S 15 R 30/14

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 15 R 30/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L8 KR 278/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 85/18 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers in Bezug auf seine berufliche Tätigkeit im Zeitraum vom 01.12.2009 bis 17.12.2012.

Seit 18.12.2012 führt der Kläger unstreitig das Unternehmen mit der Firma A. A. Fuhrbetrieb und Baustoffhandel e.K. Unternehmerischer Gegenstand ist die Betonsteinherstellung, Baustoffhandel und Fuhrbetrieb. Der Kläger ist seit Juli 1988 dort tätig. Bis zum 31.12.2012 war sein Vater, E. A., der eingetragene Kaufmann.

Der Kläger hatte gegenüber der F. Gesellschaft mbH am 06.06.2001 eine selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft über 50.000 Euro zur Sicherung von Forderungen der F. gegenüber dem genannten Betrieb als Hauptschuldner in Bezug auf ein Arbeitsfahrzeug übernommen.

Gegenüber dem Finanzamt sind die Einkünfte des Klägers als solche aus nichtselbständiger Arbeit deklariert worden.

Am 25.05.2009 hatte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status gestellt.

Der Kläger hatte hierbei als Tätigkeitsbeschreibung angegeben:

Betriebsführung, Lkw-Fahrer, Lkw-Wartungsarbeiten, Büro, Verwaltung, Angebotserstellung, Kalkulation, Auftragsbearbeitung. Ein Arbeitsvertrag mit dem Unternehmen bestehe nicht. Ohne seine Mitarbeit sei die Einstellung von zwei Arbeitnehmern erforderlich. Er sei nicht an Weisungen des Betriebsinhabers gebunden, er sei selbst der Organisator, Planer und Ausführer. Er gestalte seine Arbeit in zeitlicher, örtlicher und inhaltlicher Hinsicht frei. Er entscheide bei allen organisatorischen und strategischen Planungen und Abläufen mit. Die Mitarbeit sei aufgrund familienhafter Rücksichtnahme durch ein gleichberechtigtes nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt. Die Übernahme des Betriebs durch ihn sei geplant. Er sei ausschließlich für diesen Betrieb tätig.

Zur Frage im vorgefertigten Formularblatt der Beklagten über das unternehmerische Handeln hatte der Kläger wie folgt ausgeführt: Er nehme persönlich die Aufträge entgegen und entscheide aufgrund betriebswirtschaftlicher Berechnung über die Annahme, die Zurückstellung, die Ablehnung oder die Angebotsabgabe. Er verwies auf die abgegebene Bürgschaftserklärung sinngemäß habe er ein Vetorecht hinsichtlich aller Betriebsausgaben und Entscheidungen bzw. Investitionen. Die Existenz des Unternehmens sei alleine von seinem persönlichen Einsatz abhängig und zwar in allen Bereichen.

Am 29.07.2009 hatte der Vater des Klägers den Antrag auf Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers gestellt.

Sinngemäß hatte Herr E. A. dabei vorgetragen, dass die Existenz des Familienbetriebes von seinem Sohn, dem Kläger, abhänge. Die Dienstleistungen seien überwiegend von ihm erbracht worden. Hintergrund sei der gesundheitliche Zustand von Herrn E. A. Teile der Arbeitsmittel könnten auch nur vom Kläger bedient werden. Der Kläger sei für die Angebotserstellung, Auftragsannahme und -Abwicklung sowie für das Rechnungswesen des Fuhrbetriebs alleine verantwortlich. Er treffe seine Entscheidungen selbstständig und eigenverantwortlich unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten. Sein Sohn habe eine Schlüsselfunktion zur Existenzsicherung des Fuhrgeschäftes.

Die AOK habe ihn im Jahre 1988 dahingehend beraten, seinen Sohn als sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer anzumelden. Hierbei sei keine Statusprüfung vorgenommen worden. Hierdurch sei eine Kette von Missverständnissen verursacht worden.

Mit Schreiben vom 21.08.2009 hatte die Beklagte sowohl den Kläger als auch seinen Vater zu ihrer Absicht angehört, einen Bescheid über das Vorliegen von abhängiger Beschäftigung zu erlassen.

Mit Schreiben vom 10.09.2009 hatten der Kläger und sein Vater nochmals die Stellung des Klägers im Unternehmen dargelegt. Insbesondere habe der Kläger aufgrund einer mündlichen Vereinbarung die Führung der kompletten Dienstleistungen im Fuhrgeschäft inne. Er handele selbstständig und eigenverantwortlich unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten. Er sei nicht weisungsgebunden. Er bestimme seine Arbeitszeit weitgehend selbst. Er werde nur stundenweise für die erbrachten Arbeitsleistungen bezahlt und bestimme deshalb sein Einkommen selbst. Er bekomme keinerlei Entschädigungen für Arbeit an Sonn- und Feiertagen im Sinn arbeitsrechtlicher Bestimmungen. Er nehme auch keinen Urlaub. Der Betriebsinhaber, Herr E. A., sei aufgrund seines hohen Alters nicht mehr geschäftlich tätig. Sein Sohn regele das Bank- und Kreditgeschäft überwiegend allein.

Mit Schreiben vom 29.09.2009 hatte der Vater ergänzt, dass die Gewinnbeteiligung seines Sohnes, des Klägers. immer höher ausgefallen sei, als sein eigener Anteil. Er hatte zahlreiche Dokumente, vor allem solche zum Beleg der Einkommenssituation, überreicht.

Mit Bescheid vom 18.11.2009 (Bl. 110 der Verwaltungsakte) hatte die Beklagte festgestellt, dass die Tätigkeit des Klägers als LKW-Fahrer bei E. A. Transporte Fuhrbetreib & Baustoffhandel seit dem 01.07.1988 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte verwiesen.

Hiergegen hatten der Kläger und sein Vater am 27.12.2009 Widerspruch erhoben.

Zur Begründung hatten sie im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger trage vollständig das Risiko als Mitunternehmer. Sie hatten auf die erwähnte Bürgschaft verwiesen. Der Kläger sei der Unternehmensführer, was näher erläutert worden war. Unter Berücksichtigung des unternehmerischen Risikos, das er, der Kläger mittrage, werde kein fremder Arbeitnehmer in vergleichbarer Höhe bezahlt werden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.04.2010 (Bl. 226 der Verwaltungsakte) hatte die Beklagte die Widersprüche zurückgewiesen. Zur Begründung hatte sie ausgeführt, dass im Widerspruchsverfahren keine neuen Sachverhalte vorgetragen worden seien und dass die Einkünfte gegenüber dem Finanzamt stets als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit deklariert worden seien.

Hiergegen hatte der Kläger am 14.05.2010 Klage beim Sozialgericht Marburg (S 4 R 81/10) erhoben. Dieses Verfahren endete mit einem Vergleich am 30.10.2012 (Bl. 277 d. Verwaltungsakte), in dem sich die Beklagte verpflichtet hatte, die Statusfeststellung nach § 7 SGB IV für den Zeitraum ab Monat Dezember 2009 erstmals vorzunehmen und diesbezüglich einen rechtsmittelfähigen Bescheid zu erlassen.

Im Verlaufe des darauf folgenden Verwaltungsverfahrens hatte der Kläger mit Schreiben vom 26.03.2013 mitgeteilt, dass im Zeitraum vom 01.12.2009 bis 31.12.2012 sein Vater, E. A. Inhaber der Firma E. A. Betonsteinherstellung, Baustoffhandel und Fuhrbetrieb Inhaber E. A. e. K. gewesen sei. Sein Vater hätte sich jedoch aus Alters- und Gesundheitsgründen bereits vor dem 01.12.2009 aus dem Geschäft weitgehend zurückgezogen und so gut wie keine Tätigkeit dort mehr ausgeübt. Er, der Kläger, habe die Firma eigenverantwortlich als Einmannbetrieb geführt. Zum 01.01.2013 sei die Firma auch formell auf ihn übertragen worden. Hinsichtlich des Zeitraums von Dezember 2009 bis Dezember 2012 hatte der Kläger im Wesentlichen das Vorbringen aus den früheren Verwaltungsverfahren wiederholt.

Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 15.05.2013 die Firma E. A. & Sohn sowie den Kläger hierzu angehört hatte, stellte sie mit Bescheid vom 20.06.2013 (B. 308 der Verwaltungsakte) fest, dass die Prüfung des versicherungsrechtlichen Status des Klägers für den Zeitraum vom 01.12.2009 bis zum 17.12.2012 ergeben habe, dass er im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig gewesen sei.

In diesem Beschäftigungsverhältnis bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die Versicherungspflicht beginne am 01.12.2009. Für die Zeit ab dem 18.12.2012 liege hingegen keine abhängige Beschäftigung vor, weil Herr A. A. ab diesem Zeitpunkt der Firmeninhaber des genannten Unternehmens sei.

Zur Begründung führte sie, wie schon im ersten Bescheid zur Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit aus. Vorliegend sei ein schriftlicher Arbeitsvertrag nicht geschlossen worden. Danach handele es sich um die Mitarbeit im Betrieb eines Familienmitgliedes.

Die Mitarbeit eines Ehegatten/Lebenspartners oder Abkömmlings im Betrieb des Familienmitgliedes könne sich im Rahmen einer Mitunternehmerschaft, eines Beschäftigungsverhältnisses oder familienhafter Mithilfe vollziehen. Für die Abgrenzung von einer Mitunternehmerschaft beziehungsweise familienhaften Mithilfe komme es darauf an, dass es sich um ein ernsthaft gewolltes und vereinbarungsgemäß durchgeführtes entgeltliches Beschäftigungsverhältnis handele, was insbesondere die persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten vom Arbeitgeber voraussetze. Weiterhin müsse ausgeschlossen werden können, dass der Arbeitsvertrag nur zum Schein abgeschlossen worden sei. Ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis zwischen Angehörigen (Ehegatten, Lebenspartnern oder Abkömmlingen) könne nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen angenommen werden, wenn

- der Angehörige in den Betrieb des Arbeitgebers wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert sei und die Beschäftigung tatsächlich ausübe,
- der Angehörige dem Weisungsrecht des Arbeitgebers - wenn auch in abgeschwächter Form - unterliege,
- der Angehörige anstelle einer fremden Arbeitskraft beschäftigt werde,
- ein der Arbeitsleistung angemessenes (das heißt im Regelfall ein tarifliches oder ortsübliches) Arbeitsentgelt vereinbart sei und auch regelmäßig gezahlt werde,
- von dem Arbeitsentgelt regelmäßig Lohnsteuer entrichtet werde und
- das Arbeitsentgelt als Betriebsausgabe gebucht werde.

Von einer Mitunternehmerschaft sei hingegen dann auszugehen, wenn die Familienangehörigen im Rahmen einer GbR (gegebenenfalls als Innengesellschaft) gemeinsam unter beiderseitigem Arbeitseinsatz den Betrieb führten und aus den erwirtschafteten Erträgen den Familienunterhalt bestritten, auch wenn nach außen hin nur ein Familienangehöriger als Unternehmer auftrete.

Entscheidend für die versicherungsrechtliche Beurteilung sei das Gesamtbild der Tätigkeit nach Maßgabe der den Einzelfall bestimmenden rechtlichen und tatsächlichen Gestaltung der Verhältnisse, wozu auch - unabhängig von ihrer Ausübung - die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht gehöre. Maßgebend sei die Rechtsbeziehung, so wie sie praktiziert werde, und die praktizierte Beziehung, so wie sie rechtlich zulässig sei. Auf die Bezeichnung, die die Parteien ihrem Rechtsverhältnis gegeben haben, oder eine von ihnen gewünschte Rechtsfolge hingegen komme es nicht an.

Aus den vorgelegten vertraglichen und dargestellten tatsächlichen Verhältnissen ergäben sich die folgenden wesentlichen Tätigkeitsmerkmale, die bei der Beurteilung des Gesamtbildes berücksichtigt worden seien:

Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis:

- Herr A. A. sei in den Betrieb wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert gewesen. Die Tätigkeit sei tatsächlich ausgeübt worden. Die Beschäftigung sei anstelle einer fremden Arbeitskraft erfolgt.
- Das Weisungsrecht des Arbeitgebers sei - wenn auch in abgeschwächter Form – ausgeübt worden. Auch wenn der Firmeninhaber sich überwiegend aus dem Geschäftsleben zurückgezogen habe, hätte für weiterhin die Rechtsmacht bestanden, um dem Kläger Weisungen zu erteilen.
- Es sei wurde ein tarifliches beziehungsweise ortsübliches Arbeitsentgelt gezahlt worden.
- Von dem Arbeitsentgelt sei regelmäßig Lohnsteuer gezahlt worden.
- Das Arbeitsentgelt sei als Betriebsausgabe gebucht worden.
- Der Kläger sei nicht am Betriebsvermögen beteiligt gewesen.
- Das unternehmerische Risiko habe weiterhin nicht bei dem Auftragnehmer sondern bei Herrn E. A. als Inhaber der Firma gelegen.

Merkmale für eine selbständige Tätigkeit:

- Der Kläger habe eine Bürgschaft für den Betrieb übernommen.

Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen überwiegten deshalb die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis.

Dass die Tätigkeit in hohem Maße durch eigene Verantwortlichkeit und Entscheidungsfreiheit gekennzeichnet war, schließe das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung nicht aus. Auch ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis könne durch Eigenverantwortlichkeit und Entscheidungsfreiheit gekennzeichnet sein. Der Auftraggeber setze dann nur noch den äußeren Rahmen, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird.

Die tatsächliche Führung des Unternehmens als Einzelfirma spreche für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung des mitarbeitenden Angehörigen. Bei einem entsprechenden Willen der Beteiligten an einer selbständigen Tätigkeit (Mitunternehmerschaft) des Angehörigen hätte dies zum Beispiel durch die Gründung einer Gesellschaft dokumentiert werden können.

Der Angehörige habe für den Betrieb Bürgschaften übernommen. Dies sei zwar nicht arbeitnehmertypisch. Allerdings erhalte der Angehörige allein durch die Übernahme von Bürgschaften keine Befugnisse, die Geschicke des Betriebes zu beeinflussen.

Angesichts der Zahlung fester Bezüge habe der Beschäftigte kein eine selbständige Tätigkeit kennzeichnendes Unternehmerrisiko getragen, das nur dann gegeben sei, wenn der Einsatz von Kapital oder der eigenen Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes verbunden ist.

Der Kläger sei in die Arbeitsorganisation von E. A. & Sohn, Inh. E. A. eingebunden gewesen. Der Firmeninhaber habe die Rechtsmacht gehabt, dem Auftragnehmer einseitig im Wege des Direktionsrechts eines Arbeitgebers Weisungen, die Zeit, Dauer, Ort der zu beurteilenden Tätigkeit sowie Art und Weise von deren Durchführung betreffen, zu erteilen. In dieser Tätigkeit habe daher persönliche Abhängigkeit zu dem Unternehmen E. A. & Sohn, Inh. E. A. bestanden.

Im Rahmen der schriftlichen Anhörung seien von den Beteiligten keine Tatsachen vorgetragen worden, die der in diesem Bescheid getroffenen Statusfeststellung entgegenstünden.

Die Beklagte führt dann näher zur Versicherungspflicht in der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung, der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung aus. Die Versicherungspflicht beginne am 01.12.2009.

Hiergegen erhob der Kläger am 22.07.2013 Widerspruch, den er nicht mehr begründete.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.01.2014 (Bl. 325 der Verwaltungsakte) wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Zur Begründung führte sie aus, dass der Widerspruch nicht begründet worden sei und eine Überprüfung deshalb nur nach der bekannten Sachlage möglich gewesen sei. Hiernach sei der Bescheid nicht zu beanstanden gewesen.

Der Kläger hat am 17.02.2014 Klage erhoben.

Er schildert die Historie des Unternehmens, wie bereits aus dem obigen Tatbestand ersichtlich, und weist darauf hin, dass der Grund für die fehlende wirtschaftliche Beteiligung des Klägers gewesen sei, dass das Wohnhaus von Herrn E. A. auf dem Betriebsgelände stehe.

Der Kläger meint, die Wertung der Beklagten sei unzutreffend. Er habe weder im Direktionsrecht von E. A. unterlegen, noch sei er in dem Betrieb wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert gewesen. Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit habe er selbst bestimmt. Zwar sei er zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet gewesen. Dies hätte jedoch daran gelegen, dass es keine weiteren Angestellten gegeben habe. Art und Weise der Abwicklung der Arbeiten hätte der Kläger in eigener Verantwortung durchgeführt. Er sei seinem Vater auch nicht zur Rechenschaft noch zum laufenden Bericht verpflichtet gewesen. Ergänzend verweist er auf seine besondere Fachkenntnis im Betrieb. Zwar sei durch den Steuerberater Lohnsteuer verbucht wurden, da eine Privatentnahme nur durch den namentlichen Firmeninhaber buchungstechnisch möglich gewesen wäre. Er, der Kläger, habe keinen Arbeitslohn enthalten, sondern eine Bezahlung durch Privatentnahme.

Darüber hinaus sei er aber bereits ab 2012 privat krankenversichert gewesen. Der Kläger legt zur Stützung seines Vortrags ein Schreiben G. Steuerberatungsgesellschaft mbH vom 03.07.2015 vor, in dem bestätigt wird, dass Privatentnahmen im Jahr 2012 durch den Kläger vorgenommen worden seien. Ebenso habe Herr A. auch die Privateinlage in 2011 erbracht.

Im Übrigen wiederholt der Kläger sinngemäß sein Vorbringen aus den beiden Verwaltungsverfahren.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 20.06.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.01.2014 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger in Bezug auf seine selbstständige Tätigkeit für den ehemaligen Betrieb E. A. Betonsteinherstellung, Baustoffhandel und Fuhrbetrieb e.K. in der Zeit vom 01.12.2009 bis 17.12.2012 nicht der Kranken- und Pflegeversicherungspflicht, nicht der Rentenversicherungspflicht und nicht der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf die angefochtenen Bescheide und ergänzt, dass sich in der Gesamtschau keine für die Entscheidung des Rechtsstreits wesentlichen neuen Erkenntnisse ergeben hätten.

Soweit angeführt werde, dass der Kläger weder dem Direktionsrecht von Herrn E. A. unterstellt gewesen sei und er in Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Durchführung seiner Tätigkeit völlig frei gewesen sei, sei dem zu entgegnen, dass auch jedem Arbeitnehmer ein gewisser Freiraum bei der Ausgestaltung seiner Tätigkeit eingeräumt sei. Vorhandene Freiräume resultierten hier aus der fachlichen Qualifikation und stünden Beschäftigten regelmäßig zu. Dies löse aber nicht die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers. Auch Arbeitnehmer könnten im Rahmen der Dienstverhältnisse ein hohes Maß an eigener Verantwortlichkeit und Entscheidungsfreiheit tragen. Dies sei bei qualifizierten und anspruchsvollen Tätigkeiten geradezu typisch, was näher ausgeführt wird.

Der Kläger trage insbesondere auch kein unternehmerisches Risiko. Die Übernahme der Bürgschaft sei grundsätzlich nicht geeignet als Abgrenzungskriterium für eine selbständige Tätigkeit bzw. einer abhängige Beschäftigung zu dienen. Während die Statusfeststellung möglichst zu Beginn einer Tätigkeit für deren gesamte Laufzeit festgelegt werde, änderten sich Kreditbeträge, Darlehen und Bürgschaftsübernahmen laufend.

Im Übrigen seien Bürgschaftsübernahmen und Darlehensgewährungen eines Arbeitsnehmers gegenüber dem Arbeitgeber nicht ungewöhnlich und führten nicht zu der Annahme einer selbständigen Tätigkeit.

Das Gericht hat den Kläger persönlich gehört, den Zeugen E. A. schriftlich vernommen und die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen. Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes sowie des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf den Inhalt der Behördenvorgänge sowie der Gerichtsakten. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe:

Die Entscheidung der Kammer konnte trotz des Ausbleibens eines Vertreters der Beigeladenen erfolgen, weil diese ordnungsgemäß geladen und gem. § 110 Abs. 1 SGG auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Sie ist zulässig. Insbesondere wurde sie form- und fristgerecht erhoben, auch ist das Sozialgericht Marburg örtlich zuständig. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach §§ 54 Abs. 1 u. 2, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft.

Die Klage ist aber unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 20.06.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.01.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dementsprechend hat er auch keinen Anspruch auf Feststellung des Nichtbestehens der Kranken- und Pflegeversicherungspflicht, Rentenversicherungspflicht und der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung in Bezug auf seine selbstständige Tätigkeit für den ehemaligen Betrieb E. A. Betonsteinherstellung, Baustoffhandel und Fuhrbetrieb e.K. in der Zeit vom 01.12.2009 bis 17.12.2012.

Rechtsgrundlagen für den Bescheid der Beklagten sind §§ 7a SGB IV, 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI, 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III.

Nach 7a SGB IV hat die Beklagte im Anfrageverfahren über das Vorliegen einer die Versicherungspflicht auslösenden Beschäftigung zu entscheiden. Die Frage der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung folgt aus §§ 5 Abs. 5 SGB V, 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI, die der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung folgt aus § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, die der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung aus § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III.

Mängel am Bescheid in formeller Hinsicht sind weder vorgetragen noch erkennbar. Insbesondere war die Beklagte für die vorgenommene Prüfung zuständig. Denn in dem vor dem Sozialgericht Marburg am 30.10.2012 geschlossenen Vergleich liegt zugleich ein Antrag des Klägers auf Prüfung für den entsprechenden Zeitraum. Weiterhin stand der Statusprüfung nicht die Vorschrift des § 7a Abs. 1 Satz 1, letzter HS SGB IV entgegen. Die AOK hatte seinerzeit keine eigene Statusprüfung vorgenommen, wie unstreitig ist und auch zur Überzeugung des Gerichts feststeht.

Auch materiell-rechtlich sind die Bescheide nicht zu beanstanden. Es liegt nämlich im streitgegenständlichen Zeitraum zur Überzeugung der Kammer eine Beschäftigung vor, was die von der Beklagten festgestellten Versicherungspflichten nach sich zieht.

Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt.

Diesen Anhaltspunkten kommt aber bei Tätigkeiten höherer Art, wie es beispielhaft häufig bei einer Geschäftsführertätigkeit der Fall ist, nur geringe Bedeutung zu. Die Weisungsgebundenheit verfeinert sich hier zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess, darf jedoch für die Bejahung abhängiger Beschäftigung nicht vollständig entfallen (st. Rspr., vgl. BSG, Urteil v. 04.06.1998, B 12 KR 5/97 R). Diesen Maßstab höherwertiger Tätigkeiten legt die Kammer auch beim Kläger an, der den Betrieb nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen alleine geführt hat.

Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; so etwa Urteil vom 30.10.2013, B 12 KR 17/11 R m.w.N). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bedarf es hierbei für die Ermittlung der jeweiligen Tätigkeit einer Gewichtung und Abwägung aller als Indizien für und gegen eine Beschäftigung bzw. selbstständige Tätigkeit sprechenden Merkmale der Tätigkeit im Einzelfall. Bei Vorliegen gegenläufiger, das heißt für die Bejahung und die Verneinung eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals sprechender tatsächlicher Umstände oder Indizien hat das Gericht insoweit eine wertende Zuordnung aller Umstände im Sinne einer Gesamtabwägung vorzunehmen. Diese Abwägung darf allerdings nicht (rein) schematisch oder schablonenhaft erfolgen, etwa in der Weise, dass beliebige Indizien jeweils zahlenmäßig einander gegenübergestellt werden, sondern es ist in Rechnung zu stellen, dass manchen Umständen wertungsmäßig größeres Gewicht zukommen kann als anderen, als weniger bedeutsam einzuschätzenden Indizien. Eine rechtmäßige Gesamtabwägung setzt deshalb - der Struktur und Methodik jeder Abwägungsentscheidung (innerhalb und außerhalb des Rechts) entsprechend - voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls wesentlichen Indizien festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und in dieser Gesamtschau nachvollziehbar, das heißt den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (statt vieler zitiert nach BSG, Urteil vom 25. April 2012 – B 12 KR 24/10 R).

Nach Überzeugung der Kammer überwiegen vorliegend in einer Gesamtschau die Merkmale selbständiger Beschäftigung. Diese Überzeugung beruht auf folgenden Erwägungen:

Ausgangspunkt der Beurteilung ist stets die jeweilige Vertragsgestaltung (vgl. etwa BSG, Urteil vom 20.3.1984, 7 RAr 70/82). Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich nämlich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehungen gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, im Anschluss ebenso Hessisches LSG, Urteil vom 07.07.2016, L 8 KR 90/15).

Zur Überzeugung der Kammer war der Vater des Klägers und Zeuge E. A. im streitgegenständlichen Zeitraum alleiniger Betriebsinhaber. Der Kläger hatte keinen Anteil an dem Unternehmen. Vielmehr war ihm die Unternehmensführung zugewiesen. Diese Unternehmensführung stellte aber ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis dar.

E. A. war alleiniger Betriebsinhaber. Dies folgt aus dem Inhalt der Akten sowie dem Ergebnis der Beweisaufnahme und schließlich der mündlichen Verhandlung. Maßgeblich für diese Feststellung sind folgende Tatsachen: Der Kläger war unter der maßgeblichen Firma im Handelsregister als Kaufmann eingetragen. Freilich ist die Übertragung eines Einzelunternehmens formlos möglich, so dass ein Abweichen zwischen der formellen Eintragung und den materiell-rechtlichen Verhältnissen denkbar wäre. Eine solche Übertragung hat zur vollen Überzeugung der Kammer aber vor dem 17.12.2012 nicht stattgefunden.

Dies folgt vor allem aus dem Vorbringen des Klägers und des Zeugen E. A. selbst. Wie bereits aus dem Tatbestand ersichtlich wird, bezeichneten sowohl der Kläger als auch sein Vater den letztgenannten stets als den Betriebsinhaber. In seinem Antrag auf Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status im Mai 2009 hatte der Kläger stets von seinem Vater als Betriebsinhaber gesprochen und schließlich ausgeführt, die Übernahme des Betriebs durch ihn sei geplant. Im März 2013 hatte der Kläger noch ausgeführt, sein Vater sei Zeitraum vom 01.12.2009 bis 31.12.2012 Inhaber der Firma E. A. Betonsteinherstellung, Baustoffhandel und Fuhrbetrieb Inhaber E. A. e. K. gewesen.

Der Vater E. A. hatte im Rahmen seiner Antragstellung vorgetragen, er habe seinem Sohn bereits 1988 die Führung der kompletten Dienstleistungen im Fuhrgeschäft übergeben. Er nehme seitdem selbständig und eigenverantwortlich unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten alle Aufgabenbereiche im Fuhrgeschäft war. Im selben Schriftsatz bezeichnet E. A. sich als Betriebsinhaber. Der entsprechende Vortrag zieht sich sowohl beim Kläger als auch bei seinem Vater durch das gesamte Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, bis kurz vor der mündlichen Verhandlung.

Schließlich hat der Vater mit seiner schriftlichen Zeugenvernehmung diese Rechtslage bestätigt. Er führte dort unter anderem aus "Bis zum 17.12.2012 war das Familienunternehmen noch auf mich gemeldet. Eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung an der Firma hätte eine Umstellung der Rechtsform des Familienunternehmens erfordert." (vgl. Bl. 77 der Gerichtsakte, Kursivstellung durch das Gericht).

Diesem Ergebnis stehen entsprechende Angaben, die auf einen erfolgten Betriebsübergang hindeuten, nicht entgegen. Wenn der Zeuge im Zusammenhang mit dem voranstehenden Zitat ausführt "Nach einer mündlichen Vereinbarung mit meinem Sohn A., übernahm er das Familienunternehmen schon vor der schriftlichen Beurkundung vom 17.12.2012." (vgl. Bl. 77 der Gerichtsakte, Kursivstellung durch das Gericht) und später bekundet "Mit meinen 82 Jahren und unter Berücksichtigung meines Gesundheitszustandes vereinbarte ich mit meinem Sohn A., dass er den Familienbetrieb ab dem Januar 2009 vollständig übernimmt" steht dies in Widerspruch zu den oben geschilderten Angaben, insbesondere denen des Klägers selbst, der noch im Mai 2009 angab, die Betriebsübergabe sei geplant, was ausnahmslos einen Vorgang in der Zukunft beschreibt.

Das Gericht sieht zwei Erklärungsalternativen für diese Widersprüche. Entweder bekundeten der Kläger und der Zeuge E. A. gegenüber der Beklagten und später gegenüber dem Gericht partiell die Unwahrheit. Oder – was die Kammer insbesondere nach dem persönlichen Eindruck des Klägers aus der mündlichen Verhandlung für überwiegend wahrscheinlich hält – es liegt auf Seiten der beiden genannten Personen ein Fall der begrifflichen Falschbezeichnung vor. Eine Auslegung der Gesamtäußerungen lässt nämlich den sodann in sich widerspruchsfreien Schluss zu, dass mit der Übergabe lediglich die Übertragung der Geschäftsführungsaufgaben gemeint ist, ohne dass der Eigentumsübergang der Betriebsmittel etc. gemeint ist.

Durch das gesamte Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zieht sich nämlich einerseits die Grundaussage, dass der Kläger das Unternehmen geführt habe und andererseits die Aussage, dass sein Vater Betriebsinhaber war. Treffend ist insoweit die Angabe des Klägers aus dem Schreiben vom 26.03.2013, in dem er ausführt, sein Vater hätte sich jedoch aus Alters- und Gesundheitsgründen bereits vor dem 01.12.2009 aus dem Geschäft weitgehend zurückgezogen und so gut wie keine Tätigkeit dort mehr ausgeübt, was genau diese Situation beschreibt.

Nach beiden Deutungsvarianten war der Vater E. A. Betriebsinhaber und der Kläger derjenige, der die Geschäfte wahrnahm. Diese Erkenntnis allerdings führt sodann zu der Bewertung, dass er abhängig beschäftigt war. Die ober wiedergegebenen gesetzlichen Indizien nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV für eine abhängige Beschäftigung liegen nämlich vor.

Der Kläger unterlag zunächst der Weisungsbefugnis durch den Zeugen E. A.

Die frühere obergerichtliche Rechtsprechung richtete den Fokus bei der Beurteilung von Familiengesellschaften (regelmäßig ging es allerdings um GmbHs) mitunter auf die faktischen familiären Kräfteverhältnisse. Nach dieser Rechtsprechung war für einen Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft und ausnahmsweise auch für einen Angestellten unterhalb der Geschäftsführerebene, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, eine Ausnahme von der Beschäftigtenstellung in Betracht kommen, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderten (vgl. BSG, Urteil vom 29.01.2015, B 12 KR 23/13 R, vgl. auch BSG, Urteil vom 29.10.1986, 7 Rar 43/85). Einer solche Abhängigkeit der Statuszuordnung vom rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Beteiligten hat das Bundessozialgericht mittlerweile aber eine Absage erteilt (vgl. u.a. das bereits zitierte Urteil vom 29.01.2015). Sie sei nämlich mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht in Einklang zu bringen. Eine "Schönwetter-Selbstständigkeit", die sich ausschließlich daraus ableitet, dass dem Betroffenen in harmonischen Zeiten freie Hand gelassen wird, während im Fall eines Zerwürfnisses dessen Weisungsunterworfenheit zum Tragen käme, sei nicht anzuerkennen. Zugleich verringere das Anknüpfen an die den Beteiligten von Gesetzes oder Vertrags wegen zukommende Rechtsmacht Manipulationsmöglichkeiten bezüglich der Generierung oder Negierung von Sozialversicherungspflicht. Andernfalls stünde es nämlich gerade bei kleinen (Familien )Unternehmen im freien Belieben der Beteiligten, durch zweckgerichtete Angaben zur tatsächlichen Stellung des Betroffenen im Unternehmen Sozialversicherungspflicht zu begründen oder auszuschließen (BSG aaO).

Zu der Frage, ob bei einem Einzelbetrieb eine formlose, aber verbindliche und vollständige Abbedingung der Weisungsbefugnis des Betriebsinhabers gegenüber seinem Angestellten möglich ist, bedarf es keiner Ausführungen, weil eine solche vorliegend schon nicht zwischen dem Kläger und seinem Vater vereinbart wurden.

Vielmehr ist die Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, dass der Vater lediglich auf die Ausübung des Weisungsrechts verzichtet hatte. Dafür sprechen die vom Vater des Klägers angegebenen Gründe für die erst im Dezember 2012 erfolgte Übertragung des Familienbetriebs auf den Kläger. Die Ansprüche der weiteren Abkömmlinge von Herrn E. A. seien mit einer Übertragung zunächst nicht in Einklang zu bringen gewesen (vgl. Bl. 79 der Gerichtsakte). Hätte Herr E. A. aber vollständig auf sein Weisungsrecht verzichtet, hätte der Kläger nach den übereinstimmenden Angaben von Vater und Sohn nach eigenem Gutdünken Betriebsmittel veräußern, Barentnahmen in sein Vermögen vornehmen und sogar den Betrieb faktisch auflösen können. Wenn dem so gewesen wäre, hätte es keinen erkennbaren Unterschied mehr gemacht, das Unternehmen auf den Kläger zu übertragen. Das vorgebrachte Argument, das Wohnhaus des Vaters habe sich auf dem Betriebsgelände befunden, greift in dieser Hinsicht jedenfalls nicht durch. Denn ein Betriebsübergang muss nicht mit einer dinglichen Übertragung von Immobilien einhergehen.

Unterstrichen wird diese Überzeugung der Kammer vom Fortbestand der Weisungsbefugnis des Vaters dadurch, dass der Kläger hinsichtlich der Einstellung von Vertretern oder Hilfskräften der Zustimmung des Vaters bedurft hätte. Dies jedenfalls hat er in seinem Antrag vom 25.05.2009 (Bl. 8 der Verwaltungsakte) selbst angegeben.

Der Kläger war im Übrigen auch in die Arbeitsorganisation des Betriebs eingegliedert. Daran ändert die Tatsache nichts, dass keine weiteren Personen unmittelbar in dem Betrieb eingesetzt waren. Gerade die vollständige Übernahme aller Aufgaben, die mit der Unternehmung einhergehen, stellt nach Rechtsauffassung der Kammer die stärkste Form der Eingliederung dar. Denn ohne die Tätigkeit des Klägers hätte zur Fortführung des Unternehmens eine andere Person ersatzweise beschäftigt werden müssen.

Das Gericht hat auch die weiteren erkennbaren Tatsachen bzw. Indizien gewürdigt, die aber zu keiner anderen Bewertung führen.

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang zuvorderst, dass kein schriftlicher Vertrag zwischen dem Kläger und seinem Vater bestand. Dies allerdings bewirkt keine Indizwirkung in eine Richtung, sondern erschwert lediglich die Tatsachenfindung. Denn weder die Vereinbarung über einen Betriebsübergang noch ein Arbeitsvertrag noch eine sonstige Vereinbarung über die Ausgestaltung des Verhältnisses des Klägers und seines Vaters in Bezug auf den hier interessierenden Betrieb bedürfen (freilich ausgenommen dinglicher Verträge über das Betriebsgrundstück) einer besonderen Form. Es bedarf vorliegend auch keiner Auseinandersetzung mit der zivilrechtlichen Wirksamkeit solcher Vereinbarungen. Denn die Wirksamkeit eines Arbeitsvertrages oder gar dessen Existenz steht der Begründung eines versicherungs- und beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses i.S.v. § 7 SGB IV nicht entgegen. Dabei spielt es nach dem Schutzzweck der Sozialversicherung grundsätzlich keine Rolle, aus welchen Gründen der Arbeitsvertrag unwirksam ist (vgl. hierzu Segebrecht in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 7 Abs. 1 SGB IV, Rn. 49).

Dass der Kläger eine Bürgschaft für den Betrieb übernommen hat, steht seiner abhängigen Beschäftigung ebenfalls nicht entgegen. Die Übernahme solcher Sicherheiten ist nicht gänzlich ungewöhnlich, sondern vor allem dann anzutreffen sind, wenn der Arbeitnehmer zur Überwindung wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Arbeitgebers beitragen will (BSG, Urteil vom 11.11.2015, B 12 KR 10/14 R). Dies gilt insbesondere im vorliegenden Fall, in dem es sich um einen Familienbetrieb handelt. Auch ein (sonstiges) unternehmerisches Risiko ist für den Kläger nicht erkennbar. Denn das Risiko seinen Arbeitsplatz bzw. sein Erwerbseinkommen, zum Beispiel im Falle einer Insolvenz des Betriebes, einzubüßen, ist eines, das abhängig Beschäftigte gleichermaßen tragen wie Selbständige.

Die steuerliche Behandlung der klägerischen Einkünfte aus seiner Tätigkeit hingegen spricht für abhängige Beschäftigung, denn als solche wurden sie deklariert.

Dass der Betriebsinhaber E. A. – im Gegensatz zum Kläger – einen Teil der Arbeitsmittel nicht bedienen konnte, spricht vorliegend weder für das eine noch das andere. Es handelt sich bei diesen Fertigkeiten nämlich nicht um komplexes Spezialwissen, sondern die erlernte Fähigkeit und Berechtigung zum Führen von Maschinen, im Wesentlichen einen Kran (vgl. Bl. 38 ff. der Verwaltungsakte). Hierbei handelt es sich um Fertigkeiten, die durch eine Schulung einem beliebigen Beschäftigen ebenfalls vermittelt werden kann.

Das Ausbleiben von Arbeitsentgelt während des Erholungsurlaubs ist ein starkes Indiz für Selbständigkeit, die Nichtbezahlung von Überstunden und Feiertagsarbeit vermittelt keine besondere Indizwirkung in die eine oder andere Richtung. Insbesondere bei geschäftsführend tätigen Beschäftigten, gehört dies gegenwärtig zu den vorgefundenen Üblichkeiten des Erwerbslebens. Die vom Kläger zunächst vorgetragene stundenweise Bezahlung hingegen ist ein starkes Indiz für das Vorliegen abhängiger Beschäftigung. Die zu einem späteren, unbestimmten Zeitpunkt einsetzende Entlohnung des Klägers durch die von ihm selbständig vorgenommene Privatentnahme ist ungewöhnlich, aber ein durchaus beachtliches Indiz für selbständige Tätigkeit, das sich jedoch widerspruchslos in die oben geschilderten Umstände einfügt, dass der Kläger weitestgehende Freiheit hatte, ohne jedoch aus dem Korsett der jederzeit ausübbaren Weisungsbefugnis durch den Vater ausscheren zu können.

Die private Krankenversicherung schließlich lässt auch keinen belastbaren Schluss zu. Bereits oben wurde ausgeführt, dass die Gesetzliche Krankenversicherung seinerzeit gerade keine Statusprüfung durchgeführt hatte.

Rechtsfolge der Einordnung des Klägers als abhängig beschäftigt ist – wie von der Beklagten zutreffend festgestellt – nach § 5 Abs. 1 Nr. 1, 1. bzw. 2. Variante SGB V die Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Krankenversicherung, nach § 20 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB XI die Versicherungspflicht in der Sozialen Pflegeversicherung, nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 1. Variante SGB VI die Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Rentenversicherung und nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III die Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Sofern der Kläger mit seinem Vorbringen, die AOK habe ihn seinerzeit falsch beraten, das Vorliegen eines Sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs andeuten möchte, ist dies nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, der sich gegen einen Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund und eben nicht der AOK richtet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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