L 9 AL 102/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 7 AL 196/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 102/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11a/11 AL 73/04 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 09. April 2003 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit ab 21.02.2002 wegen mangelnder Bedürftigkeit.

Der am 00.00.00 geborene, ledige Kläger bezog Arbeitslosengeld (Alg) bis zum 20.02.2000 und im Anschluss Alhi, zuletzt für den Bewilligungsabschnitt vom 21.02.2001 bis 20.02.2002.

Zu seinem Antrag auf Fortzahlung der Alhi vom 31.01.2002 gab der Kläger an, er verfüge über zwei Sparbücher mit Einlagen iHv 1000,- Euro bzw. 543,25 Euro. Ferner besitze er Wertpapiere mit einem derzeitigen Kurswert von 829,99 Euro bzw. 766,94 Euro (= 1500,- DM). Daneben bestehe ein Bausparvertrag mit einem aktuellen Guthaben iHv 41.360,21 Euro (Bausparsumme 102.258,38 Euro - Vertragsbeginn 31.03.1980). Bei einer Kündigung innerhalb von 14 Tagen trete ein Verlust iHv 1488,96 Euro ein.

Die Beklagte lehnte den Alhi-Antrag mit Bescheid vom 19.03.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.07.2002 mit der Begründung ab, der Kläger verfüge über Vermögen iHv 44.507,89 Euro (Sparbücher, Wertpapiere, Bauspardarlehen), das verwertbar und dessen Verwertung zumutbar sei. Unter Berücksichtigung eines Freibetrages iHv 30.160,- Euro verbleibe ein Betrag iHv von 14.347,89 Euro, der bei der Prüfung der Bedürftigkeit zu berücksichtigen sei.

Mit seiner am 26.07.2002 bei dem Sozialgericht Düsseldorf erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Verwertung des Bausparvertrages sei ihm unzumutbar, da dieser der Altersvorsorge diene und somit Vermögen zur künftigen Existenzsicherung sei. Bei einer Verwertung durch Kündigung würde auch ein Verlust iHv 1488,96 Euro eintreten.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 09.04.2003 abgewiesen und ausgeführt, für den Bewilligungsabschnitt ab 21.02.2002 seien die Vorschriften der AlhiV 2002 abwendbar. Diese enthielten keine dem § 6 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AlhiV a.F. entsprechende Regelung, nach der die Verwertung von Vermögen, das zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt sei, nicht zumutbar sei. Nach Abzug eines Freibetrags iHv 29.640,- Euro (57 x 520,- Euro) verbleibe ein zu verwertendes Vermögen iHv 14.860,39 Euro, dessen Verwertung auch nicht offensichtlich unwirtschaftlich sei. Zwar entstehe bei Kündigung des Bausparvertrages innerhalb von 14 Tagen ein Verlust iHv 1488,96 Euro, aus dem sich im Vergleich zum Bausparguthaben ein Verlust von 3,6 % ergebe. Hieraus folge jedoch keine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Vermögensverwertung, weil das Ergebnis der Verwertung nur geringfügig vom wirklichen Wert abweiche.

Gegen das ihm am 15.04.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.05.2003 Berufung eingelegt. Er macht geltend, auch ein absoluter Betrag iHv 1488,96 Euro als Verlust bei vorzeitiger Kündigung des Bausparvertrages könne nicht als noch "wirtschaftlich vertretbar" oder nur geringfügig angesehen werden. Hinzu komme, dass bereits die Kündigung des Bausparvertrages im Hinblick auf die Aufgabe der Anlageform des Bausparvertrages und der damit verbundenen Verluste weiterer Zinsen offensichtlich unwirtschaftlich sei. Aus Gründen des Besitzschutzes sei es rechtswidrig, wenn jahrzehntelang angespartes Alterssicherungsvermögen, das bislang stets als Vermögen zur Altersvorsorge von der Berücksichtigung im Hinblick auf die Bewilligung von Alhi ausgenommen worden sei, nunmehr zu Gunsten einer neuen Anlageform der Alterssicherung bei der Beurteilung der Bedürftigkeit außer acht bleiben solle. Im Hinblick auf seine vermögenswerten Rechte aus dem Bausparvertrag habe er eine eigentumsähnliche Position erlangt, die dem Schutzbereich des Artikel 14 Grundgesetz (GG) unterfalle.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 09.04.2003 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.07.2002 zu verurteilen, ihm Alhi ab 21.02.2002 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht geltend, der Kläger habe keine eigentumsähnliche Position auf Grund des Umstandes erlangt, dass ihm die Beklagte in der Vergangenheit Alhi unter Außerachtlassung des Bausparvermögens bewilligt habe. Insofern berücksichtige er nicht, dass die Alhi jeweils nur für ein Jahr bewilligt werde und vor einer erneuten Bewilligung stets die Voraussetzungen des Anspruchs zu prüfen seien. Auch der Einwand des Klägers, ein Verlust iHv 1488,96 Euro bei der Kündigung des Bausparvermögens sei durchaus als unwirtschaftlich anzusehen, greife nicht, da das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung eindeutig ein relative und keine absolute Betrachtungsweise gefordert habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf den Inhalt der Gerichts- und Leistungsakte Bezug, die vorgelegen haben und ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht mit Urteil vom 09.04.2003 abgewiesen, da der Kläger für die Zeit ab 21.02.2002 keinen Anspruch auf Alhi hat. Der angefochtene Bescheid vom 19.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.07.2002 ist nicht zu beanstanden, da die Bewertung des Vermögens des Klägers bezogen auf den Zeitpunkt der Antragstellung und des jeweiligen Leistungsbeginns ergibt, dass der Kläger nicht bedürftig war.

Ob ein Anspruch auf Alhi besteht, bestimmt sich nach § 190 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs- Arbeitsförderung - (SGB III). Danach haben Anspruch auf Alhi Arbeitnehmer, die arbeitslos sind (Nr. 1), sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet haben (Nr. 2), einen Anspruch auf Alg nicht haben, weil sie die Anwartschaftszeit nicht erfüllt haben (Nr. 3), in der Vorfrist Alg bezogen haben, ohne dass der Anspruch wegen des Eintritts einer Sperrzeit mit einer Dauer von insgesamt 24 Wochen erloschen ist (Nr. 4) und bedürftig sind (Nr. 5). Die Anspruchsvoraussetzungen des § 190 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 SGB III lagen vor. Eine Bedürftigkeit des Klägers (Nr. 5) war jedoch nicht gegeben.

Insofern bestimmt § 193 Abs. 2 SGB III, dass nicht bedürftig ein Arbeitsloser ist, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist. Nach § 206 Nr. 1 SGB III kann durch Rechtsverordnung bestimmt werden, inwieweit Vermögen zu berücksichtigen ist und unter welchen Voraussetzungen anzunehmen ist, dass der Arbeitslose seinen Lebensunterhalt auf andere Weise bestreitet oder bestreiten kann. Auf der Grundlage dieser Verordnungsermächtigung hat das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung die am 01.01.2002 in Kraft getretene und damit für den hier streitigen Zeitraum anwendbare Arbeitslosenhilfe-Verordnung vom 13.12.2001 (BGBl I S 3734 - AlhiV 2002) erlassen. Die zuvor geltende AlhiV vom 07.08.1974 (BGBl I S 1929) trat gleichzeitig außer Kraft, § 5 AlhiV 2002. Sie findet auf den vorliegenden Sachverhalt auch nicht gemäß der Übergangsvorschrift in § 4 Abs. 1 AlhiV 2002 weiterhin Anwendung. Hiernach gelten mit Ausnahme des § 9 die Vorschriften der AlhiV vom 07.08.1974 in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung für die Dauer der laufenden Bewilligung fort, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Alhi nach § 190 Abs. 1 SGB III im Zeitraum vom 01.10.2001 bis zum 31.12.2001 vorgelegen haben.

Da der Kläger Alhi zuletzt aufgrund des Ablaufs des einjährigen Bewilligungsabschnittes bis zum 20.02.2002 bezogen hat, liegen die Voraussetzungen der Übergangsregelung nicht vor.

Nach § 1 Abs. 1 AlhiV 2002 ist das gesamte verwertbare Vermögen des Arbeitslosen (Nr. 1) und seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten (Nr. 2) zu berücksichtigen, soweit der Wert des Vermögens den Freibetrag übersteigt. Freibetrag ist ein Betrag von 520 Euro je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen; dieser darf für den Arbeitslosen jeweils 33.800 Euro nicht übersteigen (§ 1 Abs. 2 Satz 1 AlhiV 2002). Danach hat das Sozialgericht für den Kläger (57 Lebensjahre mal 520 Euro) zutreffend einen Freibetrag in Höhe von insgesamt 29640 Euro ermittelt. Das hier bei der Antragstellung und in der Zeit ab 21.02.2002 (§ 1 Abs. 4 Satz 2 AlhiV) maßgebliche Vermögen des Klägers aus den Sparbüchern, den Wertpapieren sowie dem Bausparvertrag iHv 44.500,39 Euro überstieg den Freibetrag abzüglich der Verwertungskosten für den Bausparvertrag um 13.371,43 Euro.

Es handelt sich bei dem Bausparguthaben, den Sparbüchern und den Wertpapieren um verwertbares Vermögen, dessen Berücksichtigung nicht durch die abschließende Regelung in § 1 Abs. 3 AlhiV 2002 ausgeschlossen wird. Als Vermögen sind danach insbesondere nicht zu berücksichtigen das nach § 10a oder dem XI. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes geförderte Altersvorsorgevermögen einschließlich seiner Erträge und der geförderten laufenden Altersvorsorgebeträge (sog. Riester-Anlagen, § 3 Abs. 3 Nr. 3 AlhiV 2002) oder nachweislich für die Alterssicherung bestimmte Sachen und Rechte des Arbeitslosen, wenn dieser nach § 231 SGB VI von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung befreit ist (§ 3 Abs. 3 Nr. 4 AlhiV 2002). Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen dieser Ausnahmevorschriften. Er gehört nicht zu dem von der Rentenversicherungspflicht befreiten Personenkreis. Bei dem Bausparvertrag handelt es sich nicht um ein den Vorgaben des § 1 Abs. 3 Nr. 3 AlhiV 2002 entsprechendes Altersvorsorgevermögen, da hierunter nur die nach § 5 Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz vom 26.06.2001 (AltZertG - BGBl 2001 S 1310, 1322ff) durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zertifizierten Altersvorsorgeverträge fallen. Hierzu kann der Bausparvertrag schon deshalb nicht gehören, weil er kein Alterseinkommen in Form einer lebenslangen gleichbleibenden oder steigenden monatlichen Leibrente sicherstellt, wie dies § 1 Abs. 1 Nr. 4 AltZertG verlangt (Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Auflage 2004, Vor § 159 Rdnr 10f, 34f).

Die Berücksichtigung des Bausparvertrages entfällt auch nicht deshalb, weil es sich um Sachen und Rechte handelt, deren Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich iSd § 1 Abs. 3 Nr. 6 AlhiV 2002 ist. Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit ist zu berücksichtigen, dass es sich bei diesem Fall der Vermögensprivilegierung um einen Auffangtatbestand handelt, der vorrangig auf Gesichtspunkte der wirtschaftlichen Verwertbarkeit der jeweiligen Sache bzw des jeweiligen Rechts abstellt (Krauß in: Wissing, PK-SGB III, 2. Auflage 2002, § 193 Rdnr 72). Offensichtlich unwirtschaftlich ist eine Verwertung daher nur dann, wenn der dadurch erlangte bzw zu erzielende Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert des verwerteten bzw zu verwertenden Vermögensgegenstandes steht oder stehen würde. Umgekehrt ist eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Vermögensverwertung nicht gegeben, wenn das Ergebnis der Verwertung vom wirklichen Wert nur geringfügig abweicht (BSG, Urteil vom 25.04.2002 - B 11 AL 69/01 R - info also 2002, 228; BSG, Urteil vom 17.10. 1996 - 7 RAr 2/96 - SozR 3-4100 § 137 Nr. 7; BSG, Urteil vom 17.10.1990 - 11 RAr 133/88 -). Da nach Auskunft der LBS Westdeutsche Landesbausparkasse das im Rahmen des Bausparvertrages angesparte Guthaben iHv 41.360, 21 Euro ausgezahlt werden kann, tritt kein Wertverlust des Bausparguthabens ein. Die anfallende Gebühr steht einer Kündigung nicht entgegen, da sie die Verwertung nicht unwirtschaftlich macht. Jedenfalls bei einer Vermögensreduzierung von 3,6% des Vermögenswertes ist die Grenze einer Unwirtschaftlichkeit der Verwertung nicht erreicht. Da das "Verschleuderungsverbot" nur die Substanz des Vermögens, nicht jedoch die Erwartung zukünftiger Vermögenszuwächse schützt, kann die offensichtliche Unwirtschaftlichkeit nicht mit den in Zukunft zu erwartenden Erträgen begründet werden (sa LSG Berlin, Urteil vom 02.09.2003 - L 6 AL 16/03 - ).

Auch das Vorbringen des Klägers, er benötige das Vermögen aus seinem Bausparvertrag zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung führt nicht zu einer offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit der Vermögensverwertung nach § 1 Abs. 3 Nr. 6 AlhiV 2002. Wie der Leistungsakte der Beklagten zu entnehmen ist, beruhte die Nichtberücksichtigung des Bausparvertrages in dem bis zum 20.02.2002 laufenden Bewilligungsabschnitt auf einer einzelfallbezogenen Berücksichtigung des Lebensalters des Klägers sowie seines Vortrags, er habe wegen seiner Arbeitslosigkeit von der ursprünglich geplanten Anschaffung einer Eigentumswohnung Abstand nehmen müssen. Da der Verordnungsgeber mit der Neufassung der AlhiV 2002 die allgemeine Billigkeitsklausel des § 6 Abs. 3 Satz 1 AlhiV nicht übernommen hat, können weitere Lebensumstände des Arbeitslosen wie etwa die Dauer der Arbeitslosigkeit, sein Alter oder der Grad der Alterssicherung (vgl z.B BSG, Urteil vom 29.01.1997 - 11 RAr 21/96 - SozR 3- 4220 § 6 Nr. 4) jedoch auch über den unbestimmten Rechtsbegriff der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit iSd § 1 Abs. 3 Nr. 6 AlhiV nicht mehr berücksichtigt werden (LSG Berlin, Urteil vom 26.07.2004 - L 6 AL 25/04 - anhängig BSG B 11 AL 51/04 R). Eine Vermögensverwertung kann nicht deshalb als unwirtschaftlich angesehen werden, weil das Vermögen von dem Arbeitslosen mit der Zweckbestimmung der Altersvorsorge angelegt worden ist und durch dessen Verbrauch die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung erheblich erschwert wird. Insofern ist zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber mit der AlhiV 2002 einen einheitlichen Freibetrag für alle Vermögensarten unabhängig von ihrer Zweckbindung eingeführt hat. Ein Altersvorsorgevermögen soll auf der Grundlage des negativen Regelbeispiels in § 1 Abs. 3 Nr. 3 AlhiV 2002 nur (noch) dann ergänzend von der Anrechnung ausgenommen werden, wenn durch vertragliche Versorgungsvereinbarung in Form der sog. Riester-Anlagen die Verwendung für die Alterssicherung sichergestellt wird. In Fortführung dieses Gedankens enthält § 12 Abs. 2 Nr. 3 des Sozialgesetzbuches- Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) vom 24.12.2003 (BGBl I S 2954) neben dem altersabhängigen Grundbetrag in Höhe von 200 Euro pro Lebensjahr für den Arbeitslosen und dessen Partner sowie den als Altersvorsorgevermögen geförderten Riester-Anlageformen einen weiteren Freibetrag für der Altersvorsorge dienende geldwerte Ansprüche (in Höhe von 200 Euro pro Lebensjahr des Hilfebedürftigen und seines Partners), die auf Grund vertraglicher Vereinbarung nicht vor dem Eintritt in den Ruhestand verwertbar sind. Mit diesen Regelungen wird bezweckt, Altersvorsorgevermögen nur noch dann von der Verwertung auszunehmen, wenn durch vertragliche Vereinbarungen die Zweckbestimmung der Altersvorsorge und die Vermeidung von Bedürftigkeit im Alter sichergestellt und objektiviert wird (so ausdrücklich BT-Drucks 15/1749 S 31 zu § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II: "Die Typisierung soll den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung tragen und durch den Ausschluss der Verwertbarkeit vor Erreichen des Ruhestandes Missbrauch möglichst vermeiden".). Mit diesem Sinn und Zweck sowie der neuen Systematik der AlhiV 2002 wäre es nicht vereinbar, das Bausparvermögen des Klägers, das grundsätzlich verwertet werden kann, von der Anrechenbarkeit auszunehmen.

Die AlhiV 2002 hält sich im Rahmen der gültigen Ermächtigung des § 206 Nr. 1 SGB III. Nach § 206 Nr. 1 SGB III kann durch Rechtsverordnung u.a. bestimmt werden, inwieweit Vermögen zu berücksichtigen ist. Eine Eingrenzung der weit gefassten Verordnungsermächtigung, die den Verordnungsgeber nach ihrem Wortlaut nicht nur befugt, die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Annahme eines Schonvermögens zu regeln, sondern auch den Betrag zu bestimmen, bis zu dem eine Berücksichtigung möglich ist, ist aus der Systematik dieser Leistung abzuleiten. Insofern stützt sich der Senat auf die Entscheidung des BSG vom 27.05.2003 (B 7 AL 104/02 R - SozR 4-4220 § 6 Nr. 1) zu der Vorgängerregelung in § 6 Abs. 4 der AlhiV (idF der Sechsten Verordnung zur Änderung der AlhiV vom 18.07.1999 -BGBl I 1999, 1433, in Kraft ab 29.06.1999), nach deren Inhalt für eine Alterssicherung im Sinne des § 6 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alhi-VO Vermögen angemessen war, soweit es 1.000 DM je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen und seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten nicht überstieg. Hinsichtlich dieser Norm hat das BSG aus den Regelungen des SGB III, insbesondere derjenigen des § 193 Abs. 2 SGB III, im Sinne des Art 80 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) mit hinreichender Bestimmtheit abgeleitet, dass der Arbeitslose grundsätzlich auch die Substanz seines Vermögens für seinen Lebensunterhalt zu verwerten hat, bevor er Leistungen der Alhi in Anspruch nimmt. Allerdings werde der Anspruchsteller nach dem Alhi-Recht nicht darauf verwiesen, vorhandenes Vermögen gänzlich zu verbrauchen, bevor die Alhi einsetze. Eine insoweit zu beachtende Untergrenze (Mindeststandard) hat das BSG aus dem System der Sozialleistungen abgeleitet. Da die Alhi eine gegenüber der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) vorrangige Sozialleistung sei, sei auch bei der Alhi zumindest das jeweilige Vermögen von der Anrechnung freizustellen, das nach den Vermögensanrechnungsvorschriften des BSHG (§ 88 BSHG) nicht einzusetzen sei. Der nach § 6 Abs. 4 AlhiV eingeräumte Freibetrag von 1.000 DM je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen lag erheblich über dem sozialhilferechtlich geschützten Schonvermögen, da sonstiges Altersvorsorgevermögen lediglich im Rahmen des allgemeinen Freibetrages für die Vermögensanrechnung nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG iVm § 1 Abs. 1 Nr. 1a) der VO zur Durchführung des § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG vom 11.02.1988 (BGBl I 1988 S 150, zuletzt geändert durch Gesetz vom 26.06.2001 - BGBl I S 1310) in Höhe von 1.279 Euro (bzw 2301 Euro bei Hilfesuchenden, die das 60.Lebensjahr vollendet haben) zzgl 614 Euro für den Ehegatten von der Pflicht vor vorrangigen Verwertung ausgenommen ist. Nach der Härteklausel des § 88 Abs. 3 BSHG kommt die Nichtberücksichtigung von weiterem Altersvorsorgevermögen ausdrücklich nur für Empfänger von Hilfe in besonderen Lebenslagen in Betracht. Vor diesem Hintergrund hat das BSG die Höhe der Freibeträge des § 6 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alhi-VO auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines "Abstandsgebots" zwischen den Leistungen Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe beanstandet.

Dementsprechend ist auch die AlhiVO 2002, mit welcher der Verordnungsgeber die Alters-Schonvermögensregelung wieder aufgehoben und einen einheitlichen Freibetrag für alle Vermögen mit einem Höchstsatz von 520 Euro je vollendetem Lebensjahr bis zur Obergrenze von 33.800 Euro eingeführt hat, ermächtigungskonform. Hinsichtlich der Höhe des von dem Zwang zur Verwertung freigestellten Altersvorsorgevermögen verblieb es für den hier streitigen Leistungszeitraum bei einem ausreichenden, die Freibeträge nach dem BSHG wesentlich übersteigenden Vermögensfreibetrag in "derselben Größenordnung" wie bisher (sa LSG Berlin, Urteil vom 02.09.2003 - L 6 AL 16/03 -). Mit der Regelung des § 206 Nr. 1 SGB III iVm § 193 Abs. 2 SGB III ist dem Verordnungsgeber nicht im Sinne einer gesetzgeberischen Grundsatzentscheidung verbindlich vorgegeben, Altersvorsorgevermögen ausdrücklich, in einer bestimmen Form oder in einem bestimmten Umfang von der Anrechenbarkeit bei der Alhi als steuerfinanzierter Sozialleistung auszunehmen. Unabhängig von der Frage nach der sozialpolitischen Rechtfertigung einer erweiterten Heranziehung von (Altersvorsorge-)Vermögen bei der Bedürftigkeitsprüfung im Rahmen der Alhi hat der Verordnungsgeber seinen Gestaltungsspielraum nicht überschritten, wenn er - in Abweichung von der ihn nicht bindenden Rechtsprechung des BSG (vgl BSG, Urteil vom 22.10.1998 - B 7 AL 118/97 R- SozR 3-4220 § 6 Nr. 6) - zur Konkretisierung des Begriffs der "angemessenen Alterssicherung" zum Zwecke der Verringerung der aktuellen Ausgaben für die Alhi ein möglicherweise erhöhtes Risiko der Bedürftigkeit von Arbeitslosen im Alter schafft.

Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten begegnet die Regelung des § 1 AlhiV 2002 keinen durchgreifenden Bedenken. Da es sich bei der Alhi um eine aus Steuermitteln und nicht aus Sozialversicherungsbeiträgen finanzierte und durch das Merkmal der Bedürftigkeit geprägte Leistung handelt, unterfällt sie nicht dem Schutzbereich der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG (BSG, Urteil vom 27.05.2003 - B 7 AL 104/02 R - ; BSG, Urteil vom 04.11.1999 - B 11 AL 76/98 R - SozR 3-4100 § 136 Nr. 11 mwN).

Die Freibetragsregelung des § 1 Abs. 2 AlhiV 2002 verstößt in ihrer Anwendung auf den Kläger auch nicht gegen den in Art 3 Abs. 1 GG normierten allgemeinen Gleichheitssatz. Insofern schließt sich der Senat zunächst der Entscheidung des BSG vom 27.05.2003 (B 7 AL 104/02 R - SozR 4-4220 § 6 Nr. 1) an, nach deren Inhalt ein vom Lebensalter abhängiger Freibetrag für das Altersvorsorgevermögen sachlich begründet ist und keine unangemessene Benachteiligung jüngerer Arbeitslose darstellt. Auch hinsichtlich der Privilegierungstatbestände des § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 AlhiV 2002 liegt kein Gleichheitsverstoß vor. Da die sog. Riester-Anlagen nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 AlhiV 2002 eine andere Form der Alterssicherung als Bausparverträge garantieren, können beide Formen der Vermögensbildung unterschiedlich behandelt werden. Da der Gesetz- bzw Verordnungsgeber im Hinblick auf die Ordnung von Massenerscheinungen - hierzu zählt auch das Recht der Alhi - weiten Gestaltungsraum für generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen hat (BVerfG, Beschluss vom 10.04.1997 - 2 BvL 77/92 - BverfGE 96, 1ff), ist es im Hinblick auf § 1 Abs. 3 Nr. 4 aus Rechtsgründen nicht geboten, dass auch bei rentenversicherungspflichtigen Alhi-Empfängern Rentenlücken durch eine Erhöhung des allgemeinen Freibetrages ausgeglichen werden. Der Verordnungsgeber erfasst durch die Bezugnahme auf § 231 SGB VI vielmehr typisierend einen Personenkreis, der nicht über Rentenanwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung verfügt, die grundsätzlich nicht bei der Bedürftigkeitsprüfung herangezogen werden (LSG Berlin, Urteil vom 26.07.2004 - L 6 AL 25/04 - anhängig BSG B 11 AL 51/04 R).

Aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ergibt sich kein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers in den Fortbestand der bisherigen Rechtslage zur Anrechenbarkeit von Altersvorsorgevermögen bei der Alhi. Zwar sind die Neuregelungen der AlhiV 2002 für Bezieher laufender Alhi mit einer sogenannten unechten Rückwirkung (tatbestandliche Rückanknüpfung) verbunden. Einschränkungen hinsichtlich der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Zulässigkeit gesetzlicher Regelungen, die eine unechte Rückwirkung herbeiführen (BVerfG, Beschluss vom 13.05.1986 - 1 BvL 55/83 - SozR 2200 § 1265 Nr. 78; BVerfG, Beschluss vom 28.11.1984 - 1 BvR 1157/82 - BverGE 68, 287, 307), können sich im Hinblick auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip und den Grundsatz des Vertrauensschutzes regelmäßig jedoch nur dann ergeben, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder nicht erforderlich ist oder wenn das Vertrauen der Betroffenen auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegt (BVerfG, Beschluss vom 14.10.1997 - 1 BvL 5/93 - BVerfGE 96, 330, 340). Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung bedarf es der Abwägung zwischen dem Ausmaß des Vertrauensschadens für den Einzelnen und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit (BVerfG, Beschluss vom 13.05.1986 - 1 BvL 55/83 - SozR 2200 § 1265 Nr. 78; BVerfG, Urteil vom 16.07.1985 - 1 BvL 5/80, 1 BvR 1023, 1052/83 und 1227/84 - BVerfGE 69, 272, 309f).

Insofern ist schon fraglich, ob der Kläger im Zeitpunkt des Erwerbs des Bausparvertrages auf eine generelle Nichtberücksichtigung dieses Vermögenswertes im Falle eines künftigen, aus Steuermitteln finanzierten Alhi-Bezugs vertrauen konnte, zumal es sich bei dem Bausparguthaben um im Grundsatz verwertbares Vermögen handelt (BSG, Urteil vom 17.10.1990 - 11 RAr 133/88 ). Zwar war der Verbrauch eines zur angemessenen Alterssicherung bestimmten Vermögens als solches nach dem Inhalt der AlhiV in der jeweiligen Fassung bis zum Inkrafttreten der AlhiV 2002 nicht zumutbar. Aus dem unbestimmten Rechtsbegriff der angemessenen Alterssicherung sowie der allgemeinen Billigkeitsklausel und ihrer Konkretisierung durch die Rechtsprechung konnte der Kläger jedoch schon deshalb keinen Vertrauensschutz ableiten, weil eine für den Betroffenen günstige Rechtsprechung stets unter dem Vorbehalt einer ungünstigeren Verordnungsregelung steht (BSG, Urteil vom 27.05.2003 - B 7 AL 104/02 R - SozR 4-4220 § 6 Nr. 1). Da es mit der AlhiV 2002 für den hier streitigen Zeitraum ab 21.02.2002 im Grundsatz bei der bisherigen Höhe der Freistellung von Vermögen blieb, ist auch nicht erkennbar, dass durch die mit Wirkung ab 01.01.2002 verschärften inhaltlichen Anforderungen für die (ergänzende) Privilegierung von Altersvorsorgevermögen ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers enttäuscht werden könnte. Allerdings wird durch den Wegfall der den Kläger bisher begünstigenden allgemeinen Billigkeitsklausel des § 6 Abs. 3 Satz 1 AlhiV in seine Rechte eingegriffen. Insofern muss das auf Seiten des Klägers vorliegende Vertrauen auf eine dauerhafte Nichtanrechnung seiner Vermögenswerte jedoch gegenüber dem Anliegen des Verordnungsgebers zurücktreten, durch Pauschalierungen sowohl zeitraubende Ermittlungen zur Frage der Vermögensanrechnung als auch Streitfragen bei der Auslegung der Billigkeitsklausel zu vermeiden und somit das Verwaltungsverfahren zu vereinfachen und zu straffen (LSG Berlin, Urteil vom 02.09.2003 - L 6 AL 16/03 -). Hinzuweisen ist auch darauf, dass der 11. Senat des BSG im Zusammenhang mit dem Wegfall der orginären Alhi mit Wirkung ab 01.01.2000 (Drittes Gesetz zur Änderung des SGB III vom 22.12.1999 - BGBl I 2624) eine verfassungsrechtliche Einrichtungsgarantie der Alhi in ihrem jeweiligen Stand wegen des unerlässlichen Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers bei notwendigen Entscheidungen zur Finanzierung des Bundeshaushalts gerade nicht anerkannt hat (BSG, Urteil vom 10.07.2003 - B 11 AL 63/02 R - SozR 4-4300 § 27 Nr. 1)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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