S 38 KA 972/15

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
38
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 38 KA 972/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
I. Eine Klage auf Erteilung einer Ermächtigung nach § 116 SGB V i.V.m. § 31a Abs. 1 S.2 Ärzte-ZV ist unzulässig, wenn der Zeitraum, für den die Ermächtigung begehrt wird und regelmäßig erteilt wird (Zweijahreszeitraum), abgelaufen ist. Die begehrte Regelungswirkung ist dann entfallen.

II. Bei vorstationären und nachstationären Leistungen im Zusammenhang mit einem beabsichtigten bzw. bereits erfolgten chirurgischen (endoprothetischen) stationären Eingriff handelt es sich grundsätzlich um allgemeine ärztliche Leistungen, zu deren Erbringung der überweisende niedergelassene Facharzt aufgrund der Weiterbildungsordnung befähigt ist und die ihm aufgrund des Grundsatzes über den Vorrang des niedergelassenen Bereichs vorbehalten sind. Dadurch, dass es in manchen Fällen sinnvoll sein mag, wenn vor- und nachstationäre Leistungen durch den Operateur ebenfalls mit erbracht werden, entsteht kein qualitativ-spezieller Versorgungsbedarf.

III. Eine Objektivierung von Umfrageergebnissen im Sinne eines Abgleichs mit Anzahlstatistiken zur Feststellung eines Versorgungsbedarfs ist dann nicht möglich, wenn es sich um begrenzte Leistungen handelt, die dort im Detail nicht ihren Niederschlag gefunden haben.

IV. Auch bei allgemeinen Leistungen sind ausnahmsweise Wegstrecken über 25 km den Patienten zumutbar. Dies gilt für vorstationäre und nachstationäre Leistungen im Zusammenhang mit solchen stationären Eingriffen, bei denen die Wohnortnähe lediglich nachrangige Bedeutung hat.
I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Gegenstand der Klage ist der Widerspruchsbescheid des Beklagten (Sitzung vom 14.04.2015), mit dem der Widerspruch gegen den Ausgangsbescheid des Zulassungsausschusses vom 19.11.2014 zurückgewiesen wurde. Der Kläger, der Facharzt für Chirurgie (mit Zusatzweiterbildung spezielle Unfallchirurgie) und Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie ist und über die Zusatzbezeichnungen Notfallmedizin und Sportmedizin verfügt, ist seit 01.01.2008 als Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des Stiftungskrankenhauses A-Stadt ( C-Kliniken) tätig. Bereits in der Vergangenheit wurde ihm mehrfach eine Ermächtigung erteilt, jeweils befristet auf einen Zeitraum von 2 Jahren, zuletzt befristet bis 31.12.2014 (Ermächtigung zur Konsiliartätigkeit, zu Untersuchungen und Behandlungen auf Überweisung durch zugelassene Chirurgen und Orthopäden und in zugelassenen MVZ tätigen Chirurgen und Orthopäden). Mit Antrag vom 01.07.2014 beantragte der Kläger eine Folgeermächtigung "in unveränderter Art und Weise" und machte darauf aufmerksam, dass seine Ermächtigung zum 31.12.2014 ende. Er begehrt eine Anschlussermächtigung, bis auf wenige Leistungen deckungsgleich mit den früheren Ermächtigungen. Der Beklagte gelangte zum Ergebnis, es seien im Planungsbereich hinreichende Kapazitäten vorhanden, so dass eine Ermächtigung nicht gerechtfertigt sei.

In der Begründung machte der Beklagte darauf aufmerksam, im Planungsbereich gebe es bei Orthopäden eine Überversorgung von 121,8 %, weshalb Zulassungsbeschränkungen angeordnet seien. Ferner führte die Beklagte in dem mit Klage angegriffenen Widerspruchsbescheid aus, es sei eine Bedarfsanalyse durchgeführt worden. Hierzu hätten sich sieben befragte Praxen geäußert. Eine Praxis in D-Stadt habe die Ermächtigung befürwortet; ebenfalls eine in A-Stadt. Letztere habe aber keine Angaben zum eigenen Leistungsspektrum gemacht. Drei weitere Praxen hätten sich für eine teilweise Ermächtigung ausgesprochen. Dagegen hätten drei in Gemeinschaftspraxis in E-Stadt tätige Orthopäden die Notwendigkeit einer Ermächtigung verneint und darauf hingewiesen, sie hätten Kapazitäten von 500-1000 Patienten mit Wartezeiten von wenigen Tagen. Ferner sei zu berücksichtigen, dass seit dem 19.05.2014 in A-Stadt im Wege einer Sonderbedarfszulassung eine orthopädisch-chirurgische Einzelpraxis mit vollem Versorgungsauftrag hinzugekommen sei. Diese habe 100 freie "Plätze" angegeben. In dem Zusammenhang sei aber darauf hinzuweisen, dass dieser aufgrund seines beruflichen Werdeganges ein enges Verhältnis zu dem Widerspruchsführer habe, so dass dessen Äußerung nicht ganz "unbeeinflusst" sei. Unstimmigkeiten, freie Kapazitäten in den befragten Praxen betreffend, seien nicht erkennbar. Vielmehr könne aufgrund der Fallzahlen auf freie Kapazitäten geschlossen werden. Was die regionale Verteilung betreffe, sei zwar einzuräumen, dass die vormalige Praxis Dr. K. in A-Stadt nicht mehr bestehe. Es sei aber der Vertragsarztsitz in eine Praxis in E-Stadt "abgezogen" worden, die damit vergrößert worden sei. Neu hinzugekommen sei aber auch eine Praxis in A-Stadt. Insgesamt sei die Zahl der Vertragsarztsitze im Planungsbereich um einen Sitz erhöht worden. Was die Verkehrsverbindungen betreffe, sei festzustellen, dass die Fahrzeit von A-Stadt nach E-Stadt mit dem Zug (stündliche Zugverbindung) 30 Minuten betrage. Deshalb sei es Patienten, die keinen Termin in A-Stadt bekämen, zuzumuten, Leistungserbringer in E-Stadt aufzusuchen.

Dagegen ließ der Kläger Klage zum Sozialgericht München einlegen. Nach Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers besteht ein Bedarf an endoprothetischen-chirurgischen/orthopädischen Leistungen im Planungsbereich, den nur der Kläger decken könne. Ihm sei wichtig, im Vorfeld der Krankenhausbehandlung die Operationsindikation (für vorwiegend endoprothetische Eingriffe) zu prüfen. Außerdem sehe er es für notwendig an, die Patienten auch nachstationär betreuen zu können. Als Referenzbereich komme nur ein 25 km Radius um das Stiftungskrankenhaus A-Stadt in Betracht. Dagegen könnten andere Versorgungsangebote in benachbarten Planungsbereichen, zum Beispiel in F-Stadt (Planungsbereich Landkreis G-Stadt) nur ausnahmsweise mit einbezogen werden. Ein solcher Ausnahmetatbestand liege jedoch nicht vor (BSG, Urteil vom 19.07.2006, Az. B 6 KA 14/05 R). Fachärzte für Chirurgie, Orthopädie bzw. für Orthopädie und Unfallchirurgie außerhalb des 25 km Radius seien nicht zu berücksichtigen. Es handle sich um allgemeine Leistungen und nicht um spezielle Leistungen. Ferner werde auf eine Entscheidung des Sozialgerichts München vom 26.01.2011 (Az. S 39 KA 1007/07) hingewiesen. Demzufolge sei nur auf Vertragsärzte in A-Stadt und D-Stadt abzustellen. Was die Gemeinschaftspraxis Dres. K., L. in A-Stadt betreffe, seien deren Fallzahlen überdurchschnittlich. Dr. L. habe keine Kapazitäten angegeben und Dr. R. sei ein Rückenspezialist. Auch die enge Zusammenarbeit zwischen Dr. R. und dem Kläger sei vom Beklagten falsch interpretiert worden. Es bestehe eine besondere Qualifikation des Krankenhausarztes, dessen fundiertes Fachwissen zu berücksichtigen sei (vgl. SG Berlin, Urteil vom 06.04.2011, Az. S 71 KA 151/10). Hilfsweise werde geltend gemacht, dass auch eine Versorgungslücke bei Berücksichtigung der Ärzte, die in E-Stadt niedergelassen sind, bestehe. Die Angaben der Praxis Dres K., L. zu Kapazitäten (500-1000 freie Kapazitäten) entsprächen nicht der Wahrheit. Es sei die Pflicht des Beklagten, die Angaben zu objektivieren (BSG, Urteil vom 05.11.2008, Az. B 6KA 56/07 R). In dem Zusammenhang seien auch die Anzahlstatistiken der in Frage kommenden Ärzte mit heranzuziehen. Auf den Artikel der Augsburger Allgemeinen vom 24.05.2013 sei hinzuweisen. Die Versorgungslücke bestehe trotz der Nachsorgemöglichkeiten in § 115a SGB V. Denn die dort genannten Fristen reichten nicht aus. Die Absicht des Klägers bestehe darin, im Bereich der Schnittstelle von ambulanter und stationärer Versorgungsebene arbeiten zu können.

Mit Schreiben vom 13.01.2016 betonte der Beklagte, eine Einbeziehung benachbarter Planungsbereiche habe nicht stattgefunden. Es sei lediglich darauf hingewiesen worden, dass für Bewohner aus dem nördlichen Landkreis die Möglichkeit bestehe, die nahegelegenen Fachärzte in F-Stadt aufzusuchen. Zu hinterfragen sei auch, ob es sich lediglich um allgemeine und keine speziellen Leistungen handeln solle. Denn es gehe um die Feststellung der Operationsnotwendigkeit, insbesondere bei komplizierten gelenksersetzenden Operationen in einem Zertifizierten Endoprothetikzentrum. Den Patienten sei zumutbar, Leistungserbringer in mehr als 45 km Entfernung in Anspruch zu nehmen. Soweit geltend gemacht werde, Dr. R. sei ein Rückenspezialist, sollte dieser aufgrund seiner Ausbildung auch in der Lage sein, endoprothetische Fragestellungen beurteilen zu können. Auch sei es weltfremd, davon ausgehen zu wollen, dass keine persönlichen Kontakte zwischen Dr. R und dem Kläger bestehen würden. Denn Dr. R. nutze die Räumlichkeiten im Stiftungskrankenhaus A-Stadt. Für Dr. R sei es schwierig, sich gegen den Antrag auf Ermächtigung auszusprechen. Der Kläger wolle letztendlich die vom Gesetzgeber vorgesehenen zeitlichen Beschränkungen des § 115a SGB V umgehen. Im Übrigen gebe es seit 2016 eine neue Rechtslage durch die Einrichtung einer Servicestelle. Es bestehe die Pflicht, innerhalb von vier Wochen bei einem Facharzt einen Termin zugewiesen zu bekommen.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers wies darauf hin, die Leistungsangebote der Praxis Dres. K., L. in A-Stadt seien ungeeignet und die Wartezeiten viel zu hoch. Außerdem gelte es zu hinterfragen, wie die Beigeladene zu 1 die Terminservicestellen umsetzen wolle, wenn die Fahrtzeiten und Fahrtstrecken über dem Grenzwert von 30 Minuten bei allgemeinärztlichen Leistungen bzw. bei 60 Minuten bei spezialisierten ärztlichen Leistungen lägen. Dargestellt werden die Fahrtstrecken und Fahrtzeiten zwischen H-Stadt und E-Stadt bzw. A-Stadt und zwischen D-Stadt und E-Stadt und A-Stadt.

Der Beklagte betonte, die Angaben der Klägerseite zu Verbindungen des ÖPNV seien unzutreffend. Die Zeiten lägen deutlich darunter. Den Patienten seien weitere Strecken zumutbar, da es sich um sehr spezielle planbare Untersuchungen handle.

Die Sach- und Rechtslage wurde mit der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung am 12.02.2017 besprochen. Die mündliche Verhandlung wurde vertagt.

Unmittelbar im Nachgang richtete das Gericht an alle Beteiligten das Schreiben vom 23.02.2017, in dem die Sach- und Rechtslage aus Sicht des Gerichts dargestellt wurde. Es würde angefragt, ob nicht doch eine Ermächtigung, wenn auch mit reduziertem Ermächtigungsumfang erteilt werden könne.

Der Beklagte wies mit Schreiben vom 24.10.2017 darauf hin, die Beigeladene zu 1 sehe weiterhin keinen Bedarf für eine Ermächtigung des Klägers. Zwischenzeitlich seien fast drei Jahre ohne eine Ermächtigung des Klägers verstrichen. In dieser Zeit sei es zu keinerlei Beschwerden von Patientinnen und Patienten gekommen.

Schließlich teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 22.03.2018 mit, es sei zu keiner Einigung gekommen und es werde um eine Entscheidung per Gerichtsbescheid gebeten.

Auf Anfrage des Gerichts erklärten sich die Beteiligten mit einer Entscheidung des Gerichts im Wege eines Gerichtsbescheids nach § 105 SGG einverstanden.

Mit Schreiben vom 23.07.2019 hat das Gericht seine Rechtsauffassung gegenüber den Beteiligten nochmals ausführlich dargelegt.

Der Antrag des Klägers ergibt sich aus dem Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 27.08.2015.

Der Antrag des Beklagten ergibt sich sinngemäß aus seinen Äußerungen mit dem Inhalt, die Klage sei abzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung sowie des Gerichtsbescheids nach § 105 SGG ist die Beklagtenakte. Im Übrigen wird auf den sonstigen Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Sitzungsniederschrift vom 12.02.2017 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zum Sozialgericht eingereichte Klage ist unzulässig, aber auch unbegründet.

Vom Kläger wurde eine sogenannte kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG erhoben. Mit seinem Antrag vom 01.07.2014 an den Zulassungsausschuss hat der Kläger beantragt, ihm "in unveränderter Art und Weise" eine Ermächtigung zu erteilen. Die vorausgegangene Ermächtigung endete zum 31.12.2014. Dies bedeutet, der Kläger begehrte eine Ermächtigung für den Zeitraum vom 1.1.2015 bis 31.12.2016, zumal die vorausgegangenen Ermächtigungen von den Zulassungsgremien auf zwei Jahre zeitlich befristet erteilt wurden. Rechtsgrundlage ist hierfür § 31a Abs. 3 Ärzte-ZV in Verbindung mit § 31 Abs. 7 Ärzte-ZV. Dieser Zeitraum ist bereits abgelaufen. Insofern hätte sich die Regelungswirkung - wäre dem Kläger antragsgemäß die Ermächtigung erteilt worden - erledigt. Nichts Anderes kann gelten für den Fall, dass ihm - wie hier - eine Ermächtigung nicht erteilt wurde (vgl. LSG für das Saarland, Beschluss vom 04.04.2012, Az. L 3 KA 28/10; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer. Komment zum SGG, Rn 7a zu § 131). Hier ist ebenfalls die begehrte Regelungswirkung abgelaufen.

Es hätte daher nahegelegen, dass der Kläger einen neuen Antrag auf Erteilung einer Ermächtigung gestellt hätte, worüber die Zulassungsgremien hätten erneut entscheiden müssen. Prozessual hätte beantragt werden können, statt der bisher erhobenen Klage die Feststellung zu beantragen, dass der Bescheid des Berufungsausschusses rechtswidrig war. Dies ist jedoch nicht geschehen. Eine stillschweigende Umstellung auf eine sogenannte Fortsetzungsfeststellungsklage kann nicht angenommen werden (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer. Komment zum SGG, Rn 8 zu § 131).

Abgesehen davon wären sowohl die erhobene kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG, als auch eine Fortsetzungsfeststellungsklage - letztere würde voraussetzen, dass ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse besteht, dessen Vorliegen allerdings fraglich erscheint - unbegründet.

Denn die Entscheidungen der Zulassungsgremien sind rechtlich nicht zu beanstanden.

Den Zulassungsgremien steht ein Beurteilungsspielraum zu, der der gerichtlichen Kontrolle nur eingeschränkt zugänglich ist. Nach ständiger Rechtsprechung der Sozialgerichte (vgl. BSG, Urteil vom 12.09.2001, Az. B 6 KA 86/00 R) beschränkt sich die Prüfung darauf, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zu Grunde liegt, ob die Zulassungsgremien die durch Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs ermittelten Grenzen eingehalten und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet haben, dass im Rahmen des Möglichen die zu treffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist. Halten sich die Entscheidungen der ortsnahen und fachkundigen Zulassungsgremien im Rahmen der Beurteilungsermächtigung, sind diese hinzunehmen.

In Anwendung dieser Maßstäbe sind die Entscheidungen der Zulassungsgremien rechtlich nicht zu beanstanden.

Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ermächtigung ergeben sich aus § 116 SGB V in Verbindung mit § 31 a Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV. Danach ist eine Ermächtigung zu erteilen, soweit und solange eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten ohne die besonderen Untersuchungs-und Behandlungsmethoden oder Kenntnisse von hierfür geeigneten Ärzten nach Satz 1 nicht sichergestellt wird. Darin spiegelt sich der Vorrang der niedergelassenen Ärzte für den ambulanten Bereich wider (vgl. SG Marburg, Urteil vom 06.06.2007, Az. S 12 KA 1023/06).

Der Bedarf kann sowohl quantitativ-allgemein und/oder qualitativ-speziell sein. Er ist quantitativ-allgemein, wenn eine ausreichende Zahl von Ärzten für die ambulante Versorgung nicht zur Verfügung steht. Nach den Ausführungen der Zulassungsgremien lag der Versorgungsgrad im Bereich der Orthopädie bei 121,8 % im Planungsbereich. Die Versorgungssituation hat sich im Jahr 2014 verändert. So ist nach den Angaben des Beklagten ein Vertragsarztsitz in eine Praxis in E-Stadt "abgezogen" worden. Neu hinzugekommen ist aber auch eine Praxis in A-Stadt, so dass insgesamt die Zahl der Vertragsarztsitze im Planungsbereich um einen Sitz erhöht wurde. Daraus folgt, dass sich die Versorgungssituation gegenüber der, die der vorausgegangenen Ermächtigung zu Grunde zu legen war, zahlenmäßig sogar verbessert hat. Dies spricht dafür, dass nunmehr kein quantitativ-allgemeiner Versorgungsbedarf besteht.

Auch für einen qualitativ-speziellen Versorgungsbedarf ergeben sich keine Anhaltspunkte. Dieser ist grundsätzlich dann gegeben, wenn sich besondere Erkenntnisse und Erfahrungen, die ein Krankenhausarzt aufweist, in einem besonderen Leistungsangebot niederschlagen, das von den niedergelassenen Ärzten nicht oder nicht ausreichend abgedeckt wird (vgl. LSG für das Land Niedersachsen, Urteil vom 29.11.2000, Az. L 3/5 KA 2/97). Es mag zwar im Interesse des Krankenhausarztes liegen, die von ihm im Rahmen der Ermächtigung beantragten Leistungen erbringen zu dürfen, zumal ein Zusammenhang mit der stationären Behandlung besteht. Auch mag es im Interesse des Patienten liegen und in manchen Fällen durchaus sinnvoll sein, wenn eine vorstationäre und nachstationäre Betreuung durch denjenigen Krankenhausarzt stattfindet, der auch für den stationären endoprothetischen Eingriff zuständig ist bzw. war. Dadurch entsteht aber kein qualitativ-spezieller Versorgungsbedarf. Es handelt sich hierbei aber um Leistungen, die dem überweisenden Orthopäden vorbehalten sind. Hierzu ist er auch nach der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns vom 24.04.2004 in der Fassung des Beschlusses vom 11.10.2009 befähigt. Zum Weiterbildungsinhalt (Abschnitt B 4.5 der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns) gehört auch der Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten in der Erkennung, operativen und konservativen Behandlung, Nachsorge von Funktionsstörungen und Erkrankungen der Stütz-und Bewegungsorgane. Hinzu kommt, dass - wie sich aus § 31a Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV ergibt - die Behandlungstätigkeit des ermächtigten Arztes auf das Notwendigste zu beschränken ist (SG Marburg, Urteil vom 06.06.2007, Az. S 12 KA 1023/06).

Es trifft allerdings zu, dass auf die tatsächliche Versorgungssituation abzustellen ist (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000, Az. B 6 KA 35/99 R). Der Beklagte hat hier Ermittlungen angestellt, indem er bei Ärzten im Planungsbereich eine Umfrage gemacht hat. Zum Teil sprachen sich die befragten Ärzte für die Erteilung einer Ermächtigung aus, andere wiederum gaben an, sie hätten freie Kapazitäten und sähen keinen Bedarf für die Erteilung einer Ermächtigung. Zwei Praxen in D-Stadt und A-Stadt haben die Erteilung der beantragten Ermächtigung befürwortet, letztere aber ohne Angaben zum eigenen Leistungsspektrum. Drei weitere Praxen sprachen sich für eine teilweise Ermächtigung aus. Dagegen haben drei in Gemeinschaftspraxis in E-Stadt tätige Orthopäden die Notwendigkeit einer Ermächtigung verneint und darauf hingewiesen, sie hätten Kapazitäten von 500-1000 Patienten mit Wartezeiten von wenigen Tagen. Die Umfrageergebnisse waren somit nicht eindeutig. Grundsätzlich dürfen sich die Ermittlungen nicht in Umfragen erschöpfen. Hintergrund hierfür ist, dass die Antworten der befragten und eventuell konkurrierenden Ärzte von einer individuellen Interessenlage geprägt sind (BSG, Urteil vom 05.11.2008, Az. B 6 KA 56/07 R). Gefordert wird deshalb grundsätzlich eine Objektivierung auch anhand von sogenannten Anzahlstatistiken. Etwas anderes gilt aber, wenn eine solche Objektivierung nicht möglich ist. Dies ist nach Auffassung des Gerichts im streitgegenständlichen Verfahren der Fall. Denn es handelt sich um Leistungen (vor-und nachstationäre Leistungen), die in Anzahlstatistiken im Detail nicht ihren Niederschlag finden. Das Leistungsspektrum, das im Rahmen der begehrten Ermächtigung abgedeckt werden soll, ist nämlich sehr eingeschränkt und, wie die Klägerseite betont - an der Schnittstelle des ambulanten mit dem stationären Bereich. Eine Objektivierung ist daher nach Auffassung des Gerichts nicht möglich.

Strittig ist zwischen den Beteiligten auch, welche Wegstrecken den Patienten, die als "Nachfrager" der vom Kläger im Rahmen seiner von ihm begehrten Ermächtigungen angebotenen Leistungen in Betracht kommen, zumutbar sind. Dabei ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich zwischen allgemeinen Leistungen und speziellen Leistungen zu differenzieren. Handelt es sich um allgemeine Leistungen, dann wurde bisher eine Verweisung auf Versorgungsangebote in mehr als 25 km Entfernung ausgeschlossen. Bei speziellen Leistungen sind Patienten längere, darüber hinausgehende Wegstrecken zumutbar. Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich zwar bei den Leistungen des vom Kläger begehrten Ermächtigungsumfangs um allgemeine Leistungen an der Schnittstelle der ambulanten zur stationären Versorgung (vorwiegend vorstationäre und nachstationäre Betreuung ein), was zu einem Ausschluss von Versorgungsangeboten über einen 25 km-Bereich hinaus führen würde. Andererseits muss berücksichtigt werden, dass die Leistungen zeitlich befristet sind (Leistungen vor einem endoprothischen Eingriff und nach einem endoprothischen Eingriff), diese im Zusammenhang mit einem stationären Aufenthalt stehen und bei den Patienten für die Wahl des Krankenhauses, in dem der Eingriff letztendlich stattfindet, Aspekte wie Häufigkeit der Eingriffe, zertifizierte Einrichtung, insbesondere aber Vertrauen in die Einrichtung und ins Personal maßgeblich sind, so dass der Aspekt der Wohnortnähe letztendlich nachrangig erscheint. Wenn schon bei der Wahl des Krankenhauses zur Vornahme eines endoprothischen Eingriffs selbst für den Patienten die Wohnortnähe nicht entscheidend ist, muss das auch gelten für etwaige vor-und nachstationäre Leistungen. Weitere Entfernungen über einen 25-Kilometer Radius hinaus sind daher den Patienten bei solchen zeitlich befristeten vor-und nachstationären allgemeinen Leistungen zumutbar. Im Übrigen eröffnet § 115a SGB V die Möglichkeit für den Krankenhausarzt, ambulante Leistungen - wenn auch zeitlich und zahlenmäßig befristet - erbringen zu können.

Was die von den Beteiligten aufgeworfene Frage betrifft, ob planungsbereichsüberschreitende Versorgungsangebote mit zu berücksichtigen sind, gilt nach der Rechtsprechung, dass grundsätzlich auf die örtliche Versorgungssituation im jeweiligen Planungsbereich abzustellen ist und nur im Ausnahmefall - wenn dem entsprechend spezialisierten Facharzt ein die Grenzen eines üblichen Planungsbereichs nachhaltig übersteigender regionaler Einzugsbereich zur Verfügung steht - planungsbereichsübergreifende Versorgungsangebote mit zu berücksichtigen sind (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 09.02.2005, Az. L 3 KA 253/02). Hierauf kommt es im streitgegenständlichen Fall nicht an. Wie der Beklagte klargestellt hat, wurde lediglich darauf hingewiesen worden, dass für Bewohner aus dem nördlichen Landkreis die Möglichkeit bestehe, die nahegelegenen Fachärzte in F-Stadt aufzusuchen.

Aus den genannten Gründen war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 VWGO.
Rechtskraft
Aus
Saved