L 9 U 712/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 17 U 107/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 712/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 5. Februar 2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen der Folgen einer anerkannten Berufskrankheit (BK) nach Ziffer 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV, im Folgenden: BK 2108) streitig.

Der 1947 geborene Kläger war nach einer Maurerlehre (bis April 1967) seit dem 15.06.1970 als Lkw-Fahrer beschäftigt, wo in verschiedenen Arbeitsverhältnissen zum Teil auch das Be- und Entladen des Lkw und die Montage von Möbeln (vom 02.05.1974 bis zum 31.10.1987) vom Kläger auszuführen waren. Nach einer Weiterbildung bei der IHK zum Industriemeister Kraftverkehr arbeitete der Kläger ab dem 01.07.1988 selbstständig als Auslieferer von Gasflaschen (bis zum 31.07.1989) und anschließend von Tiefkühlartikeln. Seit dem 18.11.2003 ist er arbeitsunfähig. Ab 01.08.2004 gewährte die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg dem Kläger eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Seit 01.01.2008 bezieht er eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen.

Vom 25.03.2004 bis 15.04.2004 befand sich der Kläger in einem von der D. bewilligten orthopädisch ausgerichteten stationären Heilverfahren in der F.klinik Bad B. Im Entlassungsbericht vom 04.05.2004 werden die Diagnosen eines chronisch rezidivierenden LWS-Syndroms bei degenerativer Spondylosisthesis Grad I bis II L5/S1, einer Hyperlordose sowie belastungsabhängiger Schmerzen der rechten Schulter, einer zurzeit mittelgradigen depressiven Störung und Übergewicht (BMI 29) gestellt. Aufgrund der haltungsabhängigen Exazerbation der Beschwerden vor allem bei langem Sitzen und langem Stehen seien Tätigkeiten, die überwiegend im Stehen oder im Sitzen verrichtet würden sowie schweres Heben und Tragen langfristig nicht durchführbar. Aus psychotherapeutischer Sicht sei der Kläger wegen der Minderung von Konzentration und Antrieb für Tätigkeiten als Lkw-Fahrer arbeitsunfähig. Kurz bis mittelfristig seien leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung von Stehen, Gehen und Sitzen unter Beachtung näher ausgeführter Einschränkungen vollschichtig ausführbar.

Mit Bescheid vom 29.06.2004 stellte die Beklagte fest, dass beim Kläger eine BK 2108 und BK 2110 nicht vorliege. Mit weiterem Bescheid vom 29.06.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen mit der Begründung ab, dass auch eine BK 2109 nicht vorliege. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.10.2004 wurde der bis dahin nicht begründete Widerspruch gegen die Ablehnung der Anerkennung von BKen 2108 und 2110 als unbegründet zurückgewiesen. Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 16.02.2005 wies die Beklagte dann auch den Widerspruch gegen die Versagung der Anerkennung einer BK 2109 als unbegründet zurück.

Die hiergegen beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klagen (Aktenzeichen S 3 U 3531/04 und S 3 U 648/05) wurden vom SG mit Beschluss vom 14.04.2005 zur einheitlichen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

In dem auf Veranlassung des SG eingeholten orthopädischen Sachverständigengutachten vom 10.04.2007 führte Prof. Dr. C. aus, dass beim Kläger im Bereich der HWS mäßiggradige degenerative Veränderungen in Form verschmälerter Bandscheibenfächer vorliegen. Im Bereich der LWS beschrieb er eine Übergangsstörung in der Region zwischen LWS und Kreuzbein in Form einer Teillumbalisation des ersten Kreuzbeinwirbels; hier habe entwicklungsbedingt nur eine unvollständige Verschmelzung zwischen dem 1. und dem 2. Kreuzbeinwirbel stattgefunden. Außerdem fand er im Bereich der LWS eine Spondylolyse (Unterbrechung der Interartikularportion) im Bereich des Wirbelbogens des 5. Lendenwirbelkörper (LWK) mit der Folge eines Gleitvorganges zwischen dem 5. LWK und dem Kreuzbein nach vorn entsprechend einem Grad I in der Einteilung nach Meyerding. Hierdurch bedingt sei es zu einem Aufbruch des Bandscheibenfaches L5/S1 und einer Verknöcherung (Spontanversteifung) zwischen dem 5. LWK und dem Kreuzbein gekommen. Unabhängig vom Fehlen der arbeitstechnischen Voraussetzungen könne eine BK 2108 nicht anerkannt werden, da eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne dieser BK nicht vorliege. Der einzige krankhafte Befund, der beim Kläger im Bereich der LWS erhoben werden könne, bestehe im Bereich des Überganges zwischen Lendenwirbelsäule und Kreuzbein. Auch bezüglich der BK 2109 seien weder die arbeitstechnischen Voraussetzungen noch die medizinischen Voraussetzungen erfüllt. Auch hier liege ein altersgemäßer Befund ohne bandscheibenbedingte Erkrankung vor.

Nach mündlicher Verhandlung, in der der Kläger neben Entschädigungsleistungen nur noch die Anerkennung der BKen 2108 und 2109 geltend gemacht hatte, wies das SG die Klagen mit Urteil vom 14.02.2008 als unbegründet ab und stützte sich hierbei auf die Ausführungen des Gutachters Prof. Dr. C.

Im sich anschließenden Berufungsverfahren (L 1 U 2450/08) holte das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers ein Gutachten bei dem Chirurgen Dr. I. ein. In seinem Gutachten vom 16.03.2009 führte dieser aus, dass neben objektiv schweren degenerativen Aufbruchserscheinungen sowohl im Bereich der HWS als auch der LWS eine Übergangsstörung im Sinne einer Teillumbalisation des ersten Kreuzbeinwirbels und eine Spondylolisthesis LWK 5/SWK 1, einem Grad I nach Meyerding entsprechend, bestehe. Radiologisch seien analog den Konsensus-Empfehlungen im Bereich der LWS die Kriterien für eine erhebliche Chondrose mit Verschmälerung des Bandscheibenraumes in Verbindung mit Spondylarthrosen erfüllt. In der präsakralen Etage bestehe eine unter der berufsbedingten schweren Belastung der LWS fortschreitende Chondrose mit einer im zeitlichen Verlauf fortschreitenden Zermürbung der Bandscheibe bis hin zu einem nahezu vollständigen Aufbruch des Zwischenwirbelraumes LWK 5/SWK 1, wie aus den Röntgenreihenuntersuchungen aus dem Jahre 2006 ersichtlich sei. Die degenerativen Veränderungen seien ausschließlich im Bereich der belasteten HWS und LWS lokalisiert. Das Vorliegen einer Spondylolisthesis im Bereich LWK 5/SWK 1 sei nicht geeignet, den Sachverhalt eines belastungskonformen Schadensbildes zu widerlegen. Nach den Konsensus-Empfehlungen sei das Vorliegen der Spondylolisthesis vom Grad I nach Meyerding nicht als konkurrierende Ursache für die Bandscheibenzermürbung im Bereich LWK 5/SWK 1 zu bewerten, da beim Kläger bis zum 25. Lebensjahr keine Symptome bestanden hätten, nur eine geringgradige Spondylolisthesis Grad I nach Meyerding vorliege und eine besonders intensive Belastung sowohl der HWS als auch der LWS vorgelegen habe. Im Ergebnis sei beim Kläger vom Vorliegen der BKen 2108 und 2109 auszugehen.

In einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 30.04.2009 hat Prof. Dr. C. den Ausführungen des Dr. I. insoweit zugestimmt, dass nach den Konsensus-Empfehlungen für die Begutachtung von BKen der Wirbelsäule trotz der bestehenden Spondylolisthesis vom Vorliegen von bandscheibenbedingten Erkrankungen auszugehen sei, und in seiner Stellungnahme vom 17.05.2010 hat er unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich durchgeführten arbeitstechnischen Ermittlungen einen wahrscheinlichen beruflichen Zusammenhang des Bandscheibenschadens bejaht, der aufgrund der mäßigen Entfaltungsstörung der Lendenwirbelsäule mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 10 v. H. ab dem Zeitpunkt der Antragstellung zu bewerten sei.

Nach Vorlage einer Stellungnahme des Beratungsarztes Dr. K. mit Schriftsatz vom 19.08.2010 und einer Stellungnahme von Dr. I. vom 14.10.2010 zu den Ausführungen von Prof. Dr. C. und Dr. K. und nachdem das Klagebegehren vom Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung auf die Anerkennung einer BK 2108 beschränkt worden war, änderte das LSG mit Urteil vom 08.11.2010 den Bescheid vom 29.06.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2004 sowie das Urteil des SG teilweise ab und stellte fest, dass beim Kläger eine BK 2108 vorliegt.

Das Urteil führte die Beklagte mit Bescheid vom 13.10.2011 aus, anerkannte das Vorliegen einer BK 2108 und als Folgen dieser BK eine mäßiggradige Entfaltungsstörung der LWS bei erheblicher Bandscheibenverschmälerung L5/S1 und einer Bandscheibenverschmälerung Th12/L1 und L1/2. Ferner verfügte sie, dass unabhängig von der BK folgende Erkrankungen vorliegen: psychische Erkrankungen, Veränderungen der Halswirbelsäule, belastungsabhängige Omalgie rechts, arterielle Hypertonie, Hyperurikämie, Spondylolisthese L5/S1 Grad I nach Meyerding, Teillumbalisation des ersten Kreuzbeinwirbels. Die BK habe keine rentenberechtigende MdE zur Folge. Als Tag des Versicherungsfalles gelte der 18.11.2003, ab diesem stehe dem Kläger Verletztengeld zu.

Einen – gleichlautenden – Bescheid erließ die Beklagte wegen eines Formfehlers erneut unter dem 23.03.2012 mit dem Vermerk, dass dieser als "mitangefochten" gelte. Verletztengeld zahlte die Beklagte bis 16.05.2005. Mit Widerspruchsbescheid vom 03.05.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Rechtsmittel legte der Kläger hiergegen zunächst nicht ein.

Mit Schriftsatz vom 08.10.2015 beantragten die Bevollmächtigten des Klägers sodann die Überprüfung "der Bescheide vom 13.10.2011, 23.03.2012 und 03.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2012". Nach Auffassung des Klägers seien auch die weiteren BKen 2109 und 2110 in die Prüfung miteinzubeziehen. Eine MdE um 10 v. H. könne nicht richtig sein. Mit Schreiben vom 17.11.2015 machten die Bevollmächtigten des Klägers eine Verschlimmerung geltend, der aktuelle Zustand der Lendenwirbelsäule müsse überprüft werden. Auf Anfrage teilte der Kläger mit, dass er sich seit Jahren nicht mehr in ärztlicher Behandlung wegen seiner BK befinde. Er bemühe sich, sich durch erheblichen Aufwand körperlich fit zu halten (rückenstärkende Übungen, Sport, Vermeidung jeglicher rückenbelastenden Tätigkeit).

In dem daraufhin von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachten des Orthopäden Dr. B. vom 17.05.2017 kam dieser zu dem Ergebnis, dass gegenüber den Gutachten von Prof. Dr. C. und Dr. I. keine wesentliche Änderung eingetreten und die MdE mit 10 v. H. einzuschätzen sei.

Die Beklagte lehnte die Rücknahme der Bescheide vom 13.10.2011 bzw. 23.03.2012 und die Gewährung einer Rente mit Bescheid vom 16.06.2017 ab und bezog sich insoweit auf das Gutachten von Dr. B. Den hiergegen eingelegten Widerspruch, der u. a. mit der Vorlage einer Stellungnahme von Dr. I. begründet worden war (bei dem Kläger seien Veränderungen der Wirbelsäule vorzufinden, die analog die Voraussetzungen der Ziffer BK 2108 und 2109 erfüllten, und die dadurch bedingte MdE sei mit 20 % festzusetzen), wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.12.2017 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 11.01.2018 Klage zum SG erhoben und unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vortrages daran festgehalten, Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von wenigstens 20 v. H. zu haben.

Das SG hat Beweis erhoben durch das Einholen eines Gutachtens beim Chirurgen Dr. I. Dieser hat in seinem Gutachten vom 27.06.2018 ein HWS-Syndrom mit degenerativen Veränderungen im Sinne von Osteochondrosen, Spondylosen mit Betonung HWK5/6 und HWK6/7 sowie unk- und spondylarthrotischen Foramenstenosen C6 und C7 links, geringer auch C6 rechts, Bandscheibenprotrusionen HWK2/3, HWK3/4 und HWK4/5, ein chronisches LWS-Syndrom mit fortschreitendem belastungskonformem Aufbruch des Bandscheibenraumes LWK5/SWK1, Grad I nach Meyerding, einen depressiven Verstimmungszustand und ein chronisches Schmerzsyndrom festgestellt. Er hat zudem eine zum röntgenmorphologischen Befund korrelierende klinische Symptomatik beschrieben, wonach im Bereich der HWS chronische Beschwerden mit zeitweiliger Ausstrahlung in die Schulterpartie rechtsseitig bestehen und im Bereich der LWS chronische, typische Lumbalgien mit zeitweiliger Ausstrahlung in das rechte Bein. Die Schmerzen im Bereich der HWS, vor allem aber im Bereich der LWS, würden schon durch leichte Belastungen verursacht und verschlechtert. Entsprechend den Konsensus-Empfehlungen seien hinsichtlich der klinischen Kriterien ein lokales Lumbalsyndrom sowie ein lokales Wurzelsyndrom zu unterscheiden, wobei bei dem Kläger der Typ 1 im Sinne eines lokalen Lumbalsyndroms bzw. eine Mischform zwischen Typ 1 und Typ 2 vorliege. Die MdE sei mit 20 v. H. zu beziffern, weil bei der klinischen Untersuchung eine Minderentfaltbarkeit der Brust- und Lendenwirbelsäule sowie eine schmerzhafte Funktionsminderung der LWS, die als mittelgradig einzuschätzen sei, vorliege. Schon bei kleineren Belastungen der LWS durch das Tragen von Lasten von weniger als 10 kg würden Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule provoziert. Arbeiten in gebückter Haltung oder in Zwangshaltungen seien nicht ausführbar. Beim Sitzen, schon nach 20 bis 30 Minuten, träten pelzige Parästhesien im Bereich des rechten Oberschenkels auf. Die Gehstrecke auf ebenem Gelände sei zudem eingeschränkt. Auch beim nächtlichen Liegen auf der Wirbelsäule träten Schmerzen auf, so dass der Kläger auch in der Nacht mindestens vier Mal aufstehen und im Zimmer umhergehen müsse. Die Mindestbelastungsdosis von 12,5 × 10 Mh sei nach den Feststellungen massiv überschritten gewesen und auch wenn die geforderten Mindestbelastungsdosen der BK 2109 und 2110 nicht ganz erreicht worden seien, müsse hierbei ein energetischer Mitwirkungsanteil bei der Berechnung der MdE einbezogen werden, obwohl in diesem Zusammenhang keine gesicherten hinreichenden Aussagen zu den Verursachungsanteilen gemacht werden könnten. Schädigungsfolgen von Einwirkungen im Sinne der genannten BKen seien häufig nicht lokal auf die nach dem einschlägigen BK-Tatbestand mit der Einwirkung korrespondierenden Wirbelsäulenabschnitte begrenzt. Die Feststellung der MdE von 20 v. H. sei aus der festgestellten Funktionsbehinderung abzuleiten. Nach den entsprechenden Anhaltspunkten seien funktionell nicht bedeutsame neurologische Ausfälle mit einer MdE von 10 v. H. zu beziffern. Starke Funktionseinschränkungen der LWS seien mit einer MdE von 20 v. H. zu bewerten. In der Regel werde ein berufsbedingter Wirbelsäulenschaden mit Funktionseinschränkung und ohne Nervenausfälle mit einer MdE von 10 v. H. bewertet, bei ausgeprägten Veränderungen jedoch mit 20 %. Funktionseinschränkungen mit funktionell bedeutsamen motorischen Ausfällen und/oder ausgeprägten funktionell schwerwiegenden chronischen Wurzelreizsyndrome würden mit 30 v. H. bewertet. Beim Versicherten seien die Funktionseinschränkungen wegen der Einschränkung der Beweglichkeit und Belastbarkeit im Bereich der Lendenwirbelsäule sowie der in Gestalt von Parästhesien intermittierend auftretenden sensiblen Wurzelreizsyndromen und des röntgenmorphologisch nachweisbaren belastungskonformen degenerativen Schadensbildes der LWS mit einer MdE von 20 v. H. zu beziffern. In die gutachterliche Bewertung seien zudem mit einzubeziehen die sich im zeitlichen und kausalen Zusammenhang mit der Wirbelsäulenerkrankung manifestierenden Störungen auf psychischem bzw. psychosomatischem Gebiet. So habe die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. in ihrem Bericht vom 09.01.2011 ausgeführt, dass sich der Patient erstmals im Oktober 2003 und zuletzt am 27.04.2005 vorgestellt habe. Dokumentiert werde ein mittlerweile eingetretener depressiver Verstimmungszustand, eine Überängstlichkeit, eine übermäßige Besorgnis sowie eine leichte Ermüdbarkeit. Explizit sei vermerkt worden, dass die psychischen Beschwerden auf die starken Rückenschmerzen zurückgeführt würden.

Unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Facharztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. K. vom 04.09.2018 ist die Beklagte der Einschätzung von Dr. I. entgegengetreten. Dr. K. hat insbesondere ausgeführt, dass eine genaue Abgrenzung zwischen BK-abhängigen und BK-unabhängigen Wirbelsäulenbeschwerden nicht ersichtlich sei. Dr. I. habe die MdE von 20 v. H. mit dem Beschwerdekomplex an der gesamten Wirbelsäule begründet. Als BK anerkannt seien jedoch lediglich die Bandscheibenveränderungen an der Lendenwirbelsäule. Dem Untersuchungsbefund hätten darüber hinaus weder segmentale Schmerzausstrahlungen noch segmentale Sensibilitätsstörungen entnommen werden können. Die angegebenen pelzigen und in das Bein ausstrahlenden Missempfindungen hätten sich dem Untersuchungsbefund nicht zuordnen lassen. Reflexabweichungen und motorische Ausfälle hätten nicht bestanden. Das Gangbild sei als raumgreifend und der Zehen- und Hackenstand als beidseits seitengleich ausführbar beschrieben worden. Es fänden sich damit keine Hinweise für sensomotorische Ausfallerscheinungen. Darüber hinaus habe Dr. I. seine Gesamteinschätzung auch mit einem älteren neurologischen Befund einer somatoformen Schmerzstörung begründet und als weitere wesentliche Punkte die Schmerzsymptomatik bewertet. Eine regelmäßige Schmerzmitteleinnahme sei aber weder im Gutachten von Dr. I. noch im Gutachten des Dr. B. erwähnt worden.

Hierauf hat Dr. I. in der vom SG veranlassten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme an der bisherigen Bewertung der MdE festgehalten. Beim Kläger lägen zweifelsfrei ausgeprägte Veränderungen vor. Funktionseinschränkungen mit funktionell bedeutsamen motorischen Ausfälle und/oder ausgeprägten funktionell schwerwiegenden chronischen Wurzelreizsyndromen seien darüber hinaus mit 30 v. H. zu bewerten. Im Zeitpunkt der erstmaligen Vorstellung bei Dr. K. am 22.10.2003 hätten diese Kreuzschmerzen mit Ausstrahlung in das Gesäß und in die Oberschenkelrückseite rechts im Sinne einer Lumboischialgie diagnostiziert werden können. Es habe sich im Oktober 2003 nicht um ein lokales LWS-Syndrom, sondern um ein LWS Syndrom mit Schmerzausstrahlung in die unteren Extremitäten gehandelt. Die behandelnde Ärztin habe darüber hinaus angegeben, dass die psychischen Beschwerden auf die starken Rückenschmerzen zurückgeführt würden.

Mit Urteil vom 05.02.2019 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf die Rücknahme der Bescheide vom 13.10.2011 und vom 23.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2012 habe, denn ein Anspruch auf die Gewährung einer Rente aufgrund des Versicherungsfalles einer BK 2108 bestehe nicht. Das SG hat sich zur Begründung auf die im Wege des Urkundenbeweises verwerteten Gutachten des Prof. Dr. C. vom 10.04.2007 und des Dr. B. vom 17.05.2017, die ergänzende gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. C. vom 17.05.2010 sowie auf die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. K. vom 04.09.2018 gestützt. Nach der Bewertung dieser Fachärzte bestehe beim Kläger im Bereich der LWS ein Wirbelgleiten L5/S1 mit Spontanversteifung sowie ein lumbales Wurzelkompressionssyndrom mit leichten belastungsabhängigen Beschwerden, leichten Funktionseinschränkungen und endgradigen Bewegungseinschränkungen. Dass die aus der anerkannten BK 2108 resultierenden Funktionseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule mit einer MdE von 10 v.H. zu bewerten seien, hätten Prof. Dr. C., Dr. B. und Dr. K. übereinstimmend, schlüssig und für das Gericht überzeugend dargelegt. Dies entspreche auch der Wertung der Ärzte, die den Kläger in der Zeit vom 25.03.2004 bis 15.04.2004 in der F.klinik Bad B. im Rahmen des stationären Rehabilitationsverfahrens behandelt haben. Im Entlassungsbericht sei eine Spondylolisthesis (Wirbelgleiten) L5/S1 mit Grad I-II (innerhalb der vier Schwerestadien umfassenden Tabelle nach Meyerding) beschrieben worden. Dementsprechend seien die bisherige Berufstätigkeit als Lkw-Fahrer mit schweren Be- und Entladetätigkeiten für nicht mehr zumutbar, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei Beachtung qualitativer Einschränkungen (kurz bis mittelfristig leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung von Stehen, Gehen und Sitzen) jedoch weiterhin für vollschichtig möglich gehalten worden. Auch Dr. I. habe in seinem Gutachten lediglich eine Spondylolisthesis mit Grad I nach Meyerding diagnostiziert. Soweit dieser die MdE mit 20 v. H. bewerte, habe sich die Kammer dem nicht anschließen können, weil diese Bewertung nicht schlüssig und auch nicht nachvollziehbar begründet sei. Dabei stimme Dr. I. hinsichtlich der Diagnose bezogen auf die LWS mit den Feststellungen der übrigen mit dem Kläger befassten Ärzte überein. Insbesondere habe er im Gutachten vom 27.06.2018 eine Verschlechterung der Situation an der LWS seit seiner Begutachtung im März 2009 ausdrücklich verneint, was auch der Selbsteinschätzung des Klägers entspreche, die dieser gegenüber Dr. B. geäußert habe. Darüber hinaus befinde sich der Kläger wegen seiner Rückenbeschwerden seit Jahren nicht mehr in ärztlicher Behandlung. Eine regelmäßige Schmerzmitteleinnahme sei gegenüber keinem der Sachverständigen angegeben worden. Dementsprechend sei die Schlussfolgerung von Dr. I., der Kläger sei seit 2003/2004 nicht mehr in nennenswertem Maße belastbar, nicht überzeugend. Dr. I. beziehe zudem Beschwerden an der Halswirbelsäule ein, die nicht im Rahmen der anerkannten BK 2108 zu würdigen seien, sondern als BK 2109, die nicht anerkannt und auch nicht streitgegenständlich sei. Denn der anwaltlich vertretene Kläger habe in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG im Verfahren L 1 U 2450/08 zuletzt nur noch die Anerkennung einer BK 2108 beantragt. Soweit Dr. I. die Bewertung auch auf neurologisch-psychiatrische Befunde stütze, folge die Kammer dem nicht. Der Befundbericht der Dr. K. vom 09.01.2011 belege eine solche Behandlung lediglich im Zeitraum vom 22.10.2003 bis zum letzten Termin am 27.04.2005. Für die Zeit danach sei keine fachärztliche Behandlung (ambulant, medikamentös oder stationär) belegt, was gegen ein durchgehend bestehendes relevantes psychisches Leiden spreche. Abgesehen davon beurteile Dr. I. dies fachfremd. Weitere Ermittlungen von Amts wegen seien deswegen auch nicht erforderlich gewesen.

Gegen das den Bevollmächtigten des Klägers am 14.02.2019 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25.02.2019 Berufung eingelegt. Er kritisiert die Berücksichtigung des Gutachtens von Prof. Dr. C., der sein Gutachten in der ergänzenden Stellungnahme vom 17.05.2010 komplett revidiert habe. Unter Verweis auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts ([BSG] Urteil vom 30.05.1988 – 2 RU 54/87BSGE 63, 207) seien alle Vorerkrankungen zu berücksichtigen. Daher seien auch die von der Beklagten im Bescheid als nicht berufskrankheitenbedingt bezeichneten Gesundheitsstörungen (Teillumbalisation des ersten Kreuzbeinwirbels, Veränderungen der Halswirbelsäule, belastungsabhängige Omalgie rechts, arterielle Hypertonie, Hyperurikämie, Spondylolisthese L5/S1 Grad I nach Meyerding) in die Bewertung mit einzubeziehen. Im Übrigen sei der auf die BK 2108 beschränkte Feststellungsantrag des Rechtsbeistandes in der mündlichen Verhandlung vom 08.11.2010 mit ihm nicht abgesprochen gewesen. Er beantrage, das Gutachten und die ergänzende Stellungnahme von Dr. I. vollumfänglich zu berücksichtigen. Ferner verweist er auf § 56 Abs. 2 Satz 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) und ein Urteil des BSG vom 05.09.2006 (B 2 U 25/05 R), wonach bei der Bemessung der MdE zur Vermeidung unbilliger Härten insbesondere das Alter, die Dauer der Ausbildung sowie vor allem die Ausübung einer speziellen beruflichen Tätigkeit und auch der Umstand, dass die bisher verrichtete Tätigkeit eine günstige Stellung im Erwerbsleben gewährleistete, zu berücksichtigen seien. Schließlich sei auch miteinzubeziehen, dass der Versicherungsfall einen unzumutbaren sozialen Abstieg bedeutet habe. Bei der Bewertung der MdE seien daher die Erkrankung der HWS, sein Alter von 56 Jahren bei Eintritt des Versicherungsfalles, die Dauer der Ausübung der speziellen beruflichen Tätigkeit von 32 Jahren und die Verschlossenheit des Arbeitsmarktes in angemessener Weise zu berücksichtigen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 5. Februar 2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Bescheide vom 13. Oktober 2011 und vom 23. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2012 abzuändern und ihm eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um wenigstens 20 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie weist darauf hin, dass die Rentenbegutachtung in der gesetzlichen Unfallversicherung im Kern eine Funktionsbegutachtung sei, die unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolge. Ebenso wie das Vorliegen eines Versicherungsfalles an sich jeweils einzeln zu bewerten sei, seien auch die Folgen eines jeden Versicherungsfalles getrennt voneinander zu beurteilen. Im Übrigen habe das SG eine zutreffende Entscheidung getroffen.

Hierauf hat der Kläger erneut auf die von ihm zitierte Rechtsprechung verwiesen und geltend gemacht, über einen Zeitraum von 18 Jahren täglich Lasten von 50 kg und mehr auf den Schultern getragen zu haben. Es sei zu berücksichtigen, dass jede dieser Lasten nicht nur eine Belastung im Sinne der BK 2109 darstellen könne, sondern darüber hinaus auch eine Belastung im Sinne der BK 2108. Der synergetische Mitwirkungsanteil sei in der Gesamteinschätzung der MdE miteinzubeziehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die beigezogenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen (neben den Akten des Senats auch die Akten im Verfahren L 1 U 2450/08).

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.

Die Ablehnung der Gewährung einer Verletztenrente im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der Folgen der mit Urteil vom 08.11.2010 festgestellten BK 2108 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Gegenstand des Rechtsstreits ist zunächst der am 08.10.2015 vom anwaltlich vertretenen Kläger gestellte Antrag, die bestandskräftig mit Bescheid vom 13.10.2011 bzw. 23.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2012 abgelehnte Rentengewährung zu überprüfen ("Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X"), da aus Anlass der Anerkennung der BK 2108 lediglich Verletztengeld zur Auszahlung gelangt sei, der Versicherte aber die Gewährung einer Verletztenrente geltend mache. Mit den genannten Bescheiden hat die Beklagte das Urteil vom 08.11.2010 bezogen auf die dort verfügte Feststellung der BK 2108 bescheidmäßig umgesetzt und darüber hinaus Folgen der Berufskrankheit bezeichnet und mit dem Satz, "die Berufskrankheit habe keine rentenberechtigende MdE zur Folge" zumindest konkludent die Gewährung einer Rente abgelehnt, was sich auch aus dem Begründungsteil des Bescheides unzweifelhaft ergibt. Ferner hat sie den Versicherungsfall mit dem 18.11.2003, dem Tag nach der ersten Arbeitsunfähigkeit nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit, festgestellt. Mit dem "Überprüfungsantrag" wandte sich der rechtskundig vertretene Kläger allein gegen den Verfügungssatz, mit dem die Beklagte die rentenberechtigende MdE verneinte und damit die Gewährung der Verletztenrente ablehnte. Die Zurücknahme dieser Entscheidung lehnte sie mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 16.06.2017 und Widerspruchsbescheid vom 21.12.2017 ab. Nachdem der Ausgangsbescheid, auf den sich der Überprüfungsantrag bezog, lediglich die Anerkennung der BK 2108 und Entscheidungen in diesem Zusammenhang zum Gegenstand hatte, sind entgegen den Einlassungen des Klägers die Anerkennung und Leistungen für BKen 2109 und 2110 nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits. Des Weiteren hat die Beklagte zumindest konkludent auch den Antrag des Klägers abgelehnt, eine Verletztenrente aufgrund einer eingetretenen Verschlimmerung des bk-bedingten Gesundheitsschadens zu zahlen, nachdem sie im Tenor des Bescheides vom 13.10.2011 bzw. 23.03.2012 ausführte, "Ihre Berufskrankheit hat keine rentenberechtigende MdE zur Folge" und in den Entscheidungsgründen ausdrücklich vermerkte, dass ein Anspruch auf Rente "bis auf weiteres" nicht besteht, da die BK keine rentenberechtigende MdE zur Folge habe.

Rechtsgrundlage für den mit der Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (vgl. zur Zulässigkeit dieser Kombination von Klagen: Baumeister in jurisPK-SGB X, § 44 RdNr. 154 m. w. N.) verfolgten Anspruch ist – soweit die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 13.10.2011 bzw. 23.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2012 geltend gemacht wird –§ 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Die Bestimmung ermöglicht eine Abweichung von der Bindungswirkung sozialrechtlicher Verwaltungsakte. Nach § 44 Abs. 4 SGB X werden im Falle der Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum von vier Jahren vor der Rücknahme bzw. Antragstellung erbracht. Der Zeitpunkt der Rücknahme wird dabei von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (§ 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Bei einer Rücknahme auf Antrag tritt bei der Berechnung des Zeitraums, für den die Leistungen rückwirkend zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (§ 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X).

Entscheidend ist daher, ob der Kläger auf seinen Antrag vom 08.10.2015 die Rücknahme des Bescheides vom 13.10.2011 bzw. 23.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2012 verlangen kann, weil darin zu Unrecht und damit rechtswidrig die Gewährung einer Rente abgelehnt wurde.

Eine unrichtige Rechtsanwendung oder die Berücksichtigung eines unzutreffenden Sachverhalts vermochte der Senat nicht festzustellen. Unter Berücksichtigung der zeitnah zum Versicherungsfall und nachfolgend durch Gutachten belegten Befunde ist auch nach Prüfung durch den Senat die Entscheidung des SG nicht zu beanstanden. Als Folgen der BK hat die Beklagte eine mäßiggradige Entfaltungsstörung der Lendenwirbelsäule bei erheblicher Bandscheibenverschmälerung L5/S1 und eine Bandscheibenverschmälerung Th12/L1 und L1/2 anerkannt. Die auf den anerkannten Bandscheibenschäden beruhenden Einschränkungen rechtfertigen auch zur Überzeugung des Senats keine MdE in rentenberechtigendem Grad.

Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf Rente. Die Höhe der Rente richtet sich u. a. nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung des Grades der MdE, also die durch eine Schätzung vorzunehmende Festlegung des konkreten Umfangs der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG eine tatsächliche Feststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (vgl. Urteil vom 05.09.2006 – B 2 U 25/05 R –, juris). Neben der Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ist dabei die Anwendung medizinischer sowie sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens erforderlich. Als Ergebnis dieser Wertung ergibt sich die Erkenntnis über den Umfang der dem Versicherten versperrten Arbeitsmöglichkeiten. Hierbei kommt es stets auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an (BSG, Urteil vom 19.12.2000 – B 2 U 49/99 R –, juris). Bei BKen richtet sich die MdE – wie bei den Unfallfolgen – einerseits nach der Schwere des noch vorhandenen akuten Krankheitszustands sowie andererseits nach dem Umfang der dem Erkrankten verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten oder des an einer BK Erkrankten durch die Folgen des Unfalls oder durch die BK beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Bei der Beurteilung der MdE sind aber auch die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie von dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze zu beachten, die zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend sind, aber Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis bilden und einem ständigen Wandel unterliegen.

Bestanden bei dem Versicherten vor dem Versicherungsfall bereits gesundheitliche, auch altersbedingte Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit (sog Vorschäden), werden diese für die Bemessung der MdE berücksichtigt, wenn die Folgen des Versicherungsfalles durch die Vorschäden beeinflusst werden. Denn Versicherte unterliegen mit ihrem individuellen Gesundheitszustand vor Eintritt des Versicherungsfalls dem Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. BSG, Urteil vom 05.09.2006 – B 2 U 25/05 R –, SozR 4-2700 § 56 Nr 2, Rn. 11, m. w. N.). Dies verlangt § 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 SGB VII, wonach die "infolge" des Versicherungsfalls eingetretene Beeinträchtigung des Leistungsvermögens und die dadurch verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens maßgeblich sind. Typischerweise ist eine derartige Beeinflussung anzunehmen, wenn durch zwei Schäden bzw. Erkrankungen dasselbe Organ oder dieselbe Körperfunktion betroffen ist, was insbesondere bei paarigen Organen anzunehmen ist. Hatte ein Versicherter z. B. sein linkes Auge vor dem Versicherungsfall verloren und verliert er durch den Versicherungsfall auch noch das rechte Auge, sind die Auswirkungen des Versicherungsfalls auf die Erwerbsfähigkeit erheblich schwerwiegender als in dem Fall, in welchem ein gesunder Versicherter durch den Versicherungsfall (nur) ein Auge verliert. Auch wenn ein bestimmtes Organ, z. B. die Lunge, durch eine Tuberkulose vorgeschädigt ist und die BK der Silikose hinzutritt, kann die Lungenfunktion insgesamt schwerer betroffen sein als bei einem bis auf die Silikose lungengesunden Versicherten. Unter Umständen kann die Folge einer BK oder eines Arbeitsunfalls für die MdE beim Zusammentreffen mit einem Vorschaden weniger gewichtig sein, z. B. wenn ein durch einen Privatunfall Fußamputierter durch einen Arbeitsunfall den Unterschenkel verliert, oder der Betroffene kann sogar besser gestellt sein als vor dem Arbeitsunfall. Die Berücksichtigung von Vorschäden ist keineswegs auf die Schädigung paariger Organe oder die Betroffenheit desselben Organs oder derselben Körperfunktion beschränkt. Auch andere Vorschäden, die die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigen, können im Sinne einer Beeinflussung Auswirkungen auf die durch den Versicherungsfall selbst hervorgerufene Einschränkung der Leistungsfähigkeit haben (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 05.09.2006, a. a. O.). Ein Vorschaden liegt aber nur dann vor, wenn bei Eintritt des Versicherungsfalles unfallunabhängig (bzw. hier von der Berufskrankheit unabhängig) eine Gesundheitsstörung vorliegt, die klinisch manifest ist oder Beschwerden bereitet und die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 104, m. w. N.).

Beim Kläger liegen als Folge der anerkannten Bandscheibenschäden zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles am 18.11.2003 chronisch rezidivierende Lumbalgien vor, die – wie dem Bericht der Praxis des Neurologen und Psychiaters Dr. M. vom 06.08.2003 entnommen werden kann – seit über 10 Jahren zu Kreuzschmerzen führen, die meistens in das rechte Gesäß, allenfalls bis an den unteren Anteil des Gesäßes und den oberen Anteil des Oberschenkels ausstrahlten und hin und wieder auch zu linksseitigen Beschwerden führten. Diese Beschwerden traten – so der Bericht – mehr oder weniger regelmäßig nach zweistündigem Lkw-Fahren oder auch mal nachts im Liegen auf. Die Beschwerden nahmen beim Husten, Niesen, Pressen oder Lachen nicht zu, neben Wärmebehandlungen halfen Aufstehen und Bewegung. Nur hin und wieder musste ein Schmerzmittel eingenommen werden, Taubheitsgefühle und Krafteinbußen im rechten oder linken Bein bestanden nicht. Der neurologische Befund war nach dem Bericht regelrecht (Beineigenreflexe seitengleich auslösbar, keine Pyramidenbahnzeichen, keine Sensibilitätsstörungen, keine Krafteinbußen). Angaben zu psychischen Einschränkungen sind in dem Bericht nicht enthalten. Unter dem 01.03.2004 berichtete der Orthopäde Dr. L. über eine Vorstellung des Klägers am 27.02.2004 und dort geklagte seit Wochen erneut und verstärkt bestehende Schmerzen in der LWS. Er bestätigte das Fehlen neurologischer Ausfälle und stellte als Diagnose Hohlrundrücken mit Spondylolisthesis im Segment L5/S1 und degenerative LWS-Veränderungen mit chronischen Cervicodorsolumbalgien, LWS-Blockierung. Im Bericht über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 25.03.2004 bis 15.04.2004 in der F.klinik Bad B. im Rahmen eines von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg geförderten Heilverfahrens sind die Diagnosen chronisch rezidivierendes lokales LWS-Syndrom bei degenerativer Spondylolisthesis Grad I-II L5/S1 und Hyperlordose, belastungsabhängige Schmerzen in der rechten Schulter, zurzeit mittelschwere depressive Störung und Übergewicht gestellt worden. Für die Tätigkeit als Kraftfahrer wurde die Leistungsfähigkeit auf unter drei Stunden angegeben. Aufgrund der haltungsabhängigen Exazerbation der Beschwerden (langes Liegen, langes Sitzen) seien Tätigkeiten, die überwiegend im Stehen und überwiegend im Sitzen sowie schweres Heben und Tragen erforderten, langfristig nicht möglich. Der Kläger sei zurzeit wegen einer mittelschweren Depressionsstörung arbeitsunfähig für die letzte Tätigkeit als Lkw-Fahrer, weil insbesondere Konzentration und Antrieb gemindert seien. Kurz- bis mittelfristig seien ihm leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung von Stehen, Gehen und Sitzen vollschichtig zumutbar.

Ob eine rentenrechtlich bedeutsame Wechselwirkung mit Einschränkungen auf psychiatrischem Fachgebiet zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles vorgelegen hat, kann in dem vorliegenden Fall dahinstehen. Zwar ist eine erste Behandlung wegen psychischer Beschwerden durch Dr. K. erstmals am 22.10.2003 erfolgt (Bericht vom 19.01.2011, vgl. Akten-Id 132/Seite 1 der Beklagtenakten) und damit vor dem hier maßgeblichen Versicherungsfall. Denn der vom Kläger geltend gemachte Leistungsanspruch kann ausgehend von seinem Antrag am 08.10.2015 wegen § 44 Abs. 4 SGB X frühestens ab 01.01.2010 bestehen. Zu diesem Zeitpunkt fand eine psychiatrische Behandlung des Klägers, nach Angaben von Dr. K. seit April 2005, nicht mehr statt. Eine (fortbestehende) behandlungsbedürftige Erkrankung auf psychiatrischem Fachgebiet hat (ungeachtet der Tatsache, dass die Beklagte psychische Erkrankungen als BK-Folgen bestandskräftig abgelehnt hat) auch der Kläger nicht behauptet.

Nichts anderes gilt für die vom Kläger im Berufungsverfahren geltend gemachten weiteren Gesundheitsschäden, wie die belastungsabhängige Omalgie rechts. Die deswegen bestehenden Einschränkungen gehen unter Berücksichtigung des Entlassungsberichts der F.klinik nicht über die hinaus, die ohnehin bereits durch die als BK anerkannte Wirbelsäulenerkrankung eingetreten war (bezogen auf das Heben und Tragen und auf leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten). Die Hypertonie und die Hyperurikämie sind in dem Bericht der F.klinik ebenfalls nicht als die Erwerbsfähigkeit mindernd erwähnt worden, weswegen schon nicht nachgewiesen ist, dass diese vorbestehend waren. Unabhängig davon hat keiner der gehörten Sachverständigen diese als leistungsmindernd erwähnt. Verschlimmerungen der genannten Erkrankungen oder deren Auftreten nach Eintritt des Versicherungsfalles sind, da sie keine Folgen der BK sind, als sogenannter Nachschaden nicht für die MdE-Beurteilung heranzuziehen (Kranig in: Hauck/Noftz, SGB, 05/18, § 56 SGB VII, Rn. 43).

Zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles sind auch weitere Schäden an der Wirbelsäule – etwa im Bereich der HWS – nicht als Vorschaden mit einzubeziehen, weil sie im August 2003 noch nicht so ausgeprägt vorgelegen haben, dass hierdurch eine Erwerbsminderung eingetreten wäre. So werden trotz der bereits im Dezember 2003 (nach Eintritt des hier streitigen Versicherungsfalles im August 2003) mit Protrusionen befundeten HWK 2/3, 3/4, und 4/5 (ohne Einengung des Spinalkanals und ohne Nachweis eines raumfordernden Bandscheibenprolapses und ohne Nachweis eines intraforaminalen Bandscheibenvorfalls, vgl. CT vom 05.12.2003, Dr. H., Befundbericht vom 05.12.2003) Beschwerden und Einschränkungen diesbezüglich im Entlassungsbericht der F.klinik nach dreiwöchigem stationärem Aufenthalt nicht erwähnt, weshalb solche auch für den August 2003 nicht als leistungsrelevant eingestuft werden können. Die später, insbesondere in den Gutachten und Stellungnahmen von Dr. I. erwähnten Einschränkungen im Bereich der HWS sind keine Folgen der BK 2108 und stehen nach Eintritt des Versicherungsfalles der BK 2108 in keinem kausalen Zusammenhang mit den schädigenden Einwirkungen dieser BK und dem versicherten Gesundheitsschaden. Sie sind daher bei der Bemessung der MdE nicht zu berücksichtigen.

Ergänzend und zur Klarstellung stellt der Senat zudem fest, dass trotz der – vorbestehenden – Spondylolisthese L5/S1, Grad I nach Meyerding und der Teillumbalisation des ersten Kreuzbeinwirbels, welche die Beklagte – zurecht – nicht als Folgen der BK anerkannt hat, kein bei der Bemessung der MdE zu berücksichtigender Vorschaden vorliegt. Bezogen auf die genannten Gesundheitsstörungen fehlt es an einer Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit hierdurch, nachdem insbesondere Dr. I. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14.10.2010 ausgeführt hat, dass der Anomalie mangels Asymmetrie des lumbosakralen Übergangswirbels kein Krankheitswert zukommt. Dies wird in der Folge von Prof. Dr. C. nicht bestritten und von Dr. B. insoweit bestätigt, als er ausführt, dass alle Beschwerden ausschließlich Folgen der beruflich bedingten Erkrankung sind.

Den im Verfahren eingeholten und vorliegenden Gutachten lassen sich – insbesondere bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2012 – keine weitergehenden Funktionseinschränkungen und dadurch verursachte Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit entnehmen, die eine Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 13.10.2011 bzw. 23.03.2012 begründen könnten.

Nachdem Prof. Dr. C. in seinem Gutachten vom 10.04.2007 den klinischen Befund mit einer endgradigen Einschränkung der Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule in sämtlichen Bewegungsebenen ohne Hinweise auf eine Reizung der von der LWS ausgehenden Nervenwurzeln (keine Gefühlsstörungen, keine motorische Schwäche in den unteren Extremitäten) beschrieben hat, lässt sich auch dem Gutachten von Dr. I. vom 16.03.2009 kein wesentlich anderer Befund entnehmen. Er beschreibt eine mäßige Minderentfaltbarkeit der Brust- und Lendenwirbelsäule in der Form von typischen dumpfen Lumbalgien mit zeitweiliger Ausstrahlung in das rechte Bein, wobei die Beschwerden durch die Belastung verschlimmert werden. Es handele sich um ein lokales Lumbalsyndrom bzw. eine Mischform zwischen Typ 1 und Typ 2 der Konsensus-Empfehlungen.

Zuzustimmen ist daher Dr. B., dessen Gutachten der Senat im Urkundenbeweis verwertet, wenn er dargelegt, dass sich selbst im Mai 2017 keine wesentliche Änderung im Vergleich zu den Vorgutachten von Prof. Dr. C. und Dr. I. auch fünf Jahre nach Erlass der hier streitigen Bescheide feststellen ließ. Insoweit führt er zutreffend aus, dass der Kläger ohne Exposition spezifischer Lendenwirbelsäulenbelastungen beschwerdefrei ist, mit dem Risiko einer Schmerzexazerbation durch Heben und Tragen oder Tätigkeiten in gebückter Haltung. Diese Aussage stützt sich nicht nur auf den Akteninhalt, sondern auch auf Angaben des Klägers gegenüber Dr. B., die dieser wörtlich festgehalten hat: "Ohne Rücken belastende Tätigkeit geht es mir gut. Sobald ich anfange mich zu bücken oder zu heben, beginnen die Schmerzen im Kreuz mit Ausstrahlung ins rechte Bein, etwa vom Hüftgelenk bis zu Kniegelenk reichend. Der Schmerzcharakter ist kribbelnd. Seit ich dreimal in der Woche in die Therme gehe, viel laufe und die gymnastischen Übungen mache, bin ich praktisch beschwerdefrei, wobei die Obergrenze der schmerzfreien Strecke etwa bei 20 km liegt". Im erhobenen Befund teilt er u. a. mit, dass das Entkleiden nicht erschwert, das Gangbild unauffällig, das In-die-Hocke-gehen, der Zehen- und Hackengang möglich gewesen sind. Das Zeichen nach Lasègue war beidseits negativ, es war auch kein Pseudo-Lasègue und kein indirektes Lasèguesches Zeichen festzustellen. Ferner war der Bragard-Test negativ und im Bereich der LWS fand sich kein Hinweis auf eine lumbale Segmentinstabilität.

Damit liegen auch 2017 noch Einschränkungen vor, die bereits im Reha-Entlassungsbericht Grundlage dafür waren, die Leistungseinschränkungen des Klägers bezogen auf das Lumbalsyndrom und die haltungsabhängige Exazerbation der Beschwerden vor allem beim langen Sitzen und langen Stehen dahingehend zu formulieren, dass dem Kläger Tätigkeiten, die überwiegend im Stehen und Sitzen erfolgen, sowie schweres Heben und Tragen langfristig nicht zumutbar sind.

In Übereinstimmung mit Prof. Dr. C. und Dr. B. ist auch der Senat der Auffassung, dass hierdurch lediglich eine MdE um 10 v. H. erreicht wird.

Zur Bewertung des Anteils der Erwerbstätigkeiten im gesamten Erwerbsleben, die der versicherten Person aufgrund der festgestellten Beeinträchtigungen verschlossen sind, zieht der Senat die in den Konsensus-Empfehlungen enthaltenen Erfahrungswerte heran, die er als qualifizierte Erfahrungssätze wertet und die uneingeschränkt angewandt werden können, weil – wie oben dargestellt – vor dem Versicherungsfall keine Vorschäden vorhanden waren, die die Erwerbsfähigkeit des Klägers gemindert haben. Unter qualifizierten Erfahrungssätzen versteht man solche in MdE-Tabellen zusammengefasste Empfehlungen, die sich dadurch als wirklichkeits- und maßstabsgerecht und damit als sozial adäquat erwiesen haben, dass sie über einen gewissen Zeitraum wiederkehrend von Gutachtern, UV-Trägern und Gerichten angewandt und von den Betroffenen akzeptiert werden und in regelmäßigen Abständen überprüft werden, um neue wissenschaftliche Erkenntnisse und relevante faktische Änderungen, insbes. bezüglich der gesundheitlichen Anforderungen im Erwerbsleben oder der Fortschritte der Heilbehandlung, zu berücksichtigen. Sie sollen in gleich gelagerten Fällen die Gleichbehandlung der Betroffenen sicherstellen und sind deshalb im Regelfall zu beachten. Abweichungen sind nicht ausgeschlossen, erfordern aber eine besondere Begründung aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls (vgl. hierzu Kranig in: Hauck/Noftz, SGB, 05/18, § 56 SGB VII, Rn. 36 ff., Bereiter-Hahn/Mehrtens § 56 SGB VII Rz 10.3, m. w. N.). Die Empfehlungen zur Bemessung der MdE, die in den sog. Konsensus-Empfehlungen zur Begutachtung der BK-Nr. 2108 (bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule) enthalten sind (Bolm-Audorff u. a., Trauma und Berufskrankheit 2005, 213 und 320), erfüllen aufgrund des umfassend zusammengesetzten, neutralen und unabhängigen Expertenkreises, der Transparenz des Verfahrens, der Publizität der Ergebnisse und der weitgehend einheitlichen Anwendung über eine Dauer von mehr als zehn Jahren die wesentlichen Anforderungen an qualifizierte Erfahrungssätze - im Unterschied zu den zuvor zur MdE bei BK 2108 in der Literatur publizierten Vorschlägen (in Übereinstimmung mit Kranig in: Hauck/Noftz, SGB, 05/18, § 56 SGB VII, Rn. 36e, m. w. N.).

Unter Berücksichtigung dessen handelt es sich auch nach Überprüfung des Senats um Einschränkungen, die nach der Tabelle 15 der Konsensus-Empfehlungen (Trauma und Berufskrankheit 2005, S. 327) auf der Stufe 1 – bewertet mit einer MdE um 10 v. H. – einzuordnen sind. Hiervon erfasst werden ein lokales LWS-Syndrom oder lumbales Wurzelkompressionssyndrom mit leichten (auch anamnestischen) belastungsabhängigen Beschwerden und leichten Funktionseinschränkungen, auch nach – gegebenenfalls operiertem – Prolaps. Als Einschränkungen bezogen auf mögliche Belastungen wird in der Tabelle häufiges Arbeiten in gebückter Haltung und häufiges Handhaben schwerer Lasten sowie eine hohe Schwingungsbelastung im Sitzen genannt. Die Stufe 2 – bewertet mit einer MdE um 20 v. H. – wird beschrieben als lokales LWS-Syndrom oder lumbales Wurzelkompressionssyndrom mit mittelgradigen belastungsabhängigen Beschwerden; Lumboischialgie mit belastungsabhängigen Beschwerden, deutliche Funktionseinschränkungen; mittelgradige Funktionseinschränkungen und Beschwerden nach Operation, weshalb dauerhafte Zwangshaltungen im Sitzen oder im Stehen und mehr als gelegentliches Arbeiten in gebückter Haltung und mehr als gelegentliches Handhaben schwerer Lasten nicht mehr zumutbar sind. Letztgenannte Einschränkungen sind mit den von Dr. I. in seinem Gutachten vom 16.03.2009 genannten, die er mit einer mäßigen Minderentfaltbarkeit der Brust- und Lendenwirbelsäule in der Form von typischen dumpfen Lumbalgien mit zeitweiliger Ausstrahlung in das rechte Bein beschrieben hat, wobei die Beschwerden durch Belastung verschlimmert werden, nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen. Denn mit diesem Befund sind die auf Stufe 2 geforderten mittelgradigen belastungsabhängigen Beschwerden nicht zu begründen. Die im Entlassungsbericht beschriebene Leistungseinschränkung (leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung von Stehen, Gehen und Sitzen) ist noch nicht gleichbedeutend mit dem Ausschluss dauernder Zwangshaltung im Sitzen oder im Stehen, da diese – wie der Tabelle 16 entnommen werden kann (Trauma und Berufskrankheit 2005, Seite 328) – Sitzen in dauerhaft fixierter Haltung und/oder Zwangshaltungen über Stunden erfordern, z. B. bei der Bedienung/Führung von Geräten, Fahrzeugen, Anlagen und Hebezeugen mit Sichtbehinderungen, wenn kein wesentlicher Positionswechsel, keine selbstgewählten Pausen oder kein Wechsel mit entspanntem Sitzen oder im Stehen möglich ist.

Mit dem Gutachten von Dr. I. lässt sich auch eine Verschlimmerung des durch die BK eingetretenen Gesundheitsschadens nicht belegen. Soweit der Kläger gegenüber Dr. I. weitergehende Beschwerden (jetzt auch Schmerzausstrahlung in den Oberschenkel ohne körperliche Belastung, längeres Sitzen sei schon nach 20-30 Minuten wegen Kribbelparästhesien mühsam, Arbeiten in gebückter Haltung seien überhaupt nicht mehr möglich) geschildert hat, vermögen diese Angaben im Gutachten des Dr. I. eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen, nachdem der Kläger im Termin der mündlichen Verhandlung angegeben hat, sein Zustand habe sich im Verlauf der Zeit nicht verschlechtert. Eine Beschwerdezunahme aufgrund der bk-bedingten Lendenwirbelsäulenerkrankung ist – auch wenn Beschwerden nicht punktgenau auf die nach dem einschlägigen BK-Tatbestand korrespondierenden Wirbelsäulenabschnitte begrenzt sein müssen – durch objektive Befunde nicht nachgewiesen und damit für den Senat nicht zweifelsfrei belegt. Denn insoweit ist Dr. K. (beratungsärztliche Stellungnahme vom 04.09.2018, die der Senat als qualifizierten Beteiligtenvortrag wertet) zuzustimmen, dass der objektiv wiedergegebene Befund in dem Gutachten des Dr. I. nur leicht- bis mittelgradige Einschränkungen belegt. Danach sind ein Fingerbodenabstand mit minimal 15 cm, wie im Gutachten ausgemessen, als eine leicht- bis mittelgradige Einschränkung, die Flexionsfähigkeit der Wirbelsäule bei einem Zeichen nach Schober von 10:12 als mittelgradige Einschränkung zu bewerten. Segmentale Schmerzausstrahlungen können, worauf Dr. K. zu Recht hinweist, dem Untersuchungsbefund nicht entnommen werden, gleiches gilt für segmentale Sensibilitätsstörungen, wie die erwähnten pelzigen Missempfindungen, ausstrahlend in das Bein. So wie bereits Dr. M. in seinem Bericht vom 06.08.2003 den neurologischen Befund als regelrecht beschrieb (Beineigenreflexe seitengleich auslösbar, keine Pyramidenbahnzeichen, keine Sensibilitätsstörungen, keine Krafteinbußen), hat auch Dr. I. einen seitengleichen Reflexstatus der unteren Extremitäten ohne motorische Ausfälle angegeben und das Gangbild als raumgreifend, den Zehen- und Hackenstand als seitengleich ausführbar, wodurch sensomotorische Ausfälle nicht belegt sind. Dr. I. hat zudem im Gutachten angegeben, dass der Vergleich des am 12.05.2017 bei Dr. M. erstellten Röntgenbildes der LWS mit den Vorbefunden aus 2004 kein wesentliches Fortschreiten der degenerativen Veränderungen belegt. Anhaltspunkte für den Eintritt einer Verschlimmerung kann der Senat auch aus den weiteren Umständen nicht herleiten. So besteht auch weiterhin keine Notwendigkeit für eine Schmerzmitteleinnahme oder einer sonstigen Schmerztherapie, wie der Kläger im Termin der mündlichen Verhandlung ebenfalls ausgeführt hat. Dass der Kläger eine solche durch die von ihm durchgeführten Übungen vermeidet, vermag daran nichts zu ändern. Soweit das Gutachten von Dr. I. dahingehend zu verstehen sein sollte, die MdE um 20 v. H. werde unter Einbeziehung der Einschränkungen von Seiten der HWS erreicht, ist diese Auffassung unzutreffend, da – wie bereits ausgeführt – diese Einschränkungen nicht vorbestehend waren. Nicht zu überzeugen vermochte darüber hinaus, soweit er sich für den hier streitigen Zeitraum fachfremd auf psychiatrische Einschränkungen beruft und dabei offensichtlich verkennt, dass seit 2005 keine Behandlungsbedürftigkeit mehr besteht.

Dementsprechend vermochte sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2012 und zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. I. Einschränkungen vorgelegen haben und (jetzt noch) vorliegen, die den in der Tabelle 15 durchgehend als mittelgradig geforderten Funktionseinschränkungen oder Beschwerden entsprechen.

Nichts anderes ergibt sich zudem aus § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII. Danach sind bei der Bemessung der MdE Nachteile zu berücksichtigen, die der Verletzte dadurch erleidet, dass er bestimmte, von ihm erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Unfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen kann, soweit sie nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihm zugemutet werden kann, ausgeglichen werden. Eine Erhöhung der Rente wegen unfallbedingter beruflicher Nachteile erfolgt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. u. a. BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 6 m. w. N.), wenn unter Wahrung des Grundsatzes der abstrakten Schadensberechnung die Nichtberücksichtigung von Ausbildung und Beruf bei der Bewertung der MdE im Einzelfall zu einer unbilligen Härte führen würde. Hierzu hat das BSG entschieden, dass wesentliche Merkmale für die Beurteilung der Frage, ob eine höhere Bewertung der MdE zur Vermeidung unbilliger Härten gerechtfertigt ist, insbesondere das Alter des Verletzten, die Dauer der Ausbildung sowie der Ausübung der speziellen beruflichen Tätigkeit und auch der Erwerb einer günstigen Stellung im Erwerbsleben durch die bisher verrichtete Tätigkeit sind. Hieraus und aus den außerdem zu beachtenden sonstigen besonderen Umständen des Einzelfalles kann sich eine höhere Bewertung der MdE ergeben, wenn der Verletzte die ihm verbliebenen Kenntnisse und Fähigkeiten nur noch unter Inkaufnahme eines unzumutbaren sozialen Abstiegs auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens verwerten kann, wobei die einzelnen Umstände des jeweiligen Falles dabei nicht isoliert, sondern in ihrer Gesamtheit zu beurteilen sind (BSG, a. a. O., m. w. N.). Die Voraussetzungen liegen demnach nur bei Versicherten vor, die einen sehr spezifischen Beruf in einem relativ engen Bereich ausüben. Die Ausübung muss auf Grund der Dauer oder Intensität oder besonderer Begabung o. ä. nicht nur ein spezielles Fachwissen, sondern auch spezifische Fähigkeiten und Fertigkeiten vermittelt haben, die die Stellung im Erwerbsleben wesentlich begünstigt haben. Dies ist bei dem Kläger, der zuletzt nach einer Weiterbildung bei der IHK zum Industriemeister Kraftverkehr als selbstständiger Transportunternehmer zunächst Gasflaschen und später Tiefkühlkost transportiert hat, nicht der Fall. So hat das BSG mehrfach entschieden, dass die erzwungene Aufgabe eines Lehrberufs (z. B. Installateurmeister: BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22; Schlosser: BSG BG 1975, 521; Maurer: BSG SozR 2200 § 581 Nr. 27; Maler: BSGE 23, 253, vgl. hierzu KassKomm/Ricke, 102. EL Dezember 2018, SGB VII § 56 Rn. 28 ff.) die Anwendung des § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII nicht begründen kann. Entsprechendes findet sich auch in der vom Kläger zitierten Entscheidung (BSG, Urteil vom 05.09.2006 – B 2 U 25/05 R –, juris), wonach die vor Eintritt des Versicherungsfalles ausgeübte Tätigkeit als CNC-Dreher und Fräser nicht aufgrund der Dauer der Ausbildung hervorgehoben ist. Eine Härte im o.g. Sinn vermag der Senat daher auch nicht für die Tätigkeit als Lkw-Fahrer zu erkennen, auch wenn diese zuletzt selbstständig ausgeübt wurde. Daher ist die unfallbedingte MdE des Klägers nicht wegen Vorliegens einer besonderen beruflichen Betroffenheit zu erhöhen.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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