S 2 BA 436/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 BA 436/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den Anforderungen an eine die Selbständigkeit vermittelnde Rechtsmacht des mit 50 % am Stammkapital beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführers, wenn aufgrund einer von § 47 Abs. 1 GmbHG abweichenden Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag bei Stimmgleichheit abstrakt der ältere Gesellschafter eine zusätzliche Stimme erhält (Ancietätenrecht) und konkret der andere (ältere) Gesellschafter ebenfalls mit 50 % am Kapital beteiligt ist.
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gründe:

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) über die Frage, ob dem beigeladenen Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin, welcher über 50 % Kapitalanteil verfügt, deshalb abhängig beschäftigt ist, weil zugleich zugunsten des anderen Gesellschafters, der ebenfalls über 50 % Kapitalanteil verfügt, ein Ancietätenrecht eingeräumt wurde, welches diesem bei Stimmgleichheit eine zusätzliche Stimme und damit die Mehrheit der Stimmen in der Gesellschafterversammlung einräumt, und deshalb für die Zeit vom 01.01.2014 bis 31.12.2015 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 29.129,43 EUR nachzuerleben sind. Die Klägerin betreibt in der Rechtsform der GmbH ein Handelsunternehmen zum Vertrieb insbesondere von Merchandise-, Fan- und Funartikeln. Seit dem 10.04.2012 halten die Gesellschafter Herr A und Herr B (Beigeladener Ziff. 1) jeweils einen Anteil am Stammkapital in Höhe von 50 v. H. Der Beigeladene Ziff. 1 fungiert als Geschäftsführer der Beklagten, Herr A besitzt Einzelprokura. Auf Grund eines Gesellschafterbeschlusses vom 10.04.2012, welcher § 9 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages änderte, werden Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Mehrheit gefasst, bei Stimmgleichheit entscheidet die Stimme des ältesten in der Versammlung vertretenen Gesellschafters. Gemäß § 9 Abs. 6 des Gesellschaftsvertrages ist – sinngemäß – für folgende Beschlüsse eine Mehrheit von 60 v. H. der abgegebenen Stimmen erforderlich: Gewinnausschüttungen, Einräumung von Sonderrechten für einzelne Gesellschafter, Bestellung, Entlassung und Abberufung von Geschäftsführern, Abschluss, Änderung und Beendigung von Geschäftsführeranstellungsverträgen, Erteilung von Alleinvertretungsbefugnissen, Entscheidungen über erfolgsabhängige Vergütungen und Nebentätigkeiten, Einziehung und Abtretung von Geschäftsanteilen, sämtliche Weitere, in § 11 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages aufgeführten Maßnahmen der Geschäftsführung, Bestellung des Abschlussprüfers, Freistellungen vom Wettbewerbsverbot. Die Tätigkeit des Beigeladenen Ziff. 1 wurde zunächst als abhängige Beschäftigung qualifiziert, bis zum 31.12.2013 wurden von der Klägerin bei Annahme einer geringfügigen Beschäftigung Sozialversicherungsbeiträge zur Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See Minijobzentrale entrichtet. Ab dem 01.01.2014 führte die Klägerin keine Beiträge mehr ab. Nach den Feststellungen der Beklagten erhielt der Beigeladene Ziff. 1 im Jahr 2014 ein Entgelt in Höhe von 32.799,08 EUR und im Jahr 2015 ein Entgelt in Höhe von 40.299,08 EUR. Anlässlich einer Betriebsprüfung kam die Antragsgegnerin zunächst zu dem Ergebnis, das dem Beigeladenen Ziff. 1 einem Haftungs- und Nachforderungsbescheiden des Finanzamtes Calw vom 01.04.2014 entsprechend für den Zeitraum 2009 bis 2012 entsprechend von der Klägerin ein geldwerter Vorteil gegenüber der Klägerin durch private Nutzung eines Firmen-PKW gewährt worden sei. Hierauf aufbauend forderte die Beklagte nach vorheriger Anhörung mit Bescheid vom 15.12.2016 einen Betrag von 13.589,07 EUR (einschließlich 3.045,00 EUR Säumniszuschläge) nach und gab als Prüfzeitraum die Zeit vom 01.01.2012 bis 31.12.2015 an. Aus den Anlagen zum Bescheid ergab sich jedoch abweichend vom angegebenen Prüfzeitraum, dass die Nachforderung ausschließlich für die Zeit vom 01.01.2010 bis 31.12.2012 erhoben wurde. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Die Beklagte hörte die Klägerin sodann dazu an, dass beabsichtigt sei, für die Zeit vom 01.01.2014 bis 31.12.2015 eine weitere Nachforderung von 31.118,29 EUR zu erheben, denn es habe sich herausgestellt, dass der Beigeladene Ziff. 1 in dieser Zeit im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig geworden sei. Mit weiterem Bescheid vom 23.07.2018, in welchem nunmehr kein Prüfzeitraum angegeben wurde, setzte die Beklagte die Anhörung um und forderte gemäß den Ausführungen im Bescheid und den beigefügten Anlagen für die Zeit vom 01.01.2014 bis 31.12.2015 Gesamtsozialversicherungsbeiträge von 29.129,43 EUR (ohne Säumniszuschläge) fest. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 22.08.2018 Widerspruch unter Beantragung einstweiligen Vollstreckungsaufschubes ein, letzterem gab die Beklagte mit Schreiben vom 25.09.2018 für die Dauer von einem Monat statt. Eine weitere Verlängerung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 31.10.2018 ab. Mit Schreiben vom 06.11.2018 mahnte die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See als zuständige Einzugsstelle die Beiträge zuzüglich Mahngebühren an. Am 20.11.2018 beantragte die Klägerin daraufhin beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs (Az. S 7 BA 4061/18 ER). Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, der Beigeladene Ziff. 1 habe über Anteile in Höhe von 50 v. H. am Stammkapital verfügt und sei deshalb weisungsfrei gewesen. Zudem sei für die Bestellung, Entlastung und Abberufung von Geschäftsführern eine qualifizierte Mehrheit von 60 v. H. der abgegebenen Stimmen erforderlich. Änderungen seiner Geschäftsführerstellung seien deshalb gegen den Willen des Beigeladenen Ziff. 1 nicht möglich. Ein umfassender Katalog regle weitere Geschäftsführungsmaßnahmen, für die eine qualifizierte Mehrheit von 60 v. H. erforderlich sei. Damit seien für alle relevanten Geschäfte der Gesellschaft die Stimmen des Beigeladenen Ziff. 1 erforderlich. Daneben verblasse die Regelung, nach der der älteste Gesellschafter bei Stimmparität den Ausschlag gebe, da sie nur noch für die verbleibenden, marginal-banalen Entscheidungen zu beachten sei. Das Sozialgericht Karlsruhe lehnte den Antrag mit Beschluss vom 07.12.2018 ab. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitigen Entscheidung, welche die Zeit vom 01.01.2014 bis 31.12.2015 umfasse, bestünden nicht. Der Beigeladene Ziff. 1 sei nach den Maßstäben, die das Bundessozialgericht (BSG) im Verfahren B 12 KR 13/17 R aufgestellt habe, als abhängig beschäftigter Arbeitnehmer der Klägerin zu werten. Er verfüge zwar über 50 % des Stammkapitals der Klägerin. Da Gesellschafterbeschlüsse mit Ausnahme enumerativ aufgeführter Einzelfälle mit einfacher Mehrheit zu treffen seien und dem älteren Gesellschafter aufgrund der Ancietätenregelung das entscheidende Stimmgewicht zukomme, verfüge er nicht über die Rechtsmacht, alle ihm nicht genehme Weisungen zu verhindern. Es liege damit keine für eine Selbständigkeit notwendige umfassende Sperrminorität vor, sondern lediglich eine hierfür nicht genügende, auf bestimmte Gegenstände beschränkte unechte Sperrminorität vor. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg mit Beschluss vom 28.02.2019 (Az. L 2 BA 4601/18 ER-B) zurück und führte zur Klarstellung ergänzend aus, dass eine nur Teilbereiche umfassende Sperrminorität nicht für die Annahme einer Selbständigkeit ausreiche. Die Ausführung des Bundessozialgerichts im Verfahren B 12 KR 13/17 R, dass bei einer Kapitalbeteiligung von 50 % ausnahmsweise von Selbständigkeit auszugehen sein, könne nur Anwendung finden, wenn nach § 47 Abs. 1 GmbHG eine einfache Mehrheit für Gesellschafterbeschlüsse gelte. Nachdem hiervon jedoch Abweichungen zulässig vereinbart werden könnten und mit der Ancietätenregelung auch konkret vereinbart worden seien, könne der Beigeladene Ziff. 1 ihm nicht genehme Gesellschafterbeschlüsse nicht umfangreich verhindern. Bereits mit Widerspruchsbescheid vom 08.01.2019 hatte die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.07.2018 zurückgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin am 05.02.2019 die vorliegende Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.03.2019 hat die Beklagte sodann den Widerspruch gegen den Bescheid vom 15.12.2016 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Klage ist beim Sozialgericht Karlsruhe unter dem Aktenzeichen S 8 BA 1411/19 anhängig und wurde mit Beschluss vom 23.10.2019 zum Ruhen gebracht. Die Klägerin lässt ihre Klage damit begründen, dass die im Beschluss des LSG geäußerte Rechtsauffassung nicht haltbar sei. Gesellschafter mit einer Kapitalbeteiligung von 50 % seien nach dem Wortlaut der Entscheidung im Verfahren B 12 KR 13/17 R regelmäßig als Unternehmer anzusehen. Die Festlegung des Anciennitätsprinzips bei einfachen Mehrheitsbeschlüssen führe tatsächlich nicht dazu, dem anderen, vom Anciennitätsprinzip profitierenden Gesellschafter wesentliche Einflüsse auf die Geschäftsführung des Unternehmers zu geben oder den Geschäftsführer maßgeblich bei der Geschäftsführung zu beeinträchtigen. Dies ergebe sich aus den Regelungen des allein maßgeblichen Gesellschaftsvertrages, nach denen die weitaus meisten geschäftlichen Tätigkeitsbereiche des Unternehmens eine qualifizierte Mehrheit von 60 % der Stimmenanteile erforderten. Ganz maßgeblich sei, dass nach § 9 Abs. 6 des Gesellschaftsvertrages gerade auch die Tätigkeit des Geschäftsführers selbst betreffende "Bestellung, Entlastung und Abberufung" dem qualifizierten Mehrheitserfordernis von 60 % der Stimmen unterliegen würden und auch der "Abschluss, die Änderung und Beendigung von Geschäftsführeranstellungsverträgen" aufgrund dieser qualifizierten Mehrheitserfordernisse nicht gegen die Stimme des Beigeladenen Ziff. 1 erfolgen könne. Damit sei der Mitgesellschafter nicht in der Lage, maßgebliche Belange der Geschäftsführertätigkeit zu beeinträchtigen. Die Klägerin lässt beantragen, den Bescheid vom 23.07.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.01.2019 aufzuheben. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie verweist auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid, im Beschluss des SG Karlsruhe vom 07.12.2018 und im Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 28.02.2019. Das Gericht hat mit Beschluss vom 15.07.2019 den Geschäftsführer der Klägerin B und die für diesen zuständigen Sozialversicherungsträger zum Verfahren beigeladen. Sodann hat das Gericht die elektronisch geführte Gerichtsakte im Verfahren S 8 BA 1411/19 eingesehen und die dort von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf die von der Beklagten im vorliegenden Verfahren und im Verfahren S 8 BA 1411/19 vorgelegten Verwaltungsakten verweisen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

A.) Zunächst ist zum Streitgegenstand festzustellen, dass vorliegend ausschließlich der Zeitraum 01.01.2014 bis 31.12.2015 und die hierauf bezogene Feststellung der Versicherungspflicht sowie daraus resultierender Nachforderung den Gegenstand des Verfahrens bildet. Zur Auslegung des Verfügungssatzes, bei der auf die Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers abzustellen ist, kann unter andrem auf die Begründung des Verwaltungsaktes, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden (BSG in ständiger Rechtsprechung, zuletzt Urteil vom 10.09.2013, B 4 AS 89/12 R). Auf welche vermeintlichen Arbeitnehmer und welche konkreten Monate sich die Nachforderung bezieht, ergibt sich für die einzelnen Monate eindeutig aus den beigefügten Berechnungsblättern. Dass der Prüfzeitraum in der Betreffzeile des dortigen Ausgangsbescheids vom 23.07.2018 nicht explizit genannt wird, ist unerheblich. Der Bezeichnung des Prüfzeitraums kommt weder im Verfahren noch im Bescheid eine rechtliche Relevanz zu. Die Bezugnahme auf die durchgeführte Betriebsprüfung und den geprüften Zeitraum ist kein Teil des Verfügungssatzes und enthält keine Regelung im Sinne eines Verwaltungsakts (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 08. Juni 2016 – L 16 R 265/14 –, Rn. 33 - 34, juris). Nach dem damit maßgeblichen Horizont eines verständigen Empfängers geht zur Überzeugung der Kammer aus dem Bescheid vom 23.07.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.01.2019 unter besonderer Beachtung der Anlagen zum Ausgangsbescheid zweifelsfrei hervor, dass aufgrund der durchgeführten Betriebsprüfung vom Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ausgegangen wurde (Begründungselement), weshalb Versicherungspflicht in den genannten Bereichen besteht und die sich daraus ergebenden Gesamtsozialversicherungsbeiträge nachgefordert werden (Verfügungssatz). Im Bescheid vom 15.12.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.03.2019, welcher unter dem Aktenzeichen S 8 BA 1411/19 beim erkennenden Gericht anhängig ist, hat die Beklagte hingegen abweichend von dem im Ausgangsbescheid angegebenen Prüfzeitraum ("01.01.2012 bis 31.12.2015") eine Regelung ausschließlich für die Zeit vom 01.01.2010 bis 31.12.2012 getroffen. Nachdem die Angabe des Prüfzeitraums keine Regelung darstellt (s.o.), kommt es nach Ansicht der Kammer auch hier ausschließlich auf die beigefügten Berechnungsbögen an, nach denen eine Regelung für die Zeit nach dem 31.12.2012 gerade nicht getroffen werden sollte. Insoweit greift der vorliegend streitige Bescheid vom 23.07.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.01.2019 nicht in den Verfügungssatz des im Verfahren S 8 BA 1411/19 anhängigen (früher ergangenen) Bescheids vom 15.12.2016 abändernd ein und ist insoweit nicht nach § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Gegenstand des dort zu beurteilenden Widerspruchsverfahrens geworden. Der Zulässigkeit der vorliegenden Klage steht insoweit insbesondere keine doppelte Rechtshängigkeit entgegen. B.) Die so verstandene Klage ist form- und fristgerecht zum örtlich und sachlich zuständigen SG Karlsruhe erhobenen, wobei die reine Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Fall 1 SGG statthaft ist. Die Klage ist aber nicht begründet. I.) Der Bescheid vom 23.07.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.01.2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. II.) Rechtsgrundlage für den streitigen Bescheid ist § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Nach dessen Abs. 1 S. 5 erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Betriebsprüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern. III.) In der vorliegend streitigen Zeit unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, grundsätzlich der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI und § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - SGB III). IV.) Für die vorliegend maßgebliche statusrechtliche Beurteilung der Tätigkeit eines Gesellschafter-Geschäftsführers hat das Hessisches Landessozialgericht (Urteil vom 21. März 2019 – L 8 KR 142/17 –, Rn. 24, juris) folgendes ausgeführt: "Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann vornehmlich bei Diensten höherer Art eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zum Ganzen BSG, Urteil vom 29. August 2012, B 12 R 25/10 R, BSGE 111, 257; jüngst Urteil vom 14. März 2018, B 12 KR 13/17 R, juris Rn. 16, Urteile des Senats vom 25. Januar 2018, L 8 KR 399/15 und 26. April 2018, L 8 KR 170/15). Der Senat hat in seinen Urteilen vom 25. Januar 2018 und 26. April 2018 weiter ausgeführt: "Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der unter Umständen als Scheingeschäft im Sinne des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf. den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG, Urteil vom 24. März 2016 – B 12 KR 20/14 R). Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich folglich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine formlose Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist" (vgl. auch BSG, Urteil vom 29. August 2012, B 12 R 25/10 R, juris Rn. 16). Diese Maßstäbe gelten auch für Geschäftsführer einer GmbH und zwar ungeachtet der konkreten Bezeichnung des der Geschäftsführertätigkeit zugrunde liegenden Vertrages. Dem steht nicht die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 3 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) entgegen. Eine abhängige Beschäftigung von Geschäftsführern ist nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung einer juristischen Person berufen sind, nicht als Arbeitnehmer gelten. Diese Regelung beschränkt sich auf das ArbGG und hat keine Bedeutung für das Sozialversicherungsrecht. Der Zugehörigkeit zu den Beschäftigten der juristischen Person steht auch nicht entgegen, dass Geschäftsführer im Verhältnis zu sonstigen Arbeitnehmern Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (vgl. BSG, Urteil vom 14. März 2018, B 12 KR 13/17 R, juris Rn. 18f.). Vielmehr kommt es für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit zunächst darauf an, dass der Geschäftsführer am Gesellschaftskapital beteiligt ist (sog. Gesellschafter-Geschäftsführer). Ein Geschäftsführer ohne Kapitalbeteiligung (sog. Fremdgeschäftsführer) ist ausnahmslos abhängig beschäftigt. Selbstständig tätige Gesellschafter-Geschäftsführer müssen zudem über eine Mindestkapitalbeteiligung von 50 % oder eine "echte" Sperrminorität verfügen. Ist ein GmbH-Geschäftsführer zugleich als Gesellschafter am Kapital der Gesellschaft beteiligt, sind der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbstständig tätig, sondern muss, um nicht als abhängig Beschäftigter angesehen zu werden, über seine Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter gegeben, der mehr als 50 % der Anteile am Stammkapital hält. Ein Geschäftsführer, der nicht über diese Kapitalbeteiligung verfügt und damit als Mehrheitsgesellschafter ausscheidet, ist grundsätzlich abhängig beschäftigt. Er ist ausnahmsweise nur dann als Selbstständiger anzusehen, wenn er exakt 50 % der Anteile am Stammkapital hält oder ihm bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende ("echte" oder "qualifizierte"), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist. Denn der selbstständig tätige Gesellschafter-Geschäftsführer muss eine Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen haben und zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern können. Demgegenüber ist eine "unechte", auf bestimmte Gegenstände begrenzte Sperrminorität nicht geeignet, die erforderliche Rechtsmacht zu vermitteln. Die für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit notwendige Rechtsmacht, die den Gesellschafter-Geschäftsführer in die Lage versetzt, die Geschicke der Gesellschaft bestimmen oder zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern zu können, muss gesellschaftsrechtlich eingeräumt sein (siehe zum Ganzen nur BSG, Urteil vom 14. März 2018, B 12 KR 13/17 R, juris Rn. 21 f. m.w.N.)." Dies macht die erkennende Kammer nach eigener Überzeugungsbildung zur Grundlage ihrer vorliegend zu treffenden Entscheidung, weil sie sich den vorstehenden Ausführungen ohne Einschränkung anschließt, und verweist darauf, dass diese Rechtsauffassung auch vom LSG Baden-Württemberg im vorangegangenen Eilverfahren explizit vertreten worden ist. V.) Danach ist der an der Klägerin beteiligte Beigeladene Ziff. 1 abhängig beschäftigt, denn er hat keinen wesentlichen Einfluss auf die Geschäfte der Klägerin. Er kann zwar auf Grundlage des Gesellschaftsvertrags Beschlüsse der Gesellschafterversammlung in nicht unerheblichem Umfang verhindern. Gleichwohl fehlt es offenkundig an der vom BSG im Verfahren B 12 KR 13/17 R ausdrücklich geforderten umfassenden Rechtsmacht, ihm nicht genehme Beschlüsse der Gesellschafterversammlung zu verhindern. Mit dem LSG ist die Kammer der Überzeugung, dass die Entscheidung des 12 Senats des BSG so zu verstehen ist, dass nur im Fall einer einfachen Stimmmehrheit nach § 47 Abs. 1 GmbHG ein Kapitalanteil von 50 % ausreichend für die Annahme einer Selbständigkeit ist. Dem BSG ging es in der genannten Entscheidung ersichtlich darum klarzustellen, dass nur derjenige Gesellschafter-Geschäftsführer selbständig ist, der zumindest alle ihm nicht genehmen Weisungen verhindern kann, während die Verhinderung von Entscheidungen in Teilbereichen gerade nicht genügt. Die umfassende Verhinderung nicht genehmer Entscheidungen der Gesellschafterversammlung und die damit einhergehende für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit hinreichende Rechtsmacht kann zur Überzeugung der Kammer nach der Ratio der zitierten Entscheidung des Bundessozialgerichts entweder durch die stimmenmäßige Beteiligung am Stammkapital von 50 % bei notwendiger Mehrheitsentscheidung i.S.v. § 47 Abs. 1 GmbHG, eine von § 47 Abs. 1 GmbHG abweichende besondere Ausgestaltung der Stimmmehrheiten (z.B. Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit, die nur von allen Gesellschaftern zusammen erreicht wird, für alle Entscheidungen) oder durch die Aufnahme eines alle Geschäftsbereiche umfassenden uneingeschränkten Vetorechts erfolgen. Nicht ausreichend ist nach der Ratio der genannten Entscheidung des BSG hingegen, wenn der Beigeladene Ziff. 1 wegen der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags diverse enumerativ benannte, aber gerade nicht alle und insbesondere nicht das das alltägliche Geschäft der Klägerin betreffende Weisungen, die gerade keiner qualifizierten Mehrheit nach § 9 Abs. 6 i.V.m. § 11 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrags bedürfen, verhindern kann. VI.) Die sich so ergebende fehlende umfassende Rechtsmacht ist derart beachtlich, dass es auf weitere Aspekte nicht ankommt. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer wie der Beigeladene Ziff. 1 ist nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbstständig tätig (BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 13/17 R –, a.a.O. Rn. 21). Die dienende Teilhabe am Arbeitsprozess und Einbindung in den Betrieb der Klägerin steht für die erkennende Kammer außer Frage. VII.) Wegen der Höhe der Nachforderung – gegen welche die Klägerin keine substantiierten Einwendungen erhoben hat wird auf die zutreffenden Ausführungen im Ausgangsbescheid verweisen, welchen die Kammer nach § 131 Abs. 3 SGG folgt. VIII.) Der Umstand, dass nach dem Urteil des BSG vom 29.7.2015 (Az. B 12 KR 23/13 R) die sog "Kopf und Seele"-Rechtsprechung im Rahmen von Statusbeurteilungen keine Bedeutung mehr hat, begründet für die Zeit vor dieser Entscheidung des BSG keinen Vertrauensschutz (so auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. Dezember 2017 – L 10 R 1637/17 –, juris). Entscheidungen oberster Gerichte, die vornehmlich zur grundsätzlichen Auslegung und Weiterentwicklung des Rechts berufen sind, wirken zwar über den entschiedenen Einzelfall hinaus als – freilich nur richtungsweisendes – Präjudiz für künftige Fälle. Die höchstrichterliche Rechtsprechung erzeugt aber keine dem Gesetzesrecht gleichkommende Rechtsbindung. Weder sind die unteren Gerichte an die höchstrichterliche Rechtsprechung gebunden, noch sind es die obersten Gerichte selbst. Kein Prozessbeteiligter kann daher darauf vertrauen, der Richter werde stets an einer bestimmten Rechtsaufassung aus der bisherigen Judikatur festhalten. Schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage aufgrund höchstrichterlicher Entscheidungen kann daher in der Regel nur bei Hinzutreten weiterer Umstände entstehen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 05. November 2015 – 1 BvR 1667/15 –; juris Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 20. Dezember 2018 – L 12 BA 23/18 B ER –, Rn. 31, juris). Für weitere Umstände, die die Annahme von Vertrauensschutz rechtfertigen könnte, ist bereits deshalb nichts ersichtlich, weil gerade für Betriebsprüfungen anerkannt ist, dass diese lediglich für die ihnen zu Grunde liegenden Teilzeiträume Regelungen zu Versicherungspflicht und Beitragshöhe einzelner (stichprobenartig geprüfter) Arbeitnehmer zulassen. Das Bundessozialgericht hat wiederholt ausgeführt, dass sich eine materielle Bindungswirkung eines Betriebsprüfungsbescheids lediglich insoweit ergeben kann, als Versicherungs- und daraus resultierende Beitragspflicht personenbezogen für einen abgeschlossenen Zeitraum durch gesonderten Verwaltungsakt festgestellt wurden (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 R 7/14 R –, Rn. 18, juris). An einer Nacherhebung für andere Personen oder einer abweichenden Beurteilung bzw. Korrektur fehlerhafter Einschätzungen im Folgezeitraum ist die Beklagte deshalb bereits aufgrund der Regelungswirkung eines früheren Prüfbescheids nicht gehindert. Entsprechend ist die Kammer der Auffassung, dass auch eine tatsächlich überhaupt nicht gegebene (s.o.) langjährige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ohne Hinzutreten erheblicher weiterer Gründe, für die vorliegend nichts spricht, keinen Vertrauensschutz vermitteln könnte. C.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Rechtskraft
Aus
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