S 3 (11) KR 19/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 3 (11) KR 19/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR).

Der am 10.00.1933 geborene Kläger war bisher weder privat noch gesetzlich kranken- und pflegeversichert. Seine am 02.08.1998 verstorbene Ehefrau war in der Zeit vom 01.07.1959 bis zum 02.08.1998 freiwillig bei der Beklagten kranken- und pflegeversichert. Am 30.11.1998 beantragte der Kläger bei der Stadt Minden die Zahlung einer Witwenrente durch die LVA Westfalen. Diese Rente wurde ihm auch bewilligt. Seit spätestens 1997 war der Kläger als Sachverständiger für die Bewertung von Grundstücken beschäftigt. Eine weitere Erwerbstätigkeit übte er nicht aus.

Im September 2003 erlitt der Kläger einen schweren Schlaganfall. Seine Tochter wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Ingolstadt (Geschäftsnummer XVII0703/03) zur Betreuerin bestimmt. Am 07.11.2003 beantragte die Tochter des Klägers bei der Beklagten die Aufnahme des Klägers in die Kranken- und Pflegeversicherung der Rentenbezieher ab dem 01.04.2002 aufgrund des Rentenantrages vom 30.11.1998.

Mit Bescheid vom 14.11.2003 wurde der Antrag durch die Beklagte zurückgewiesen. In dem Ablehnungsbescheid wurde festgestellt, dass die Versicherungspflicht als Rentenbezieher ab dem 01.04.2002 grundsätzlich bestehe, diese jedoch durch die Regelung des § 6 Abs. 3 a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) ausgeschlossen sei. Der Kläger habe am 01.04.2002 bereits das 55. Lebensjahr vollendet gehabt und sei in den letzten 5 Jahren zuvor nicht gesetzlich kranken- und pflegeversichert gewesen. In diesem Zeitraum sei er vielmehr hauptberuflich selbständig erwerbstätig gewesen.

Hiergegen hat die Tochter des Klägers Widerspruch eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, dass der Kläger ab dem Jahr 2002 nicht mehr hauptberuflich selbständig tätig gewesen sei. Er habe keine Mitarbeiter beschäftigt und auch nur Rechnungen in sehr geringem Umfang erstellt. Hieraus sei ersichtlich, dass er im gesamten Jahr 2002 nur 37 Stunden tätig war. Seinen Lebensunterhalt habe er durch eine private Rente sowie durch Kapitalverzehr und aufgrund von Mieteinnahmen bestritten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.01.2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger sei bei der Beantragung der Rente nach eigenen Angaben selbständig tätig gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe er jedoch bereits sein 55. Lebensjahr vollendet. Nach den eingereichten Steuerbescheiden sei zu erkennen, dass der Kläger im Zeitraum vom 01.04.1997 bis zum 31.03.2002 in mehr als der Hälfte des Zeitraumes hauptberuflich selbständig tätig gewesen sei. Seine Beschäftigung als Gutachter sei seine einzige Erwerbstätigkeit gewesen. Die Einkünfte aus dieser Beschäftigung seien in den Jahren 1997, 1998 und 2001 erheblich höher gewesen als die weiteren Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Eine Versicherungspflicht ab dem 01.04.2002 sei deshalb nach der Vorschrift des § 6 Abs. 3 a SGB V ausgeschlossen.

Am 05.02.2004 hat die Tochter des Klägers Klage erhoben. Sie vertritt die Auffassung, dass die Vorschrift des § 6 Abs. 3 a SGB V nicht anwendbar sei. Der Kläger sei gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V in der KVdR zu versichern.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Minden vom 11.02.2004 (Geschäftsnummer 4 XVII R 469) wurde Frau T als Betreuerin des Klägers bestellt.

Die Betreuerin des Klägers beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 14.11.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.01.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Mitglied in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung der Rentenbezieher ab dem 01.04.2002 aufzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.

In einem Erörterungstermin vom 23.09.2004 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten waren Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 14.11.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.01.2004 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufnahme in die KVdR.

Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass für den Kläger ab dem 01.04.2002 grundsätzlich Versicherungspflicht in der KVdR nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V besteht. Insoweit verweist die Kammer auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 16.01.2004, denen sie sich in vollem Umfang anschließt (§ 136 Abs. 3 SGG).

Die Versicherungspflicht ist jedoch aufgrund der Regelung in § 6 Abs. 3 a SGB V ausgeschlossen. Danach sind Personen, die nach Vollendung des 55. Lebensjahres versicherungspflichtig werden, versicherungsfrei, wenn sie in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Versicherungspflicht nicht gesetzlich versichert waren. Weitere Voraussetzung ist, dass diese Personen mindestens die Hälfte dieser Zeit versicherungsfrei, von der Versicherungspflicht befreit oder nach § 5 Abs. 5 SGB V nicht versicherungspflichtig waren. Die Vorschrift ist mit Wirkung vom 01.07.2000 in Kraft getreten. Nach der Gesetzesbegründung dient sie der klaren Abgrenzung zwischen der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung und dem Schutz der Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten. Sie folgt dem Grundsatz, dass sich versicherungsfreie Personen, die sich frühzeitig der Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung entzogen haben, dieser auch im Alter nicht angehören sollen (vgl. Bundestags-Drucksache 14/1245).

Entgegen der Auffassung des Klägers ist diese Vorschrift vorliegend auch anwendbar. Die Voraussetzungen der Versicherungsfreiheit liegen im Falle des Klägers vor.

Der Kläger hat bereits mit Ablauf des 15.06.1988 sein 55. Lebensjahr vollendet. Zum Zeitpunkt des Eintritts der Versicherungspflicht (01.04.2002) war er 68 Jahre alt. Der Kläger war in den letzten 5 Jahren vor Beginn der Versicherungspflicht nicht gesetzlich krankenversichert. Auch die weitere Voraussetzung, dass er mindestens die Hälfte dieser Zeit versicherungsfrei, von der Versicherungspflicht befreit oder nach § 5 Abs. 5 SGB V nicht versicherungspflichtig war, ist erfüllt. Die Rahmenfrist von 5 Jahren beginnt ab dem Eintritt der Versicherungspflicht, hier also am 01.04.2002. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift. Im Zeitraum vom 01.04.1997 bis zum 31.03.2002 war der Kläger ausschließlich als selbständiger Gutachter beschäftigt und damit versicherungsfrei im Sinne des § 5 Abs. 5 SGB V. Eine hauptberuflich selbständige Erwerbstätigkeit liegt in der Regel vor, wenn der mit ihr verbundene Zeitaufwand den Versicherten mehr als halbtags in Anspruch nimmt. Unterschreitet der zeitliche Aufwand für eine selbständige Erwerbstätigkeit den einer Halbtagsbeschäftigung, wird sie gleichwohl hauptberuflich ausgeübt, wenn der Versicherte entweder keiner anderen Erwerbstätigkeit nachgeht oder eine weitere Erwerbstätigkeit sich vom zeitlichen Aufwand oder den erzielten Einnahmen der selbständigen Tätigkeit unterordnet und der Versicherte seinen Lebensunterhalt zumindest überwiegend aus der selbständigen Tätigkeit decken kann (vgl. Landessozialgericht Berlin, Urteil vom 04.09.1996, Az.: L 9 Kr 71/94). Da der Kläger in der o. g. Rahmenfrist ausschließlich als selbständiger Gutachter tätig war, muss schon deshalb von einer hauptberuflichen Tätigkeit ausgegangen werden. Nach seinen Angaben wurde das ausgeübte Gewerbe erst im Jahr 2003 "ruhend gestellt". Anhand der eingereichten Steuerbescheide aus den Jahren 1997 bis 2002 ist zu erkennen, dass die selbständige Tätigkeit zumindestens bis zum Jahre 2002 durchgehend ausgeübt wurde. In den Jahren 1997, 1998 und 2001 waren die Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit die Haupteinnahmequelle zur Bestreitung des Lebensunterhalts. Auf die zeitlichen Grenzen für die Qualifizierung einer hauptberuflich selbständigen Tätigkeit kommt es deshalb nach Ansicht der Kammer nicht an. Grundsätzlich ist der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Existenz für die Entscheidungsfindung maßgebend (vgl. Gerlach in Hauck/Haines, SGB V, § 5 Rz. 492). In dem zu beurteilenden Fünfjahreszeitraum liegt demnach vom 01.04.1997 bis zum 31.12.1998 und vom 01.01.2001 bis zum 31.12.2001, für zumindestens also 2 Jahre und 9 Monate, eine hauptberuflich selbständige Erwerbstätigkeit vor. Der Kläger war deshalb gemäß § 5 Abs. 5 SGB V versicherungsfrei. Eine Versicherungspflicht ab dem 01.04.2002 aufgrund des Rentenbezugs ist somit durch § 6 Abs. 3 a SGB V ausgeschlossen. Die Entscheidungen der Beklagten sind nicht zu beanstanden, so dass die Klage abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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