L 16 AS 782/16

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 45 AS 2052/14
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 AS 782/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Voraussetzung für den Ersatzanspruch nach § 34 SGB II ist, dass die Leistungen, für die ein Ersatz geltend gemacht wird, rechtmäßig gewährt wurden, d.h. mit dem materiellen Recht in Einklang standen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift, der Gesetzessystematik, einer historischen Auslegung sowie nach dem Willen des Gesetzgebers.
2. Ein Erstattungsanspruch besteht nicht, wenn die Leistung nicht zu gewähren war, weil der Kläger über verwertbares Vermögen verfügte. Auf die Frage, ob dem Kläger ein sozialwidriges Verhalten vorgeworfen werden kann, kommt es dann nicht an.
I. Auf die Berufung werden das Urteil des Sozialgerichts München vom 29. September 2016 und der Bescheid vom 23.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.07.2014 aufgehoben.

II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Beklagte macht gegen den Kläger einen Ersatzanspruch wegen sozialwidrigem Verhalten in Höhe von 5.814,63 EUR für die Zeit vom 01.01.2013 bis 31.07.2013 geltend.

Der 1964 geborene Kläger war Eigentümer eines 6170 qm großen, nach dem Grundbuchauszug nicht belasteten, Grundstücks mit Kiefernbestand, das er laut notariellem Kaufvertrag am 08.07.2017 für einen Kaufpreis von 25.000 EUR veräußerte. Er war von 1992 bis 2008 als Rangierbegleiter bei der Deutschen Bahn tätig. Mit Bescheid vom 15.11.2011 erteilte das Integrationsamt (ZBFS) die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung woraufhin der Arbeitgeber mit Schreiben vom 24.11.2011 dem Kläger ordentlich aus personenbedingten Gründen zum 30.06.2012 kündigte.

Der Kläger erhielt ab Juli 2009 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vom Beklagten. Bei der Antragstellung im Juni 2009 gab er das in seinem Eigentum stehende Waldgrundstück an. Nach einer vom Beklagten eingeholten Stellungnahme des Amts für Landwirtschaft und Forsten, A-Stadt, vom 15.09.2009 betrug der Verkehrswert des Waldes zwischen 1,10 und 1,20 EUR je qm, d.h. zwischen 6787 EUR und 7404 EUR.

Auf den Fortzahlungsantrag im März 2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen für die Zeit von Mai bis Oktober 2012 (Bescheid vom 20.03.2012). Am 31.08.2012 meldete sich der Kläger ohne Angabe von Gründen aus dem Leistungsbezug nach dem SGB II ab. Der Beklagte hörte den Kläger zu einer Erstattung der Leistung für September 2012 an (Schreiben vom 03.09.2012). Hierzu teilte der Kläger mit, dass er die Summe von 759 EUR bis zum 30.09.2012 zurücküberweisen werde. Weiter wolle er sich nicht äußern.

Am 24.09.2012 floss dem Kläger eine Abfindungszahlung seines früheren Arbeitgebers in Höhe von 23.438,25 EUR zu. Am selben Tag hob der Kläger eine Summe von 5.000 EUR und 18.000 EUR, insgesamt 23.000 EUR, in bar von seinem Konto ab. Am 12.11.2012 flossen dem Kläger weitere 1.000 EUR von "A-Stadt-REC" auf das Konto zu.

Am 07.01.2013 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II beim Beklagten, hierbei gab er wie auch bei den früheren Anträgen an, dass er Eigentümer des Waldgrundstücks war, dessen Verkehrswert er mit 100 EUR bezifferte. Der Beklagte vermerkte hierzu handschriftlich auf dem Antrag die Blattzahlen 31, 117, 125; auf Blatt 31 befand sich das Schreiben des Amts für Landwirtschaft und Forsten, A-Stadt, vom 15.09.2009, auf Blatt 125 eine Berechnung des Beklagten zur Vermögensanrechnung.

Der Beklagte forderte den Kläger auf mitzuteilen und zu belegen, was mit der Abfindung in Höhe von 23.438,25 EUR geschehen sei. Hierzu teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit, dass es für die Bewilligung von Leistungen nur darauf ankomme, ob der Kläger im Zeitpunkt der Antragstellung hilfebedürftig gewesen sei. Der Zufluss am 24.09.2012 sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, als der Kläger nicht im Leistungsbezug gestanden habe. Es komme deshalb nicht darauf an, was aus dieser Summe geworden sei. Der Kläger sei auch nicht verpflichtet zu erklären, woher diese Summe stamme.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2013 bis 30.06.2013 in Höhe von 767 EUR monatlich (Bescheide vom 13.02.2013 und 22.04.2013 in der Gestalt der Widerspruchbescheide vom 22.02.2013 und 14.05.2013; in der Fassung des Vergleichs vom 17.03.2014 in den Klageverfahren S 54 AS 533/13 und S 54 AS 816/13).

Mit Schreiben vom 16.05.2013 hörte der Beklagte den Kläger zu einem Ersatzanspruch nach § 34 SGB II an. Auf die Anhörung hin legte der Kläger eine Einkommensbescheinigung des früheren Arbeitgebers und eine Aufstellung über die getätigten Ausgaben vor.

Auf den Fortzahlungsantrag vom 21.05.2013 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II für die Zeit Juli bis Dezember 2013 (Bescheide vom 25.06.2013 und 24.07.2013).

In den verbundenen Klageverfahren S 54 AS 533/13 und S 54 AS 816/13 und im erledigten Eilverfahren S 54 AS 717/13 ER trug der Kläger vor, dass er die Abfindung bis zum 31.12.2012 komplett ausgegeben habe. Einer Aufstellung des Klägers für die Zeit vom 01.09.2012 bis 31.12.2012 sind Ausgaben in Höhe von insgesamt 11.262,65 EUR zu entnehmen. Neben den Mietzahlungen und den Krankenversicherungsbeiträgen sowie diversen Anschaffungen für den Haushalt war eine Überweisung in die USA in Höhe von 1.695,53 EUR ersichtlich. Der Kläger erklärte dazu mit Schreiben vom 16.04.2013, mit eidesstattlicher Versicherung vom 17.04.2013 sowie in der öffentlichen Sitzung vom 21.11.2013 und vom 17.03.2014, dass er seinen langjährigen Freund aus den USA nach Deutschland eingeladen und ihm das Flugticket mit der Überweisung finanziert habe. Sein Freund sei hier in Deutschland für 21 Tage gewesen, sie seien in F. und B-Stadt unterwegs gewesen, seien täglich Essen gegangen und hätten sich eine schöne Zeit gemacht. Sie hätten in Hotels übernachtet und sich einen Leihwagen gemietet. Da sein Freund völlig mittellos sei, habe der Kläger ihn auf seine Kosten neu einkleiden müssen. Für die Ausgaben während der Reise habe er keine Belege mehr.

Mit Bescheid vom 23.06.2014 stellte der Beklagte einen Ersatzanspruch in Höhe von 5.814,63 EUR für die Zeit vom 01.01.2013 bis 31.07.2013 fest und machte diesen geltend. In dem Bescheid erklärte der Beklagte die Aufrechnung von 117,30 EUR monatlich ab 01.07.2014. Der Kläger habe die Abfindung in Höhe von 23.438,25 EUR, welche auf seinem Konto am 24.09.2012 zugeflossen sei, bis zum 31.12.2012 vollständig aufgebraucht. Unter Berücksichtigung eines Vermögensfreibetrages in Höhe von 7.950 EUR verblieben 15.488,25 EUR. Davon seien Ausgaben in Höhe von 9.673,62 EUR größtenteils belegt und für diverse Posten des alltäglichen Lebens aufgewendet worden. Der Restbetrag in Höhe von 5.814,63 EUR sei jedoch in unangemessener Weise verbraucht worden. 1.695,53 EUR habe der Kläger seinem Freund, vermutlich für den Flug, überwiesen. Die restlichen 4.119,10 EUR seien für dessen Aufenthalt, Einkleidung, Bewirtung in Gaststätten, Restaurants und Übernachtungen in Hotels vergeudet worden. Das Verhalten des Klägers sei zumindest als grob fahrlässig zu bewerten. Aufgrund des sozialwidrigen Verhaltens des Klägers sei dieser zum Ersatz der im Zeitraum vom 01.01.2013 bis 31.07.2013 gezahlten Leistungen des Regelbedarfs, der Bedarfe für Unterkunft und Heizung sowie der Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 5.814,63 EUR verpflichtet.

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch. Es liege kein sozialwidriges Verhalten vor, da die Ausgaben des Klägers nicht zum Zwecke der Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit getätigt worden seien. Da der Kläger zum Zeitpunkt der fraglichen Ausgaben nicht im Leistungsbezug gestanden habe, könne keine grobe Fahrlässigkeit hinsichtlich der Verwendung der Abfindung erkannt werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2014 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

Nachdem sich der Kläger am 14.07.2014 erneut aus dem Leistungsbezug nach dem SGB II zum 15.07.2014 ohne Angabe von Gründen abmeldete, erging am 14.07.2014 eine Zahlungsaufforderung über 5.697,33 EUR mit Zahlungsfrist bis zum 31.07.2014. Wegen der Beendigung des Leistungsbezugs sei eine Aufrechnung nicht mehr möglich, so dass die noch ausstehende Restforderung in einem Betrag sofort fällig sei. Am 25.07.2014 beglich der Kläger den nach Aufrechnung für den Juli 2014 in Höhe von 117,30 EUR noch verbleibenden Ersatzanspruch in Höhe von 5.697,33 EUR vollständig.

Gegen den Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 07.08.2014 Klage zum Sozialgericht München.

Mit Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 16.06.2016 wurde auf Antrag des Klägers eine Betreuung angeordnet.

Mit Urteil vom 29.09.2016 wies das Sozialgericht die Klage ab. Der Beklagte habe zu Recht einen Ersatzanspruch nach § 34 SGB II in Höhe von 5.814,63 EUR festgestellt und geltend gemacht. Der Vorwurf der Sozialwidrigkeit sei begründet. Der Kläger habe die Abfindung in gut drei Monaten vollständig verbraucht, um sich etwas Gutes zu tun. Der Beklagte habe bei der Festsetzung des Ersatzanspruchs bereits zugunsten des Klägers diverse Ausgaben nicht geltend gemacht und diese wie Ausgaben des täglichen Lebens gewertet. Die Ausgaben in Höhe von 5.814,63 EUR, die der Kläger für die Einladung seines Freundes aus den USA nach Deutschland verbunden mit einer luxuriösen mehrwöchigen Reise getätigt habe, habe der Beklagte zu Recht als Vergeudung von Vermögen gewertet. Dieses Verhalten stelle im Hinblick auf die steuerfinanzierten Leistungen nach dem SGB II gegenüber der Gemeinschaft der Steuerzahler ein zu missbilligendes und damit sozialwidriges Verhalten dar. Mit diesem Verhalten habe der Kläger auch unmittelbar seine Hilfebedürftigkeit ab Januar 2013 herbeigeführt. Der Kläger habe den inneren Zusammenhang zwischen dem vollständigen Aufbrauchen der Abfindung und dem anschließenden Leistungsbezug eingeräumt und zu erkennen gegeben, dass er dabei nicht nur grob fahrlässig, sondern sogar vorsätzlich gehandelt habe. Die subjektive Vorwerfbarkeit des Verhaltens des Klägers entfalle auch nicht im Hinblick auf die angeordnete Betreuung, die nicht die Vermögenssorge umfasse. Ein wichtiger Grund für das Verhalten des Klägers liege nicht vor. Der Umfang des Kostenersatzes sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Geltendmachung des Ersatzanspruchs stelle auch keine Härte für den Kläger dar. Das Urteil wurde dem Kläger am 13.10.2016 zugestellt.

Gegen das Urteil hat der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, am 02.11.2016 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Der Kläger habe nicht schuldhaft gehandelt. Er habe sich etwas Gutes tun und nicht die Sozialhilfebedürftigkeit herbeiführen wollen. Schließlich sei die Vorwerfbarkeit des Verhaltens wegen der bestehenden Betreuung fraglich.

Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 29.09.2016 und den Bescheid vom 23.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.07.2014 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hat erwidert, dass die Betreuung erst am 16.06.2016 angeordnet worden sei und damit nach dem streitigen Zeitraum.

Auf Nachfrage des Senats hat das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mitgeteilt, dass das Waldgrundstück des Klägers im Zeitpunkt 2012/2013 aufgrund der Holzmarktlage einen Verkehrswert von 2 bis 2,30 EUR je qm hatte, insgesamt zwischen 12.340 EUR und 14.191 EUR. Im August 2019 war der Wert laut der Stellungnahme um etwa 0,70 EUR je qm niedriger. Der Kläger hat das Waldgrundstück laut notariellem Kaufvertrag am 08.07.2014 für einen Kaufpreis von 25.000 EUR veräußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Urteil des Sozialgerichts vom 29.09.2016 und der Bescheid vom 23.06.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.07.2014 sind aufzuheben. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Der Kläger verfolgt sein Begehren zu Recht mit einer isolierten Anfechtungsklage, § 54 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Voraussetzungen für einen Ersatzanspruch nach § 34 SGB II in der Fassung vom 13.05.2011 liegen nicht vor, weil die dem Ersatzanspruch zugrundeliegenden Bewilligungsentscheidungen nicht rechtmäßig waren. Der Kläger war wegen entgegenstehendem Vermögen nicht hilfebedürftig (§§ 7, 9, 12 SGB II).

Nach § 34 Abs. 1 SGB II ist derjenige, der nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II an sich oder an Personen, die mit in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat, zum Ersatz der deswegen gezahlten Leistungen verpflichtet. Der Ersatzanspruch umfasst auch die geleisteten Beiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung. Von der Geltendmachung des Ersatzanspruchs ist abzusehen, soweit sie eine Härte bedeuten würde.

Nach Auffassung des Senats ist Voraussetzung für den Ersatzanspruch nach § 34 SGB II, dass die Leistungen, für die ein Ersatz geltend gemacht wird, rechtmäßig gewährt wurden, d.h. mit dem materiellen Recht in Einklang standen. Nur dann kann die Herbeiführung der Leistungsvoraussetzungen schuldhaft verursacht worden sein. Dies ergibt die Auslegung der Vorschrift. Das Bundessozialgericht (BSG) hat dies für die bis 31.03.2011 geltende Fassung offengelassen (vgl. BSG 16.04.2013, B 14 AS 55/12 R, Rn. 26 zitiert nach juris). In neueren Entscheidungen des BSG hat dieses die Sozialwidrigkeit verneint und sich zur Frage der Notwendigkeit einer rechtmäßigen Leistungsgewährung nicht geäußert. Es hat aber stets das "Vorliegen weiterer Voraussetzungen" neben dem Herbeiführen der Leistungsgewährung betont (vgl. BSG, 08.02.2017, B 14 AS 3/16, Rn. 19, 22).

Die Notwendigkeit einer rechtmäßigen Bewilligungsentscheidung für die Anwendung des § 34 SGB II in der Fassung vom 13.05.2011 lässt sich bereits dem Wortlaut der Vorschrift entnehmen. Das Erfordernis einer rechtmäßigen Leistungsgewährung ist zwar nicht ausdrücklich geregelt. Bei der Vorschrift handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift, mit der die "sozialwidrige" Herbeiführung der Leistungsvoraussetzungen sanktioniert wird. Mit dem Anknüpfen an die "Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen" bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 SGB II selbst bestehen muss. Das vorwerfbare Verhalten, das sanktioniert wird, liegt vor der Leistungsgewährung und muss für die Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit kausal sein. Die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung müssen deshalb für einen Ersatzanspruch vorliegen. Verdeutlicht wird dies durch die Gesetzesfassung des § 34 SGB II vom 26.07.2016 mit dem ein neuer Satz 2 in die Vorschrift eingefügt wurde. Danach gilt als Herbeiführen im Sinne des Satzes 1 auch, wenn die Hilfebedürftigkeit erhöht, aufrechterhalten oder nicht verringert wurde.

Auch die Gesetzessystematik spricht für dieses Verständnis des § 34 SGB II. Dem Beklagten stehen bei einer rechtswidrigen Leistungsgewährung die §§ 45, 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zur Verfügung, mit der Möglichkeit den Bewilligungsbescheid ggf. auch mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben. Im Anwendungsbereich des § 34 SGB X ist für das Bestehen eines Ersatzanspruchs keine Aufhebung der Bewilligungsentscheidung erforderlich. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung dürfen bei einem Ersatzanspruch gerade nicht vorliegen, da die Leistungsvoraussetzungen gegeben sein müssen, mithin die Leistungen in rechtmäßiger Weise gewährt worden sein müssen. Nur dann ist der Anwendungsbereich des § 34 SGB II eröffnet (vgl. Silbermann in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 34 SGB II, Rn. 18f; Schwitzky in LPK-SGB II, 6. Aufl. 2017, § 34 Rn. 3, 6).

Diese Auslegung ist auch historisch begründbar. § 34 SGB II ist mit § 103 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) vergleichbar, der § 92a Bundessozialhilfegesetz (BSHG) nachgebildet wurde. Hierzu hatte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden, dass eine an sich rechtmäßige Leistungsgewährung erforderlich ist. Dies folge laut BVerwG bereits daraus, dass nur die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung schuldhaft herbeigeführt worden sein müssen. Ein Anspruch auf Kostenersatz jedoch nur dann entstehe, wenn dem Leistungsträger nicht vorgeworfen werden kann, er habe die Leistung von vornherein nicht zu gewähren brauchen (BVerwG 14.01.1982, 5 C 70/80; BVerwG 5.5.1983, 5 C 112/81, zu § 92a BSHG, Vorgängervorschrift zu § 103 SGB XII).

Mit der geänderten Normüberschrift ("sozialwidrig") hat dies der Gesetzgeber auch in den Gesetzesmaterialien ab 01.04.2011 zum Ausdruck gebracht (BR-Drs. 661/10, 182 zu § 34). Den Bezug auf die frühere Rechtsprechung des BVerwG kann auch den Urteilen des BSG entnommen werden, in denen es die "Sozialwidrigkeit" verneint und auf die außerhalb des SGB II und früheren Vorschriften bei der Auslegung der Vorschrift abgestellt hat (vgl. BSG, 08.02.2017, B 14 AS 3/16, Rn. 19, 22; BSG, 16.04.2013, B 14 AS 55/12 R, Rn. 18).

Es kann deshalb dahinstehen, ob dem Kläger ein sozialwidriges Verhalten vorgeworfen werden kann, weil die Gewährung der Leistungen für die ein Ersatz nach § 34 SGB II vom Beklagten verlangt wird, anfänglich rechtswidrig war. Der Kläger verfügte über verwertbares Vermögen nach § 12 SGB II das über dem Freibetrag nach § 12 Abs. 2 SGB II lag; er war nicht hilfebedürftig (§ 9 Abs. 1 SGB II).

Nach § 12 Abs. 1 SGB II sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände als Vermögen zu berücksichtigen. Das Waldgrundstück des Klägers, das dieser bei Antragstellung angegeben hatte, ist Vermögen im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB II. Es fällt nicht unter § 12 Abs. 3 S. 1 (insbesondere Nr. 4) SGB II, weil es sich nicht um ein selbstgenutztes Hausgrundstück handelt. Das Vermögen war verwertbar im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB II. Tatsächliche oder rechtliche Verwertungshindernisse liegen nicht vor. Die Verwertung erfolgte dann auch tatsächlich im Juli 2014. Anhaltspunkte für eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Verwertung im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 Alt 1 SGB II bestehen nicht. Das Waldgrundstück war ausweislich des Grundbuchauszugs nicht belastet.

Zum maßgeblichen Zeitpunkt bei Antragstellung im Januar 2013 und im Mai 2013 hatte das Waldgrundstück einen Verkehrswert zwischen 12.340 EUR und 14.191 EUR (§ 12 Abs. 4 SGB II) von dem nach Abzug des Freibetrages zwischen 4.390 EUR und 4.240 EUR anrechenbar waren (§ 12 Abs. 2 SGB II). Der Wert ergibt sich aus der Auskunft des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten für den Zeitpunkt 2012/2013. Der Kläger selbst hat im Juli 2014 einen Kaufpreis von 25.000 EUR erzielt. Dass der Kläger bei Antragstellung im Januar 2013 den Wert mit 100 EUR angegeben und der Beklagte auf den früheren Vermerk aus dem Jahr 2009 hinsichtlich des Wertes abgehoben hat, ist ohne Auswirkung. Wesentliche Änderungen des Verkehrswertes sind zu berücksichtigen (§ 12 Abs. 4 S. 2 SGB II). Auch der Beklagte ist verpflichtet den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Er hatte zudem alle notwendigen Angaben, um eine Wertermittlung durchzuführen. Ein etwaiger Irrtum oder eine Fehleinschätzung des Beklagten ist ohne Belang.

Vom Vermögen sind gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II 7.200 bzw. 7.350 EUR und gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II 750 EUR, insgesamt 7.950 bzw. 8.100 EUR als Freibetrag abzusetzen. Das Vermögen des Klägers überschritt den Freibetrag selbst bei Ansatz des konservativsten Wertes von 12.340 EUR um 4.390 EUR bzw. 4.240 EUR.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird zugelassen (§ 160 Abs. 1 und 2 Nr. 1 SGG). Die Rechtsfrage, ob für den Ersatzanspruch nach § 34 Abs. 1 S. 1 SGB II in der Fassung vom 13.05.2016, die identisch mit § 34 Abs. 1 S. 1 SGB II in der Fassung vom 26.07.2016 ist, eine rechtmäßige Leistungsgewährung Voraussetzung ist, hat grundsätzliche Bedeutung.
Rechtskraft
Aus
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