als Grundlage für die Berechnung der Verletztenrente des Klägers.

Der am 00.00.1954 geborene Kläger erlitt am 02.04.1965 im Rahmen einer Tätigkeit als Zeitungsausträger einen Fahrradunfall, bei dem er sich eine schwere offene Schädel-Hirn-Verletzung zuzog. Zu dieser Zeit war er Schüler an einer Volksschule. Aufgrund dieses Arbeitsunfalls wurde dem Kläger Verletztenrente gewährt, welche zunächst nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 v.H. berechnet wurde. Der Kläger beendete seine Schullaufbahn 1974 mit Erlangung der allgemeinen Hochschulreife an einem Wirtschaftsgymnasium, wobei er nach seinem Unfall zweimal eine Klasse wiederholt hatte. Im Jahre 1975 begann er ein Lehramtsstudium. Mit Bescheid vom 09.01.1976 setzte die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Berufsgenossenschaft Druck und Papierverarbeitung (im Folgenden: Beklagte), den JAV auf den Ortslohn eines Versicherten ab Vollendung des 21. Lebensjahres fest. Im Jahre 1979 unterbrach der Kläger sein Lehramtsstudium anlässlich eines Aufenthaltes als "Teaching Assistant" in den USA, setzte es 1980 fort und wurde auf seinen Antrag hin 1982 exmatrikuliert, wobei er finanzielle und gesundheitliche Gründe angab. Im Jahre 1984 begann er ein Studium der Rechtswissenschaft, im Jahr 1989 exmatrikulierte er sich ohne Abschluss.

Am 14.05.1984 beantragte der Kläger die Neufeststellung seines JAV nach § 573 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO). Zur Begründung führte er an, dass er ohne den Unfall Realschule und Wirtschaftsgymnasium früher abgeschlossen hätte und sein Studium mit erstem Examen sowie nach dem Referendariat sein zweites Examen absolviert hätte, sodass er zum 01.08.1979 als Studienrat eingestellt worden wäre. Mit Bescheid vom 14.09.1984 lehnte die Beklagte eine Neufestsetzung des JAV ab, da der Kläger tatsächlich keine Berufsausbildung abgeschlossen habe und bereits zu Beginn des Studiums festgestanden habe, dass er dieses wegen seiner unfallbedingten Gesichtsfeldeinschränkung nicht hätte erfolgreich abschließen können. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Studienwechsel 1984 und dem Unfall bestehe nicht. Ein voraussichtlicher Beendigungszeitpunkt könne ebenfalls nicht benannt werden.

Hiergegen erhob der Kläger am 10.10.1984 Klage beim Sozialgericht (SG) Frankfurt am Main (S 4 U 260/84). In der mündlichen Verhandlung vom 19.08.1987 schlossen die Beteiligten einen Vergleich mit folgendem Wortlaut:

"Der Vertreter der Beklagten erklärt:

Der Bescheid vom 14.09.1984 wird aufgehoben. Die Beklagte wird bei der Berechnung des JAV des Klägers ab 01.12.1982 von dem zu diesem Zeitpunkt festgesetzten Gehalt eines Studienassessors im Hessischen Landesdienst ausgehen und dem Kläger einen entsprechenden Bescheid erteilen.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers erklärt mit dessen Einverständnis:

Ich bin einverstanden. Weitere Ansprüche werden hinsichtlich der Berechnung des JAV des Klägers nicht mehr geltend gemacht.
Die anhängige Klage nehme ich zurück.
Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind."

Mit Ausführungsbescheid vom 28.10.1987 setzte die Beklagte den JAV des Klägers nach der Besoldungsstufe A 13 fest und berechnete die Rente rückwirkend zum 01.12.1982 unter Berücksichtigung einer MdE von 80 v.H. neu. Ab dem 01.04.1989 bezog der Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE um 100 v.H.

Mit Urteil vom 15.12.2009 (L 3 U 233/06) bestätigte sodann das Hessische Landessozialgericht (LSG) ein Urteil des SG Wiesbaden vom 15.09.2006, welches die Beklagte verurteilt hatte, dem Kläger wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 02.04.1965 mit Wirkung vom 01.04.1989 eine um 10 v.H. erhöhte Rente gemäß § 582 RVO (Schwerverletztenzulage) zu gewähren. Die Voraussetzung des § 582 RVO, nämlich dass der Kläger auf Dauer überhaupt keiner Erwerbstätigkeit nachgehen könne, sei erfüllt. Dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers völlig erloschen sei, folge aus dem neurologischen Gutachten von PD Dr. W, Oberarzt an der Neurologischen Universitätsklinik N, vom 01.12.2000 mit mehreren Zusatzgutachten, eingeholt im Rahmen der Beweisaufnahme des gleichen Senats des Hessischen LSG im Parallelverfahren L 3 U 96 / 98 betreffend die Feststellung einer MdE von 100 v.H. ab dem 01.04.1989. Auf das im letztgenannten Verfahren ergangene Urteil vom 12.12.2001 und die diesem zugrunde liegenden Sachverständigengutachten wird Bezug genommen.

Bereits zuvor, am 27.11.2000, hatte der Kläger bei der Beklagten eine Erhöhung des JAV beantragt. Er bat um umfassende Prüfung aller Möglichkeiten der Erhöhung des JAV. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 11.05.2001 eine Erhöhung des JAV unter Bezugnahme auf den gerichtlichen Vergleich vom 19.08.1987 ab. In einem deswegen vor dem SG Wiesbaden geführten Klageverfahren (S 13 U 589/01) vertrat der Kläger die Ansicht, der JAV sei bereits zum 01.06.1980 zu erhöhen gewesen. Auch habe er mit Vollendung des 25. Lebensjahres erhöht werden müssen. Der gerichtliche Vergleich müsse deshalb korrigiert werden. Sinngemäß beantragte der Kläger seinerzeit, die Verurteilung der Beklagten zur Bescheidung, hilfsweise die Feststellung der Nichtigkeit des Bescheides vom 11.05.2001. Die Berufung gegen das klageabweisende Urteil vom 06.05.2002 wies das Hessische LSG mit Urteil vom 25.03.2014 (L 3 U 42/10, zuvor L 11 U 584/02) zurück und führte zur Begründung u.a. aus, soweit der Kläger nach § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch -SGB X- i.V.m. § 573 Abs. 3 der Reichsversicherungsordnung -RVO-, § 90 Abs. 3 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch -SGB VII- eine Anhebung des Jahresarbeitsverdienstes verlange, sei die Klage mangels einer anfechtbaren Verwaltungsentscheidung unzulässig. Es könne deshalb offenbleiben, ob der zum 01.04.1989 eingetretene Wegfall der Erwerbsfähigkeit des Klägers dazu führe, dass der gerichtliche Vergleich vom 19.08.1987 und der dazu ergangene Ausführungsbescheid vom 28.10.1987 gemäß § 48 SGB X anzupassen seien. Hierüber werde die Beklagte noch zu entscheiden haben.

Mit Bescheid vom 09.10.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2014 lehnte die Beklagte eine "Erhöhung und Neufeststellung des mit gerichtlichem Vergleich vom 19.08.1987 festgestellten Jahresarbeitsverdienstes" ab. Zur Begründung führte sie an, bereits in dem zu dem Vergleich führenden Verfahren vor dem SG Frankfurt sei streitig gewesen, ob prognostisch ein Abschluss einer Berufsausbildung zu erwarten gewesen wäre. Diese prognostische Unsicherheit sei durch den Vergleich vom 19.08.1987 in der Weise beseitigt worden, dass der Berechnung das Gehalt eines Studienassessors im hessischen Landesdienst zugrunde gelegt und keine weiteren zukünftigen Ansprüche hinsichtlich der Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes mehr geltend gemacht würden. Mit dieser abschließenden günstigen Regelung für den Kläger sei Rechtssicherheit geschaffen worden.

Hiergegen hat sich die vor Bescheiderteilung durch die Beklagte zunächst als Untätigkeitsklage am 25.09.2014 erhobene Klage gerichtet, die der Kläger sodann auf eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage umgestellt und die das zunächst angerufene SG Wiesbaden mit Beschluss vom 16.03.2015 an das örtlich zuständige SG Köln verwiesen hat.

Der Kläger hat vorgetragen, bei der Berechnung seiner Verletztenrente sei ein höherer JAV zugrunde zu legen. Bei Abschluss des Vergleichs habe er nicht auf zukünftig eintretende und unvorhersehbare Ansprüche verzichten wollen. Eine wesentliche Änderung sei insoweit eingetreten, als er ab April 1989 keiner Erwerbstätigkeit mehr habe nachgehen können. Zudem sei der JAV jeweils entsprechend den gesetzlichen Erhöhungen des Besoldungsgesetzes ab dem jeweiligen Dienstalter eines Studienrats z. A. im hessischen Landesdienst anzupassen gewesen.

Das SG ist von dem Antrag des Klägers ausgegangen,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.10.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2014 zu verurteilen, bei der Berechnung der ihm zustehenden Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab April 1989 einen höheren Jahresarbeitsverdienst zugrunde zu legen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, aufgrund des Vergleichs sei eine Anpassung des Jahresarbeitsverdienstes nicht vorzunehmen.

Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 08.01.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei zulässig, aber nicht begründet, denn der wirksame Vergleich vom 19.08.1987 stehe einer Neufestsetzung nach § 48 SGB X entgegen. Die Voraussetzungen für eine Anpassung oder Kündigung des Vergleichsvertrages nach § 59 Abs. 1 SGB X lägen nicht vor. Auf die weitere Urteilsbegründung wird Bezug genommen.

Gegen das ihm am 27.01.2016 an seinem Wohnsitz in Thailand zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 02.03.2016. Er meint, aufgrund der Änderung im tatsächlichen Unfallfolgenzustand ab 01.04.1989 sei eine Veränderung der materiell-rechtlichen Verhältnisse eingetreten. Eine Erhöhung nach § 573 Abs. 3 RVO sei bereits mit Antrag vom 20.11.2000 begehrt worden, als um umfassende Prüfung aller Möglichkeiten zur Erhöhung des JAV und Beratung gebeten worden sei. Die Leistung sei ab Eintritt der Veränderungen am 01.04.1989 zu erbringen. Der Vergleich sei im Jahr 1987 auch vor dem Hintergrund geschlossen worden, dass er zu diesem Zeitpunkt noch Rechtswissenschaften studiert habe. Eine erneute Festsetzung des JAV im Hinblick auf den zu erwartenden Abschluss habe durch den Vergleich ausgeschlossen werden sollen. Ein Ausschluss von Erhöhungen des mit Vergleich festgesetzten JAV wegen Änderungen im Unfallfolgenzustand oder der Rentenentwicklung sei damals weder erörtert noch vereinbart worden, dies sei auch nicht Verfahrensgegenstand gewesen. Wäre es damals nur um die Höhe des JAV gegangen, hätte auch ein fixer Betrag ab einem gewissen Zeitpunkt vereinbart werden können. Auch nach dem Vergleich habe die Beklagte im Übrigen den JAV jedes Jahr aufgrund von Rentenanpassungen "neu" berechnet. Ein Ausschluss von Erhöhungen nach § 573 Abs. 3 RVO bzw. § 90 Abs. 3 SGB VII habe im Vergleich nicht vereinbart werden können, da dieser sich nur auf den Klagegegenstand beziehe. Durch die Klagerücknahme sei auf die Erhöhung des JAV für die Zeit vor dem 01.12.1982 verzichtet worden. Mit dem Vergleich sei allenfalls der Ausschluss der Festsetzung einer neuen Berechnungsgrundlage für die zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses gegebene Perspektive eines erfolgreichen Berufsabschlusses zu einem späteren Zeitpunkt vereinbart worden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 08.01.2016 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2014 zu verurteilen, ihm eine höhere Rente zu zahlen und hierbei

1. ab dem 01.04.1989 den nach § 573 Abs. 3 RVO erhöhten Jahresverdienst eines Studienassessors im Hessischen Landesdienst zugrunde zu legen sowie

2. unter Aufhebung der Festsetzung des Höchstwertes des Rechts auf Rente im Verwaltungsakt vom 28.10.1987 ab 01.01.1984 (Vollendung des 30. Lebensjahres) einen höheren Wert dieses Rechts unter Zugrundelegung des mit dem Vergleich vom 19.08.1987 bestimmten Gehalts eines Studienassessors im Hessischen Landesdienst festzusetzen

hilfsweise,

die Beklagte zu verpflichten, den JAV aus der Vergleichsperspektive voraussichtliches Ausbildungsende der Berufsausbildung Rechtswissenschaften Staatsexamen neu festzusetzen und ihm eine dementsprechend höhere Rente zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält ihren Bescheid für zutreffend. Durch den Vergleich vom 19.08.1987 seien alle eventuell weiteren Ansprüche hinsichtlich der Berechnung des JAV ausgeschlossen. Überdies seien Unfallfolgen für den Abbruch des damaligen Studiums nicht maßgeblich gewesen. Die Voraussetzungen des § 573 Abs. 3 RVO lägen nicht vor, da der Unfall nicht maßgebend dafür gewesen sei, dass keine Erwerbstätigkeit aufgenommen worden sei. Für die Zeit vor dem 01.01.2009 beruft sie sich auf Verjährung.

Mit Schreiben vom 27.06.2017 hat der Senat um fiktive Neuberechnung des JAV auf Basis des § 573 Abs. 3 RVO gebeten. Die Beklagte hat daraufhin eine entsprechende fiktive Berechnung für die Zeit ab dem 01.12.1982 bis zum 01.04.1995 übersandt und darauf hingewiesen, es komme erst ab dem 01.01.1985 zu einer Erhöhung des JAV.

Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 13.11.2018 (Kläger) und vom 11.06.2018 (Beklagte) mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Beratung des Senats gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte, nachdem die Beteiligten dieser Verfahrensweise zugestimmt haben, durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Zulässiger Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 09.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2014, durch den es die Beklagte abgelehnt hat, den der Rente des Klägers zugrunde liegenden JAV neu festzusetzen und - implizit - auf dieser Grundlage höhere Rente zu zahlen. Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und unechte Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 und 4 SGG. Letztere zielt ab auf Verurteilung zur Zahlung einer höheren Verletztenrente (vgl. BSG, Urteil vom 26.04.2016 - B 2 U 14/14 R -, SozR 4-2700 § 90 Nr 4, Rn. 15).

Zu Unrecht hat das SG die Klage insgesamt abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 09.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Denn er hat einen Anspruch auf Gewährung einer höheren Verletztenrente, und zwar auf der Grundlage eines nach § 573 Abs. 3 RVO (in der bis 31.12.1996 geltenden Fassung) erhöhten JAV ab dem 01.01.1996, nicht aber für die Zeit davor und auch nicht wegen des Unfallzeitpunkts vor Vollendung des 30. (§ 90 Abs. 2 SGB VII) resp. 25. (§ 573 Abs. 2 RVO) Lebensjahres.

Die klägerischen Anträge zu 1) und 2) sowie der Hilfsantrag richten sich bei interessengerechter Auslegung im Ergebnis insgesamt auf eine höhere Rente. Sie unterscheiden sich hinsichtlich der nach Ansicht des Klägers hierbei zu berücksichtigenden Berechnungselemente. Die vom Kläger schriftsätzlich gewünschte und von der Beklagten allein zum Gegenstand der Begründung des angefochtenen Bescheides gemachte (Neu-)Festsetzung des JAV wäre für sich allein kein zulässiger Streitgegenstand, denn diese wäre keiner isolierten Festsetzung zugänglich, weil sie lediglich eine verwaltungsinterne Klärung eines Wertfaktors im Rahmen der Vorbereitung der Feststellung des Werts des Rechts auf Verletztenrente ist (für § 90 SGB VII BSG, Urteil vom 18.09.2012, B 2 U 14/11 R, juris, Rn. 18; Urteil vom 19.12.2013 - B 2 U 5/13 R - Juris Rn.12; Hessisches LSG, Urteil vom 05.06.2014 - L 3 U 24/13 -, Rn. 34, juris).

Ein Anspruch auf höhere Rente steht dem Kläger ab dem 01.01.1996 zu, soweit er eine Neufestsetzung des JAV nach §§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, SGB X, 73 Abs. 1 SGB VII i.V.m. § 573 Abs. 3 RVO (§ 90 Abs. 3 SGB VII) wegen Unmöglichkeit einer Erwerbstätigkeit seit dem 01.04.1989 für geboten hält. Insoweit ist nach dem Ausführungsbescheid vom 28.10.1987 eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten, die zu einer Anhebung des JAV führt.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit sich in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung zugunsten des Betroffenen ergibt. Ändern sich aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Voraussetzungen für die Höhe einer Rente nach ihrer Feststellung, wird die Rente in neuer Höhe nach Ablauf des Monats geleistet, in dem die Änderung wirksam geworden ist (§ 73 Abs. 1 SGB VII).

Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, wie sie beim Vergleichsschluss vorlagen, liegt hier - entsprechend der zutreffenden Auffassung des Klägers - in seinem wegen einer unfallbedingten Epilepsieerkrankung seit dem 01.04.1989 bestehenden völligen Unvermögen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Die völlige Erwerbsunfähigkeit des Klägers hat bereits das Hessische LSG in seinem Urteil vom 15.12.2009 (L 3 U 233/06) unter Auswertung der seinem früheren Urteil vom 12.12.2001 zugrunde liegenden Beweisergebnisse, insbesondere des Gutachtens von Dr. W, festgestellt. Der Senat nimmt hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug und schließt sich dem nach eigener Prüfung an. Die vollständige Erwerbsunfähigkeit des Klägers wird von der Beklagten im Übrigen aber auch nicht bestritten.

Diese wesentliche Änderung hat zur Folge, dass der JAV des Klägers nach § 573 Abs. 3 RVO anzupassen ist. Maßgebliche Rechtsgrundlage hierfür ist vorliegend nicht § 90 Abs. 3 SGB VII, sondern § 573 Abs. 3 RVO, denn gem. § 212 SGB VII gelten die Vorschriften des Ersten bis Neunten Kapitels (§§ 1-211) für Versicherungsfälle, die nach dem Inkrafttreten des SGB VII (1. Januar 1997) eintreten, sofern in den nachfolgenden Vorschriften nichts anderes bestimmt ist. Da der Versicherungsfall bereits 1965 eintrat, sind somit grundsätzlich die Vorschriften der RVO anzuwenden. Ein Sonderfall des § 214 Abs. 2 Satz 1 SGB VII, laut dem die Vorschriften über den JAV auch für Versicherungsfälle gelten, die vor dem Tag des Inkrafttretens des SGB VII eingetreten sind, wenn der JAV nach dem Inkrafttreten des SGB VII erstmals oder aufgrund des § 90 SGB VII neu festgesetzt wird, liegt nicht vor. Denn vorliegend geht es um eine Neufestsetzung vor Inkrafttreten des SGB VII am 01.01.1997.

Nach § 573 Abs. 3 RVO ist der JAV den Verdiensterhöhungen anzupassen, die zur Zeit des Arbeitsunfalles von der Erreichung eines bestimmten Lebens- oder Berufsjahres ab durch Tarif festgesetzt oder sonst ortsüblich sind, wenn eine in den Absätzen 1 oder 2 genannte Person infolge des Arbeitsunfalls einer Erwerbstätigkeit nicht mehr nachgehen kann. Die Neufestsetzung nach § 573 RVO bzw. § 90 SGB VII ist ein typisierender Fall, der zu einer wesentlichen Veränderung des Wertes des jeweiligen Rechtes im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X führt (für § 90 SGB VII: BSG, Urteil vom 18.09.2012, B 2 U 14/11 R, juris, Rn. 18).

Die Voraussetzungen des § 573 Abs. 3 RVO liegen vor. Bei dem Kläger handelt es sich um eine in § 573 Abs. 1 RVO genannte Person. Nach § 573 Abs. 1 RVO ist der JAV für die Zeit nach der voraussichtlichen Beendigung der Ausbildung neu zu berechnen, wenn sich der Verletzte zur Zeit des Arbeitsunfalls noch in einer Schul- oder Berufsausbildung befand (Satz 1), wobei der Berechnung das Entgelt zugrunde zu legen ist, das in diesem Zeitpunkt für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters durch Tarif festgesetzt oder sonst ortsüblich ist. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist durch den am 19.08.1987 geschlossenen Vergleich abschließend geklärt. Die Beklagte kann sich insofern nicht mehr mit Erfolg darauf berufen, Unfallfolgen seien für den Studienabbruch und die Nichtaufnahme einer Berufstätigkeit nicht maßgeblich gewesen.

Des Weiteren konnte der Kläger ab dem 01.04.1989 infolge des Arbeitsunfalls einer Erwerbstätigkeit nicht mehr nachgehen. Dies sieht der Senat in Übereinstimmung mit dem Urteil des Hessischen LSG vom 15.12.2009 (L 3 U 233/06) als geklärt an (s.o.).

Die Anwendung des § 48 SGB X ist vorliegend nicht durch den am 19.08.1987 nach § 101 Abs. 1 Satz 1 SGG geschlossenen Vergleich ausgeschlossen. Der Vergleich erstreckt sich nicht auf zeitlich nach dem Vergleichsschluss und dem Ausführungsbescheid vom 28.10.1987 eingetretene wesentliche Änderungen. Der Senat hat den Inhalt des gerichtlichen Vergleichs nach den allgemeinen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) zu bestimmen. Nach § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Dabei ist gemäß § 133 BGB ausgehend vom objektiven Wortlaut der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Bei der Auslegung sind alle tatsächlichen Begleitumstände der Erklärung zu berücksichtigen, die für die Frage von Bedeutung sein können, welchen Willen der Erklärende bei seiner Erklärung hatte und wie die Erklärung von ihrem Empfänger zu verstehen war (zu den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen vgl. Reichold in: jurisPK-BGB, § 133 Rn. 7 ff mwN). Bei dem Vergleich vom 19.08.1987 wurde nach verständiger Würdigung des Sachverhaltes eine bestehende Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt. Wie der Kläger zu Recht ausführt, regelt ein Vergleich i.d.R. den Lebenssachverhalt, der zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses vorgegeben wird. Streitig war in dem Verfahren S 4 U 260/84, ob und zu welchem Zeitpunkt die Voraussetzungen des § 573 Abs. 1 RVO vorlagen, d.h. ob und wann der Kläger ohne den Unfall voraussichtlich eine (akademische) Berufsausbildung abgeschlossen hätte und ob die Unfallfolgen Grund für den Abbruch der Berufsausbildung waren. Angesichts der wechselhaften Ausbildungsbiographie und des Zeitpunkts des Arbeitsunfalls - der frühen Kindheit des Klägers - war die Einschätzung nach § 573 Abs. 1 RVO von vielen Unwägbarkeiten gekennzeichnet. Es war unklar, welche Ausbildung der Kläger zu welchem Zeitpunkt ohne den Unfall voraussichtlich abgeschlossen hätte. Auch wäre eine Neuberechnung des JAV nach § 573 Abs. 1 RVO nicht in Betracht gekommen, wenn der Kläger die Ausbildung aus unfallunabhängigen Gründen abgebrochen hätte, ohne dass die Unfallfolgen wesentlich dazu beigetragen hätten (vgl. auch BSG, Urteil vom 28.08.1990, 2 RU 7/90, juris, Rn. 16). Aus dem Vergleich geht aber nicht hervor, dass der JAV unabhängig von künftigen wesentlichen Änderungen rein betragsmäßig festgesetzt werden sollte. Es war gerade kein fester Betrag vereinbart, sondern eine Berechnungsgrundlage. Die Beteiligten haben sich im Hinblick auf ihre unterschiedlichen (Rechts-)Auffassungen zu dem von dem Kläger erreichbaren Beruf (Zeitungsausträger, Studienassessor, Rechtsassessor), einen möglichen früheren Abschluss der Berufsausbildung sowie das von dem Kläger zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses noch betriebene Jurastudium darauf geeinigt, der Berechnung des JAV die akademische Berufsausbildung als Studienassessor mit einem Abschluss am 01.12.1982 zugrunde zu legen. Wesentliche nach Vergleichsabschluss eintretende Änderungen auf der Basis eines so vereinbarten Arbeitsverdienstes, werden von dem Vergleichsabschluss nicht erfasst, insbesondere nicht ausgeschlossen. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass eine nachträgliche und erst aufgrund einer 14 Jahre später durchgeführten Begutachtung erkannte wesentliche Änderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers - um eine solche geht es ja hier als Voraussetzung der Anwendbarkeit des § 573 Abs. 3 RVO - unbeachtlich sein sollte. Folgerichtig sind nach dem Vergleichsschluss 1987 auch Rentenerhöhungen wegen höherer MdE vorgenommen worden.

Der Neufestsetzung steht in Anwendung von § 48 SGB X nicht entgegen, dass zwischenzeitlich weitere rechtskräftige Entscheidungen zur Rentenhöhe ergangen sind, während § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine wesentliche Änderung voraussetzt, die in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen beim Erlass (!) eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung eingetreten sind. Allerdings ist die Entscheidung über die Neufestsetzung des JAV nach § 573 Abs. 3 RVO, die bei Vorliegen der Voraussetzungen von Amts wegen zu erfolgen hat, auch in diesem Rahmen kein isoliert verfolgbarer Streitgegenstand sondern ein Berechnungselement der Rentenhöhe (dies folgt z.B. aus BSG, Urteil vom 15.06.2010 - B 2 U 22/09 R -, Rn. 14, juris; a.A. offenbar Hessisches LSG im Urteil vom 25.03.2014, Az. L 3 U 42/10). Die Höhe der dem Kläger ab 01.04.1989 zustehenden Verletztenrente wurde zuletzt durch den Verwaltungsakt mit Dauerwirkung vom 05.02.2010 (Ausführungsbescheid zum Urteil des Hessischen LSG vom 15.12.2009) festgestellt. Es wären also grundsätzlich die Verhältnisse bei der Feststellung der Höhe der Verletztenrente für die Zeit ab 01.04.1989 durch Bescheid vom 05.02.2010 mit denjenigen bei Erlass der Ablehnungsentscheidung vom 09.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2014 zu vergleichen (vgl. BSG, Urteil vom 15.06.2010 - B 2 U 22/09 R -, Rn. 14, juris). Bei dieser Prüfung der erforderlichen Änderung kommt es auf den Verfügungssatz des früheren Verwaltungsaktes an (BSG, Urteil vom 15.06.2010 - B 2 U 22/09 R -, Rn. 15, juris). Im Bescheid vom 05.02.2010 hat der Beklagte in Befolgung des Urteilsausspruchs nur geregelt, dass wegen eines Anspruchs auf Schwerbehindertenzulage ab 01.04.1989 ein Anspruch auf höhere Verletztenrente besteht. Bezogen darauf ist eine Änderung nicht eingetreten und auch nicht geltend gemacht worden. In diesem Intervall ist eine Änderung auch nicht darin zu erblicken, dass der Kläger gehindert war, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, denn dies war bereits seit 01.04.1989 der Fall und seit 2001 (Gutachten Dr. W) bekannt. Jedoch hat die Beklagte durch ihren hier streitbefangenen Ablehnungsbescheid vom 09.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2014, veranlasst durch den Hinweis auf eine noch notwendige Bescheidung nach § 48 SGB X im Urteil des Hessischen LSG vom 25.03.2014 und die nachfolgende Untätigkeitsklage des Klägers, "die Anpassung und Neufeststellung des mit gerichtlichem Vergleich vom 19.08.1987 festgestellten JAV nach § 48 SGB X iVm. § 573 Abs. 3 RVO, 90 Abs. 3 SGB VII abgelehnt". Sie hat damit über die Frage der wesentlichen Änderung bezogen auf den Ausführungsbescheid vom 28.10.1987 erneut entschieden und so den Rechtsweg für den Kläger wieder eröffnet (vgl. BSG, Urteil vom 07.04.2016 - B 5 R 26/15 R -, SozR 4-2600 § 89 Nr 3, Rn. 21).

Rechtsfolge ist die Anpassung an die Verdiensterhöhungen, die zur Zeit des Arbeitsunfalles von der Erreichung eines bestimmten Lebens- oder Berufsjahres ab durch Tarif festgesetzt oder sonst ortsüblich sind. Hierfür ist erforderlich, dass bereits im Zeitpunkt des Unfalls nach tariflicher oder ortüblicher Festlegung Verdiensterhöhungen in Abhängigkeit von einem bestimmten Lebensalter oder bestimmten Berufsjahren fest zu erwarten waren (vgl. BSG, Urteil vom 26.09.1986, 2 RU 1/86, Rn. 23 - juris). Am 02.04.1965 war für die Ausübung des Berufes eines Studienassessors im hessischen Landesdienst bereits eine Erhöhung des Grundgehalts der Besoldungsstufe A 13 nach Dienstaltersstufen gesetzlich festgelegt (vgl. § 5 Abs. 2 Hessisches Besoldungsgesetz in der Fassung vom 14.11.1962, Hessisches GVBl. 1962, S. 479 ff.).

Die Berechnung nach § 573 Abs. 3 RVO ist, wie dessen Tatbestand erfordert, für den streitigen Zeitraum ab dem 01.04.1989 auch günstiger. Dies ergibt sich aus der von der Beklagten vorgelegten fiktiven Bezügeberechnung vom 23.04.2018.

Der sich hieraus ergebende Anspruch auf Zahlung einer höheren Rente, der auch die zeitlich späteren und deshalb nach § 44 SGB X abzuändernden Rentenbewilligungen unter Berücksichtigung eines unzutreffenden JAV erfasst (Hessisches LSG, Urteil vom 05.06.2014 - L 3 U 24/13 -, Rn. 33, juris), besteht jedoch entgegen der Auffassung des Klägers erst ab dem 01.01.1996. Die Erhöhung ist grundsätzlich vorzunehmen durch einen Bescheid wegen Änderung der Verhältnisse nach § 48 Abs.1 S.1 und 2 Nr. 1 SGB X mit dem Zeitpunkt dieser Änderung. Allerdings werden nach § 48 Abs. 4 i.V.m. § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile des Sozialgesetzbuches längstens für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist. Nach § 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X wird dabei der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkende Leistungen zu erbringen sind, an die Stelle der Rücknahme der Antrag. Auch bei einem Änderungsanspruch nach § 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB X kann eine höhere Rente nach § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X entsprechend § 44 Abs. 4 SGB X für höchstens vier Jahre vor dem Jahr der Antragstellung oder einer sonstigen Kenntnis der Behörde erfolgen (in diesem Sinne BSG, Urteil vom 18.09.2012, B 2 U 14/11 R, Juris, Rn. 23).

Nach diesem Maßstab ist die von dem Kläger am 27.11.2000 beantragte Erhöhung des JAV der Zeitpunkt, von dem an vier Jahre rückwirkend von Beginn des Jahres an höhere Rentenleistungen zu erbringen sind. Denn mit dem am 27.11.2000 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben - nicht erst zu den vom Hessischen LSG und von der Beklagten in dem angefochtenen Bescheid angenommenen späteren Zeitpunkten - hat der Kläger allgemein die Erhöhung seines Jahresarbeitsverdienstes beantragt, verbunden mit der Bitte um "Prüfung aller Möglichkeiten". Darin ist auch ein Antrag nach § 48 SGB X i.V.m. § 573 Abs. 3 RVO zu sehen. Auch wenn sich der Kläger nicht ausdrücklich auf § 48 SGB X bezieht, ist der Antrag doch gerichtet auf umfassende Prüfung aller rechtlichen Möglichkeiten, nicht lediglich auf die von der Beklagten zunächst nur vorgenommene Überprüfung nach § 44 SGB X.

Der Kläger kann sich auch nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch berufen. Denn es liegt bereits keine Verletzung einer behördlichen Auskunfts-, Beratungs- oder Betreuungspflicht vor, was aber Voraussetzung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches wäre (vgl. BSG, Urteil vom 30.10.2001, B 3 KR 27/01 R, juris, Rn. 27). Vor November 2000 gab es für die Beklagte keinen Anhaltspunkt für eine initiative Prüfung der Voraussetzungen des § 573 Abs. 3 RVO. Erst das Gutachten des Dr. W vom 01.12.2000 wies in diese Richtung. § 44 Abs. 4 SGB X findet allerdings auch auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch entsprechende Anwendung, sodass auch bei einem hieraus folgenden Anspruch die Ausschlussfrist von 4 Jahren gelten würde (BSG, Urteil vom 27.03.2007, B 13 R 58/06 R, juris, Rn. 11 ff.; Hessisches LSG, Urteil vom 05.06.2014 - L 3 U 24/13 -, Rn. 55, juris), und zwar selbst dann, wenn dem Sozialleistungsträger an der Rechtswidrigkeit des zurückgenommenen Bescheides ein Verschulden treffen würde (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1992, 10 RKg 11/92, juris, Rn. 18; Hessisches. LSG, aaO.).

Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf eine Verjährung nach § 45 SGB I für die Zeit vor dem 01.01.2009 berufen. Zum einen wird die Verjährung durch schriftlichen Antrag auf die Sozialleistung - hier den Antrag vom 27.11.2000 - gehemmt, so dass Verjährung nur für Ansprüche, die vor dem 01.01.1996 entstanden sind, erfolgreich geltend gemacht werden könnte. Zum anderen verdrängt § 44 Abs. 4 SGB X im Ergebnis die Möglichkeit, die Einrede der Verjährung zu erheben (BSG, Urteil vom 29.11.1984, 5b RJ 56/84, juris, Rn. 14, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.10.2018, Rn. 30 m.w.N. - juris).

Soweit der Kläger seinen Anspruch auf höhere Rente mit seinem Antrag zu 2) auch auf seine Rechtsauffassung stützt, dass ab 01.01.1984 (Vollendung des 30. Lebensjahres, vgl. § 90 Abs. 2 SGB VII) ein höherer JAV unter Zugrundelegung des mit dem Vergleich bestimmten Gehalts eines Studienassessors im Hessischen Landesdienst festzusetzen gewesen sei, steht dem der Vergleich vom 19.08.1987 entgegen. Denn mit diesem sollte, wie bereits ausgeführt, der Lebenssachverhalt, der zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses gegeben war, abschließend geregelt werden. Für eine nachträgliche Änderung aufgrund eines bereits zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses bekannten Lebenssachverhalts besteht kein Raum.

Dem Hilfsantrag des Klägers steht ebenfalls der Vergleich vom 19.08.1987 entgegen, denn - wie der Kläger selber vorträgt - mit diesem sollte gerade ausgeschlossen werden, dass diese vom Kläger zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses noch betriebene Berufsausbildung später als Grundlage für die JAV-Berechnung beansprucht wird. Dass auch der Kläger damit einverstanden war, dass eine erneute Überprüfung des Regelungsgegenstandes des Prozessvergleiches ausgeschlossen sein sollte, ergibt sich aus seiner Erklärung, weitere Ansprüche hinsichtlich der Berechnung des JAV nicht mehr geltend zu machen. Die Erklärung des Klägers kann aus einem objektiven Empfängerhorizont nur so gedeutet werden, dass die Festsetzung des JAV nach dem Gehalt eines Studienassessors auch von ihm nicht mehr in Frage gestellt wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt das teilweise Unterliegen des Klägers.

Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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