L 1 KA 5/19 B ER

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 25 KA 55/19 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KA 5/19 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Hat sich ein Medizinisches Versorgungszentrum entschieden, eine genehmigte Arztstelle gemäß § 103 Abs. 4a Satz 4 i.V.m. § 95 Abs. 9b 1. HalbsatzSGB V im Wege einer Nachbesetzung nach § 103 Abs. 4 SGB V in eine Zulassung umzuwandeln, sind im Nachbesetzungsverfahren wie bei jedem anderen Praxisabgeber nur die wirtschaftlichen Interessen gemäß § 103 Abs. 4 Satz 8 SGB V zu berücksichtigen.
I. Die beschwerdeführende Beigeladene zu 8 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der übrigen Beigeladenen.

II. Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 116.717,91 EUR festgesetzt.

Gründe:

Nachdem die Beigeladene zu 8 und der Antragsgegner den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 161 Abs. 2 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nach billigem Ermessen über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden. Dabei ist der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen.

Billigem Ermessen entspricht es im vorliegenden Fall, der Beigeladenen zu 8 als Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil sie im Beschwerdeverfahren voraussichtlich unterlegen wäre.

Dabei kann offen bleiben, ob die Beigeladene zu 8 überhaupt formell durch den Beschluss des Sozialgerichts beschwert war, weil der gegen den auf ihren Widerspruch ergangenen Abhilfebescheid gerichtete Antrag der Antragstellerin vom Sozialgericht abgelehnt worden war. Denn inhaltlich ist der Beschluss des Sozialgerichts vom 16.04.2019 nicht zu beanstanden. Der Beschluss des Antragsgegners vom 23.01.2019 erweist sich nach der erforderlichen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung als rechtswidrig.

Verfügt ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) über eine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung und entsprechend genehmigte Arztstellen für angestellte Ärztinnen und Ärzte, dann erlaubt das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) seit Inkrafttreten des Gesetzes zu Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung – GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG) am 23.07.2015 drei verschiedene Wege, derartige Arztstellen weiterzubesetzen. Zum einen kann die Arztstelle vom MVZ durch Anstellung einer anderen Ärztin oder eines anderen Arztes gemäß § 95 Abs. 2 Satz 7 und Satz 8 SGB V innerhalb von (in der Regel) sechs Monaten nach deren Freiwerden gemäß § 103 Abs. 4a Satz 3 SGB V nachbesetzt werden, unabhängig davon, ob im Planungsbereich Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind oder nicht (vgl. Pawlita in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 103 SGB V Rn. 146). Zum anderen gibt es zwei Varianten, wie die genehmigte Arztstelle in eine Zulassung umgewandelt werden kann: entweder wird im Falle der Umwandlung einer Anstellungsgenehmigung in eine Zulassung gemäß § 103 Abs. 4a Satz 4 i.V.m. § 95 Abs. 9b 2. Halbsatz SGB V der bisher angestellte Arzt bzw. die bisher angestellte Ärztin ohne Weiteres Inhaber der Zulassung oder das anstellende MVZ beantragt zugleich mit der Umwandlung gemäß § 95 Abs. 9b 1. Halbsatz SGB V die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 4 SGB V. Um Letztere geht es hier.

Die Auswahl bei einer Nachfolgezulassung gemäß § 103 Abs. 4 Satz 4 SGB V ist keine gebundene Entscheidung, sondern eine Ermessensentscheidung. Im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung dieser Auswahlentscheidung wird nicht deren Richtigkeit vom Gericht überprüft, sondern nur, ob Ermessenfehler vorliegen. Aus dem Charakter der Auswahlentscheidung als Ermessensentscheidung folgt, dass die gerichtliche Überprüfung im Hauptsacheverfahren darauf beschränkt ist, ob das Ermessen fehlerhaft ausgeübt wurde und – hier: – die Antragstellerin durch den Ermessensfehler beschwert ist (Bundessozialgericht &61531;BSG&61533;, Urteil vom 20.03.2013 – B 6 KA 19/12 R – juris Rn. 45 m.w.N.). Den Zulassungsgremien ist ein Entscheidungsspielraum eröffnet, den die Gerichte zu respektieren haben (vgl. Landessozialgericht &61531;LSG&61533; Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.07.2006 – L 5 KA 3384/06 ER-B – juris Rn. 51). Die gerichtliche Rechtskontrolle ist darauf beschränkt zu überprüfen, ob die Behörde von einem vollständigen und richtigen Sachverhalt ausgegangen ist, die rechtlichen Grenzen ihres Ermessensspielraums eingehalten und von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Eine danach rechtsfehlerfreie Auswahlentscheidung muss das Gericht hinnehmen und es ist nicht befugt, anstelle der Zulassungsgremien eine eigene Auswahlentscheidung zu treffen (BSG, Urteil vom 15.07.2015 – B 6 KA 32/14 R – juris Rn. 42; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.05.2014 – L 11 KA 99/13 B ER – juris Rn. 49).

Daran gemessen hat das Sozialgericht zu Recht einen Ermessensfehler festgestellt. Denn der Antragsgegner hat Umstände in seine Auswahlentscheidung einbezogen und ihnen entscheidendes Gewicht beigemessen, die von Rechts wegen nicht in dieser Weise zu berücksichtigen waren.

Zutreffend hat das Sozialgericht festgestellt, dass ein MVZ, das sich entschieden hat, eine genehmigte Arztanstellung in eine Zulassung umzuwandeln, als Praxisabgeber – wie sonst auch im Rahmen eine Praxisnachfolge nach § 103 Abs. 4 SGB V – nur noch mit seinem wirtschaftlichen Verwertungsinteresse im Nachbesetzungsverfahren zu berücksichtigen ist. Mit dem Nachbesetzungsverfahren gemäß § 103 Abs. 4 SGB V wird nämlich den Erfordernissen des Eigentumsschutzes eines Praxisinhabers Rechnung getragen (vgl. BSG, Urteil vom 11.12.2013 – B 6 KA 49/12 R – juris Rn. 46). Als der Gesetzgeber bei Erlass des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes dem § 95 SGB V Abs. 9b anfügte, hatte er ebenfalls die wirtschaftliche Verwertbarkeit der genehmigten Arztstelle im Blick. Denn die "nicht mehr benötigte Arztstelle" könne der anstellende Arzt – und dem entsprechend gemäß § 103 Abs. 4a Satz 4 SGB V das anstellende MVZ – im Wege eines Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 4 SGB V wirtschaftlich verwerten (BT-Drucks. 17/6909 S. 72). Diese Gesetzesbegründung stützt die Auffassung des Sozialgerichts, dass mit dem Antrag auf Umwandlung der Anstellungsgenehmigung in eine Zulassung und deren Nachbesetzung die bis dahin bestehende rechtliche Bindung der Arztstelle an das MVZ beendet wird. Weitergehende wirtschaftliche Interessen des Beigeladenen zu 8, die über das wirtschaftliche Interesse am Verkaufserlös der umgewandelten Arztstelle im Rahmen von § 103 Abs. 4 Satz 8 SGB V hinausgehen, waren daher nicht zu berücksichtigen. Die Beigeladene zu 8 hat sich ihrer alleinigen Auswahlbefugnis als MVZ (vgl. BSG, Urteil vom 04.05.2016 – B 6 KA 28/15 R– juris Rn. 15 m.w.N.) begeben, als sie sich für eine Umwandlung der Arztanstellung in eine Zulassung entschieden hat.

Eine Analogie zu § 103 Abs. 6 Satz 2 SGB V verbietet sich, denn das abgebende MVZ stellt nicht zugleich eine Berufsausübungsgemeinschaft in diesem Sinne dar. Die Organisations- und Kooperationsform eines MVZ i.S.d. § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V unterscheidet sich wesentlich von der in § 103 Abs. 6 SGB V in Bezug genommen gemeinschaftlich geführten Arztpraxis, in der mehrere gleichberechtigte Vertragsärztinnen oder Vertragsärzte diese Praxis gemeinschaftlich ausüben.

Da die Auswahlentscheidung des Antragsgegners schon aus diesen Gründen ermessenfehlerhaft und daher rechtswidrig war, kann offen bleiben, ob in dieser Konstellation generell auf einen Fortführungswillen der Bewerberinnen um die Nachbesetzung verzichtet werden kann – wie das Sozialgericht meint – oder nur unter bestimmten Voraussetzungen im Einzelfall (vgl. BSG, Urteil vom 20.03.2013 – B 6 KA 19/12 R – juris Rn. 34).

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 bis 7 sind nicht erstattungsfähig, weil sie keinen Antrag gestellt und sich somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben (§ 162 Abs. 3 i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 47 Abs. 1 und 2, § 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Sie entspricht der Streitwertfestsetzung des erstinstanzlichen Verfahrens.

Diese Entscheidungen sind nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG und § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Rechtskraft
Aus
Saved