L 32 AS 816/18 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 77 AS 6078/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 32 AS 816/18 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 5. März 2018 aufgehoben. Dem Sozialgericht werden die weiteren Anordnungen zur Feststellung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse übertragen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von dem Beklagten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1. Oktober 2016 bis 3. März 2017 und wendet sich zugleich gegen eine Erstattung von 3.031,38 Euro.

Der im Juni 1970 geborene Kläger, der im streitigen Zeitraum eine Wohnung im Win B bewohnte, für die er 350,00 Euro monatlich zahlte, übte seit Mai 2014 eine selbständige Tätigkeit als Mitgesellschafter der Fa. L UG (Fa. L aus. Diese Gesellschaft, deren Gegenstand das Abhalten mittelalterlicher und szeneabhängiger Themenevents wie Highlandgames und ähnlicher Veranstaltungen war, war vom Kläger zusammen mit dem weiteren Mitgesellschafter L am 24. April 2014 gegründet worden.

Im September 2016 hatte der Kläger in seinem Antrag auf Weiterbewilligung unter Vorlage einer Erklärung zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit für die Zeit vom 1. Oktober 2016 bis 31. März 2017 angegeben, wie bisher, aus seiner selbständigen Tätigkeit kein Einkommen zu erzielen. Im September 2016 habe sich sein bisheriger Geschäftspartner, der sich bislang um die Finanzen und Steuern gekümmert habe, aus dem gemeinsamen Unternehmen zurückgezogen. Dieser weigere sich, ihm die Geschäftsunterlagen auszuhändigen.

Mit Bescheid vom 3. November 2016 hatte der Beklagte den Antrag auf Leistungen abgelehnt, da eine Hilfebedürftigkeit nicht glaubhaft nachgewiesen sei.

Nach Vorlage von Erklärungen zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit für die Zeit vom 1. Oktober 2016 bis 31. März 2017, einerseits aus der Fa. L und andererseits aus einem Handel mit Wildprodukten, bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 16. Dezember 2016 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit von Oktober 2016 bis Dezember 2016 vorläufig in Höhe von 502,73 Euro monatlich und für die Zeit von Januar 2017 bis März 2017 vorläufig in Höhe von 507,73 Euro monatlich.

Der dagegen ohne Begründung eingelegte Widerspruch wies der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2017 zurück.

Dagegen hat der Kläger am 3. März 2017 Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben und zugleich Bewilligung von Prozesskostenhilfe nebst Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beantragt.

Der Kläger hat die Berücksichtigung weiterer Betriebsausgaben begehrt. Jeweils unter dem 27. Juni 2017 hat er abschließende Erklärungen zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, einerseits aus der Fa. L und andererseits aus dem Handel mit Wildprodukten vorgelegt.

Mit Schreiben vom 28. September 2017 forderte der Beklagte den Kläger unter Hinweis auf die ansonsten eintretenden Folgen auf, bis zum 6. Dezember 2017 verschiedene Nachweise / Unterlagen zum Einkommen aus der Tätigkeit Handel mit Wildprodukten und aus der Tätigkeit der Fa. L vorzulegen.

Der Kläger teilte daraufhin mit Schreiben vom 13. November 2017 mit, dass sich die Fa. L seit dem 27. Dezember 2016 in Liquidation befinde.

Mit Bescheid vom 5. Januar 2018 setzte der Beklagte die Leistungen für die Zeit vom 1. Oktober 2016 bis 31. März 2017 auf 0,00 Euro fest: Trotz Aufforderung seien die geforderten Nachweise/Belege nicht eingereicht worden. Damit seien die Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch nicht nachgewiesen.

Mit weiterem Bescheid vom 5. Januar 2018 forderte der Beklagte vom Kläger Erstattung für die Zeit vom 1. Oktober 2016 bis 31. März 2017 von insgesamt 3.031,38 Euro.

Mit Beschluss vom 5. März 2018 hat das Sozialgericht den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt: Der Klage komme keine Erfolgsaussichten zu, weil der Bescheid vom 5. Januar 2018, welcher gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Teil des Klageverfahrens geworden sei und den vorläufigen Bewilligungsbescheid vom 16. Dezember 2016 ersetzt habe, rechtlich nicht zu beanstanden sei. Der Kläger habe leistungserhebliche Tatsachen nicht mit den hierzu erforderlichen Unterlagen (u. a. Belege über die von ihm in der Anlage EKS angegebenen Betriebsausgaben, Mietquittungen) nachgewiesen, weshalb gemäß § 41a Abs. 3 SGB II die Leistungen mangels nachgewiesener Hilfebedürftigkeit für den betreffenden Zeitraum abzulehnen gewesen seien. Auch im Klageverfahren habe er die im Bescheid vom 5. Januar 2018 konkret benannten leistungserheblichen Unterlagen trotz gerichtlicher Aufforderung nicht nachgereicht und auch keine Gründe geltend gemacht, weshalb er daran gehindert gewesen sei.

Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 3. April 2018 zugestellten Beschluss richtet sich die am 3. Mai 2018 eingelegte Beschwerde des Klägers.

Er verweist darauf, dass er für den streitigen Zeitraum zwei abschließende EKS vorgelegt habe. Die Belege zu den EKS seien anliegend beigefügt. Die sich aus den EKS ergebenden monatlichen Durchschnittsgewinne seien bei der Berechnung der zu gewährenden Leistungen zu berücksichtigen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass Gewinne der Fa. L hälftig zu teilen seien, da die Gesellschaft aus zwei gleichberechtigten Gesellschaftern bestehe. Die zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) B 4 AS 39/17 R dürfte einschlägig sein, da kein Grund ersichtlich sei, nur Unterlagen zu berücksichtigen, die noch im Widerspruchsverfahren eingereicht würden.

Der Beklagte meint, der Kläger habe zwar im Klageverfahren abschließende Erklärungen zum Einkommen für seine beiden selbständigen Tätigkeiten für den streitigen Zeitraum eingereicht. Allerdings habe er die erbetenen Nachweise für Einnahmen und Ausgaben sowie diverse weitere Unterlagen nicht vorgelegt. Die nunmehr im Beschwerdeverfahren eingereichten Unterlagen könnten nicht berücksichtigt werden. Sofern die für die endgültige Sachentscheidung erforderlichen Unterlagen trotz Fristsetzung und schriftlicher Belehrung nicht beigebracht würden, bestehe für die Monate ohne Nachweis kein Leistungsanspruch. Mit einer nachträglichen Vorlage von Unterlagen könne die Festsetzung des Anspruches durch Bescheid vom 5. Januar 2018 grundsätzlich nicht mehr mit dem Vortrag erfolgreich angegriffen werden, dass ein anderes Einkommen erzielt worden sei. Da vorliegend kein Widerspruchsverfahren durchgeführt worden sei, sei das Verwaltungsverfahren mit dem Erlass bzw. der Bekanntgabe des Bescheides vom 5. Januar 2018 abgeschlossen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten (Band II und III; ), die bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Das Sozialgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Unrecht abgelehnt, denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig (§ 114 Abs. 2 ZPO) erscheint.

Hinreichende Erfolgsaussicht ist anzunehmen, wenn zum maßgebenden Zeitpunkt der Erfolgsprüfung der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat. Dies ist der Fall, wenn das erkennende Gericht den Rechtsstandpunkt des Prozesskostenhilfe beantragenden Beteiligten für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 12. Auflage, § 73a Rdnrn. 7, 7a und 7d).

Bei summarischer Prüfung in tatsächlicher Hinsicht unter Zugrundelegung der maßgebenden Rechtsgrundlagen ist eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass der geltend gemachte Anspruch zusteht, zu bejahen.

Nach § 41a Abs. 3 SGB II in der ab 1. August 2016 geltenden Fassung des Gesetzes vom 26. Juli 2016 (BGBl I 2016, 1824) gilt: Die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheiden abschließend über den monatlichen Leistungsanspruch, sofern die vorläufig bewilligte Leistung nicht der abschließend festzustellenden entspricht oder die leistungsberechtigte Person eine abschließende Entscheidung beantragt. Die leistungsberechtigte Person und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen sind nach Ablauf des Bewilligungszeitraums verpflichtet, die von den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende zum Erlass einer abschließenden Entscheidung geforderten leistungserheblichen Tatsachen nachzuweisen; die §§ 60, 61, 65 und 65a SGB I gelten entsprechend. Kommen die leistungsberechtigte Person oder die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ihrer Nachweis- oder Auskunftspflicht bis zur abschließenden Entscheidung nicht, nicht vollständig oder trotz angemessener Fristsetzung und schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen nicht fristgemäß nach, setzen die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende den Leistungsanspruch für diejenigen Kalendermonate nur in der Höhe abschließend fest, in welcher seine Voraussetzungen ganz oder teilweise nachgewiesen wurden. Für die übrigen Kalendermonate wird festgestellt, dass ein Leistungsanspruch nicht bestand.

Die danach genannten Voraussetzungen liegen nicht insgesamt vor. Der Kläger ist zwar verpflichtet (gewesen), von dem Beklagten geforderte Nachweise zu den leistungserheblichen Tatsachen, seinem Einkommen und der zu zahlenden Miete, vorzulegen. Die Rechtsfolgen der entsprechenden Mitwirkungsobliegenheit sind jedoch nicht eingetreten, denn der Beklagte belehrte über diese Rechtsfolgen nicht zutreffend.

Die Vorschrift des § 41a Abs. 3 SGB II findet uneingeschränkt Anwendung, denn der Bewilligungszeitraum umfasst die Zeit vom 1. Oktober 2016 bis 31. März 2017, also die Zeit nach Inkrafttreten des § 41a Abs. 3 SGB II (BSG, Urteil vom 12. September 2018 – B 14 AS 7/18 R, Rdnr. 19, zitiert nach juris; wegen eines vor dem 1. August 2016 beendeten Bewilligungszeitraumes: BSG, Urteil vom 12. September 2018 – B 4 AS 39/17 R, Rdnr. 21, zitiert nach juris).

Die Voraussetzungen des § 41a Abs. 3 Satz 2 SGB II liegen vor.

Der Beklagte hatte über die vom Kläger für die Zeit vom 1. Oktober 2016 bis 31. März 2017 beanspruchten Leistungen mit Bescheid vom 16. Dezember 2016 vorläufig entschieden. Zum Zeitpunkt des Schreibens des Beklagten vom 28. September 2017 war der Bewilligungszeitraum abgelaufen. Mit diesem Schreiben wurde der Kläger aufgefordert, leistungserhebliche Tatsachen zum Erlass einer abschließenden Entscheidung nachzuweisen.

Im Schreiben vom 28. September 2017 wies der Beklagte darauf hin, dass die Übersendung der dort genannten Unterlagen erforderlich sei, um über den Leistungsanspruch im Bewilligungszeitraum vom 1. Oktober 2016 bis 31. März 2017 abschließend entscheiden zu können. Als Nachweise wurden gefordert: a) Belege zu den in den beiden EKS vom 1. Oktober 2016 bis 31. März 2017 angegebenen Betriebsausgaben und –einnahmen, b) Mietquittungen über die Mietzahlung in der Zeit vom 1. Oktober 2016 bis 31. März 2017, c) das Fahrtenbuch für die Zeit vom 1. Oktober 2016 bis 31. März 2017, d) falls vorhanden: Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 2016, e) Kontoauszug über die Höhe der Rücklagen zum 31. Dezember 2016.

Die geforderten Nachweise betreffen leistungserhebliche Tatsachen. Dahin stehen kann hierbei, denn Nachweise legte der Kläger bis zum maßgebenden Zeitpunkt (vgl. dazu nachfolgend) insgesamt nicht vor, ob ihm der Beklagte die Vorlage aller im Einzelnen genannten Nachweise aufgeben durfte. Tatsachen sind leistungserheblich, wenn sie für Grund und Höhe der Leistung nach dem SGB II wesentlich sind.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II (also mindestens das 65. Lebensjahr) noch nicht erreicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).

Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II).

Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts werden in Höhe der Bedarfe u. a. nach § 19 Abs. 1 SGB II (als Arbeitslosengeld II für erwerbsfähige Leistungsberechtigte: Regelbedarf, Mehrbedarfe und Bedarf für Unterkunft und Heizung) erbracht, soweit diese nicht durch das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen gedeckt sind (§ 19 Abs. 3 Satz 1 SGB II).

Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II).

Ausgehend davon sind Betriebsausgaben und –einnahmen wesentlich, denn daraus ermittelt sich das zu berücksichtigende Einkommen.

§ 3 Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) bestimmt: Bei der Berechnung des Einkommens aus selbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft ist von den Betriebseinnahmen auszugehen. Betriebseinnahmen sind alle erzielten Einnahmen, die im Bewilligungszeitraum tatsächlich zufließen (Abs. 1 Sätze 1 und 2). Zur Berechnung des Einkommens sind von den Betriebseinnahmen die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerliche Vorschriften abzusetzen (Abs. 2). Wird ein Kraftfahrzeug überwiegend betrieblich genutzt, sind die tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben für dieses Kraftfahrzeug als betriebliche Ausgabe abzusetzen. Für betriebliche Fahrten können 0,10 Euro für jeden mit dem privaten Kraftfahrzeug gefahrenen Kilometer abgesetzt werden, soweit der oder die erwerbsfähige Leistungsberechtigte nicht höhere notwendige Ausgaben für Kraftstoff nachweist (Abs. 7 Sätze 1 und 5).

Die gezahlte Miete ist wesentlich für die zu gewährende Leistung für Unterkunft und Heizung.

Der Kläger war auch im Sinne einer Mitwirkungsobliegenheit verpflichtet, geforderte Nachweise zu erbringen.

Dies folgt aus der Bezugnahme des § 41a Abs. 3 Satz 2 zweiter Halbsatz SGB II auf die dort genannten Vorschriften des SGB I. Damit wird, so die Gesetzesbegründung (Bundestag-Drucksache 18/8041, S. 53) klargestellt, dass einzelne Vorschriften des SGB I zur Mitwirkungspflicht und deren Grenzen zeitlich auch über den Leistungsbezug hinaus entsprechend gelten. Dies betrifft zunächst § 60 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 3 SGB I.

Diese Vorschrift bestimmt: Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen (Nr. 1) sowie Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen (Nr. 3).

§ 41a Abs. 3 Satz 2 SGB II stellt insoweit eine Konkretisierung der in § 60 SGB I normierten Mitwirkungsobliegenheiten dar (BSG, Urteil vom 12. September 2018 – B 4 AS 39/17 R, Rdnr. 36; BSG, Urteil vom 12. September 2018 – B 14 AS 7/18 R, Rdnr. 21).

Die Bezugnahme auf § 65 SGB I macht hierbei zugleich deutlich, dass die dort niedergelegten Grenzen der Mitwirkung ungeachtet der besonderen Vorgaben zu den Mitwirkungsobliegenheiten der Leistungsberechtigten und zu den Folgen ihrer Verletzung nach § 41a Abs. 3 Sätze 2 und 3 SGB II (BSG, Urteil vom 12. September 2018 – B 4 AS 39/17 R, Rdnr. 36; BSG, Urteil vom 12. September 2018 – B 14 AS 7/18 R, Rdnr. 21) auch im Rahmen dieser Vorschriften grundsätzlich gelten.

§ 65 Abs. 1 SGB I bestimmt dazu: Die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 SGB I bestehen nicht, soweit 1. ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht oder 2. ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder 3. der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann (§ 65 Abs. 1 SGB I).

Es ist vorliegend weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 SGB I erfüllt sind.

Der Beklagte durfte mithin mit Schreiben vom 28. September 2017 bezeichnete Nachweise vom Kläger zu den dort genannten Tatsachen fordern.

Der Kläger kam dieser Aufforderung weder bis zu der mit Schreiben des Beklagten vom 28. September 2017 gesetzten Frist des 6. Dezember 2017 noch bis zur abschließenden Entscheidung mit Bescheid vom 5. Januar 2018 nach.

§ 41a Abs. 3 Satz 3 SGB II spricht die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende als die zum Erlass einer abschließenden Entscheidung berufene Stelle an. Entscheidung im Sinne dieser Vorschrift meint mithin die Entscheidung des Leistungsträgers, denn die Rechtsfolgen, die mit der Nichtvorlage der geforderten Nachweise eintreten, sollen nach § 41a Abs. 3 Sätze 3 und 4 SGB II mit der Entscheidung des Leistungsträgers eintreten.

Abschließende Entscheidung des Leistungsträgers nach § 41a Abs. 3 Satz 3 SGB II ist diejenige Entscheidung, mit der das bei ihm anhängige Verwaltungsverfahren abgeschlossen wird. Da das Widerspruchsverfahren lediglich ein besonderes Verwaltungsverfahren (Meyer-Ladewig, a. a. O., vor § 77, Rdnr. 4a) und daher noch Teil dieses Verwaltungsverfahrens ist, ergeht, soweit ein Widerspruchsverfahren durchzuführen ist, mithin die abschließende Entscheidung des Leistungsträgers mit dem Widerspruchsbescheid. Dementsprechend können bis zu diesem Zeitpunkt die geforderten Nachweise noch vorgelegt werden. § 41a Abs. 3 Satz 3 SGB II steht dem nicht entgegen.

Nach § 41a Abs. 3 Satz 3 SGB II ist einerseits beachtlich, dass die nachweis- und auskunftsverpflichteten Personen der Aufforderung zum Nachweis der leistungserheblichen Tatsachen "nicht fristgemäß" nachgekommen sind, und andererseits aber auch, dass die Auskunftspflicht "bis zur abschließenden Entscheidung" nicht erfüllt worden ist. Dass unter diesen zwei Zeitvorgaben - der datumsmäßig gesetzten Frist und dem Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung -, der gesetzten Frist Vorrang zukäme, ist nicht zu erkennen. Im Widerspruchsverfahren vorgelegte Unterlagen zum Nachweis leistungserheblicher Tatsachen sind bei abschließenden Entscheidungen nach § 41a Abs. 3 SGB II somit zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 12. September 2018 – B 4 AS 39/17 R, Rdnrn. 35, 37).

Dies schließt zugleich grundsätzlich (vgl. dazu aber auch: BSG, Urteil vom 12. September 2018 – B 4 AS 39/17 R, Rdnr. 37; BSG, Urteil vom 12. September 2018 – B 14 AS 7/18 R, Rdnr. 22) aus, die (rechtmäßig) geforderten Nachweise, die erst nach dieser abschließenden Entscheidung des Leistungsträgers insbesondere in einem gerichtlichen Verfahren vorgelegt werden, zu berücksichtigen.

Vorliegend stellt der Bescheid vom 5. Januar 2018 die abschließende Entscheidung des Leistungsträgers dar, denn wegen der gegen den Bescheid vom 16. Dezember 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2017, mit dem die Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Oktober 2016 bis 31. März 2017 vorläufig bewilligt worden waren, am 3. März 2017 erhobenen Klage ist der Bescheid vom 5. Januar 2018 nach § 96 Abs. 1 SGG zum Gegenstand dieses Klageverfahrens geworden.

Ergeht ein Bescheid über die endgültige Leistung, erledigt sich der Bescheid über die vorläufige Leistung dadurch auf sonstige Weise im Sinne des § 39 Abs. 2 SGB X. Dabei ersetzt der Bescheid über die endgültige Leistung den Bescheid über die vorläufige Leistung (BSG, Urteil vom 10. Mai 2011 – B 4 AS 139/10 R, Rdnr. 13, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-4200 § 11 Nr. 38). Mit der Erledigung des Bescheides über die vorläufige Festsetzung wird zugleich der Bescheid über die endgültige Festsetzung nach § 96 Abs. 1 SGG zum Gegenstand eines dazu anhängigen Klageverfahrens. Die vorläufige Leistung ist zwar eine Leistung sui generis und ein aliud gegenüber der endgültigen Leistung, so dass es sich materiell-rechtlich um zwei verschiedene Ansprüche handelt (so auch BSG, Urteil vom 10. Mai 2011 – B 4 AS 139/10 R, Rdnr. 15). Gleichwohl entspricht es ständiger Rechtsprechung des BSG, dass der Bescheid über die endgültige Leistung, der während eines Klageverfahrens ergeht, in welchem der Bescheid über die vorläufige Entscheidung Gegenstand ist, letztgenannten Bescheid nach § 96 Abs. 1 SGG kraft Gesetzes (unmittelbar und nicht lediglich in analoger Anwendung dieser Vorschrift) ersetzt (BSG, Urteil vom 19. August 2015 – B 14 AS 13/14 R, Rdnr. 16, zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE 119, 265 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 86; BSG, Urteil vom 15. Dezember 2011 – B 10 EG 1/11 R, Rdnr. 25, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-7837 § 4 Nr.).

In Fällen des § 96 Abs. 1 SGG findet mithin ein Widerspruchsverfahren nicht statt, so dass der während des Klageverfahrens ergangene Bescheid die endgültige Entscheidung des Leistungsträgers nach § 41a Abs. 3 Satz 2 SGB II darstellt.

Die Voraussetzungen des § 41a Abs. 3 Satz 3 SGB II liegen allerdings nicht vor.

Die mit Schreiben vom 28. September 2017 vom Beklagten bis 6. Dezember 2017 gesetzte Frist von ca. 2 Monaten erscheint angemessen. Jedoch fehlt es an einer ordnungsgemäßen schriftlichen Belehrung über die Rechtsfolgen im Falle der nicht erfolgten Vorlage der geforderten Nachweise.

Die Belehrung des Beklagten lautet wie folgt: "Sofern Sie oder die mit Ihnen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen Ihrer Nachweis- und Auskunftspflicht bis zum oben genannten Termin nicht oder nicht vollständig nachkommen, werde ich feststellen, dass im kompletten Bewilligungszeitraum ein Leistungsanspruch nach dem SGB II nicht bestand (§ 41 a Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB II). Dies hätte zur Folge, dass Sie und die gegebenenfalls mit Ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen die für diese Monate ausgezahlten Leistungen vollständig erstatten müssen (§ 41 a Abs. 6 SGB II)."

Es kann dahinstehen, ob diese Rechtsfolgenbelehrung schon deswegen nicht ordnungsgemäß ist, weil danach selbst für den Fall, dass der Nachweispflicht lediglich teilweise nachgekommen wird, "festzustellen sei, dass im kompletten Bewilligungszeitraum ein Leistungsanspruch nach dem SGB II nicht bestanden habe, mit der Folge, dass die ausgezahlten Leistungen vollständig erstattet werden müssten." Diese Rechtsfolgenbelehrung ist jedenfalls nicht ordnungsgemäß, weil der Leistungsberechtigte nicht lediglich bis zum "genannten Termin", also bis zum 6. Dezember 2017, sondern nach der dargestellten Rechtsprechung des BSG seiner Nachweis- und Auskunftspflicht bis zur abschließenden Entscheidung des Leistungsträgers nachkommen darf, bevor für ihn nachteilige Rechtsfolgen eintreten. Die erteilte Rechtsfolgenbelehrung ist damit fehlerhaft und erweckt beim Leistungsberechtigten den Eindruck, seine Mitwirkungsobliegenheit nach dem genannten Termin nicht mehr erfüllen zu können. Dies kann zur Folge haben, dass es der Leistungsberechtigte unterlässt, ihr jedenfalls noch bis zur abschließenden Entscheidung des Leistungsträgers zu genügen.

Die Rechtsfolgen, insbesondere nach § 41a Abs. 3 Satz 4 SGB II sind schwerwiegend. Soweit die Nullfeststellung wegen der Einwirkung auf die mit der Antragstellung zunächst entstandenen Ansprüche nicht ohnehin einen materiell-rechtlichen Gehalt hat, gestaltet sie jedenfalls das Verfahrensrechtsverhältnis zwischen den Beziehern vorläufig bewilligter Leistungen nach dem SGB II und den Grundsicherungsträgern grundlegend um. Unbeschadet der damit verbundenen Wirkungen im Einzelfall muss einer derartigen Ausgestaltung des von Verfassungs wegen zu gewährleistenden Existenzminimums nicht nur zu entnehmen sein, für welche Zeiträume diese Vorschrift Geltung beansprucht (BSG, Urteil vom 12. September 2018 – B 4 AS 39/17 R, Rdnr. 26), sondern es müssen auch für den Leistungsberechtigten die Rechtsfolgen eindeutig und klar erkennbar sein. Dies erfordert, dass die Rechtsfolgenbelehrung in jeglicher Hinsicht zutreffend ist. Ob und gegebenenfalls inwieweit den Regelungen des § 41a Abs. 3 Sätze 3 und 4 SGB II materielle Präklusionswirkung zukommt (offengelassen: BSG, Urteil vom 12. September 2018 – B 4 AS 39/17 R, Rdnr. 37; BSG, Urteil vom 12. September 2018 – B 14 AS 7/18 R, Rdnr. 22), ist dabei für die Anforderungen einer ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung nicht von ausschlaggebender Bedeutung.

Genügt die Rechtsfolgenbelehrung im Schreiben vom 28. September 2017 nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung, schließt dies den Eintritt der in § 41a Abs. 3 Sätze 3 und 4 SGB II genannten Rechtsfolgen aus. Es besteht somit eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Oktober 2016 bis 3. März 2017 hat. Damit kann die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht abgelehnt werden.

Die Vertretung des Klägers durch einen Rechtsanwalt erscheint geboten (§ 121 Abs. 2 ZPO).

Ob der Kläger die Kosten der Prozessführung nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen kann, kann der Senat hingegen nicht entscheiden, weil keine entsprechende aktuelle Erklärung dazu vorliegt. Der Senat hat deswegen dem Sozialgericht insoweit die entsprechenden weiteren Anordnungen übertragen (§ 202 SGG i. V. m. § 572 Abs. 3 ZPO).

Die Beschwerde hat daher im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Beschlusses Erfolg.

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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