L 9 U 3387/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 3730/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 3387/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. Juli 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Zugunstenverfahrens gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) das Vorliegen eines Arbeitsunfalls streitig.

Der 1971 geborene Kläger war als Lastkraftwagen-Fahrer bei der Firma R. GmbH in R. tätig.

Er stellte sich am 23.09.2009 im Krankenhaus L. vor und gab dabei an, sich vor vier Wochen beim Abfangen einer Mülltonne das rechte Handgelenk verletzt zu haben. Röntgenologisch wurde ein Abbruch des Processus styloideus radii rechts festgestellt (Befundbericht vom 23.09.2009)

Am 01.10.2009 stellte sich der Kläger bei den Durchgangsärzten Dres. D. vor und teilte mit, im Juli 2009 sei ihm ein Brett auf das linke (gemeint wohl: rechte) Handgelenk gefallen. Er sei seinerzeit nicht beim Arzt gewesen. Wegen anhaltender Beschwerden habe er sich im Krankenhaus L. vorgestellt. Festgestellt wurde ein Druckschmerz über dem Processus styloideus ulnae rechts und eine knöchern durchbaute Fissur. Es handele sich nun um eine posttraumatische Tendovaginitis de Quervain (Nachschaubericht vom 01.10.2009).

Im Rahmen eines Gesprächs gab der Kläger am 25.11.2009 gegenüber der Beklagten an, der Unfall habe sich am 16.07.2009 ereignet (Gegenstand auf die Hand gefallen). Er habe weitergearbeitet und sei dann in Urlaub gegangen. Am 23.09.2009 sei er dann zum Arzt. Eine Meldung des Arbeitgebers sei unterwegs.

In der am 13.10.2009 gefertigten Unfallanzeige trug die Arbeitgeberin des Klägers vor, dieser habe am 23.07.2009 um 10.30 Uhr beim Abladen vom Laster die Plane seitlich aufgezogen. Dabei habe sich das oberste Einsteckbrett gelöst und sei auf sein rechtes Handgelenk gefallen. Zur Arbeitseinstellung sei es erst am 28.09.2009 gekommen.

Gegenüber dem Neurologen und Psychiater Prof. Dr. S. sagte der Kläger am 10.12.2009 aus, er habe den Durchgangsarzt erst später aufgesucht, da er in der Zwischenzeit Urlaub gehabt habe und die Beschwerden angehalten hätten (Befundbericht vom 14.12.2009).

Auf Anfrage der Beklagten gab die Arbeitgeberin des Klägers mit Schreiben vom 09.06.2010 an, der Kläger habe vom 16.07.2009 bis zum 02.08.2009 uneingeschränkt gearbeitet, sei vom 03.08.2009 bis zum 20.08.2009 im Urlaub gewesen und habe sodann vom 21.08.2009 bis zum 23.09.2009 wieder uneingeschränkt gearbeitet. Dass er sich seine Verletzung zugezogen habe, als er eine Mülltonne im Fall habe abfangen wollen, sei ihr nicht bekannt. Angeblich habe er sich die Verletzung im Urlaub bei der Gartenarbeit beziehungsweise bei Renovierungsarbeiten zugezogen. Nachweisen könne sie das nicht.

Unter dem 25.06.2010 ließ der Kläger vortragen, den Arbeitsunfall vom 16.07.2009 seinem Arbeitgeber erstmals am 29.09.2009 gemeldet zu haben. Im August 2009 habe er eine leere Mülltonne im Fangen auffangen wollen. Reflexartig habe er dabei die linke Hand benutzt, da die rechte Hand bereits schwer beeinträchtigt gewesen sei. Da er die Mülltonne nur mit seiner linken Hand habe auffangen wollen, sei sie ihm abgerutscht und zu Boden gefallen. Dabei sei es zu keiner Verletzung der linken oder rechten Hand gekommen. Vielmehr habe seine Ehegattin dieses Ereignis zum Anlass genommen, auf ihn einzuwirken, endlich seine rechte Hand untersuchen zu lassen. Als er vier Wochen später im Krankenhaus L. vorstellig geworden sei, habe er dieses Ereignis geschildert, um klarzustellen, dass er seine rechte Hand nicht mehr benutzen könne. Es sei sodann auch nur die rechte Hand untersucht worden. Auf weitere Nachfrage der Beklagten teilte der Kläger am 17.09.2010 mit, sein Bruder sei bei seinem Unfall dabei gewesen. Den Unfall habe er seinem Arbeitgeber nicht gemeldet, da er Angst vor einer Kündigung gehabt habe, da zu diesem Zeitpunkt eine Kündigungswelle durch die Firma gelaufen sei. Außerdem habe er gedacht, die Verletzung sei nicht so schlimm, und habe sie daher mit Verbänden behandelt.

Auf Anfrage der Beklagten führte der Bruder des Klägers unter dem 30.09.2010 aus, er habe gesehen, wie beim Öffnen der Fahrzeugplane durch seinen Bruder ein zwei bis drei Meter langes Brett aus der obersten Seitenrunge auf dessen Handgelenk herabgestürzt sei. Nach kurzer Zeit sei die Hand leicht angeschwollen. Der Kläger habe unter starken Schmerzen weiterfahren können.

Sodann teilte die Arbeitgeberin des Klägers mit Schreiben vom 22.12.2010 mit, der Bruder des Klägers sei zu keiner Zeit in ihrem Betrieb tätig gewesen. Es sei auch nicht gestattet, Personen im Fahrzeug mitzunehmen.

Telefonisch sagte der Bruder des Klägers am 27.01.2011, im Zeitpunkt des Unfalls sei er arbeitslos gewesen und habe sich die Tätigkeit des Klägers anschauen wollen. Darüber habe er den Chef des Klägers informiert, welcher ihm die Mitfahrt unter der Bedingung erlaubt habe, keinerlei Tätigkeiten beim Be- und Entladen auszuführen.

Am 28.01.2011 teilte die Arbeitgeberin mit, der Kläger habe am fraglichen Tag und in der ganzen Woche Nachtlinie gefahren, was bedeute, dass seine Arbeitszeit um 19:00 Uhr begonnen habe. Er habe bis zu seinem Urlaub im August nicht einen Tag gefehlt und auch keinen Unfall gemeldet. Die Unfallanzeige sei dann einzig und allein aufgrund der Angaben des Klägers erstellt worden, die er nach seiner ärztlichen Vorstellung Ende September gemacht habe. Von anderen Angestellten habe sie allerdings gehört, der Kläger habe selbst erzählt, dass er den Unfall während seines Urlaubs bei Garten- oder Renovierungsarbeiten erlitten habe. Belegen könne sie dies leider nicht. Ferner hätten ihre Fahrer allesamt die schriftliche Anordnung in ihren Bordunterlagen, keine betriebsfremden Personen mitnehmen zu dürfen. Von einer Absprache, dass dem Bruder des Klägers die Mitfahrt erlaubt worden sei, sei im Betrieb nichts bekannt.

Mit Bescheid vom 23.02.2011 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus Anlass des Ereignisses vom 16.07.2009 ab. Nach Würdigung des Sachverhaltes reichten die Angaben des Klägers nicht aus, um die anspruchsbegründenden Tatsachen einer versicherten Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses mit der erforderlichen Gewissheit nachzuweisen. Die Aussage seines von ihm über ein Jahr nach dem fraglichen Ereignis nachträglich als Zeuge genannten Bruders vermöge aufgrund der gegenteiligen Darstellung seiner Arbeitgeberin nicht zu überzeugen. Das Vorliegen eines Arbeitsunfalles sei daher abzulehnen. Ein Anspruch auf Leistungen bestehe nicht.

Hiergegen legte der Kläger am 18.03.2011 Widerspruch ein. Er führte ergänzend aus, bis zur Feststellung seiner Arbeitsunfähigkeit habe er nur unter erheblichen Schmerzen und Beschwerden weiterarbeiten können. Die Arbeitstage habe er nur durch die Einnahme starker Schmerzmedikamente durchstehen können. Dass er zum besagten Zeitpunkt in der Nachtlinie gefahren sein solle, treffe nicht zu. So sei es allgemeine Arbeitspraxis gewesen, dass die Fahrer untereinander ihre Schichten hätten einteilen können. Er habe seine Nachtfahrt vom 16.07.2009 an einen Kollegen abgetreten. Außerdem habe sein Bruder bereits im Oktober 2009 schriftlich zum Unfall Stellung genommen. Wieso diese Stellungnahme in die Unterlagen nicht aufgenommen worden sei, entziehe sich seiner Kenntnis.

Telefonisch teilte die Arbeitgeberin am 23.05.2011 mit, nach den Auszügen sei der Kläger auf der Nachtlinie eingesetzt worden und habe entsprechende Tätigkeitsnachweise ausgefüllt. Dass der Kläger seine Schicht getauscht habe, sei ihr nicht bekannt. Dies sei in ihrem Betrieb auch nicht üblich oder Praxis.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.09.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Vortrag des Klägers im Widerspruchsverfahren sei nicht geeignet, die an dem Vorliegen eines Versicherungsfalls verbliebenen Zweifel auszuräumen.

Hiergegen erhob der Kläger am 21.10.2011 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG; S 7 U 3804/11). Auf Anfrage des SG legte die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 15.02.2013 die vom Kläger erstellten Tagesberichte vor, wonach der Kläger u.a. am 16.07.2009 von 6:30 Uhr bis 19:30 Uhr eingesetzt gewesen sei. Sie gab ferner an, eine tageweise Abtretung der Tour unter Kollegen sei absolut unmöglich. Der in der Tagesschicht eingesetzte Fahrer müsse dann auch noch die Nachtlinie bedienen, was unmöglich sei, weil er nach einem Tagesgeschäft nicht nach ein paar Stunden Ruhezeit weiterfahren könne. Dies sei weder zulässig noch machbar. Ein sich am 16.07.2009 zugetragener Arbeitsunfall sei fragwürdig, da der Kläger vom 16.07.2009 bis zum 23.09.2009 uneingeschränkt und ohne Krankheitstage seine Tätigkeit ausgeführt habe. Hiergegen hat der Kläger eingewandt, er habe im streitgegenständlichen Zeitraum mit einem Arbeitskollegen die Schichten für die gesamte Woche getauscht. Dementsprechend sei er am 16.07.2009 in der Tagesschicht tätig gewesen. Die von der Arbeitgeberin vorgelegten Tagesberichte entsprächen also den Tatsachen.

Im Erörterungstermin vom 22.10.2013 führte der Kläger ergänzend aus, er habe links neben seinem LKW gestanden. Der Hänger des LKW bestehe aus einem Metallgerüst, welches mit einer Plane überzogen sei. Zwischen den Metallstangen seien waagerecht Bretter eingehängt. Er habe begonnen, die festgeschnallte Plane und die Sicherheitsgurte zu lösen und die Plane wegzuziehen. Dabei sei ein Brett, welches sich hinter der Plane befunden habe und wohl nicht richtig eingehängt worden war, waagerecht aus ca. drei Metern Höhe heruntergefallen und ihm mit der Kante auf das rechte Handgelenk gefallen. Normalerweise ziehe er die Plane nach Lösen der Spangen mit beiden Händen auf. Er habe am Unfalltag noch auf der Rückfahrt mit dem Handy bei seinem Chef angerufen und das Unfallereignis geschildert. Dieser habe ihm dann entgegnet, er solle eine Salbe sowie einen Verband verwenden und dann sei die Sache gut. Er habe sein verletztes Handgelenk dem Kollegen, mit dem er seine Schicht getauscht habe, gezeigt. Dieser habe ihm geraten, zum Arzt zu gehen, und gesagt, es sei ein Arbeitsunfall. Angesprochen auf den Bericht des Krankenhauses L. und den darin erwähnten Vorfall mit einer Mülltonne, erklärte der Kläger, er sei von seinem Arbeitgeber unter Druck gesetzt worden. Dieser habe ihm gesagt, er solle genau aufpassen, was er beim Arzt über den Unfallhergang erzähle. Er habe bei der Vorstellung im Krankenhaus L. auch erwähnt, dass die Verletzung bei der Arbeit entstanden sei und sein Chef ihn unter Druck gesetzt habe. Auf die Frage, warum es denn keine Unfallanzeige des Arbeitgebers gebe, habe er geantwortet, dass er seinen Arbeitgeber nicht zwingen könne, eine Unfallanzeige zu erstatten, jedoch den Arbeitgeber über den Unfall informiert habe. Der Tausch der Nachtschicht mit dem Kollegen sei nicht konkret bei seinem Chef angezeigt gewesen, da es im Betrieb generell üblich gewesen sei, die Schichten zu tauschen. Die Mitfahrt seines Bruders am Unfalltag habe er seinem Chef nicht angezeigt. Während seines Urlaubsaufenthaltes sei er nicht zum Arzt gegangen, da er diesen Arztbesuch hätte selber bezahlen müssen. Sein als Zeuge befragter Bruder wiederholte in dem Erörterungstermin seine bisherigen Angaben und sagte ergänzend aus, seines Wissens habe der Kläger seinen Chef über den Unfall nicht informiert. Auf der Rückfahrt habe dieser seinen Chef nicht angerufen. Zwischenfälle während des Urlaubs seien ihm nicht bekannt. Zwischen dem Unfallereignis und dem Urlaubsantritt hätten sogar drei bis vier Wochen gelegen. Aus Angst um den Arbeitsplatz sei der Kläger nicht zum Arzt gegangen. Die Plane sei zum Zeitpunkt des Vorfalls ca. 15 – 20 cm geöffnet gewesen.

Mit Gerichtsbescheid vom 04.11.2013 wies das Sozialgericht die Klage ab mit der Begründung, der vom Kläger angegebene Unfalltag habe von seinem Bruder im Erörterungstermin nicht eindeutig bestätigt werden können. Die Arbeitgeberin habe in der Unfallanzeige als Unfalltag den 23.07.2009 angegeben. Er habe später angegeben, er habe keine Kenntnis davon, dass sich bereits am 16.07.2009 ein Unfall ereignet habe. Somit stehe bereits nicht fest, dass sich der Unfall, wie vom Kläger angegeben, am 16.07.2009 ereignet habe. Auch der vom Kläger angegebene Unfallhergang habe nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden können. Zweifel ergäben sich daraus, dass nach Aussage des Klägers das Brett circa drei Meter lang gewesen und waagerecht heruntergefallen sei, während sein Bruder angegeben habe, die Plane sei zu dem Zeitpunkt, als das Brett heruntergefallen sei, nur ungefähr 15 bis 20 cm geöffnet gewesen. Während der Kläger angegeben habe, noch am Unfalltag auf der Rückfahrt mit dem Handy seinen Chef angerufen und den Unfall angezeigt zu haben, habe sein Bruder diese Frage verneint. Es sei auch nicht erwiesen, dass sich der Kläger die Verletzung am rechten Handgelenk wie von ihm geschildert zugezogen habe. Dagegen sprächen die Angaben der Arbeitgeberin und jene im Bericht des Krankenhauses L ... Die Angaben des Klägers über den Vorfall im Urlaub mit der Mülltonne habe sein mitgereister Bruder nicht bestätigt. Aufgrund der widersprüchlichen Angaben und der möglichen Alternativursachen für die Verletzung sei der Vollbeweis für den vom Kläger geschilderten Unfallhergang nicht erbracht.

Im Rahmen des hiergegen gerichteten Berufungsverfahrens vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG, L 3 U 5376/13) führte der Kläger aus, seine Angaben und die Aussage seines Bruders hätten sich weitestgehend gedeckt. Lediglich in zwei Punkten hätten sie Unterschiede aufgewiesen. Während er angegeben habe, sein Bruder sei ohne Wissen seines Chefs auf die Tour mitgekommen, habe sein Bruder angegeben, er habe sich die Genehmigung des Chefs geben lassen. Während er angegeben habe, die Plane des Lasters sei im Unfallzeitpunkt schon fast vollständig geöffnet gewesen, habe sein Bruder angegeben, die Plane sei nur einige Zentimeter geöffnet gewesen. Diese beiden Widersprüche habe das Sozialgericht zum Anlass genommen, die Klage abzuweisen. Nur im zweiten Fall handele es sich um einen wesentlichen den Unfallhergang betreffenden Widerspruch. Fraglich sei, wie dieser wesentliche Widerspruch zu werten sei. Es sei darauf hinzuweisen, dass der Unfallhergang schon vier Jahre zurückgelegen habe. Erinnerungslücken und Ungenauigkeiten seien hierbei nicht nur nicht auszuschließen, sondern explizit anzunehmen. Ferner hätten sowohl er als auch sein Bruder ausdrücklich gesagt, sie seien der Ansicht, dass das Brett ihm auf den Kopf gefallen wäre und er nur durch einen Warnruf seines Bruders habe seinen Kopf wegziehen und somit dem sicheren Tod entkommen können. Daher sei davon auszugehen, das sowohl er als auch sein Bruder zum Unfallzeitpunkt unter Schock gestanden hätten. Daher müsse auch hier von Ungenauigkeiten in der Erinnerung ausgegangen werden.

Mit Urteil vom 08.10.2014 wies das LSG die Berufung zurück mit der Begründung, die Beklagte habe zu Recht die Feststellung eines Ereignisses vom 16.07.2009 als Arbeitsunfall abgelehnt. Der Nachweis eines Unfallereignisses im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit lasse sich nicht führen. Auch unter Würdigung des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren sei es weder nachgewiesen noch nachweisbar, dass der Kläger den im Krankenhaus L. erst am 23.09.2009 festgestellten Abbruch des Processus styloideus rechts bei der Ausübung einer Tätigkeit erlitten hat, die in einem sachlichen Zusammenhang mit seiner nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) versicherten Tätigkeit als Lastkraftfahrer gestanden habe. Es stehe schon nicht fest, ob der Gesundheitsschaden, wie vom Kläger behauptet, am 16.07.2009 oder, wie in der Unfallanzeige dargestellt, am 23.07.2009 oder im Rahmen des vom 03.08.2009 bis zum 20.08.2009 verbrachten Urlaubs entstanden ist. Es sei völlig offen, wann genau, wo und bei welcher Gelegenheit sich der Kläger seine Verletzung zugezogen habe. Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Klägers ergäben sich insbesondere auch daraus, dass der Kläger noch am 17.09.2010 telefonisch gegenüber der Beklagten angegeben habe, den Unfall seinem Arbeitgeber nicht gemeldet zu haben, später aber im Erörterungstermin beim Sozialgericht vorgetragen habe, er habe noch am Unfalltag auf der Rückfahrt mit dem Handy seinen Chef angerufen und den Unfall angezeigt, was dann wiederum der in diesem Erörterungstermin als Zeuge befragte Bruder des Klägers verneint habe. Ferner spreche gegen eine Unfallursächlichkeit des Processus styloideus rechts, dass der Kläger nach den Angaben seiner Arbeitgeberin über den Tag des von ihm behaupteten Unfalls hinaus bis zu seinem Urlaubsantritt ohne Fehlzeiten weitergearbeitet habe.

Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde verwarf das Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 12.02.2015 als unzulässig (B 2 U 269/14 B).

Mit Schreiben vom 17.04.2015 stellte der Kläger über einen neuen Klägerbevollmächtigten einen Antrag nach § 44 SGB X unter Vorlage eines undatierten Schreibens seines Kollegen Herrn W. mit dem Inhalt, der Kläger habe ihm am 16.07.2009 bei der Übernahme des Lkw mitgeteilt, dass ihm am Morgen eines der Einsteckbretter des Aufliegers auf das Handgelenk gefallen sei. Des Weiteren habe er ihm gesagt, diesen Unfall auch gleich dem Chef gemeldet zu haben. Er habe daraufhin entgegnet, warum der Kläger nicht gleich einen Arzt aufgesucht habe, es sei er schließlich ein Arbeitsunfall. Der Kläger habe geantwortet, aus Angst um seinen Arbeitsplatz weitergearbeitet zu haben.

Mit Bescheid vom 30.04.2015 lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Ablehnungsbescheids vom 23.02.2011 ab, da sich keine neuen Gesichtspunkte aus dem vorgelegten Schriftstück ergäben. Der Kollege sei kein Zeuge des Ereignisses gewesen. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.10.2015 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 09.11.2015 Klage beim SG erhoben mit der bereits zuvor abgegebenen Begründung. Ergänzend ist ausgeführt worden, der Kläger habe seinem Kollegen Herrn W. von dem Vorfall am Abend des 16.07.2009 berichtet, als er ihm den Auflieger übergeben habe. Der Zeuge W. habe den Kläger gefragt, ob er den Unfall seinem Arbeitgeber gemeldet habe, was dieser bejaht habe. Auf die weitere Frage des Zeugen, weshalb der Kläger nicht sofort einen Arzt aufgesucht habe, habe der Kläger mitgeteilt, er sei in Sorge um den Bestand seines Arbeitsplatzes. Hinzu komme, dass der Zeuge W. seit Jahren eine Art Arbeitstagebuch führe, in dem er sämtliche Abläufe seines Arbeitstages notiere, um im Falle eines Streits dieses als Gedankenstütze zu Hilfe nehmen zu können. Im diesem Tagebuch habe der Zeuge den Vorfall wie geschildert vermerkt.

Das SG hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 19.07.2017 erneut den Kläger und anschließend auch den Zeugen W. vernommen. Der Kläger hat angegeben, der Zeuge W. habe seine Verletzung abends bei Übergabe des Lkw gesehen und gesagt, "geh zum Arzt". Sein Bruder sei bei dem Gespräch dabei gewesen. Der Zeuge W. hat ausgeführt, er sei abends zur Arbeit gekommen und habe gesehen, dass der Kläger eine geschwollene Hand gehabt habe. Er habe ihm gesagt, er solle zum Arzt gehen. Er habe ihn mehr oder weniger zum Krankenhaus geschickt und seine Arbeit übernommen. Auf die Frage des Gerichts, ob noch jemand dabei gewesen sei, hat der Zeuge erklärt, "nicht das ich wüsste". Weiterhin konnte der Zeuge W. nicht sagen, wie das Wetter gewesen war und auch nicht, wann er das Schreiben, das zur Begründung des § 44 SGB X Antrags vorgelegt worden war, geschrieben habe. Er führe Bücher, einen Kalender, wo er den Tagesablauf in Stichworten aufschreibe. Nach vier bis fünf Jahren flögen die Dinger weg. Wenn etwas Außergewöhnliches gewesen sei, habe er es normalerweise immer notiert.

Mit Urteil vom 19.07.2017 hat das SG die Klage abgewiesen, da die Zweifel und Widersprüche auch nach der Befragung des Zeugen W. bestünden, der den behaupteten Unfall nicht selbst beobachtet habe. Die Aussage des Zeugen sei unglaubwürdig, da sie detailarm gewesen sei und auch ein Widerspruch zur Aussage des Klägers und dessen Bruder bestehe. Nach deren Aussage sei der Bruder bei dem Gespräch dabei gewesen, während der Zeuge W. hiervon nichts gewusst habe. Es sei außergewöhnlich, dass man einen Verwandten zur Arbeit mitnehme. Deshalb wäre zu erwarten gewesen, dass sich der Zeuge W. hieran noch erinnere.

Gegen das dem Klägerbevollmächtigten am 31.07.2017 zugestellte Urteil hat dieser am 29.08.2017 Berufung beim LSG eingelegt mit der Begründung, das Gericht verstoße gegen die Regeln der Beweiswürdigung, § 128 SGG. Fehlerhaft habe das SG festgestellt, dass die Aussage des Zeugen W. unglaubwürdig sei sowie detailarm. Erstens erinnere sich der Zeuge sehr wohl an Details wie an den genauen Ort und die Zeit seiner Wahrnehmungen und auch an den inhaltlichen Zusammenhang. Darüber hinaus sei zu bedenken, dass sich der Vorfall acht Jahre vor der Zeugenvernehmung zugetragen habe. Auch sei der Zeuge Lkw-Fahrer und als solcher nicht täglich damit befasst, seine Wahrnehmungen schriftlich oder mündlich möglichst anschaulich und gerichtsverwertbar zum Ausdruck zu bringen. Der Sachverhalt weise zweitens eine Besonderheit auf insofern, als der Zeuge W. seit Jahren ein Arbeitstagebuch führe. Hiermit setzte sich das Gericht in der angegriffenen Entscheidung nicht ausreichend auseinander.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. Juli 2017 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 30. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2015 zu verpflichten, den Bescheid vom 23. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. September 2011 aufzuheben und das Ereignis vom 16. Juli 2009 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe verwiesen und sich diese zueigen gemacht und darüber hinaus Bezug genommen auf die Urteile des SG sowie des 3. Senats des LSG im vorangegangenen Klageverfahren.

Der Senat hat im Rahmen eines weiteren Erörterungstermins erneut den Zeugen W. vernommen und den Kläger befragt. Der Kläger hat die Einzelheiten des hier infrage stehenden Unfalls geschildert und ergänzt, er könne nicht genau sagen, warum das Schreiben des Zeugen W. so spät vorgelegt worden sei. Er habe seinem damaligen Anwalt gegenüber gleich gesagt, dass der Zeuge Bescheid gewusst habe, was den Unfall angehe. Der vorherige Anwalt habe das Schreiben von Herrn W. bekommen, aber er wisse nicht genau, wann. Der Zeuge habe noch in seinem Beisein den Vorfall in sein Tagebuch notiert. Der Zeuge W. hat ergänzend ausgeführt, den Kläger zum Arzt geschickt und ihm auch angeboten zu haben, die noch übrig gebliebene Arbeit zu übernehmen. Der Kläger sei dann gegangen, und der Zeuge sei davon ausgegangen, dass er einen Arzt aufgesucht habe. Ob er das tatsächlich getan habe, wisse er nicht. Er habe Tagebücher geführt, weil man ihm in der Firma einmal vorgeworfen habe, für einen Schaden verantwortlich gewesen zu sein. Deshalb habe er es sich zur Gewohnheit gemacht, in einem Tagebuch zu notieren, welche Schäden an den Lkw er übernommen habe. Normalerweise schreibe er die Information in das Tagebuch am Ende seiner Schicht, während er noch im Lastwagen sitze. Er meine, dass er auch diesen Vorfall notiert habe. Der Kläger habe ihm erzählt, von einem herabfallenden Brett an der Hand getroffen worden zu sein. Ob dessen Bruder dabei gewesen sei, wisse er nicht mehr. Über Gerüchte in der Firma, wie die Verletzung entstanden sei, wisse er ebenfalls nichts. Befragt zu dem Schreiben von Bl. 217 der Verwaltungsakte hat der Zeuge ausgeführt, soweit er wisse, sei der Kläger ein halbes Jahr nach dem Vorfall auf ihn zugekommen und habe ihn gebeten, ihm zu bestätigen, wie er ihn an dem Abend angetroffen habe. Hintergrund sei die Kündigungswelle im Betrieb gewesen. Er habe gedacht, der Kläger habe dieses Schreiben gebraucht, um es beim Arbeitgeber abzugeben. Das Tagebuch aus der damaligen Zeit gebe es nicht mehr, da die im Keller gelagerten Tagebücher durch einen Wasserschaden vernichtet worden seien. Diesen habe er keiner Versicherung gemeldet.

Mit Schreiben vom 10.05.2019 und 20.05.2019 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz in beiden Verfahren verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgericht (SGG) statthafte, nach § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheiden konnte, ist unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Urteils des SG Heilbronn vom 18.07.2017, mit dem die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 30.04.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2015 abgewiesen worden ist, in dem die Beklagte den Antrag gemäß § 44 SGB X, den Bescheid vom 23.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2011 zurückzunehmen und das Ereignis vom 16.07.2009 als Arbeitsunfall anzuerkennen, abgelehnt hat.

Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Auch wenn vorliegend nicht über Sozialleistungen im engeren Sinne, sondern über das Vorliegen eines Arbeitsunfalles entschieden wurde, ist § 44 SGB X auch diesbezüglich anwendbar (ohne weitere Problematisierung vgl. BSG, Urteil vom 05.09.2006 - B 2 U 24/05 R -, Juris).

Die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bescheides vom 23.02.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2011 liegen nicht vor, da der Kläger nicht nachweisen konnte, dass von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist für einen Arbeitsunfall im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang) ist sowie diese Verrichtung wesentlich ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) verursacht (Unfallkausalität) und das Unfallereignis wesentlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat (BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R -, Urteile vom 18.01.2011 - B 2 U 9/10 R - und vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R -, jeweils in Juris).

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R -, Juris). Es gelten die allgemeinen Regeln der materiellen Beweislast. Danach trägt derjenige, der ein Recht - hier Feststellung eines Arbeitsunfalls - für sich beansprucht, nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Ermittlung die materielle Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen dieses Rechts (BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R -; Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, Juris).

Vorliegend sind auch nach wiederholter Zeugenvernehmung Ungereimtheiten verblieben, die Anlass zu erheblichen Zweifeln am Vorliegen eines Arbeitsunfalls geben.

Der Kläger hat vorgetragen, am 16.07.2009 sei ihm das besagte Brett auf die Hand gefallen und habe zu einem Gesundheitsschaden geführt. Zum Arzt ging er zunächst unstreitig nicht, so dass die normalerweise übliche Vorgehensweise, aus dem Durchgangsarztbericht die Umstände eines Arbeitsunfalls zeitnah ablesen zu können, vorliegend nicht möglich war. Als er dann aber tatsächlich einen Arzt aufsuchte, nämlich das Krankenhaus L., gab er dort an, vor vier Wochen eine Mülltonne im Fall abgefangen zu haben und sich dabei das Handgelenk rechts verletzt zu haben. Sein Vortrag, durch diese Schilderung lediglich seine Beschwerden veranschaulicht zu haben, ist für den Senat wenig überzeugend, zumal der Kläger, wie er im Erörterungstermin am 06.05.2019 bewiesen hat, unproblematisch in der Lage ist, sich deutlich und unmissverständlich auszudrücken. Weiterhin hat der Klägerbevollmächtigte mit Schreiben vom 25.06.2010 vorgetragen, der Kläger habe den Arbeitsunfall erstmals am 29.09.2009 seinem Arbeitgeber gemeldet - dies hat auch der Kläger selber im Rahmen eines Telefonats am 17.09.2010 so angegeben, in dem er sagte, den Unfall seinem Arbeitgeber nicht gemeldet zu haben aus Angst vor einer Kündigung. Außerdem habe er gedacht, die Verletzung sei nicht zu schlimm, und habe sich selbst mit Verbänden behandelt. Im Rahmen des Erörterungstermins vor dem SG am 22.10.2013 gab der Kläger im Widerspruch dazu erstmals an, seinen Chef bereits auf der Rückfahrt angerufen zu haben und ihm das Unfallgeschehen geschildert zu haben. Diesen Vortrag hat er danach auch am 06.05.2019 gegenüber dem LSG noch einmal wiederholt, ohne dass deutlich geworden wäre, wie dieser Anruf - der im Übrigen vom Arbeitgeber nicht bestätigt worden ist - mit der Angst vor Kündigung zu vereinbaren ist. Die vom Kläger hier getroffene Unterscheidung zwischen bloßem Bescheidsagen und einer (förmlichen) Unfallmeldung erschließt sich dem Senat nicht. Sein Bruder konnte sich im Übrigen nicht an diesen Anruf erinnern, wie er gegenüber dem SG ausgesagt hat, wie aber zu erwarten gewesen wäre, wenn sich der Arbeitsunfall wie vorgetragen zugetragen hätte. Eine weitere Ungereimtheit liegt darin, dass der Bruder des Klägers im Rahmen der Unfallbeschreibung angegeben hat, die Plane am Lkw sei etwa 15-20 cm weit geöffnet gewesen, als das Brett herabgefallen sei, während der Kläger hier von 3 m gesprochen hat und damit von einer nicht unerheblich größeren Öffnung der Abdeckung. Widersprüchlichkeiten ergeben sich auch aus der schriftlichen Zeugenaussage des Bruders im Zeugenfragebogen (Bl. 104, Seite 3 V-Akte). Unter Ziffer 8 führte er aus, "mir ist nicht bekannt, wer genau für die Beladung in Schweden zuständig sei, da ich den Auflieger erst in L. von meinem Kollegen übernommen habe und dieser den Auflieger in K. L. bei Schenker von einem Fahrer übernommen hat, der diesen aus Travemünde gebracht hat". Dieser Satz stammt offensichtlich ursprünglich nicht vom Bruder des Klägers, da dieser zur Zeit des hier streitigen Arbeitsunfalls arbeitslos war und nicht für die Arbeitgeberin des Klägers gearbeitet hat. Insofern gibt es keinen Sinn, dass er von "meinem Kollegen" spricht, und es ist daher fraglich, inwieweit die restlichen Angaben im Fragebogen tatsächlich vom Bruder des Zeugen stammen und auf dessen Wahrnehmung beruhen. Der Zeuge W., der angeblich am Unfalltag bei der Lkw-Übergabe von dem Unfall erfuhr, konnte sich im Übrigen an die Anwesenheit des Bruders des Klägers nicht erinnern. Wie bereits das SG ist auch der Senat der Auffassung, dass dies aber angesichts der Tatsache, dass die Mitnahme Dritter eher ungewöhnlich ist, zu erwarten gewesen wäre. Weiterhin hat der Kläger angegeben, der Zeuge W. habe noch in seinem Beisein den Vorfall in seinem Tagebuch notiert. Auch dies konnte der Zeuge W. so nicht bestätigen, vielmehr hat er dargelegt, Vorgefallenes normalerweise am Ende des Arbeitstages in sein Buch zu schreiben. Das hier betroffene Tagebuch konnte der Zeuge W. nicht mehr vorlegen und damit auch nicht den Originaleintrag. Ob es diesen tatsächlich gegeben hat, obwohl doch der Zeuge W. davon ausging, der Kläger würde sofort einen Arzt aufsuchen, so dass mit Beweisschwierigkeiten nicht zu rechnen gewesen wäre, ist somit für den Senat nicht mehr nachprüfbar. Der Zeuge hat hier ausgeführt, das Tagebuch sei zusammen mit anderen älteren Tagebüchern durch einen Wasserschaden im Keller vernichtet worden - doch auch dies lässt sich nicht überprüfen, da eine Meldung an die Hausratversicherung unterblieb. Vor dem SG hieß es demgegenüber noch lapidar, die "Dinger fliegen nach vier bis fünf Jahren weg", ohne dass von einem Wasserschaden die Rede war. Der Zeuge W. hat auch trotz ausdrücklicher Aufforderung seitens der Berichterstatterin kein - aktuelles - Tagebuch zum Erörterungstermin mitgebracht, so dass eine Inaugenscheinnahme nicht möglich war. Nicht aufklären ließ sich auch, wann der Zeuge W. das Schreiben verfasst hat, das im Jahr 2015 der Untermauerung des § 44 SGB X-Antrags diente. Zunächst hat der Kläger hierzu im Rahmen des Erörterungstermins am 06.05.2019 vorgetragen, sein vorheriger Anwalt habe das Schreiben des Zeugen W. bekommen, aber er wisse nicht genau, wann dies gewesen sei. Der Zeuge W. hingegen hat behauptet, der Kläger selber sei etwa ein halbes Jahr nach dem Ereignis auf ihn zugekommen und habe nach dem Schreiben verlangt. Von einem Anwalt ist hier keine Rede. Nicht nachvollziehbar ist jedenfalls, warum dieses Schreiben nicht bereits zu einem viel früheren Zeitpunkt, nämlich als sich Probleme mit der Anerkennung des Arbeitsunfalls abzeichneten, vom Kläger oder seinem Bevollmächtigten vorgelegt wurde. Ebenso wenig nachvollziehbar ist der Vortrag des Zeugen W., er habe dem Kläger das Schreiben vor dem Hintergrund der Kündigungswelle ausgehändigt. Hier hat sich dem Senat nicht erschlossen, welcher Zusammenhang zwischen der Kündigungswelle und dem Schreiben über einen Arbeitsunfall bestehen soll. Auffällig ist auch der Vortrag des Klägerbevollmächtigten im Schreiben vom 29.02.2016 gegenüber dem LSG, der Zeuge W. habe den Kläger am Abend des 16.07.2009 gefragt, weshalb er nicht sofort einen Arzt aufgesucht habe. Dieser Vortrag passt nicht zur Aussage des Zeugen W., der angegeben hat, den Kläger zum Arzt geschickt zu haben und davon ausgegangen zu sein, dass dieser der Aufforderung auch nachkommen werde. Wird nun in die Überlegungen noch der Umstand mit einbezogen, dass der Kläger gegenüber der Klinik L. von einem Unfall mit einer Mülltonne gesprochen hat bzw. im Betrieb Gerüchte über einen Unfall im Urlaub umhergingen, bestehen insgesamt derartig schwerwiegende Zweifel an der Richtigkeit des klägerischen Vortrags, dass sich der Senat vom Vorliegen eines Arbeitsunfalls mit der hierzu erforderlichen Gewissheit nicht überzeugen konnte.

Ohne dass es hierauf noch ankäme, gibt auch die Schilderung des Arbeitsunfalles an sich Anlass zu zweifeln: Wie der Kläger dargelegt hat, hat er links neben dem Aufhänger stehend dessen seitliche Plane mit beiden Händen aufgezogen, d.h. rechts neben ihm befand sich die Plane, die er an deren senkrechtem Ende mit beiden Händen umfasste und wie einen schweren Vorhang nach hinten zu sich hinzog. In dieser Situation soll das Brett aus der Aufhängung hinter der Plane waagerecht nach unten gefallen sein. Hier erschließt sich dem Senat schon nicht, wie das sich außen an der Plane befindliche Handgelenk des Klägers durch das innen herabfallende Brett getroffen werden kann. Hinzu kommt, dass sich die Verletzung des Klägers an seiner rechten Hand nahe am Handgelenk auf der Seite der Speiche befand, also auf der Daumenseite. Wird indessen das senkrechte Planenende mit beiden Händen umfasst und nach hinten aufgezogen, befindet sich diese Stelle am Handgelenk unten, so dass ein herabfallendes Brett - unterstellt, es käme irgendwie an der Plane vorbei - allenfalls das Handgelenk an der Ellenseite treffen könnte. Selbst wenn der Kläger die Plane entgegen seinem bisherigen Vortrag auf der rechten Seite des Anhängers nach hinten gezogen hätte, wäre die rechte Hand unter der linken Hand gewesen mit der Folge, dass ein dann herabfallendes Brett eher die linke Hand und diese wiederum auf der Seite der Elle getroffen hätte.

Angesichts dieser Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass die Beklagte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist und unzutreffenderweise das Vorliegen eines Arbeitsunfalles abgelehnt hat.

Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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