S 17 SO 125/19 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
17
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 17 SO 125/19 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 SO 160/19 B ER
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Bereits die Feststellung des Verlustes des Freizügigkeitsrechts nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU führt zum Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 7, 2. Halbsatz SGB XII. Auf die Bestandskraft der Verlustfeststellung kommt es nicht an.

2. Zu einer eigenständigen Prüfung der materiellen aufenthaltsrechtlichen Lage sind nach Verlustfeststellung weder der Sozialleistungsträger noch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit befugt.
Der Antrag, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller ab Antragstellung für einen in das Ermessen des Gerichts gestellten Zeitraum vorläufig Leistungen nach dem SGB XII in gesetzlicher Höhe zu gewähren, wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der 1961 geborene Antragsteller ist rumänischer Staatsangehöriger. Seit dem 20. Oktober 2011 hält er sich zusammen mit seiner rumänischen Ehefrau in Deutschland auf.

Am 18. Dezember 2017 stellte der Rentenversicherungsträger die volle Erwerbsminderung auf Dauer seit (zumindest) 23. Dezember 2015 fest. Daraufhin forderte ihn der SGB II-Träger, von dem er zu diesem Zeitpunkt Leistungen nach dem SGB II bezog, am 7. März 2019 auf, einen Antrag nach dem SGB XII bei dem Antragsgegner zustellen. Dem kam der Antragsteller am 13. März 2019 nach.

Bereits zuvor, mit Bescheid vom 31. August 2017, hatte die Ausländerbehörde des Antragsgegners den Verlust der Freizügigkeit festgestellt und verfügt:

1. Das Nichtbestehen Ihres Rechts auf Einreise und Aufenthalt nach § 2 Abs. 1 Freizügigkeitsgesetz (FreizügG/EU) wird gem. § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU festgestellt. 2. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU sind Sie verpflichtet, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen. 3. Sollten Sie dieser Ausreiseverpflichtung nicht spätestens zwei Monate nach Bestandskraft dieser Verfügung nachgekommen sein, wird Ihnen hiermit gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU die Abschiebung aus dem Bundesgebiet nach Rumänien angedroht. Nach § 11 Abs. 2 FreizügG/EU i.V.m. § 59 Abs. 2 AufenthG (Aufenthaltsgesetz) können Sie auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, wenn Sie in diesen einreisen dürfen oder dieser Staat zu Ihrer Rücknahme verpflichtet ist.

Dagegen erhob der Antragsteller Klage vor dem Verwaltungsgericht Darmstadt (Az.: 6 K 4545/17.DA), welche nach seiner Auskunft vom 24. Juli 2019 noch anhängig ist.

Mit Bescheid vom 23. Mai 2019 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab, da sich der Antragsteller aufgrund der Feststellung des Verlustes der Freizügigkeit nicht mehr rechtmäßig in Deutschland aufhalte. Die anhängige Klage führe zu einer aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung, nicht jedoch hinsichtlich des Aufenthaltsrechts.

Dagegen legte der Antragsteller am 17. Juni 2019 Widerspruch ein unter Verweis auf die Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts vom 10. Juli 2018, L 9 AS 142/18 B ER. Seine Ehefrau habe ihre Tätigkeit zwar zum 1. Februar 2019 aufgeben müssen. Dies sei jedoch unfreiwillig geschehen, sodass nach § 2 Abs. 3 FreizügG/EU das Freizügigkeitsrecht fortbestehe. Zum anderen habe seine Ehefrau zum 10. Juni 2019 eine neue Tätigkeit als Reinigungskraft aufgenommen. Er halte sich somit nicht allein zur Arbeitssuche in Deutschland auf. Nach dem beigefügten Arbeitsvertrag erhält die Ehefrau des Antragstellers für eine in dem Vertrag zeitlich nicht näherbestimmte Tätigkeit als Reinigungskraft eine monatliche Vergütung von 450,00 EUR.

Am 3. Juli 2019 hat der Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz bei dem Sozialgericht Darmstadt beantragt. Zur Begründung trägt der Antragsteller vor, dass das Hessische Landessozialgericht in seinem Beschluss vom 10. Juli 2018 für den Leistungsanspruch nach dem SGB II festgestellt habe, dass dieser bereits aus dem langjährigen Anspruch gemäß § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II folge. Die Verlustfeststellung habe, solange der Bescheid nicht bestandkräftig und auch nicht für sofort vollziehbar erklärt worden sei, keine Auswirkungen auf den bereits bestehenden Anspruch nach § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II. Gleiches habe für die Vorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 7 SGB XII zu gelten. Darüber hinaus sei er als Ehemann einer Arbeitnehmerin gem. § 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt. Er habe bis zum 30. Juni 2019 ergänzende Leistungen nach dem SGB II bezogen. Diese seien mit Bescheid vom 24. Juni 2019 eingestellt worden. Er verfüge derzeit über keinerlei Einkommen und Vermögen. Hinsichtlich eines Aufenthaltsrechts nach § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU habe die Verlustfeststellung keine Tatbestandswirkung. Mit der Aufnahme einer Tätigkeit durch seine Ehefrau sei zum 10. Juni 2019 ein neuer Sachverhalt eingetreten. Seine Ehefrau habe damit ihre Arbeitnehmereigenschaft neu begründet. Damit entstehe ein neues Aufenthaltsrecht nach § 2 FreizügG/EU; die Ausreisepflicht werde gegenstandslos. Er sei als Familienangehöriger gemäß § 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt.

Der Antragsteller beantragt schriftlich,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ab Antragstellung für einen in das Ermessen des Gerichts gestellten Zeitraum vorläufig Leistungen nach dem SGB XII in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt schriftlich,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung trägt er vor, dass der Antragsteller bereits mangels eines Aufenthaltsrechts von Leistungen nach dem SGB XII, mit Ausnahme von Überbrückungsleistungen, ausgeschlossen sei. Die förmliche Verlustfeststellung begründe dabei die sofortige Ausreisepflicht. Diese entstehe nach der geltenden Rechtslage dabei nicht mehr erst dann, wenn der Verlust des Freizügigkeitsrechts unanfechtbar festgestellt sei, sondern grundsätzlich bereits mit der bloßen Feststellung des Verlusts. Den Verfügungen der Ausländerbehörde kommt insoweit Tatbestandswirkung zu. Den Sozialhilfeträgern sowie den Sozialgerichten sei die eigenständige Überprüfung dieser Entscheidung verwehrt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag ist nicht begründet. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit kein Fall nach § 86b Abs. 1 SGG vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG). Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Bestehens von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl. BSG, Beschluss vom 07.04.2011, B 9 VG 15/10 B, juris, Rdnr. 6).

Ausgehend davon hat der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Der Antragsteller erfüllt weder die Anspruchsvoraussetzungen des § 23 SGB XII noch des § 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

Nach § 23 Abs. 1 SGB XII ist Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe zur Pflege nach diesem Bruch zu leisten. Die Vorschriften des Vierten Kapitels bleiben unberührt. Im Übrigen kann Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Die Einschränkungen nach Satz 1 gelten nicht für Ausländer, die im Besitz einer Niederlassungserlaubnis oder eines befristeten Aufenthaltstitels sind und sich voraussichtlich dauerhaft im Bundesgebiet aufhalten.

Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes erhalten keine Leistungen der Sozialhilfe (§ 23 Abs. 2 SGB XII).

Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII erhalten Ausländer keine Leistungen nach Absatz 1 oder nach dem Vierten Kapitel, wenn

1. sie weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbständige noch auf Grund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, 2. sie kein Aufenthaltsrecht haben oder sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, 3. sie ihr Aufenthaltsrecht allein oder neben einem Aufenthaltsrecht nach Nummer 2 aus Artikel 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (Abl. L 141 vom 27.5.2011, S.1), die durch die Verordnung (EU) 2016/589 (Abl. L 107 vom 22.4.2016, S.1) geändert worden ist, ableiten oder 4. sie eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen.

Satz 1 Nummer 1 und 4 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten (§ 23 Abs. 3 Satz 2 SGB XII).

Hilfebedürftigen Ausländern, die Satz 1 unterfallen, werden bis zur Ausreise, längstens jedoch für einen Zeitraum von einem Monat, einmalig innerhalb von zwei Jahren nur eingeschränkte Hilfen gewährt, um den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken (Überbrückungsleistungen) (§ 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII). Soweit dies im Einzelfall besondere Umstände erfordern, werden Leistungsberechtigten nach Satz 3 zur Überwindung einer besonderen Härte andere Leistungen im Sinne von Absatz 1 gewährt; ebenso sind Leistungen über einen Zeitraum von einem Monat hinaus zu erbringen, soweit dies im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte und zur Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage geboten ist (§ 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII).

Abweichend von Satz 1 Nummer 2 und 3 erhalten Ausländer und ihre Familienangehörige Leistungen nach Absatz 1 Satz 1 und 2, wenn sie sich seit mindestens fünf Jahren ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde (§ 23 Abs. 3 Satz 7 SGB XII).

Die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nach § 23 Abs. 3 Satz 7, 1. Halbsatz SGB XII sind nicht gegeben. Zwar hält sich der Antragsteller bereits seit mehr als fünf Jahren in der Bundesrepublik Deutschland auf. Eine Leistungsgewährung scheitert jedoch daran, dass die Voraussetzungen des Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 7, 2. Halbsatz SGB XII erfüllt sind. Die Ausländerbehörde des Antragsgegners hat mit Bescheid vom 31. August 2017 den Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU festgestellt. Der Antragsteller verfügt damit aktuell über kein Aufenthaltsrecht. Die Verlustfeststellung begründet gemäß § 7 Abs. 1 FreizügG/EU schon vor Bestandskraft der Entscheidung eine Ausreisepflicht des Antragstellers (vgl. Geyer in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 7 FreizgG/EU, Rdnr. 3).

Dass die Verlustfeststellung angefochten wurde und die diesbezügliche Klage noch beim Verwaltungsgericht Darmstadt anhängig ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. "Nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 3 Satz 7 Halbsatz 2 SGB XII führt bereits die Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts zur Unanwendbarkeit der Ausnahme, die Rechtskraft der Verlustfeststellung wird nicht vorausgesetzt. Dass es auf die Rechtskraft nicht ankommen kann, entspricht auch der Systematik der Regelung des § 23 Abs. 3 SGB XII: Die Ausnahme vom Leistungsausschluss für Ausländer, die sich seit mindestens fünf Jahren ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten, soll dem Umstand Rechnung tragen, dass auch ohne materielles Aufenthaltsrecht tatsächlich eine Verfestigung des Aufenthalts in Deutschland eintreten kann. Hat die Ausländerbehörde allerdings den Verlust des Freizügigkeitsrechts festgestellt, so steht dies der Annahme eines verfestigten Aufenthalts entgegen (so die Gesetzesbegründung der derzeitigen Fassung des § 23 Abs. 3 SGB XII, BT-Drs. 18/10211, S. 16 i.V.m S. 14). Denn bereits die behördliche Verlustfeststellung führt zur Ausreisepflicht des Ausländers nach § 7 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU, ihre Rechtskraft ist dafür nicht erforderlich (vgl. hierzu die Begründung zur Änderung des § 7 Abs. 1 durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007, BT-Drs. 16/5065 S. 211 zu Nummer 8 a. aa.)." (Landessozialgericht Hamburg, Beschluss vom 28. September 2017, L 4 SO 55/17 B ER, juris, Rdnr. 6).

Darüber hinaus beendet die Feststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU den rechtmäßigen Aufenthalt auch dann, wenn der Ausländer gegen den feststellenden Verwaltungsakt Widerspruch einlegt oder Anfechtungsklage erhebt. Der Suspensiveffekt (§ 80 Abs. 1 VwGO) lässt die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes unberührt und führt nur zu einem umfassenden Verwirklichungs- und Ausnutzungsverbot, da dem Suspensiveffekt nur Vollzugs- und keine Wirksamkeitshemmung zukommt. Rechtsmittel hemmen folglich nicht die Ausreisepflicht selbst, sondern nur deren Durchsetzung (vgl. Dienelt in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 7 FreizügG/EU, Rdnr. 18). Die rechtsgestaltende Wirkung der Feststellung nach § 5 FreizügG/EU auf die natürliche Rechtsposition, die durch die Freizügigkeitsvermutung hervorgerufen wird, beendet den rechtmäßigen Aufenthalt. Während des Zeitraums bis zur Entscheidung der Widerspruchsbehörde oder des Gerichts ist der Aufenthalt geduldet und entspricht damit der Rechtsstellung eines ausgewiesenen Ausländers nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG (vgl. Dienelt in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 7 FreizügG/EU, Rdnr. 18). § 7 Abs. 1 Satz 4 FreizügG/EU bestimmt nur, dass in den Fällen, in denen mit der Verlustfeststellung bereits die Abschiebung angedroht und hiergegen einstweiliger Rechtsschutz beantragt wird, die Abschiebung nicht vor Entscheidung über den Eilantrag erfolgen darf (vgl. LSG Hamburg, Beschluss vom 28. September 2017, L 4 SO 55/17 B ER, juris, Rdnr. 6). Bereits das Bestehen der Ausreisepflicht steht aber der Annahme eines verfestigten Aufenthalts im Sinne der Ausnahmeregelung des § 23 Abs. 3 Satz 7 SGB XII entgegen (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26. Mai 2017, L 15 AS 62717 B ER, juris Rn. 12 für die entsprechende Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 2 SGB II). Ohne Verfestigung des Aufenthalts fehlt es an einem Grund für eine Ausnahme von dem Leistungsausschluss (vgl. LSG Hamburg, Beschluss vom 28. September 2017, L 4 SO 55/17 B ER, juris, Rdnr. 6).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von dem Antragsteller zitierten Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts vom 10. Juli 2018, L 9 AS 142/18 B ER. Diese Entscheidung bezieht sich auf einen anderen Sachverhalt: In dem dort maßgeblichen Bescheid war die Ausreiseverpflichtung erst zwei Monate nach Bestandskraft der jeweiligen Verfügung von der Ausländerbehörde verfügt worden (vgl. Hessisches Landessozialgericht, a.a.O, Rdnr. 13). Eine solche Begrenzung bzw. zeitliche Verschiebung der Regelung zur Ausreisepflicht enthält die hier maßgebliche Verfügung der Ausländerbehörde vom 31. August 2017 nicht.

Ob der Antragsteller aufgrund der Arbeitsaufnahme seiner Ehefrau nunmehr freizügigkeitsberechtigt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU ist, ist im sozialgerichtlichen Verfahren nicht zu klären. Die Ausreisepflicht aufgrund des Bescheides vom 31. August 2017 besteht solange, wie die Feststellung nicht aufgehoben wurde. Dementsprechend wird im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geprüft, ob aufgrund einer Änderung der Verhältnisse der Grund für die Feststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU entfallen ist. In diesem Fall wäre die Feststellung mit ex nunc Wirkung aufzuheben (vgl. Dienelt in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 7 FreizügG/EU, Rdnr. 25). Erst mit der Aufhebung der Feststellung über das Nichtbestehen der Freizügigkeit lebt die Freizügigkeitsvermutung wieder auf und es wird für Dritte erkennbar, dass sich der Betroffene wieder rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (vgl. Dienelt, a.a.O.). Die Freizügigkeitsberechtigung lebt hingegen nicht von selbst wieder auf allein aufgrund der Änderung der Sachlage (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19. März 2018, L 19 AS 133/18 B ER, juris, Rdnr. 12). Hierdurch wird deutlich, dass den Sozialleistungsträgern wie auch den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eine eigenständige Prüfung der materiellen aufenthaltsrechtlichen Lage nach Erlass einer Verlustfeststellung verwehrt ist. Denn den Verwaltungsakten der Ausländerbehörden über die Feststellung des Bestehens wie des Verlustes der Freizügigkeitsberechtigung und der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht verbunden mit einer Abschiebungsandrohung kommt Tatbestandswirkung zu, sodass diese ohne Rücksicht auf ihre materielle Richtigkeit Wirkung entfalten (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19. März 2018, L 19 AS 133/18 B ER, juris, Rdnr. 13). Dies gilt jedenfalls auf der Grundlage des hier maßgeblichen § 23 Abs. 3 Satz 7 SGB XII (in der Fassung vom 22. Dezember 2016), der ausdrücklich hinsichtlich der Leistungsgewährung auf den bloßen Erlass einer Verlustfeststellung abstellt (vgl. zur Tatbestandswirkung von Aufenthaltserlaubnissen Bundessozialgericht, Urteil vom 2. Dezember 2014, B 14 AS 8/13 R, juris, Rdnr. 12, wonach die Leistungsträger nicht zur Überprüfung und ggf. Nichtbeachtung aufenthaltsrechtlicher Statusentscheidungen befugt sind).

Die Gewährung von Überbrückungsleistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII kommt aktuell nicht in Betracht, da es derzeit keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass der Antragsteller beabsichtigt, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen.

Der Antragsteller hat auch keine Leistungsberechtigung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz glaubhaft gemacht. Nach § 1 Abs. 1 AsylbLG sind leistungsberechtigt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die 1. eine Aufenthaltsgestattung nach dem Asylgesetz besitzen, 2. über einen Flughafen einreisen wollen und denen die Einreise nicht oder noch nicht gestattet ist, 3. eine Aufenthaltserlaubnis besitzen a. wegen des Krieges in ihrem Heimatland nach § 23 Absatz 1 oder § 24 des Aufenthaltsgesetzes, b. nach § 25 Absatz 4 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder c. nach § 25 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes, sofern die Entscheidung über die Aussetzung ihrer Abschiebung noch nicht 18 Monate zurückliegt, 4. eine Duldung nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes besitzen, 5. vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist, 6. Ehegatte, Lebenspartner oder minderjährige Kinder der in den Nummern 1 bis 5 genannten Personen sind, ohne daß sie selbst die dort genannten Voraussetzungen erfüllen, oder 7. einen Folgenantrag nach § 71 des Asylgesetzes oder einen Zweitantrag nach § 71a des Asylgesetzes stellen.

§ 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 sowie Nr. 6 und 7 AsylbLG sind ersichtlich nicht einschlägig. Da der Antragsteller aufgrund der aufschiebenden Wirkung der verwaltungsgerichtlichen Klage momentan nicht vollziehbar ausreisepflichtig ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG), scheidet trotz der Verlustfeststellung die Anwendung des Asylbewerberleistungsgesetzes aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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