S 14 AL 769/16

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 14 AL 769/16
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Bescheid der Beklagten vom 14.9.2016 und der Widerspruchsbescheid vom 17.11.2016, sowie der Bescheid vom 2.6.2016 werden aufgehoben. 2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1.2.2016 bis 30.11.2017 Berufsausbildungsbeihilfe gemäß den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. 3. Die Beklagte erstattet die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Angefochten ist der Bescheid vom 14.9.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2016. Durch diese Bescheide lehnte die Beklagte eine Korrektur des Bescheides vom 2.6.2016 gemäß § 44 SGB X ab. Durch den letztgenannten Bescheid lehnte die Beklagte die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe ab, weil der Kläger nicht zu dem förderungsfähigen Personenkreis gehören würde. Der Kläger stamme aus G.; ein rechtmäßiger dauerhafter Aufenthalt mit einer Aufenthaltsgestattung könne deshalb nicht unterstellt werden.

Der Kläger hat gegen die genannten Bescheide am 20.12.2016 Klage erhoben. Er argumentiert, dass er unabhängig von dem damals noch anhängigen Asylverfahren eine gute Bleibeperspektive gehabt habe. Sein Aufenthalt sei seit dem 25.9.2013 und damit weit mehr als die erforderlichen 15 Monate gestattet. Die am 1.2.2016 aufgenommen Ausbildung zum Bäcker sei eine qualifizierte Berufsausbildung, weshalb ihm nach § 60a Abs. 2 Satz 4 Aufenthaltsgesetz eine Duldung wegen dringender persönlicher Gründe zu erteilen sei. Nach Abschluss der Ausbildung habe Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis für die Dauer von zwei Jahren für eine entsprechende Beschäftigung (§ 18a Abs. 1a Aufenthaltsgesetz).

Das Asylverfahren des Klägers endete durch Klagerücknahme vom 14.11.2017. Ihm wurde eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Aufenthaltsgesetz erteilt. Aufgrund dieser Aufenthaltserlaubnis bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 1.12.2017 Berufsausbildungsbeihilfe. Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 14.9.2016 und den Widerspruchsbescheid vom 17.11.2016 sowie den Bescheid vom 2.6.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 1.2.2016 bis 30.11.2017 Berufsausbildungsbeihilfe gemäß den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist darauf, dass wenn die Aussicht auf eine Ausbildungsduldung und gegebenenfalls eine anschließende Aufenthaltserlaubnis nach § 18a Absatz 1a Aufenthaltsgesetz tatsächlich eine gute Bleibeperspektive im Sinne von § 132 Abs. 1 Nr. 2 SGB III vermitteln würde, die dort geregelte Voraussetzung schlicht überflüssig sei, weil jeder Ausländer diese Voraussetzung mit der Aufnahme einer Ausbildung automatisch erfüllen würde.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen sowie für den gesamten Sachverhalt wird auf die beigezogenen Unterlagen und auf die Prozessakte Bezug genommen, die vorgelegen haben und zum Gegenstand Entscheidung gemacht worden sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 14.9.2016 und der Widerspruchsbescheid vom 17.11.2016 sowie der Bescheid vom 2.6.2016 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten aus den § 44 SGB X und den §§ 56, 59 und 132 SGB III.

Der Kläger hat gemäß § 44 SGB X Anspruch auf Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 2.6.2016, weil die Beklagte § 132 SGB III nicht korrekt angewandt hat. Da der Kläger eine qualifizierte Ausbildung als Bäcker absolviert und damit eine gute Bleibeperspektive bei Aufnahme dieser Ausbildung hatte, steht ihm die beantragte Berufsausbildungsbeihilfe aus § 132 Abs. 1 SGB III zu. Dass bei der guten Bleibeperspektive nicht allein auf eine Gesamtschutzquote von über 50% (nur Syrien, Irak, Iran, Eritrea und Somalia), sondern zusätzlich auf die individuellen Aspekte der Bleibeperspektive abzustellen ist, ergibt sich aus einer systematischen und teleologischen Auslegung des § 132 Abs. 1 SGB III, § 132 Abs. 2 SGB III und § 59 Abs. 3 SGB III, § 60a Aufenthaltsgesetz sowie der Gesetzgebungsmaterialien zu § 44 Aufenthaltsgesetz (vergleiche hierzu ausführlich den Beschluss des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein vom 19.12.2018 zum Aktenzeichen L 3 AL 193/18 B ER). Wenn geduldete Ausländer, deren Ausreisepflicht besteht, nach 15 Monaten Voraufenthalt und Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung die Voraussetzungen für Berufsausbildungsbeihilfe gemäß § 59 Abs. 2 SGB III erfüllen können, kann gestatteten Ausländern, deren Ausreisepflicht noch nicht besteht, beim Vorliegen derselben Umstände Berufsausbildungsbeihilfe nicht mit dem Argument versagt werden, ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt sei nicht zu erwarten. Sie haben beim Absolvieren einer qualifizierten Berufsausbildung und dem Fehlen von anderweitigen abschiebungsrelevanten Faktoren dieselbe zeitliche Aufenthaltsperspektive (Landessozialgericht Schleswig-Holstein am angegebenen Orte). Personen, deren Aufenthalt gestattet ist, können doch nicht schlechter behandelt werden, als Personen, deren Aufenthalt nur geduldet wird. Ein sachlicher Grund hierfür ist nicht ersichtlich. Das Kriterium der guten Bleibeperspektive in § 132 Abs. 1 SGB III wird bei dieser Auslegung nicht überflüssig, da es sich für die Möglichkeit einer Ausbildungsduldung und der daran anschließenden Aufenthaltserlaubnis um eine qualifizierte Ausbildung handeln muss.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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