S 3 U 21/10

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 21/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 U 61/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 26.05.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.03.2010 wird aufgehoben und die Beklagte wird verpflichtet, die Lendenwirbelsäulenerkrankung des Klägers als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung festzustellen.

Die Beklagte hat dem Kläger 50% seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung seiner Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) hat.

Unter dem 11.07.2006 beantragte der 1958 geborene Kläger bei der Beklagten die Anerkennung seiner Wirbelsäulenerkrankungen als Berufskrankheit. Da der Kläger auch nach Aufforderung durch die Beklagte seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkam, stellte die Beklagte mit Schreiben vom 08.09.2006 das Feststellungsverfahren ein.

Am 05.02.2009 meldete sich der Kläger telefonisch bei der Beklagten und bat darum, das Feststellungsverfahren wieder aufzunehmen.

Am 01.08.1975 begann der damals 16jährige Kläger eine 3jährige Berufsausbildung als Maler und Lackierer und war im Anschluss daran vom 01.08.1978 bis 30.09.2005 als Verputzer, zuletzt bei der Firma Baudekoration C., tätig.

Aus den vom Kläger der Beklagten übersandten medizinischen Unterlagen ergibt sich, dass der Kläger mindestens seit 1996 immer wieder an behandlungsbedürftigen Rückenschmerzen mit Schwerpunkt der Lendenwirbelsäule (LWS) und mehreren Bandscheibenvorfällen leidet. Eine CT-Aufnahme der LWS im November 1996 zeigte beim Kläger eine deutlich linksbetonte Protrusion im Segment L4/5 und einen kleinen subligamentären Bandscheibenvorfall im Segment L5/S1. Ebenfalls im November 1996 berichte Dr. D., dass die Röntgenaufnahmen der Lendenwirbelsäule eine nach distal zunehmende Zwischenwirbelraumeinengung der Segmente L4-S1 zeigten. Aus einem Bericht der Berglandklinik vom 19.08.1998 geht hervor, dass sich in einem CT in Höhe von L5/S1 ein Bandscheibenvorfall (NPP) gezeigt habe. Im Jahr 2001 beschreibt der Facharzt für Neurologie Herr E., dass der Kläger unter einem chronischen Lumbago mit pseudoradikulärer Ausstrahlung in beide Beine bei multipler Diskopathie in den Segmenten L2/3, L4/5 und L5/S1 leide, welche im MRT der LWS nachweisbar seien. Die Behandlung der klägerischen Beschwerden erfolgte zunächst konservativ. Im Laufe der Jahre verschlechterte sich jedoch das Krankheitsbild, so dass im Jahr 2003 erstmals der Bandscheibenvorfall L5/S1 operativ versorgt wurde.

Seit dem 24.10.2005 hat der Kläger nicht mehr gearbeitet. Er sei arbeitsunfähig krank gewesen. Der MDK stellte am 12.12.2005 eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers für seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Verputzer aufgrund der bestehenden Lumboischialgie auf Dauer fest. Aus dem Entlassungsbericht der Klinik Sonnenblick vom 27.03.2006 ergibt sich ebenfalls, dass der Kläger im Beruf als Verputzer für nicht mehr einsetzbar erachtet werde. Auch die Oberärzten F. teilte unter dem 30.06.2006 mit, dass der Kläger nur arbeitsfähig sei unter der Voraussetzung, dass es sich um eine wirbelsäulengerechte Tätigkeit handele ohne schweres Heben und Tragen von Gewichten von 20 Kg und mehr und ohne Arbeiten in Zwangshaltung, gebeugt oder gebückt.

Im Jahr 2006 wurde der Kläger erneute aufgrund eines Rezidiv-Bandscheibenvorfalls und Neurolyse im Bereich S1 operiert.

Der beratende Arzt Dr. G., welcher um Bewertung der vorliegenden Krankenunterlagen gebeten wurde, konnte kein typisches mehrsegmentales bandscheibenbedingtes Schadensbild im Sinne einer BK-Nr. 2108 erkennen. Dabei lag ihm das bildgebende Material der Lendenwirbelsäule zur Beurteilung nicht vor.

Mit Bescheid vom 26.05.2009 lehnte die Beklagte daraufhin die Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers als BK-Nr. 2108 ab, da kein für die Anerkennung einer BK-Nr. 2108 notwendiges bandscheibenbedingtes Schadensbild erkennbar sei.

Mit Schreiben vom 15.06.2009 legte der Kläger gegen den Bescheid Widerspruch ein.

Daraufhin holte die Beklagte bei Dr. H. eine beratungsärztliche ein. Unter dem 20.08.2009 führte dieser aus, dass auf den Röntgenaufnahmen aus dem Jahr 2002 eine Höhenminderung der beiden unteren Bandscheibensegmente mit mäßig subchondraler Sklerose der korrespondierenden Abschlussplatten erkennbar sei. Die MRT-Aufnahme aus dem Jahr 2005 zeige einen Bandscheibenvorfall und eine Protrusion im Segment L4/5 sowie Dehydrierungen beider Bandscheiben im Sinne einer Degeneration. Die Halswirbelsäule (HWS) weise einen Bandscheibenvorfall C7/Th1 auf, der klinisch nicht relevant sei. Es liege damit eindeutig ein bandscheibenbedingtes und chronisch rezidivierendes Krankheitsbild vor. Nach den Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung bei bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lebendwirbelsäule (Konsensempfehlungen) bestehe die Konstellation B4. Weder die flache Skoliose noch eine kleine Deckplatteneindellung des LWK 2 seien als konkurrierende Faktoren anzusehen. Sofern die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt seien, könne eine BK-Nr. 2108 angenommen werden. Die MdE sei aufgrund des klinischen Befunds mit 20 v. H. anzusetzen. Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten (TAD) ermittelte daraufhin für den Zeitraum vom 01.08.1975 bis 30.09.2005 eine berufliche Exposition in Höhe von 36,5 x 106 Nh.

Die Beklagte holte sodann eine Stellungnahme des beratenden Arztes Herrn J. ein, der unter dem 14.01.2010 ausführte, dass im Bereich der LWS in den Segmenten L4/5 und L5/S1 Bandscheibenvorfälle vorlägen und die betroffenen Bandscheiben im Sinne einer black disc dehydriert seien. Eine Konstellation B4 liege nach den Konsensempfehlungen jedoch nicht vor, da nach seiner Auffassung bereits die Konstellation B2 nicht erfüllt sei. Denn das MRT vom 26.11.2005 zeige keine black disc in zwei "benachbarten" Segmenten. Nach den vorliegenden Ermittlungen des TAD sei auch das arbeitstechnische Erreichen von 25 x 106 Nh innerhalb von 10 Jahren nicht erfüllt. Er könne auch keine Belastungsspitzen erkennen. Es liege daher eine Konstellation B3 vor, für welche keine gefestigte wissenschaftliche Meinung, die den Kausalzusammenhang bejaht, bestehe. Der ablehnende Bescheid sei folglich zu Recht ergangen. Eine BK-Nr. 2108 liege nicht vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.03.2010 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass ein belastungskonformes bzw. belastungsadaptives Schadensbild nicht vorliege. Die medizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 2108 seien im Ergebnis nicht erfüllt.

Mit seiner am 24.03.2010 bei Gericht eingegangenen Klage, verfolgt der Kläger sein Ziel weiter.

Er beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 26.05.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Lendenwirbelsäulenerkrankung des Klägers als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung festzustellen und nach einer MdE von 30 v.H. zu entschädigen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie hält den angegriffenen Bescheid für rechtmäßig.

Zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts hat die Kammer von Amts wegen bei Prof. Dr. K., Arzt für Orthopädie und Chirurgie, ein fachorthopädisches Gutachten eingeholt, welches dieser am 30.12.2010 auf der Grundlage der übersandten Akten, Röntgen- und MRT-Aufnahmen sowie einer ambulanten Untersuchung des Klägers erstattete.

Prof. Dr. K. gelangte aufgrund der Auswertung der medizinischen Unterlagen zu dem Ergebnis, dass die behandlungsbedürftigen Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers bereits im Juli 1993 begonnen hätten.

Auf dem vorliegenden bildgebenden Material stellte er einen Bandscheibenvorfall im Segment L5/S1 sowie degenerative Wirbelsäulenveränderungen im Lendenwirbelbereich absteigend von L3-S1 fest. Veränderungen im Sinne eines Morbus Scheuermann bestünden in der mittleren Brustwirbelsäule sowie im Segment L1/2. Konkret zeigten sich auf den kernspintomographischen Untersuchungen degenerative Veränderungen in Sinne einer Spondylarthrose. Es seien beim Kläger mehrsegmentale Chondrosen mit Protrusionen des Grades I, II sowie Grades III (Prolaps) nachweisbar und zwar in den Segmenten L 3/4, L 4/5 und L5/S1 (Prolaps). Diese Bandscheibenschäden zeigten eine von cranial nach caudal zunehmende Ausprägung. Zudem seien erhebliche Signalveränderungen im Sinne eines sogenannten durch Wasserverlust hervorgerufenen Black-Disc-Zeichens ("black disc") in den Segmenten L4/5 und L5/S1 und L1/2 im Kernspintomogramm feststellbar. Im letzteren Segment (L1/2) sei dies jedoch auf den Morbus Scheuermann zurückzuführen. Eine eindeutige Begleitspondylose liege nicht vor.

Nach den klinischen und röntgenologischen Befunden sei davon auszugehen, dass es sich beim Kläger um eine bandscheibenbedingte Erkrankung handele. Andere für die Zusammenhangsbeurteilung bedeutsame Erkrankungen habe er nicht feststellen können. Insbesondere sei nach den Konsensempfehlungen eine anlagebedingte Überbelastung der unteren LWS bei einem Morbus Scheuermann nur bei einer lumbalen Lokalisation mit Keilwirbelbildung und Abweichung von mindestens 10 Grad plausibel. Zwar sei der lumbale Bereich beim Kläger betroffen, allerdings ohne Keilwirbelbildung und ohne eine Abweichung von mindestens 10 Grad. Der festgestellte Morbus Scheuermann sei daher irrelevant. Ferner fänden sich bei dem Kläger auch keine Fehlbildungen der Wirbelsäule. Auch die festgestellten Halswirbelsäulenveränderungen würden keine mit der beruflichen Belastung konkurrierenden Faktoren darstellen. Die Halswirbelsäulenveränderungen seien nach den vorliegenden Befunden nicht sehr ausgeprägt und der in den medizinischen Unterlagen beschriebene Bandscheibenprolaps C7/Th1 sei nicht gesichert. Das MRT der Halswirbelsäule aus dem Jahr 2001 zeige allenfalls eine angedeutete Protrusion im Segment C6/7.

Prof. Dr. K. gelangte zu dem Schluss, dass beim Kläger von einer berufsbedingten Bandscheibenerkrankung auszugehen sei und am ehesten die Konstellation B 2 der Konsensempfehlungen vorliege. Beim Kläger lägen mehrsegmentale Chondrosen mit Protrusionen des Grades I und II sowie III (Prolaps) in den Segmenten L3/4, L4/5 und L5/S1 vor. Entgegen der Annahme von Herrn J., sei auch in zwei benachbarten Segmenten eine black disc nachweisbar. Nach seinen Feststellungen befinden sich im Lendenwirbelsäulenbereich drei sogenannte black discs, wovon zwei in den benachbarten Segmenten L4/5 und L5/S1 und eins im Segment L1/2 gesichert sei. Dabei sei die Zuordnung des vorliegenden Schadensbildes nicht ganz zwangslos einer der in den Konsensempfehlungen genannten Konstellationen, insbesondere aufgrund der Mitbeteiligung der Halswirbelsäule, zuzuordnen. Letztlich lägen aber mehr Merkmale vor, welche für eine berufsbedingte Bandscheibenerkrankung als gegen eine solche sprechen. Insbesondere habe der Kläger bereits seit seinem 17. Lebensjahr schwere Lasten getragen. Die Schädigung der Bandscheiben nehme zudem von cranial nach caudal zu. Die Veränderungen der Bandscheiben der Lendenwirbelsäule überschritten dabei das altersdurchschnittliche Ausmaß deutlich und höben sich von den übrigen Veränderungen an der Wirbelsäule des Klägers deutlich ab. Es lägen zwar keine belastungsadaptiven Veränderungen im Sinne einer Spondylose vor, dafür aber ausgeprägte spondylarthrotische Veränderungen.

Aus medizinischer Sicht seien die beruflichen Einwirkungen die wesentliche Ursache für die Entstehung der beschriebenen Wirbelsäulenerkrankung. Es sei mithin nachvollziehbar, dass der Kläger alle Tätigkeiten unterlassen habe, welche für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers sei aufgrund der beim Kläger vorliegenden Beschwerden mit 20 v. H. zu bemessen.

In seiner Stellungnahme vom 04.02.2011 stimmte der Beratungsarzt der Beklagten für Arbeitsmedizin, Herr J., den medizinischen Feststellungen von Prof. Dr. K. in allen Punkten zu. Auch er gehe von Bandscheibenvorfällen in den Segmenten L4/5 und L5/S1 und vom Vorliegen einer "black disc" in diesen beiden Segmenten aus. Eine unterschiedliche Auslegung ergebe sich jedoch aus der Begrifflichkeit des Zusatzkriteriums der Konstellation B2: ""black disc" an mindestens zwei benachbarten Segmenten". Die Konsensempfehlungen würden ein geschädigtes Segment und zusätzlich dazu an zwei weiteren Segmenten eine "black disc" fordern. Insgesamt müssten also an mindestens drei Segmenten Schädigungen vorliegen. Hier liege lediglich eine zusätzliche "black disc" in einem benachbarten Segment vor, weshalb die Konstellation B2 nicht gegeben sei. Es liege vielmehr die Konstellation B3 vor, für welche es keine gefestigte wissenschaftliche Meinung gebe, die einen Kausalzusammenhang zwischen der beruflichen Einwirkung und dem vorliegenden Schadensbild des Klägers bejahe. Eine BK-Nr. 2108 sei weiterhin abzulehnen.

Daraufhin hat Prof. Dr. K. in einer ergänzenden Stellungnahme ausgeführt, dass die Konstellation B2 unglücklich formuliert sei. Denn wenn das Segment L5/S1 betroffen sei, grenze daran naturgemäß nur ein Bewegungssegment, nämlich das Segment L4/5 an, da es caudal von L5/S1 in der Regel kein Bewegungssegment gebe. Es sei daher nicht logisch bei einer Veränderung im Segment L5/S1 eine "black disc" in zwei "angrenzenden" Segmenten zu fordern. Abgesehen davon dürfe die Argumentation nicht auf die Anzahl der "black discs" beschränkt werden. In der Kernspintomographie seien beim Kläger auch im Segment L 3/4 Veränderungen zu finden, welche zwar nicht den Grad einer "black disc" erreichten, aber auf eine Bandscheibendegeneration mit verminderten Flüssigkeitsgehalt hinwiesen. Nach seiner Einschätzung liege daher ein mehrsegmentaler Bandscheibenverschleiß an mindestens drei Segmenten vor, weshalb die Annahme der Konstellation B2 nahe liege. Wenn man, wie Herr J. von einer Konstellation B3 ausgehe, dann führe dies in der Gesamtschau im vorliegenden Fall gleichwohl zum Vorliegen einer BK-Nr. 2108. Da die Konstellation B3 die Anerkennung einer BK-Nr. 2108 nicht grundsätzlich ausschließe.

Herr J. führt daraufhin aus, dass die Veränderung im Segment L3/4 kein "black disc"-Phänomen darstelle, weshalb dieses unberücksichtigt zu bleiben habe.

Das Gericht hat eine ergänzende Berechnung des TAD zu den zwei weiteren Alternativen der Konstellation B2 (Besonders intensive Belastung und besonderes Gefährdungspotenzial durch Belastungsspitzen) angefordert. Der TAD kommt in seiner Berechnung vom 20.09.2013 zu dem Ergebnis, dass der nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) erforderliche Richtwert für die Lebensdosis von 25 MNh in weniger als 10 Jahren nicht erreicht wurde und auch keine Belastungsspitzen feststellbar seien.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist im tenorierten Umfang zulässig und begründet. Im Übrigen ist sie unzulässig.

Soweit die Klage auf Verurteilung der Beklagten zur Feststellung der Lendenwirbelsäulenerkrankung des Klägers als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV gerichtet ist, ist sie als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage statthaft. Mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) begehrt der Kläger die Aufhebung der die Anerkennung der streitigen Berufskrankheit ablehnenden Verwaltungsentscheidung. Nach der Rechtsprechung des BSG kann der Versicherte an Stelle gerichtlicher Feststellung (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, vgl. hierzu u.a. BSG, Urteil vom 07.09.2004 – B 2 U 46/03 R, Juris) auch die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung eines Arbeitsunfalles bzw. einer Berufskrankheit als Element eines jeglichen Leistungsanspruchs im Wege der Verpflichtungsklage verlangen (BSG, Urteil vom 05.07.2011 – B 2 U 17/10 R, Juris mit weiteren Ausführungen zur Anspruchsgrundlage; speziell zur Anerkennung eines Arbeitsunfalles und damit auf eine Berufskrankheit übertragbar BSG, Urteil vom 15.05.2012, B 2 U 8/11 R Juris; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Oktober 2013 – L 10 U 1478/09, Juris).

Die Klage ist im tenorierten Umfang auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 26.05.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2010 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf Feststellung seiner Lendenwirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV durch die Beklagte.

Anspruchsgrundlage ist § 9 Abs. 1 7. Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) i.V.m. Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV.

Nach § 9 Abs. 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann Berufskrankheiten auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen.

Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten Berufskrankheiten gehören nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV "bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben ursächlich waren oder sein können".

Für die Feststellung einer Erkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV (kurz: BK-Nr. 2108) müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Der Versicherte muss aufgrund seiner versicherten Tätigkeit Einwirkungen auf den Körper durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung ausgesetzt gewesen sein (Einwirkungskausalität). Er muss an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule leiden, welche durch die versicherten bzw. beruflichen Einwirkungen verursacht wurde (haftungsbegründende Kausalität) und die Erkrankung muss den Versicherten zum Unterlassen aller gefährdenden Tätigkeiten gezwungen haben (Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheiten-Verordnung, § 9 SGB VII Berufskrankheit, Rn. 26.2; BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 – B 2 U 7/05 R, Rn. 13, Juris; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 11.07.2013 – L 6 U 59/11, Juris).

Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "tätigkeitsbezogene Einwirkung" und "Erkrankung" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen (Mehrtens/Brandenburg, a.a.O., § 9 SGB VII Berufskrankheit, Rn. 26.1). Der sogenannte Vollbeweis ist erst erfüllt, wenn eine Tatsache in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (BSG, Urteil vom 22.09.1977 – 10 RV 15/77, Juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 128 Rn. 3b m.w.N.). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteile vom 27.06.2006 – B 2 U 20/04 R und vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R, jeweils zitiert nach Juris). Um eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges zu bejahen, muss sich unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, das ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden und nach der geltenden ärztlichen wissenschaftlichen Lehrmeinung deutlich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R, Juris).

Die Anerkennung der hier strittigen BK-Nr. 2108 setzt somit voraus, dass der Kläger aufgrund einer versicherten Tätigkeit langjährig schwer gehoben und getragen bzw. in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet hat (arbeitstechnische Voraussetzungen) (A). Beim Kläger muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vorliegen (B). Zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen muss ein sachlicher Zusammenhang und zwischen diesen schädigenden Einwirkungen und der Lendenwirbelsäulenerkrankung muss ein (wesentlicher) Ursachenzusammenhang bestehen (C). Der Kläger muss darüber hinaus wegen der Lendenwirbelsäulenerkrankung gezwungen gewesen sein, alle gefährdenden Tätigkeiten aufzugeben und als Folge dieses Zwangs muss die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein (D).

Fehlt eine dieser Voraussetzungen, liegt eine BK-Nr. 2108 nicht vor (vgl. BSG, Urteile vom 30.10.2007 – B 2 U 4/06 R sowie vom 18.11.2008 – B 2 U 14/07 R, jeweils zitiert nach Juris).

Zur Überzeugung der Kammer steht gemessen an diesen Kriterien fest, dass beim Kläger die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Lendenwirbelsäulenerkrankung als BK-Nr. 2108 vorliegen.

Dabei stützt sich das Gericht insbesondere auf das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. K. sowie die Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition der Präventionsabteilung der Beklagten vom 30.11.2009, welche im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden.

(A) Unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Lendenwirbelsäulenerkrankung nach BK-Nr. 2108 erfüllt sind. D.h. beim Kläger liegen schädigenden Einwirkungen bzw. Belastungen durch langjähriges schweres Heben und Tragen bzw. Arbeit in extremer Rumpfbeugehaltung im erforderlichen Umfang vor. Das Merkblatt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung zur BK-Nr. 2108 verweist für die Bewertung der Wirbelsäulenbelastung auf das Mainz-Dortmunder Dosismodell zur Erfassung und Bewertung von Wirbelsäulenbelastungen (MDD). Nach der Rechtsprechung des BSG ist jedoch der untere Grenzwert, bei dessen Unterschreitung nach gegenwärtigen Wissenstand ein Kausalzusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule ausgeschossen und deshalb auf einzelfallbezogene medizinische Ermittlungen verzichtet werden kann, auf die Hälfte des im MDD vorgeschlagenen Orientierungswerts für die Gesamtbelastungsdosis von 25 MNh auf 12,5 MNh herabzusetzen (vgl. BSG, Urteil vom 30.11.2008 – B 2 U 14/07 R, Juris). An dem Erreichen der Gesamtbelastungsdosis bestehen keine Zweifel. Aus den vorliegenden Berechnungen der Präventionsabteilung der Beklagten vom 30.11.2009 folgt, dass beim Kläger für den Zeitraum vom 01.08.1975 bis 30.09.2005 eine berufliche Gesamtdosis von 36,5 x 106 Nh besteht, welches 36,5 MNh entspricht und damit die geforderte Mindestbelastungsdosis von 12,5 MNh um fast das dreifach übersteigt.

(B) Auch die medizinischen Voraussetzungen liegen vor. Zu diesem Schluss gelangte bereits Dr. H. in seiner Stellungnahme vom 20.08.2009 nach Auswertung diverser Krankenunterlagen und des bildgebenden Materials. Dass die Veränderungen der Wirbelsäule des Klägers eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule im Sinne der BK-Nr. 2108 darstellen, bestätigt auch Prof. Dr. K. Er führte in seinem Gutachten aus, dass die geschilderten und in den Unterlagen dokumentierten Beschwerden des Klägers sowie die klinischen und dokumentierten röntgenologischen Befunde im Einklang mit einer bandscheibenbedingten Erkrankung stehen. Im Segment L5/S1 besteht ein Bandscheibenvorfall und absteigend von L3-S1 zeigen sich degenerative Veränderungen im Lendenwirbelsäulenbereich. Eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule ist damit nachgewiesen.

(C) Der Kläger war den schädigenden Einwirkungen ferner aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit ausgesetzt (Einwirkungskausalität) und es besteht ein (wesentlicher) Ursachenzusammenhang zwischen den schädigenden Einwirkungen und der Lendenwirbelsäulenerkrankung beim Kläger. Als wissenschaftliche Grundlage für die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs bei der BK-Nr. 2108 legt die Kammer die Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung der auf Anregung des Hauptverbandes der Berufsgenossenschaften (HVBG) eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe ("Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule", Bolm-Audorff, Franz, Grosser, Schröter, Seidler u.a., Trauma und Berufskrankheit 2005, S. 211 ff.) zugrunde, in denen typische Fallkonstellationen definiert und die Einschätzung der Experten zur Beurteilung des Ursachenzusammenhangs entsprechend der jeweiligen Befundkonstellation wiedergegeben sind. Dabei geht die Kammer, wie das LSG Sachsen-Anhalt davon aus, dass die in den Konsensempfehlungen niedergelegte herrschende medizinisch-wissenschaftliche Lehre schlüssig und ohne innere Widersprüche formuliert worden ist (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 12.06.2014 – L 6 U 60/12, Juris) und derzeit weiterhin den aktuellen Stand der nationalen und internationalen Diskussion zur Verursachung von LWS-Erkrankungen durch körperliche berufliche Belastung darstellen (so auch Dr. Bieresborn, "Die Umsetzung der BK 2108 aus sozialrechtlicher Sicht", Teil 3, Forum C – Zugang zu Leistungen, Sozialmedizinische Begutachtung, Assessment – Diskussionsbeitrag 6/2014, www.reha-recht.de).

Zur Überzeugung der Kammer ist im vorliegenden Fall die in den Konsensempfehlungen definierte Befundkonstellation B2 (Punkt 1.4) gegeben, bei der ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Belastung und der Lendenwirbelsäulenerkrankung als wahrscheinlich erachtet wird. Die Kammer stützt sich dabei insbesondere auf die Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. K. in seinem Gutachten vom 30.12.2010.

Nach den Konsensempfehlungen (a.a.O., Punkt 1.4) müssen für die Konstellation B2 folgende Kriterien erfüllt sein: Es liegt eine gesicherte bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vor (1). Es besteht eine plausible zeitliche Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung (z. B. ausreichende Exposition muss der Erkrankung vorausgehen; Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs nimmt mit der Länge des Zeitraums zwischen Ende der Exposition und erstmaliger Diagnose der Erkrankung ab) (2). Die bandscheibenbedingte Erkrankung betrifft L5/S1 und/oder L4/5 (3). Die Ausprägung des Bandscheibenschadens entspricht einer Chondrose Grad II oder höher und/oder Vorfall (4). Es gibt keine wesentlichen konkurrierenden Ursachenfaktoren (wie z. B. eine relevante Skoliose) (5). Eine Begleitspondylose liegt nicht vor (6). Zudem muss mindestens eins der folgenden Kriterien erfüllt sein (7):

(a) Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben - bei monosegmentaler/m Chondrose/Vorfall in L5/S1 oder L4/5 "black disc" im MRT in mindestens zwei angrenzenden Segmenten

(b) Besonders intensive Belastung; Anhaltspunkt: Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren

(c) Besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen; Anhaltspunkt: Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes durch hohe Belastungsspitzen (Frauen ab 4,5 kN , Männer ab 6 kN ).

(1) Das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule und damit der medizinischen Voraussetzung ist, wie bereits dargelegt, erfüllt.

(2) Auch bestehen keine Zweifel hinsichtlich einer plausiblen zeitlichen Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung. Bei der Erstmanifestation im November 2001 durch nachweisbare multiple Diskopathien in der Lendenwirbelsäule ist der Kläger bereits über 25 Jahre lang wirbelsäulenbelastend tätig gewesen. Die Gesamtbelastungsdosis lag nach Ansicht der Präventionsabteilung der Beklagten im September 2005 bei 36,5 x 106 Nh und damit mit Sicherheit nicht unter dem Grenzwert von 12,5 MNh im Jahr 2001. Für die Einstufung einer bandscheibenbedingten Erkrankung im Sinne eines berufsbedingten, belastungskonformen Schadensbildes ist zudem entscheidend auf den Befund im Zeitpunkt der Aufgabe der belastenden Tätigkeit abzustellen (vgl. Konsensempfehlungen, a.a.O., Punkt 1.2 Bildgebende Befunde). Prof. Dr. K. führte aus, dass eine bandscheibenbedingte Erkrankung beim Kläger seit dem Jahr 2003 nachweisbar ist. Somit hat bereits 2 Jahre vor der endgültigen Aufgabe der belastenden Tätigkeit im Oktober 2005 eine bandscheibenbedingte Erkrankung beim Kläger vorgelegen. Die Bandscheibenschäden der Lendenwirbelsäule betreffen die unteren Segmente der Lendenwirbelsäule und zeigen dabei das typische Bild, indem diese von oben nach unten zunehmen. Die Schäden sind zudem altersuntypisch und übersteigen das altersentsprechende Maß. Der Kläger war im Jahr 2003 erst 45 Jahre alt.

(3-4) Für sämtliche "B-Konstellationen" wird nach den Konsensempfehlungen weiterhin vorausgesetzt, dass die (gesicherte) bandscheibenbedingte Erkrankung nach ihrer Lokalisation die Segmente L5/S1 und/oder L4/L5 betrifft und eine Ausprägung als Chondrose Grad II oder höher und/oder Vorfall hat. Bei dem Kläger ist nach der insoweit übereinstimmenden Auffassung des Sachverständigen Prof. Dr. K. und dem beratenden Arzt der Beklagten Herrn J. anhand des vorliegenden radiologischen Bildmaterials in dem Segmenten L5/S1 ein Bandscheibenvorfall/Prolaps nachweisbar. Hinsichtlich des Segments L4/L5 spricht Herr J. ebenfalls von einem Bandscheibenvorfall. Prof. Dr. K. geht insofern von einer Chondrose Grad II aus. Auch Dr. H. stellte auf Röntgenaufnahmen aus dem Jahr 2002 eine Höhenminderung der beiden unteren Bandscheibensegmente und in der kernspintomographischen Untersuchung vom 26.11.2005 einen ausgeprägten Bandscheibenvorfall im Segment L5/S1 fest. Die bandscheibenbedingte Erkrankung des Klägers betrifft somit die Segmente L4/5 und L5/S1.

(5) Wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren liegen nach Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. K. nicht vor. Insbesondere der beim Kläger bestehende Morbus Scheuermann in der mittleren Brustwirbelsäule und im Lumbalbereich im Segment L1/2 stellt keine konkurrierende Ursache für die bandscheibenbedingten Veränderungen der Lendenwirbelsäule dar. Dem schließt sich die Kammer an. In den Konsensempfehlungen wird hierzu ausgeführt: "Nur für den seltenen Fall einer lumbalen Lokalisation des Morbus Scheuermann mit Keilwirbelbildung und Abweichung von mindestens 10 Grad ist es nach Expertenmeinung plausibel, dass beim Vorliegen einer solchen Erkrankung anlagebedingte biomechanische Überlastungen wirksam werden, so dass eine individuelle Bewertung erforderlich wird" (Konsensempfehlungen, a.a.O. Punkt 2.1.9 a.E.). Diesbezüglich hat Prof. Dr. K. in seinem Gutachten ausgeführt, dass zwar eine lumbale Lokalisation des Morbus Scheuermann beim Kläger besteht, allerdings ohne Keilwirbelbildung und ohne Abweichung von mindestens 10°. Einwände gegen diese Beurteilung hat ersichtlich auch der Beratungsarzt der Beklagten Herr J. nicht vorgebracht. Prof. Dr. K. hat zudem ausgeführt, dass darüber hinaus die Wirbelsäule keine Fehlbildungen aufweise. Die beim Kläger festgestellten Halswirbelsäulenveränderungen sind nicht sehr ausgeprägt und der bei einer Voruntersuchung beschriebene Bandscheibenprolaps im Bereich C7/Th1 ist nicht gesichert. Auch Dr. H. gelangte zu dem Schluss, dass beim Klägers keine mit der beruflichen Belastung konkurrierenden Faktoren vorliegen.

(6) Eine Begleitspondylose liegt nach Einschätzung aller Mediziner nicht vor. Dem schließt sich die Kammer an.

(7) Nach der Stellungnahme des TAD vom 20.09.2013 werden die Kriterien 7 (b) und (c), d.h. der nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) erforderliche Richtwert für die Lebensdosis von 25 MNh in weniger als 10 Jahren nicht erreicht und es war beim Kläger auch kein Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen feststellbar.

Zur Überzeugung der Kammer liegt jedoch das zusätzliche Kriterium 7 (a) der Fallgruppe B2: "Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben" vor.

Beim Kläger sind eine Höhenminderung im Sinne einer Chondrose Grad II im Segment L4/5 und ein Prolaps im Segment L5/S1 und damit ein bisegmentaler Bandscheibenschaden nachweisbar. Diese folgt insbesondere aus dem Gutachten von Prof. Dr. K., welchem der Beratungsarzt Herr J. insofern zustimmte.

Keine einheitliche obergerichtliche Rechtsprechung besteht bislang hinsichtlich der Auslegung des Zusatzkriteriums "Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben" und der Frage, ob dieses bereits erfüllt wird, wenn ein bisegmentaler Bandscheibenschaden vorliegt oder ob mit "mehreren Bandscheiben" mindestens drei gemeint sind.

Während das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, das Sächsische Landessozialgericht und das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg die Ansicht vertreten, mehrere bedeute in diesem Zusammenhang "zwei oder mehr" (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 11.07.2013 – L 6 U 59/11; Sächsisches LSG, Urteil vom 21.06.2010 – L 2 U 170/08 LW; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.01.2012 – L 2 U 24/09, jeweils zitiert nach Juris), vertritt der 3. Senat des Hessischen Landessozialgerichts in ständiger Rechtsprechung sowie das Bayrische Landessozialgericht die Auffassung, dass mit "mehreren Bandscheiben" mindestens drei gemeint sind (vgl. u. a. Hessisches LSG, Urteile vom 18.08.2009 – L 3 U 202/04 und vom 27.03.2012 – L 3 U 81/11, Bayerisches LSG, 20.08.2009 – L 2 U 330/07, Rn. 31, jeweils zitiert nach Juris). In einer Entscheidung vom 07.04.2014 (Az: L 9 U 121/11) hat der 9. Senat des Hessischen Landessozialgerichts zuletzt offen gelassen bzw. offen lassen können, ob für die Erfüllung des Kriteriums "an mehreren Bandscheiben" die Erkrankung von mindestens drei Bandscheiben zu fordern ist oder bereits das Vorliegen eines bisegmentalen Bandscheibenschadens ausreicht (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 07.04.2014 – L 9 U 121/11, Juris).

Das Landesozialgericht Sachsen-Anhalt hat seine Auffassung, dass der Befall zweier Bandscheiben der Lendenwirbelsäule mit (mindestens) einer zweitgradigen Chondrose als Krankheitsbild für das Bejahen des Zusatzkriterium ausreichend ist, wenn zugleich einer der unteren Abschnitt betroffen ist, unter Verweis auf die Urteile des Sächsischen Landessozialgerichts sowie des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg wie folgt begründet (vgl. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 11.07.2013 – L 6 U 59/11, Juris):

"Der Wortlaut der Konsensempfehlungen spricht von "mehreren Bandscheiben"; damit ist ein Befall von mindestens zwei Bandscheiben gemeint. Würde unter Befall von "mehreren Bandscheiben" ein solcher von mindestens drei Bandscheiben verstanden, wäre der bisegmentale Bandscheibenschaden von der Konsensusgruppe nicht geregelt worden, wovon nicht auszugehen ist. ( ...) Es ist angesichts der Vielzahl von Autoren äußerst unwahrscheinlich, dass nur eine mono- und die tri- bzw. mehrsegmentale Chondrose geregelt wurde. Der Senat kann sich daher nicht der Ansicht des Hessischen Landessozialgerichts (27.03.2012, L 3 U 81/11; genauso LSG Bayern, 20.08.2009, L 2 U 330/07 Rn. 31) anschließen. Dieses hat ausgeführt (Rn. 38 a.a.O.):

"Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. u. a. Urteil vom 18. August 2009 - L 3 U 202/04 - juris) sind mit "mehreren" Bandscheiben mindestens drei gemeint. Für diese Auslegung spricht schon die Systematik der in den Konsensempfehlungen definierten Fallkonstellationen. Alle B-Konstellationen gehen schon von einer Lokalisation der bandscheibenbedingten Erkrankung bei L5/S1 und/oder L4/L5 aus, also an einer oder zwei Bandscheiben. In der B1 Konstellation muss sodann die Begleitspondylose als Positivkriterium hinzukommen, um einen Zusammenhang wahrscheinlich zu machen. In der B2 Konstellation wird das Fehlen der Begleitspondylose durch die dort genannten Zusatzkriterien ersetzt, so dass mit "mehreren" Bandscheiben über die in den B-Konstellationen grundsätzlich vorausgesetzten Veränderungen hinausgehend mindestens drei betroffene Bandscheiben gemeint sind.""

Dazu hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt ausgeführt: "Wenn richtigerweise in allen B-Konstellationen eine Erkrankung an einer oder zwei Bandscheiben vorausgesetzt wird und es kommt etwas dazu, so muss das Ergebnis nicht eine Erkrankung an drei Bandscheiben sein. Systematisch und vom Wortlaut her liegt es sogar näher, dass ein monosegmentaler Schaden genügt, wie es auch nach Ansicht des LSG Hessen der Grundfall in allen B-Konstellationen und aufgrund der ausdrücklichen Nennung auch in der Konstellation B2 sein kann. ( ...)

Im Ergebnis müssten nach der hier abgelehnten Ansicht bei einer bisegmentalen Höhenminderung der unteren LWS zusätzlich eine "black disc" in mindestens zwei angrenzenden Segmenten vorliegen, d.h. Krankheitserscheinungen an insgesamt vier Segmenten. Bei einer monosegmentalen Chondrose müssten nur drei Segmente verändert sein." Wenn die abgelehnte Auffassung zuträfe, "wäre für den Senat nicht verständlich, dass dann nicht wenigstens die Voraussetzung eines "black disc" in mindestens zwei angrenzenden Segmenten auf eine einzige zu reduzieren ist. Schlüssiger erscheint es dem Senat mit den Sachverständigen allerdings, zwei schwere Befunde (Chondrose bzw. Vorfall) genügen zu lassen und dann von der Forderung nach einer "black disc" als radiologisch auffällige Erscheinung abzusehen. Die Chondrose ist nach den Konsensempfehlungen Ausgangspunkt für die Beurteilung als Berufskrankheit; eine "black disc" kann aber nach den diesen Empfehlungen schon bei geringgradigen Bandscheibendegenerationen im Sinne einer nur magnetresonanztomograpisch feststellbaren Veränderung vorliegen (a.a.O. S. 220).

Dieser Sprachgebrauch in den Konsensempfehlungen wird auch an anderer Stelle unter 2.1.14 (Persistierende Wirbelbogenspalten) deutlich, wenn ausgeführt wird, dass "bei der Spina bifida ( ...) der Bogenschluss eines oder mehrerer Wirbel ausbleibt." Ähnlich wird unter 2.1.5 Skoliosen ausgeführt, dass "durch dieses Fehlwachstum einzelner oder mehrerer Wirbel es zu deren Drehung" kommt. Auch hier wird nur zwischen einem und mehreren Schadensorten unterschieden, d.h. ein Schaden an zwei Wirbeln als Schaden an mehreren Segmenten betrachtet. Von einem bisegmentalen Schaden wird in den Konsensempfehlungen an keiner Stelle gesprochen."

Im Übrigen hätten auch mehrere Mitautoren der Konsensempfehlungen ausdrücklich bestätigt, dass der Befall eines zweiten Bandscheibensegments der Lendenwirbelsäule mit einem Vorfall oder einer Chondrose das Zusatzkriterium "an mehreren Bandscheiben" der Konstellation B2 erfüllt und eine black disc bei einer bisegmentalen Höhenminderung nicht mehr erforderlich ist (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 11.07.2013 L 6 U 59/11, Juris).

In einer Entscheidung vom 12.06.2014 hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (Urteil vom 12.06.2014 – L 6 U 60/12, Rn. 59, Juris) an dieser Rechtsprechung festgehalten und als weiteres Argument angeführt, dass innerhalb des medizinischen Zusatzkriteriums der Konstellation B2 systematisch klar differenziert werde. Durch einen abgrenzenden Spiegelstrich würden zwei separate Tatbestände geregelt: "Eine Höhenminderung und/oder ein Prolaps an mehreren Bandscheiben" einerseits und "eine monosegmentale Chondrose/Vorfall bei L4/5 oder L5/S1" andererseits. Danach bedürfte es einer "black disc" in mindestens zwei angrenzenden Segmenten eben nur, wenn ein monosegmentaler Schaden vorhanden sei. In allen andern Fällen werde keine "black disc" für die Konstellation B2 gefordert.

Die Kammer schließt sich dieser Auffassung an, da sie die Konsensempfehlungen hinsichtlich des Zusatzkriteriums der Konstellation B2 ebenso versteht. Dies insbesondere deshalb, weil es auch der Kammer nicht wahrscheinlich scheint, dass die Autoren der Konsensempfehlung in der Konstellation B2 nur den Befall einer Bandscheibe sowie eines trisegmentalen/mehrsegmentalen Bandscheibenschadens geregelt haben. Dies erscheint nur dann plausibel, wenn der bisegmentale Bandscheibenschaden an anderer Stelle ausdrücklich geregelt wäre. Er wird jedoch mit keinem Wort erwähnt. Dass bei einem bisegmentalen Bandscheibenschaden der "Auffangtatbestand" der Konstellation B3 Anwendung finden soll, mit der Folge eines fehlenden Konsenses im Hinblick auf den Ursachenzusammenhang, überzeugt die Kammer ebenfalls nicht. Wenn schon bei einem monosegmentalen Bandscheibenschaden mit zwei black discs der Ursachenzusammenhang als wahrscheinlich beurteilt wird, wieso sollte der medizinische Zusammenhang dann nicht bestehen, wenn sogar zwei Bandscheibenschäden mit einer Chondrose Grad II und/oder Prolaps an der unteren Lendenwirbelsäule vorliegen. Eine Chondrose/ein Vorfall ist gegenüber einer black disc der schwerere Befund. Denn eine "black disc" kann schon bei lediglich geringgradigen Bandscheibendegenerationen im Sinne einer nur magnetresonanztomograpisch feststellbaren Veränderung vorliegen. Eine "black disc in mindestens zwei angrenzenden Segmenten" ist nach Ansicht der Kammer daher auch nur bei einem monosegmentalen Schaden erforderlich. Bei einem bisegmentalen Schaden bedarf es einer black disc nicht (vgl. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, 11.07.2013 – L 6 U 59/11, Juris). Dass zudem drei Mitautoren der Konsensempfehlungen, wie dem Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 11.07.2013 (a.a.O., Rn 75) zu entnehmen ist, die Auffassung vertreten, dass eine "black disc" bei einer/m bisegmentalen Höhenminderung und/oder Prolaps nicht erforderlich ist, stützt die von der Kammer favorisierte Auslegung des Zusatzkriteriums.

Nach Ansicht der Kammer genügt daher der Befall zweier Bandscheiben der Lendenwirbelsäule mit einer zweitgradigen Chondrose als Krankheitsbild, wenn auch einer der unteren Abschnitte, d.h. L4/5 und/oder L5/S1 betroffen ist. Beim Kläger liegt eine Höhenminderung im Sinne einer Chondrose Grad II im Segment L4/5 und ein Prolaps im Segment L5/S1 und damit an zwei Segmenten vor, so dass das Zusatzkriterium der Konstellation B2 erfüllt ist.

Zwar diskutieren Prof. Dr. K. und Herr J. über das Vorliegen von "benachbarten black discs". Nach Ansicht der Kammer entstand diese Diskussion jedoch nur deshalb, weil beide das Zusatzkriterium "mehrere Bandscheiben" – entgegen der Auffassung der Kammer – bei zwei betroffenen Segmenten für nicht anwendbar erachteten und sodann die Anforderungen an einen monosegmentalen Bandscheibenschaden der Konstellation B2 "hilfsweise" auf den vorliegenden bisegmentalen Bandscheibenschaden angewandt haben. Hinsichtlich des medizinischen Bildes, welches eine bisegmentale Schädigung zeigt, waren sich Prof. Dr. K. und Herr J. hingegen einig.

Mit der Chondrose Grad II im Segment L4/5 und dem Prolaps bei L5/S1 liegen somit Bandscheibenschäden an mehreren Bandscheiben in der vom Zusatzkriterium B2 geforderten Ausprägung ("Chondrose Grad II oder höher und/oder Vorfall") an der Lendenwirbelsäule vor.

Die Lendenwirbelsäulenschäden des Klägers entsprechen damit der Konstellation B2, wonach ein Ursachenzusammenhang als wahrscheinlich bewertet wird.

Auch Dr. H. gelangte zu der Annahme, dass im vorliegenden Fall ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Tätigkeit und der Lendenwirbelsäulenerkrankung besteht. Dabei ging er zwar von der Konstellation B4 und nicht B2 aus. Bei der Konstellation B4 wird jedoch ebenfalls ein Zusammenhang bejaht. Die Konstellation B4 hat zudem die gleichen Grundvoraussetzungen wie die Konstellation B2, hinzu kommt lediglich ein Bandscheibenschaden an der HWS, der schwächer ausgeprägt ist als an der LWS. Hinsichtlich des Bandscheibenschadens an der HWS hat Prof. Dr. K. ausgeführt, dass er diesen für fraglich erachte, weil er nicht bildtechnisch gesichert sei. Da jedoch sowohl die Konstellation B2 als auch B4 den Zusammenhang als wahrscheinlich beurteilen und die Konstellation B4 gegenüber derjenigen bei B2 lediglich ein zusätzliches Abgrenzungskriterium enthält, welches nach der Beurteilung von Dr. H. zu Gunsten das Klägers einzuschätzen ist, kommt es auf die genaue Unterscheidung der Konstellationen nicht an. Anzumerken ist jedoch, dass auch Dr. H. das Vorliegen des Zusatzkriteriums der Konstellation B2 bejaht.

Letztlich waren im Hinblick auf die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs ergänzend die Gesamtumstände des vorliegenden Falls zu berücksichtigen, wie dies Prof. Dr. K. in seinem Gutachten auch getan hat. Denn die Konsensempfehlungen sind letztlich weder ein antizipiertes Sachverständigengutachten noch ein normativer Text. Sie soll lediglich zur Erleichterung dienen, um typische Befundkonstellationen im Hinblick auf die Kausalbeziehungen unter Zugrundelegung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands einordnen zu können (vgl. Dr. Bieresborn, a.a.O.). Prof. Dr. K. gelangte unter Berücksichtigung aller Umstände zu dem Schluss, dass die Merkmale, welche für eine berufsbedingte Bandscheibenerkrankung sprechen, überwiegen. Dabei wies er insbesondere darauf hin, dass der Kläger bereits seit seinem 17. Lebensjahr schwere Lasten getragen hat. Gerade bei Heranwachsenden wirken sich körperliche Belastungen besonders negativ auf die Wirbelsäule aus. Die nachgewiesenen Schädigungen der Bandscheiben nehmen zudem von kranial nach kaudal zu und es ist sowohl im Segment L5/S1 sowie L4/5 ein black disc Phänomen nachweisbar. Im Segment L3/4 zeigen sich Signalveränderungen, die auf eine Bandscheibendegeneration mit vermindertem Flüssigkeitsgehalt hinweisen. Insgesamt hat Prof. Dr. K. ausgeführt übersteigen die Veränderungen der Bandscheiben der Lendenwirbelsäule das altersdurchschnittliche Ausmaß eins (damals) 47jährigen deutlich und sie heben sich auch von den übrigen Veränderungen an der Wirbelsäule des Klägers deutlich ab. Zwar lägen keine belastungsadaptiven Veränderungen im Sinne einer (Begleit-)Spondylose vor, dafür aber ausgeprägte spondylarthrotische Veränderungen. Andere für die Zusammenhangsbeurteilung bedeutsame Erkrankungen waren beim Kläger nicht feststellbar. Auch wird mit 36,5 x 106 Nh die Gesamtbelastungsdosis von 25 MNh deutlich überschritten.

Diese Gesamtumstände unterstreichen die Annahme der Kammer, dass es hinreichend wahrscheinlich ist, dass beim Kläger eine berufsbedingte Lendenwirbelsäulenerkrankung vorliegt.

Da die Konstellation B2 nach Ansicht der Kammer bereits erfüllt ist, wenn ein bisegmentaler Bandscheibenschaden an den unteren Lendenwirbelsäulensegmenten (Ausprägung Chondrose Grad II oder Prolaps) vorliegt, kommt es auf die von Prof. Dr. K. und Herrn J. geführte Diskussion, ob von einer "black disc in mindestens 2 angrenzenden Segmenten" auch auszugehen ist, wenn zwei aneinander, d.h. an sich selbst angrenzende black discs vorliegen und sich davon eine der black discs im Segment L5/S1 und die andere im Segment L4/5 befindet, nicht an. Prof. Dr. K. ging davon aus, dass nach den Konsensempfehlungen auch zwei black discs, wenn sie – wie im vorliegenden Fall – aneinander (also an sich selbst) angrenzen und zusätzlich (mindestens) ein monosegmentaler Schaden in der Ausprägung einer Chondrose Grad II oder Prolaps an L5/S1 oder L4/5 vorliegt, den Anforderungen der Konstellation B2 genügen. Zu diesem Schluss gelangte er, weil an das Segment L5/S1 nur in Richtung L4/5 nicht aber nach kaudal eine black disc angrenzen könne und daher an L5/S1 zwangsläufig immer nur eine black disc angrenzen könne. Deshalb erachtete er es für nicht logisch, zwei angrenzende black discs zu fordern. In der Konsequenz würde dies bedeuten, dass nach der Auffassung von Prof. Dr. K. insgesamt zwei betroffene Segmente ausreichen, um einen Ursachenzusammenhang zu bejahen und "angrenzende black disc" (auch) im Sinne von "aneinander" angrenzen, anstatt von "an ein weiteres betroffenes Nachbarsegment L4/5 oder L5/S1", zu verstehen wäre.

Wie dargelegt braucht die Kammer darüber nicht zu entscheiden, da ein Ursachenzusammenhang zwischen den schädigenden Einwirkungen und der Lendenwirbelsäulenerkrankung bereits nach der 1. Alternative des Zusatzkriteriums B2 besteht. Die Ausführungen von Prof. Dr. K., dass zwei betroffene Segmente einen Ursachenzusammenhang begründen können, stützt jedoch die von der Kammer vertretene Auffassung.

(D) Letztlich hat die bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule den Kläger auch zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Der bei der BK-Nr. 2108 geforderte Unterlassungszwang setzt laut dem BSG in der Regel voraus, dass die Tätigkeiten, die zu der Erkrankung geführt haben, aus arbeitsmedizinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden sollen und der Versicherte die schädigende Tätigkeit und solche Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein können, tatsächlich aufgegeben hat, wobei es auf das Motiv des Versicherten nicht ankommt (ständige Rspr., vgl. BSG, Urteil vom 19.08.2003 – B 2 U 27/02 R, Juris). Der Präventionsdienst ging von einer Beendigung der Tätigkeit zum 30.09.2005 aus. Nach Angaben des Klägers erfolgte die Aufgabe der Tätigkeit aufgrund bestehender Arbeitsunfähigkeit wegen Lendenwirbelsäulenbeschwerden am 24.10.2005. Am 12.12.2005 stellte Dr. L. des MDK aufgrund der Wirbelsäulenleiden beim Kläger eine dauernde Arbeitsunfähigkeit bzgl. der zuletzt ausgeübten Tätigkeit fest. Der Kläger hat seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Verputzer somit spätestens zum 24.10.2005 aufgeben müssen und hat sie zu keinem Zeitpunkt danach wieder aufgenommen. Spätestens seit dem 24.10.2005 ist der Kläger somit nicht mehr wirbelsäulengefährdend tätig geworden. Wie Prof. Dr. K. ausführte, war er auch aufgrund seiner bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule zur Unterlassung solcher Tätigkeiten gezwungen.

Soweit der Kläger die Gewährung einer Verletztenrente begehrt hat, ist die Klage unzulässig, denn Streitgegenstand ist allein die Anerkennung einer BK-Nr. 2108. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 26.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2010 ist die Anerkennung einer BK-Nr. 2108 abgelehnt worden. Ein Anspruch auf Verletztengeld oder Verletztenrente ist jedoch von der Beklagten nicht geprüft worden, auch wenn die Beklagte im Entscheidungssatz des Bescheides "die Gewährung von Leistungen" abgelehnt hat. Verwaltungsakte sind unter entsprechender Anwendung der Grundsätze über die Auslegung von Willenserklärungen auszulegen. Maßgeblich ist der objektive Sinngehalt der Erklärung, d. h. wie der Empfänger die Erklärung bei verständiger Würdigung objektiv verstehen musste (Engelmann in von Wulffen, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 31 Rn. 25 f.). Der Kläger musste den Bescheid vom 26.05.2009 so verstehen, dass darin eine verbindliche Regelung in Bezug auf das Nichtvorliegen einer BK-Nr. 2108 getroffen werden sollte und nicht über eine konkrete Leistungspflicht der Beklagten. Denn insofern enthalten die angegriffenen Verwaltungsakte - abgesehen von deren lapidaren Hinweis auf die Ablehnung von Leistungen - keine Ausführungen. Soweit der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Leistung von Verletztenrente begehrt, ist die Klage daher unzulässig, weil wie ausgeführt - bezüglich einer Leistungsbewilligung keine Verwaltungsentscheidung vorliegt (ebenso: Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 22. Mai 2014 – L 18 U 384/10, Juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem teilweisen Obsiegen des Klägers.
Rechtskraft
Aus
Saved