S 28 KA 339/19 ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
28
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 28 KA 339/19 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
ur Antragsbefugnis bei einem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer defensiven Konkurrentenklage gegen eine Ermächtigung
I. Die Anträge auf Aufhebung der sofortigen Vollziehung der Ermächtigung der Beigeladenen zu 1. vom 27.6.2019 und Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage der Antragsteller (Az. S 28 KA 334/19) werden abgelehnt.

II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die der Beigeladenen zu 1. erteilte Ermächtigung. Der Antragsgegner hat die sofortige Vollziehung der Ermächtigung der Beigeladenen zu 1. angeordnet.

Die Antragsteller zu 1., 3. und 4. sind als Fachärzte für Orthopädie, der Antragsteller zu 2. als Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie betreiben jeweils in A-Stadt eine Einzelpraxis. Der Antragsteller zu 1. verfügt über die Zusatzbezeichnungen Akupunktur, Chirotherapie, Phlebologie, Spezielle Schmerztherapie und Sportmedizin, der Antragsteller zu 2. über die Zusatzbezeichnungen Chirotherapie und Sportmedizin und der Antragsteller zu 4. über die Zusatzbezeichnungen Chirotherapie, Physikalische Therapie und Sportmedizin.

Die Beigeladene zu 1. ist Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie und verfügt über die Zusatzbezeichnung Kinderorthopädie. Sie ist als Oberärztin in der Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie, Sektion Kinderorthopädie in den Kliniken N., Klinik A-Stadt, beschäftigt.

Die Beigeladene zu 1. beantragte am 22.8.2018 die Ermächtigung zur Teilnahme an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung. Die Ermächtigung sollte u.a. die Durchführung von Diagnostik und Therapie spezieller Kinder-, Jugend- und neuroorthopädischer Erkrankungen, die Hilfsmittelverordnung und -anpassung (z.B. Korsett, Prothesen-, Rollstuhlversorgung, Verordnung Gehhilfen), die operative Versorgung von Fußfehlstellungen, Gelenkskontrakturen, Hüftdysplasien und die Anfertigung von Redressionsgipsen, wenn notwendig in Narkose, umfassen.

Die Beigeladene zu 2. beantragte mit Schreiben vom 14.11.2018, den Ermächtigungsantrag abzulehnen. Eine quantitativ-allgemeine Versorgungslücke liege nicht vor. Ebenso wenig seien die Voraussetzungen einer qualitativ-speziellen Versorgungslücke erfüllt. Aktuell seien im Planungsbereich 15 Orthopäden zugelassen oder angestellt. Kein Arzt verfüge über die Zusatzweiterbildung Kinderorthopädie. Zusätzlich zu den Orthopäden seien sieben Kinderärzte zugelassen bzw. angestellt. Angesichts der Anzahl an niedergelassenen Orthopäden in näherer und zumutbarer Umgebung zum Antragsort sei von einem gut versorgten Gebiet auszugehen. Eine Versorgungslücke lasse sich hieraus nicht ableiten. Um die Versorgungssituation noch besser beurteilen zu können, sei eine Befragung der von der Ermächtigung nächstgelegenen betroffenen Praxen initiiert worden. Im Rahmen der Befragung hätten insgesamt neun Praxen geantwortet. Fünf Praxen hielten die Ermächtigung für nicht erforderlich, drei Praxen sähen einen Bedarf, eine Praxis könne dies nicht beurteilen. Alle Praxen, die eine Bedarfsnotwendigkeit ablehnten, seien orthopädisch tätig und gäben an, die Leistungen selbst bzw. teilweise selbst zu erbringen. Selbst die kinderärztlichen Praxen gäben an, die Leistungen zumindest teilweise selbst zu erbringen. Desweiteren würden ausreichend freie Kapazitäten gemeldet. Eine Auswertung des Patientenalters habe darüber hinaus ergeben, dass alle orthopädischen Praxen bereits Kinder und Jugendliche im Alter bis 17 Jahre behandelten. Es lasse sich feststellen, dass das Versorgungsangebot noch nicht vollständig ausgeschöpft und eine Ermächtigung nicht bedarfsnotwendig sei.

Der Zulassungsausschuss Ärzte - Oberbayern - ermächtigte mit Beschluss vom 20.2.2019 (Bescheid vom 12.3.2019) die Beigeladene zu 1. mit Wirkung zum 1.4.2019 zur Teilnahme an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung (Tätigkeitsort Klinik A-Stadt).

Die Beigeladene zu 1. erhob Widerspruch gegen den Beschluss vom 20.2.2019 und begehrte die teilweise Abänderung der Ermächtigung sowie die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Entscheidung.

Auch die Antragsteller erhoben Widerspruch gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses Ärzte - Oberbayern - vom 20.2.2019.

Mit Beschluss vom 10.4.2019 (Bescheid vom 30.4.2019) erweiterte der Zulassungsausschuss Ärzte - Oberbayern - die Ermächtigung der Beigeladenen zu 1. um einen weiteren Tätigkeitsort in der Klinik I-Stadt.

Der Bevollmächtigte der Antragsteller stellte klar, dass sich die Widersprüche auch gegen den Ergänzungsbeschluss des Zulassungsausschusses vom 10.4.2019 richteten.

In der mündlichen Verhandlung des Antragsgegners am 27.6.2019 teilte der Bevollmächtigte der Antragsteller mit, dass der Antragsteller zu 1. seit 19 Jahren in A-Stadt niedergelassen und konservativ tätig sei. 15 Jahre lang habe er die Hüftsonographie bei Neugeborenen am Krankenhaus A-Stadt durchgeführt. Der Antragsteller zu 2. sei ebenfalls seit 19 Jahren in A-Stadt niedergelassen. Er sei operativ tätig und spezialisiert auf Eingriffe an der Wirbelsäule, die er auch bei Kindern bei Bedarf durchführe. Die Antragsteller zu 3. und 4. seien beide konservativ tätig und behandelten auch Kinder in allen Spektren, die auf sie zukämen.

Der Antragsgegner wies mit Beschluss vom 27.6.2019 (Widerspruchsbescheid vom 24.7.2019) die Widersprüche der Antragsteller gegen die Beschlüsse des Zulassungsausschusses Ärzte - Oberbayern - zurück. Er ermächtigte die Beigeladene zu 1. zur Teilnahme an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung. Aufgrund dieser Ermächtigung sei die Ärztin berechtigt, folgende Leistungen im Rahmen der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung durchzuführen:

"Auf Überweisung durch zugelassene und angestellte Chirurgen, Orthopäden und Kinderärzte und in zugelassenen Medizinischen Versorgungszentren tätige Chirurgen, Orthopäden und Kinderärzte:

Diagnostik und Therapie bei Kindern und Jugendlichen, die in dem Landkreis A-Stadt, Landkreis K., Landkreis L., Landkreis M., Landkreis O. oder Stadtkreis J-Stadt wohnhaft sind,

* bei Vorliegen folgender Diagnosen: Skoliosen, Fußfehlstellungen, Hüftdysplasien, Handfehlstellungen, Beinfehlstellungen * Hilfsmittelverordnung und Anpassung (z.B. Korsett, Orthesen, Rollstuhl, Gehhilfen) * Anfertigung von Redressionsgipsen"

Die Ermächtigung wurde befristet ausgesprochen bis zum 30.6.2021. Die Ermächtigung sei an die Standorte der Klinik A-Stadt und der Klinik I-Stadt (Kliniken N. GmbH) gebunden. Zugleich ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung der Ermächtigung an.

Eine quantitative Versorgungslücke bestehe bei einem Versorgungsgrad von 115,3% offenkundig nicht. Eine Zusatzweiterbildung sei grundsätzlich als solche nicht geeignet, eine qualitativ-spezielle Versorgungslücke nachvollziehbar werden zu lassen. Im konkreten Verwaltungsverfahren sehe der fachkundig besetzte Antragsgegner jedoch aufgrund der Umstände gerade eine solche Sachlage als gegeben an. Die Beigeladene zu 1. habe in der Verhandlung am 27.6.2019 in glaubhafter Art und Weise vorgetragen, dass sich in der Zeit vom 9.1.2019 bis Ende Mai 2019 452 Patienten in der Sprechstunde der Ärztin vorgestellt hätten, von denen nach ihrer Kenntnis nur 20 % von niedergelassenen Berufsträgern vorbehandelt gewesen seien. Es handele sich bisher um ein privatärztliches Angebot. Wenn schon im Bereich privat versicherter Patienten nur ein Fünftel der Patienten (Kinder und Jugendliche) durch einen niedergelassenen Berufsträger vorbehandelt gewesen seien, so ergebe sich dadurch für den fachkundig besetzten Antragsgegner, dass für diesen speziellen Kreis Kinder und Jugendliche eine den Besonderheiten von Erkrankungen in ihrem Lebensalter entsprechendes Behandlungsangebot im Bereich der niedergelassenen Berufsträger faktisch nicht zur Verfügung stehe, ungeachtet der erklärten Bereitschaft, tätig sein zu können und tätig sein zu wollen. Dies bilde sich auch in der Statistik zu der Erbringung der Zusatzpauschale 18310 EBM (betreffend Behandlung und Diagnostik von Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates bei Neugeborenen, Säuglingen, Kleinkindern und Kindern) ab. Insoweit ließe sich eine nennenswerte Leistungserbringung gerade nicht feststellen. Damit ergebe sich, dass spezielle Leistungen aus dem Bereich der Kinderorthopädie durch die vor Ort tätigen Orthopäden im Ergebnis nicht angeboten würden. Es gebe hier ein eklatantes Missverhältnis zwischen realer Nachfrage und arztseitig reklamiertem Leistungsangebot. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ermächtigung sei sachgerecht und erforderlich. Diese Anordnung beruhe auf § 97 Abs. 4 SGB V. Dabei gehe es um ein öffentliches Interesse, welches über das Interesse hinausgehe, welches an der Sachentscheidung als solcher bestehe. Durch die tatsächliche Situation lasse sich feststellen, dass ein Inhaber der Zusatzweiterbildung Kinderorthopädie im hier interessierenden räumlichen Bereich nicht vorhanden sei und durch die niedergelassenen Berufsträger die in Rede stehenden Leistungen offensichtlich nicht erbracht würden, angesichts von praktisch nicht zur Abrechnung gelangter Ziffer 18310 und durch das hohe Ausmaß, in dem die Krankenhausärztin in Anspruch genommen werde. Die sofortige Vollziehung rechtfertige sich durch den offenkundigen Zeitbezug ärztlicher Tätigkeit, der durch die Wachstumsphase gerade bei Kindern und auch den Jugendlichen ein rasches, zeitnahes Tätigwerden des befähigten Berufsträgers erforderlich mache. Die tatsächlich nicht vorhandene Versorgung mache die Anordnung der sofortigen Vollziehung unabdingbar.

Die Antragsteller erhoben am 14.8.2019 Klage gegen den Beschluss des Antragsgegners vom 27.6.2019 beim Sozialgericht München (Az. 28 KA 334/19).

Die Antragsteller haben am 22.8.2019 beim Sozialgericht München Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Sie begründen ihren Antrag im Wesentlichen damit, dass die Begründung zur Anordnung des Sofortvollzugs einer rechtlichen Überprüfung nicht standhält. Die Kinderorthopädie sei eine Sub-Spezialisierung, die ihre Berechtigung im stationären Bereich bei der Behandlung schwerer angeborener Deformitäten und bei spezialisierten Operationen von Kindern und Säuglingen habe. Die Tatsache, dass bis jetzt wenige Orthopäden mit der Zusatzbezeichnung Kinderorthopädie niedergelassen bzw. ermächtigt seien, sei schlichtweg diesem Umstand geschuldet, ferner dass eine flächendeckende Versorgung mit Kinderorthopädie nicht notwendig sei, da es weder genug Säuglinge und Kinder mit angeborenen Erkrankungen auf diesem Gebiet gebe, noch einen Versorgungsmangel für diese kleine Gruppe. Der Antragsgegner habe sich auf einen unzulässigen Rückschluss gestützt, indem er aus der laut der Beigeladenen zu 2. selten abgerechneten Ziffer 18310 EBM schließe, dass Leistungen im Bereich Kinderorthopädie von den Niedergelassenen offenbar nicht erbracht würden. Die Nichterbringung von Leistungen sei nicht gleichzusetzen mit einem Bedarf an diesen Leistungen. Wenn der Antragsgegner behaupte, dass der Sofortvollzug im Interesse der bisher unbehandelt gebliebenen Kinder und Jugendlichen notwendig sei, fragten sich die Antragsteller zu Recht, welche Kinder dass sein sollten. Die Antragsteller seien seit Jahren in der Region als Orthopäden niedergelassen, kennen die Gegebenheiten, behandelten selbst Kinder mit den speziellen Indikationen und hätten den Bedarf an einer kinderorthopädischen Ermächtigung wie auch andere Orthopäden in der Region verneint. Bisher fehle es an Nachweisen für den Handlungsbedarf. Der Antragsgegner habe selbst nicht erwogen, ob die Ursache der Nichtabrechnung der GOP 18310 EBM dem Umstand geschuldet sein könne, dass diese Leistung bei den Antragstellern nicht nachgefragt werde. Kinderorthopädische Leistungen würden bei den Antragstellern nicht nachgefragt, weil hierfür kein Bedarf für eine ambulante Versorgung bestehe. Insofern bedürfe es auch keiner Ermächtigung für diese Leistungen. Der Antragsgegner habe seiner Entscheidung zudem keine eigene Datenerhebung im Planungsbereich zugrunde gelegt.

Der Antragsgegner ist der Auffassung, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung, also aufgrund öffentlichen Interesses, notwendig gewesen sei. Er verweist darauf, dass die Ziffer 18310 EBM von den Antragstellern überhaupt nicht abgerechnet werde, aber im Hinblick auf die Häufigkeit des Auftretens spezifischer Krankheitsbilder ein hohes kinderorthopädisches Behandlungsbedürfnis im streitgegenständlichen Raum bestehe.

Die Beigeladene zu 1. führt aus, dass ein kinderorthopädischer Bedarf gegeben sei und verweist auf hohe Patientenzahlen (Kinder und Jugendliche) in ihrer Privatsprechstunde bzw. Kassensprechstunde (nach Erteilung der Ermächtigung mit Bescheid vom 24.7.2019). Die Behandlung der Kinder verlaufe therapeutisch anders als die von Erwachsenen und sei vielfach erheblich aufwändiger. Der Anspruch der Beigeladenen zu 1. auf Erteilung der Ermächtigung bestehe offensichtlich, wohingegen die Antragsteller den Eingriff dieser Ermächtigung in ihren Status nicht dargelegt hätten. Die Antragsteller hätten die streitgegenständlichen Leistungen nachweislich in der Vergangenheit nicht erbracht und hätten nicht dargelegt, was ihre tatsächliche wirtschaftliche Beeinträchtigung durch die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. auch nur im Entferntesten andeuten könnte.

Die Antragsteller beantragen:

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ermächtigung in Ziffer 11. des Beschlusses des Antragsgegners vom 27.6.2019 wird aufgehoben und die aufschiebende Wirkung der eingelegten Anfechtungsklage angeordnet.

Der Antragsgegner beantragt,

den einstweiligen Rechtsschutzantrag der vier Antragsteller zurückzuweisen.

Die Beigeladene zu 1. beantragt,

die Anträge der Antragsteller zu 1. bis 4. zurückzuweisen.

Die übrigen Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts wegen der Einzelheiten auf den Inhalt der Gerichtsakte, auch im Verfahren S 28 KA 334/19, und der beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners und des Zulassungsausschusses Ärzte - Oberbayern - verwiesen.

II.

Die Anträge sind unzulässig. Die Antragsteller sind nicht antragsbefugt.

Gem. § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.

Zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Antrags gem. § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG gehört die Antragsbefugnis. Antragsbefugt ist, wer ist im Hauptsachverfahren klagebefugt ist (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 86b Rn. 8).

In der Hauptsache (Az. S 28 KA 334/19) haben die Antragsteller eine Anfechtungsklage gegen den Beschluss des Antragsgegners vom 27.6.2019 erhoben (sog. defensive Konkurrentenklage).

Das Gericht weist darauf hin, dass allein die Bescheidung der Widersprüche der Antragsteller gegen die Erteilung der Ermächtigung an die Beigeladene zu 1. die Antragsteller noch nicht zum "Adressaten" des Widerspruchsbescheids im Sinne der zur Anfechtungsbefugnis gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG bzw. § 42 Abs. 2 VwGO entwickelten "Adressatentheorie" macht (vgl. BSG, Urteil vom 17.10.2007, Az. B 6 KA 42/06 R, Rn. 16).

Eine Anfechtungsbefugnis in Bezug auf die Erteilung einer Ermächtigung an einen Dritten ist zu bejahen, wenn nach dem klägerischen Vortrag eine Verletzung eigener materieller Rechtspositionen zumindest möglich erscheint und nicht von vornherein offensichtlich und eindeutig nach allen in Frage kommenden Betrachtungsweisen ausgeschlossen ist (vgl. BSG, ebenda, Rn. 17; BSG, Urteil vom 17.8.2011, Az. B 6 KA 26/10 R, Rn. 15 jeweils m.w.N.).

Aufgrund des Gebots der Rücksichtnahme muss ein Vertragsarzt, der in demselben räumlichen Bereich Leistungen anbietet, die Gegenstand der Ermächtigung sind, zur Anfechtung von Ermächtigungen für Krankenhausärzte derselben Fachrichtung und Qualifizierung (Spezialisierung) befugt sein, sofern diese Ermächtigungen seine eigenen Erwerbsmöglichkeiten über das dem Vertragsarztrecht immanente Maß hinaus einschränken (BSG, Urteil vom 17.10.2007, Az. B 6 KA 42/06 R, Rn. 17 m.w.N.).

Nach der Rechtsprechung des BSG ist eine die Zulässigkeit eines Widerspruchs oder einer Klage des niedergelassenen Arztes eröffnende Anfechtungsbefugnis anzunehmen, wenn nach dessen hinreichend substantiiertem Vortrag die Möglichkeit nicht ausgeschlossen erscheint, dass von dem ermächtigten Krankenhausarzt in einem für den Wettbewerb bedeutsamen Umfang auch Patienten aus dem Einzugsgebiet seiner Praxis behandelt werden und deshalb für den niedergelassenen Arzt wesentliche Einkommenseinbußen entstehen (BSG, ebenda, Rn. 20 m.w.N.; vgl. auch BSG, Urteil vom 17.8.2011, Az. B 6 KA 26/10 R, Rn. 17).

Grundsätzlich besteht eine "gewisse Vermutung dafür, dass alle Orthopäden mehr oder weniger die gesamte Bandbreite ihres Fachgebiets abdecken" (BSG, Urteil vom 28.10.2009, Az. B 6 KA 42/08 R, Rn. 23) und es deshalb einen fachlichen Überschneidungsbereich hinsichtlich der angebotenen Leistungen gibt. Vorliegend kann es jedoch nur um einen speziellen Teil des orthopädischen Leistungsspektrums gehen, da die Ermächtigung der Beigeladenen zu 1. auf die Behandlung von Kinder und Jugendlichen, die Diagnosen Skoliosen, Fußfehlstellungen, Hüftdysplasien, Handfehlstellungen und Beinfehlstellungen, die Hilfsmittelverordnung und Anpassung sowie die Anfertigung von Redressionsgipsen beschränkt ist.

Die Antragsteller haben weder im Rahmen des hiesigen einstweiligen Rechtsschutzverfahrens noch im Hauptsacheverfahren oder im Widerspruchsverfahren (substantiiert) vorgetragen, dass sie durch die streitgegenständliche Ermächtigung der Beigeladenen zu 1. in ihren Erwerbsmöglichkeiten eingeschränkt werden (können). Ihr Vortrag ist für das Gericht vielmehr so zu verstehen, dass kinderorthopädische Leistungen bei den Antragstellern nicht oder kaum nachgefragt werden. Dann aber kann die Ermächtigung nicht zu einer möglichen Rechtsverletzung der Antragsteller führen.

Eine Klage- und somit auch eine Antragsbefugnis der Antragsteller liegt somit nicht vor.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den in der Verwaltungsakte des Antragsgegners (Az. 055/19) enthaltenen (von der Beigeladenen zu 2. erstellten), nach Altersklassen gegliederten Patientenzahlen der Antragsteller zu 1., 2. und 3. für die Quartale 1/2018 bis 4/2018. Danach hatten die Antragsteller zu 1. und 2. in den Quartalen 1/2018 bis 4/2018 jeweils eine so geringe Anzahl von Kindern und Jugendlichen zur Behandlung (( 3% der Gesamtfallzahl), dass eine Möglichkeit der Rechtsverletzung per se auszuschließen ist (vgl. BSG, Urteil vom 17.10.2007, Az. B 6 KA 42/06 R, Rn. 24, wonach ein faktisches Konkurrenzverhältnis anzunehmen ist, wenn die vom Krankenhausarzt mit denselben Leistungen behandelten Patienten aus dem Einzugsbereich der Vertragsarztpraxis 5% der Gesamtfallzahl dieser Praxis überschreiten). Bei dem Antragsteller zu 3. waren in den Quartalen 1/2018 bis 4/2018 ca. 6 - 7,5 % aller Patienten Kinder und Jugendliche. Wie viele von diesen auch aufgrund der von der Ermächtigung umfassten Diagnosen Skoliosen, Fußfehlstellungen, Hüftdysplasien, Handfehlstellungen und Beinfehlstellungen behandelt wurden bzw. es um die Hilfsmittelverordnung und Anpassung oder die Anfertigung von Redressionsgipsen ging, kann den Statistiken nicht entnommen werden. Das Gericht muss jedoch dieser Frage und der - darauf aufbauenden - Frage, ob von der ermächtigten Beigeladenen zu 1. möglicherweise in einem für den Wettbewerb bedeutsamen Umfang mit den gleichen Leistungen Patienten aus dem Einzugsgebiet der Praxis des Antragstellers zu 3. behandelt werden, nicht näher nachgehen. Denn im Rahmen der Zulässigkeit des einstweiligen Rechtsschutzantrags liegt die Substantiierungspflicht beim Antragsteller zu 3. (vgl. BSG, Urteil vom 17.10.2007, Az. B 6 KA 42/06 R, Rn. 20; zur Substantiierungspflicht im Zusammenhang mit der "Möglichkeitstheorie" Wahl/Schütz in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand Februar 2019, § 42 Abs. 2 Rn. 65 ff.).

Die Anträge waren daher abzulehnen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Rechtskraft
Aus
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