S 39 U 35/19

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
39
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 39 U 35/19
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Die Versorgung mit medizinischem Cannabis kommt in der Gesetzilchen Unfallversicherung auch bei medizinisch nicht vollständig geklärten chronischen Kopfschmerzen nach HWS-Beschleunigungstrauma in Betracht.
I. Die Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 11.9.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.1.2019 aufzuheben und dem Kläger gemäß dem Antrag vom 2.8.2018 die Versorgung mit dem Medikament Sativex (medizinisches Cannabis) zu bewilligen und die Kosten hierfür zu tragen.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Die Klage betrifft die Kostenübernahme für die Heilbehandlung mit dem Medikament Sativex (medizinisches Cannabis) in der Gesetzlichen Unfallversicherung (GUV). Der 1952 geborene Kläger war als Verkaufsberater im Außendienst bei der Fa. H. GmbH beschäftigt. Am 12.06.1997 erlitt er in Ausübung dieser Tätigkeit einen Arbeitsunfall, als er sich im Pkw auf der Rückfahrt von einem Kunden nach Hause befand und ein anderer Pkw auffuhr. Mit Berufungsurteil vom 27.11.2003 hob das LSG den ablehnenden Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden und die dem zugrundeliegenden Bescheide der Beklagten teilweise auf und stellte fest, dass der Kläger infolge des Arbeitsunfalls an einem chronifizierten Kopfschmerzsyndrom mit Merkfähigkeits- und Konzentrationsstörungen leidet und verurteilte die Beklagte, dem Kläger Verletztengeld bis zum 30.3.2003 und im Anschluss daran eine Verletztenrente nach einer MdE von 40 v. H. zu gewähren. Auf die Revision des Klägers verwies das BSG den Rechtsstreit hinsichtlich der Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE von mehr als 40 v. H. an das LSG zurück, im Übrigen (Feststellung weiterer Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen, Gewährung von Leistungen der Heilbehandlung, bzw. Rehabilitation und Zahlung von Verletztengeld bis zum 11.12.1997) wies es die Revision als unzulässig zurück. Mit rechtskräftigem Urteil vom 23.4.2009 wies das LSG die Berufung zurück. Zwischen den Beteiligten sind derzeit weitere Verfahren zur Feststellung weiterer Folgen des Arbeitsunfalls und der Bemessung der Gesamt-MdE anhängig. Mit Bescheid vom 5.4.2011 wurde eine Schlafstörung als weitere Unfallfolge anerkannt; eine Erhöhung der Gesamt-MdE erfolgte nicht. Am 18.10.2013 legte die Dipl.-Psych. R. ihren Abschlussbericht Psychotherapeutenverfahren vor (Bl. 3322 d. VA). Seit dem 4.2.2013 waren 11 verhaltenstherapeutische Einzelgespräche durchgeführt, zuletzt am 11.10.2013. Die Therapie wurde nach dem Bericht in dem Gespräch beendet, weil die Prognose nicht ausreichte, um weitere psychotherapeutische Erfolge zu erzielen. Es habe in der Schmerzambulanz und mit der Neurofeedbackmethode erreicht werden können, dass Opiate ausgeschlichen werden hätten können. Ein darüberhinausgehender Therapieerfolg sei jedoch nicht absehbar gewesen. Er habe bei der Therapeutin Erklärungen für die Chronifizierung seiner Schmerzen eingefordert, habe aber nicht dafür gewonnen werden können, etwa eine systematische Selbstbeobachtung bezüglich seiner Beschwerden (Schmerztagebuch) durchzuführen. Während der Therapie habe er mehrfach versucht, die Therapeutin in Diskussionen zu verwickeln, wenn sie mit verhaltensanalytischen Fragen und dem sokratischen Dialog am Problemverständnis zu arbeiten suchte. Er habe bei Einstellung bemerkt: "Ich habe auch keine Produkte an Menschen verkauft, die sie nicht brauchten". Am 6.12.2017 berichtete Dipl.-Psych. K. über die Behandlung des Klägers (Bl. 3866 d. VA). In den letzten 2 Jahren hätten 7 Behandlungen stattgefunden. Inhalt sei das Kontrollieren der häuslichen HEG-Neurofeedbackübungen anhand der aufgezeichneten Protokolle gewesen. Seit er Doxepin einnehme stagniere der Erfolg. Er habe nicht mehr das Gefühl, dass er das beeinflussen könne. Die Kopfschmerzen würden verharren und die Konzentration schlechter werden. Die Neurofeedbackbehandlung sei derzeit ausgeschöpft. Empfohlen wurde die Teilnahme an einer multimodalen Schmerztherapie und ggfs. die Fortführung mit geänderter Doxepingabe. Am 3.5.2018 berichteten Prof. Dr. S./Dr. Sch./Dipl.-Psych. G. (Bl. 3946 d. VA), Schmerzzentrum am Universitätsklinikum D. (USC) zur ambulanten Vorstellung des Klägers an jenem Tag. Diagnostiziert wurde eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischem Faktoren (F 45.41). Der Kläger vertrete ein rein somatisch orientiertes Schmerzmodell: frische Luft, Kälte u.s.w. täten gut. Aus schmerzmedizinischer Sicht könne jedoch eine Unfallkausalität und die resultierende MdE nicht nachvollzogen werden. Insgesamt sei bei der ausgeprägten und durch Zielkonflikte getriggerten somatischen Verharrung von einem chronischen Beharrungszustand auszugehen, der nach ca. 20-jährigem Krankheitsverlauf auch durch willentliche Steuerbarkeit nur schwer zu überwinden sein werde. Insofern wurde die Durchführung einer interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie zwar als prinzipiell indiziert, aber in der Zusammenschau der bislang höchst umfangreichen, letztlich aber erfolglosen therapeutischen Bemühungen als nicht zielführend angesehen. Daher resultierten von dort aus auch keine speziellen schmerz- oder psychotherapeutischen Behandlungsempfehlungen. Auf physiotherapeutischem Gebiet wurden dagegen Empfehlungen ausgesprochen. Da der Kläger über ein stabiles Behandlernetz verfüge, sei eine Mitbehandlung am USC nicht erforderlich. Mit Schreiben vom 2.8.2018 beantragte der den Kläger behandelnde Dipl.-Med. D., Zentrum für ganzheitliche Schmerztherapie (D.), die Kostentragung für die ärztliche Verordnung des Medikaments Sativex (THC + CBD) für die Behandlung der chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. In dem Antrag gab er an, der Kläger sei austherapiert. U. a. sei ambulante Psychotherapie "seit 2013" erfolgt. Die Erkrankung sei schwerwiegend. Aktuell würde er mit Amytriptiylin 25 mg 1 x abends behandelt. Es bestünde eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Auf die einschlägige Internetseite http://cannabislegal.de/Cannabisinfo/medizin.htm wurde verwiesen. Auf Veranlassung der Beklagten nahm am 24.8.2018 Dr. Sch., Universitätsklinikum Dresden, Universitäts SchmerzCentrum Dresden (USC) Stellung und verwies eingehend auf den ausführlichen Bericht des USC vom 3.5.2018. Bisher seien lediglich somatische Behandlungsansätze ausgeschöpft worden, nicht zuletzt auch deshalb, weil sich der Kläger psychotherapeutischen Behandlungsansätzen nicht zugänglich gezeigt habe. Zur Behandlung primärer Kopfschmerzen gäbe es auch in Übereinstimmung mit den Empfehlungen der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft keine Evidenz für den Einsatz von Cannabinoiden. Klinisch und anhand der dort dokumentierten Akteninhalte gäbe es keinen Anhalt für das Vorliegen einer sekundären Kopfschmerzerkrankung. Zusammenfassend könne daher aus schmerztherapeutischer Sicht keine Indikation für einen Therapieversuch mit cannabishaltigen Arzneimitteln aufgrund der vermeintlichen Unfallfolgen abgeleitet werden. Mit Schreiben vom 31.8.2018 teilte die Beklagte an Dipl.-Med. K., Zentrum für ganzheitliche Schmerztherapie, mit, dass sie dem Behandlungsvorschlag nach Beurteilung von Dr. Sch. nicht entsprechen könne. Mit Bescheid vom 11.9.2018 lehnte die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Heilbehandlung mit SATIVEX als Folge des Arbeitsunfalles vom 12.6.1997 auf Grundlage der Stellungnahme von Dr. Sch. ab. Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 24.9.2018 Widerspruch. Die Beklagte habe über den Antrag vom 2.8.2018 verspätet entschieden, so dass von der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V auszugehen sei. Jedenfalls sei der Antrag an § 31 Abs. 6 SGB V zu messen und nicht § 26 SGB VII, so dass der Ablehnungsbescheid falsch begründet sei. Zu Unrecht meine Dr. Sch., psychotherapeutische Behandlungsansätze seien nicht ausgeschöpft. Dem Befundbericht von Dipl.-Psych. K. vom 6.12.2017 sei die Wahrnehmung einer psychologischen Therapie zu entnehmen. Laut Homepage des Dipl.-Psych. K. sei Biofeedback ein Verfahren der psychologischen Verhaltenstherapie sowie Neurofeedback eine Spezialrichtung des Biofeedbacks. In der 10minütigen Auswertung im USC sei lediglich gesagt worden, für die Teilnahme an einer Schmerztagesklinik sei der Kläger nicht ausreichend belastbar. Es sei nicht erkennbar, welchen Sinn ein Schmerzassessment haben solle, wenn nach 20 Jahren erstmals ein Rehaberater mit einem völlig neuen Konzept werbe, das sich dann als die altbekannte Teilnahme in der Schmerztagesklinik herausstelle. Laut Empfehlungen der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) sei die Schmerzlinderung auch bei chronifizierten Schmerzen (Schmerzgedächtnis) durch Cannaboide in Einzelfällen durch einige klinische Studien erwiesen. Die dort mitgeteilten Bedenken gegen 14 Sorten Cannabisblüten träfen auf Sativex nicht zu. Die Beklagte habe sich 2011 durch gerichtlichen Vergleich verpflichtet, dem Kläger Alternativen zur damaligen von 2000 bis 2013 angewandten Schmerzbehandlung mittels Opiaten (Transtec) anzubieten. Dem sei sie nicht nachgekommen. Es sei lediglich das Ausschleichen mit Opiaten finanziert worden. Im Widerspruchsverfahren wandte sich die Beklagte erneut unter dem 16.10.2018 an Dipl.-Med. D. Es wurde um Aufklärung gebeten hinsichtlich der Wahrnehmung von Psychotherapie. Sie, die Beklagte, gehe davon aus, dass die 2013 begonnene Psychotherapie noch 2013 von dem Kläger wieder abgebrochen worden sei. Dagegen sei in dem Antrag vom 2.8.2018 mitgeteilt, dass seit 2013 Psychotherapie in Anspruch genommen würde. Dipl.-Med. D. teilte dazu unter dem 30.11.2018 mit, dass er sich der Ansicht von Dr. Sch. zur Zeit anschließe. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10.1.2019 ("2018") zurückgewiesen. Die Fristvorgabe nach § 13 Abs. 3a SGB V sei in der GUV zwar entsprechend anwendbar, aber nur für unaufschiebbare Leistungen, wie Notfallbehandlungen. Ungeachtet dessen sei zügig über den Antrag entscheiden worden. Der Antrag sei am 6.8.2018 eingegangen und eine Stellungnahme eines weiteren Schmerztherapeuten erforderlich gewesen. Die Antwort von Dr. Sch. sei am 30.8.2018 bei der Beklagten eingegangen und am Folgetag sei bereits die Ablehnung an das Zentrum für ganzheitliche Schmerztherapie übermittelt worden. Am 13.1.2019 stellte der Kläger (Verfügungskläger) Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung zur Kostenübernahme für die Verordnung des Medikaments Sativex (medizinisches Cannabis), die unter dem Az. S 39 U 17/19 ER bei Gericht registriert wurde. Die Beklagte sehe in der Psychotherapie zu Unrecht eine alternative erfolgversprechende Behandlungsmethode. Er habe auch nicht 2013 die Psychotherapie abgebrochen. Derartiges habe weder Dipl.-Psych. K. noch Dipl.-Psych. R. mitgeteilt. Dipl.-Psych. K. habe auch traditionelle Psychotherapiesitzungen mit dem Kläger durchgeführt und ihn umfassend beraten und betreut. Die Beklagte habe den Bericht von Dipl.-Psych. K. gegenüber Dr. Sch. und Dipl.-Med. D. verschwiegen. Unwahr sei letzterem mitgeteilt worden, es sei 2013 die Psychotherapie abgebrochen worden. Dipl.-Med. D. habe dem Kläger am 2.8.2018 mitgeteilt, dass er im Falle der Antragsablehnung aus Zeitmangel nicht für den Kläger aktiv werden könne, so dass sich auch insofern und im Hinblick auf die suggestive Anfrage der Beklagten seine knappe Antwort vom 30.11.2018 erkläre. Er habe zudem zu verstehen gegeben, dass er davon nur vorläufig bei ungeklärtem Sachverhalt ausgehe. Nach der Leitlinie Ärztliche Begutachtung in der Psychosomatik und Psychotherapeutischen Medizin – Sozialrechtsfragen – sei eine psychotherapeutische Behandlung unter dem Gesichtspunkt der Mitwirkungspflicht nicht grundsätzlich zumutbar. Bei der beantragten Behandlung handele es sich um eine Alternative zur vorherigen Schmerzbehandlung mit Opiaten. Vom Jahr 2000 bis 2013 habe er mittels Betäubungsmittelrezepten zur Behandlung der chronifizierten Schmerzkrankheit das Opiat Transtec 52,5 ärztlich verordnet erhalten mit monatlichen Kosten von 611,11 Euro laut Verwaltungsakte. Die Kosten von Sativex seien geringer als bei Transtec und die Nebenwirkungen wesentlich unbedenklicher als bei Opiaten. Mit der Diagnose F45.41 nach ICD-10 habe Dr. Sch. als Ursache der Schmerzen ein "pyhysiologische Prozess oder eine körperliche Störung" definiert. Der Beginn der Schmerzen habe damit eine Grunderkrankung als Ursache, was bedeute, dass bei ihm eben ein sekundärer Schmerz vorliege. Nach ICD-10 sei der Code G44.841 Chronischer Kopfschmerz nach HWS-Beschleunigungstrauma. Das entspreche auch dem Gutachten von Dr. O. vom 30.9.2003 (L 2 U 239/05). Dort sei ausgeführt, dass nach ca. 3- 6 Monaten diese Grunderkrankung aus verschiedenen Gründen zu einer eigenständigen chronifizierten Schmerzerkrankung führen könne, auch wenn die Ursache der akuten Schmerzen nicht mehr vorhanden bzw. nachweisbar ist. Die Ablehnung der Cannabis-Behandlung erschließe sich daher nicht, zumal nach Information der Bundesärztekammer Cannabis am häufigsten bei chronifizierten Kopfschmerzen als Therapie genehmigt würde. Die Eilbedürftigkeit ergäbe sich u. a. daraus, dass nach dem Bericht von Dipl.-Psych. K. nach vollständigem Ausschleichen des Opiats die Behandlungsergebnisse stark rückläufig gewesen seien und sich die Lebensqualität dauerhaft verschlechterte. Auch die Wirkungen der Neurofeedback-Übungen seien mit der Umstellung von Opiaten zu Psychopharmaka auf Null zurückgegangen und keine Steigerung der Durchblutung des frontalen Cortex mehr erreicht worden, was eben Zweck dieser Anwendung gewesen sei. Deshalb sei vorgeschlagen worden, die bisherige Medikation mit Doxepin (Psychopharmaka) zu ändern, wozu die Überweisung an die Fachärztin für Psychiatrie Dr. R. gedient habe. Aber auch die alternative Verordnung von Amitriptylin (Psychopharmaka), das bereits zu früherer Zeit neben Transtec verordnet worden sei, aber wegen starker Nebenwirkungen wieder abgesetzt habe werden müssen, habe keine Besserung erbracht. So habe sich die Begrenzung auf 5 Tropfen täglich ergeben, was für die Schmerzlinderung völlig unzureichend sei. Dipl.-Psych. K. habe auf seinem Gebiet die Therapiemöglichkeiten schließlich als ausgeschöpft angesehen. Entsprechend sei in Absprache mit dem Reha-Berater die Neurobiofeedbackanwendung vorübergehend beendet und das Gerät weitergegeben worden. Das belege aber keinen erfolgten Abbruch der Psychotherapie. Der Eilantrag wurde auf richterlichen Hinweis am 23.2.2019 zurückgenommen. Es wurden Bedenken zum Anordnungsgrund mitgeteilt und die zeitnahe Entscheidung des vorliegenden (Hauptsache-) Verfahrens in Aussicht gestellt. Am 8.2.2019 hat der Kläger im vorliegenden Verfahren Klage erhoben. Die Begründung aus dem Eilverfahren wird mit ihr aufgegriffen und fortgeführt.

Der Kläger beantragt sinngemäß: Die Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 11.9.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.1.2019 aufzuheben und die Versorgung mit dem Medikament Sativex (medizinisches Cannabis) zu bewilligen und die Kosten dafür als Folge des Arbeitsunfalles vom 12.6.1997 zu tragen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Sie hat dazu auf den Inhalt des Bescheides vom 11.9.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.1.2019 verwiesen. Der Kläger befinde sich in fortlaufender schmerztherapeutischer Behandlung. Die strengen Voraussetzungen für die Genehmigung einer Therapie mit Cannabis bzw. Cannabinoiden seien nicht gegeben. Die möglichen Behandlungsoptionen seien nicht ausgeschöpft. Es seien nur somatische Behandlungsmethoden verfolgt. Psychische Behandlungsansätze hätten bisher nicht stattgefunden oder seien abgebrochen worden. Nach den Stellungnahmen von Dr. Sch. (Bl. 3946, 3949, 3993 d. VA) fehle die Evidenz für den Einsatz von Cannabinoiden, weil beim Kläger Hinweise auf eine sekundäre Kopfschmerzerkrankung fehlten. Der Rechtsstreit wurde am 14.11.2019 mit dem Vorsitzenden mündlich erörtert. In dem Termin erklärten sich die Beteiligten mit der Entscheidung im Wege des Gerichtsbescheides einverstanden. Auf die Sitzungsniederschrift wird zur Ergänzung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht kann gemäß § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid vom 11.9.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.1.2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz &61531;SGG&61533;). Die Beklagte hat den Antrag vom 2.8.2018 und die beantragte probeweise Versorgung mit dem Medikament Sativex zu Unrecht abgelehnt. Die gesetzlichen Voraussetzungen für diese Heilbehandlung liegen vor.

I. Nach der Systematik des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) sind in den Vorschriften, welche die Voraussetzungen der verschiedenen sozialen Rechte auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung regeln (z.B. §§ 27 ff. SGB VII - Heilbehandlung samt Arneimittel - und §§ 45 ff. SGB VII – Verletztengeld -), nur die spezifischen Voraussetzungen der jeweiligen einzelnen Arten von Leistungsrechten ausgestaltet. Demgegenüber sind die allgemeinen Rechtsvoraussetzungen, die für alle Leistungsrechte des SGB VII gleichermaßen gelten, nämlich die Regelungen über den Versicherungsfall und die ihm zuzurechnenden Unfallfolgen (§§ 7 bis 13 i. V. m. §§ 2 bis 6 SGB VII), vorab und einheitlich ausgestaltet. Ermächtigung und Anspruch betreffen daher auch die Entscheidung über jene Elemente des Anspruchs, die Grundlagen für jede aktuelle oder spätere Anspruchsentstehung gegen denselben Unfallversicherungsträger aufgrund eines bestimmten Versicherungsfalls sind. Zu den abstrakt feststellbaren Anspruchselementen gehören neben dem Versicherungsfall die (sog. unmittelbaren) Unfallfolgen im engeren Sinn, also die Gesundheitsschäden, die wesentlich (und deshalb zurechenbar) spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Versicherungsfalls verursacht wurden. Der Feststellung, ob und welche Gesundheitsstörungen Folgen eines Versicherungsfalls sind, kommt eine über den einzelnen Leistungsanspruch hinausgehende rechtliche Bedeutung für den Träger und den Versicherten zu. Denn trotz unterschiedlicher Tatbestandsvoraussetzungen im Übrigen setzen, wie bereits ausgeführt, alle Leistungsansprüche nach den §§ 26 ff. SGB VII als gemeinsame Tatbestandsmerkmale einen Versicherungsfall (i. S. d. §§ 7 bis 13 SGB VII) und durch ihn verursachte Gesundheitsschäden - bis hin zum Tod des Verletzten - voraus und begründen dafür die Verbandszuständigkeit nur eines bestimmten Trägers der Unfallversicherung (BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 – Az.: B 2 U 17/10 R – zitiert nach juris, Rn. 12, 17, 19 ff.). Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle der Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper ein-wirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Der Gesetzgeber bringt mit der wiederkehrenden Formulierung "infolge" – vgl. §§ 8 Abs. 1 Satz 1, 45 Abs. 1 Nr. 1, 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII – das Erfordernis eines Zusammenhangs zum Ausdruck. Es muss eine kausale Verknüpfung des Unfalls bzw. seiner Folgen mit der betrieblichen Sphäre bestehen, mithin eine rechtliche Zurechnung für besonders bezeichnete Risiken der Arbeitswelt beziehungsweise gleichgestellter Tätigkeiten, für deren Entschädigung die gesetzliche Unfallversicherung als spezieller Zweig der Sozialversicherung einzustehen hat, und zwar nicht nur im Sinne einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, sondern auch im Sinne der Zurechnung des eingetretenen Erfolges zum Schutzbereich der unfallversicherungsrechtlichen Norm als eines rechtlich wesentlichen Kausalzusammenhangs (Zurechnungslehre der wesentlichen Bedingung, ständige Rechtsprechung, etwa BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – Az.: B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 13 ff.). Die Frage nach diesem Zurechnungszusammenhang stellt sich auf drei Ebenen, nämlich als Unfallkausalität zwischen ausgeübter Tätigkeit und Unfallereignis, als haftungsbegründende Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden und als haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheitserstschaden und länger andauernden Unfallfolgen (BSG, a. a. O ..., Rn. 10; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 21 f.). Die vorgenannten Merkmale der versicherten Tätigkeit und des Unfallereignisses müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (etwa BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 – Az.: B 2 U 20/04 R –, zitiert nach juris Rn. 15). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache aus-scheiden (vgl. BSG a. a. O ..., auch Rn. 18 und 20). Die vorstehenden Grundsätze der Zurechnung gelten auch für die Heilbehandlung einschließlich der Versorgung mit Arzneimitteln. In der GUV werden nur die Folgen der durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsstörung ausgeglichen. Es gilt auch insoweit die Zurechnungslehre der wesentlichen Bedingung (vgl. hierzu u.a. BSG, Urteil vom 2.4.2009, B 2 U 9/08 R, Rn. 26; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.03.2012, L 2 U 4996/10, Rn. 50, zitiert nach juris). Nach § 26 Abs. 1 Sozialgesetzbuch VII (SGB VII) haben Versicherte nach Maßgabe der folgenden Vorschriften und unter Beachtung des Neunten Buches Anspruch auf (durch Unfall oder Berufskrankheit bedingte) Heilbehandlung einschließlich Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft, auf ergänzende Leistungen, auf Leistungen bei Pflegebedürftigkeit sowie auf Geldleistungen. Der Unfallversicherungsträger hat mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig 1. den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern, 2. den Versicherten einen ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Platz im Arbeitsleben zu sichern, 3. Hilfen zur Bewältigung der Anforderungen des täglichen Lebens und zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sowie zur Führung eines möglichst selbständigen Lebens unter Berücksichtigung von Art und Schwere des Gesundheitsschadens bereitzustellen, 4. ergänzende Leistungen zur Heilbehandlung und zu Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft zu erbringen und 5. Leistungen bei Pflegebedürftigkeit zu erbringen (§ 26 Abs. 2 SGB VII). Dabei haben die Leistungen zur Heilbehandlung und zur Rehabilitation Vorrang vor Rentenleistungen (§ 26 Abs. 3 SGB VII). Qualität und Wirksamkeit der Leistungen zur Heilbehandlung und Teilhabe haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen (§ 26 Abs. 4 Satz 1 SGB VII). Sie werden als Dienst- und Sachleistungen zur Verfügung gestellt, soweit dieses oder das Neunte Buch keine Abweichungen vorsehen (Satz 2 der Vorschrift). Nach § 27 Abs. 1 Nr. 4 SGB VII umfasst die Heilbehandlung - neben der ärztlichen Behandlung - unter anderem die Versorgung mit Arzneimitteln. Arznei- und Verbandmittel sind nach § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB VII alle ärztlich verordneten, zur ärztlichen und zahnärztlichen Behandlung erforderlichen Mittel. § 26 Abs. 1 SGB VII enthält einen beispielhaften Katalog der Heilbehandlungsmaßnahmen (Nrn. 1 bis 6), wobei die Aufzählung weitgehend dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. § 27 SGB V) entspricht (Köhler in: Hauck/Noftz, SGB, 03/19, § 27 SGB VII, Rn. 1). Um das Ziel der Heilbehandlung zu erreichen, kann und muss der Unfallversicherungsträger im Einzelfall weitere Leistungen bewilligen (zum Leistungsspektrum der gesetzlichen Unfallversicherung vgl. Dahm, SuP 2016, S. 182 ff.). Ziel der Heilbehandlung ist es, den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden "mit allen geeigneten Mitteln" zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern (§ 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII). Ergänzt wird die Regelung des § 27 SGB VII durch Richtlinien (vgl. § 31 Abs. 2 Satz 2 SGB VII) und öffentlich-rechtliche Verträge über die Durchführung und Vergütung der Heilbehandlung (vgl. § 34 Abs. 3 SGB VII; Köhler in: Hauck/Noftz, SGB, 03/19, § 27 SGB VII, Rn. 1a) Durch das Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften (BGBl I 2017, 403) erhalten gesetzlich Krankenversicherte erstmals einen normierten Anspruch auf Versorgung mit Cannabisarzneimitteln. Der insoweit einschlägige § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB V lautet (§ 31 SGB 5 in der Fassung vom 9.8.2019, juris): Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn 1.eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung a) nicht zur Verfügung steht oder b) im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann, 2.eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht. Unter Zugrunde legen der obenstehenden Grundsätze haben damit auch die in der GUV Versicherten einen Rechtsanspruch auf Versorgung mit Cannabis soweit auch die übrigen einschlägigen Voraussetzungen nach dem SGB VII – Versicherungsfall, Zurechnung seiner Folgen, Erforderlichkeit – erfüllt sind.

II. Vorstehendes zugrunde gelegt erweist sich die Klage als begründet. Die Beklagte hat zu Unrecht den Antrag vom 2.8.2018 auf erstmalige und probeweise Versorgung des Klägers mit dem Arzneimittel Sativex (medizinisches Cannabis) abgelehnt. Die sachlichen Voraussetzungen für diese Versorgung des Klägers liegen nach dem Beweisergebnis vor, §§ 26 Abs. 1, 27 Abs. 1 Nr. 4, 29 Abs. 1 SGB VII. 1. Der Kläger leidet an einer schwerwiegenden Erkrankung im Sinne von § 31 Abs. 6 SGB V. Der Begriff der schwerwiegenden Erkrankung wird in § 31 SGB V nicht definiert. Auch die Gesetzesbegründung verhält sich hierzu nicht. Ihr kann nur entnommen werden, dass der Anspruch auf Versorgung mit Cannabisarzneimitteln in "eng begrenzten Ausnahmefällen" gegeben sein soll (Gesetzentwurf der Bundesregierung BT-Drucks. 18/8965 S. 2 und S. 23). Da die Versorgung mit Cannabis als Ersatz für eine nicht zur Verfügung stehende oder im Einzelfall nicht zumutbare allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung eingeführt worden ist, erscheint es sachgerecht, den Begriff der schwerwiegenden Erkrankung ebenso wie den in § 35c Abs. 2 Satz 1 SGB V beim sogenannten Off-Label-Use verwendeten Erkrankungsbegriff zu verstehen (s. LSG Thüringen, Beschluss vom 10.11.2017 - L 6 KR 1092/17 B ER -). Auch bei dieser Bestimmung geht es um die Verwendung von Arzneimitteln als Alternative zu bestehenden Behandlungsmöglichkeiten, ohne dass bereits ausreichendes wissenschaftliches Erkenntnismaterial in Bezug auf einen Wirksamkeitsnachweis zur Verfügung steht. Es muss sich daher um eine Erkrankung handeln, die sich durch ihre Schwere oder Seltenheit vom Durchschnitt der Erkrankungen abhebt und die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. Januar 2019 – L 11 KR 442/18 B ER –, Rn. 26, juris mit Verweis auf: Bundessozialgericht, Urteil vom 13.12.2016 - B 1 KR 1/16 R -; Urteil vom 08.11.2011 - B 1 KR 19/10 R -; Urteil vom 26.09.2006 - B 1 KR 14/06 R -). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Nach den rechtskräftigen Urteilen des Landessozialgerichts Chemnitz vom 27.11.2003, Az. L 2 U 117/00 (SG Dresden, Az. S 5 U 4/99) und vom 23.4.2009, Az. L 2 U 239/05 ZVW, leidet der Kläger nach einem beim Arbeitsunfall vom 12.6.1997 erlittenen HWS-Schleudertrauma an einem chronifizierten Kopfschmerzsyndrom mit Merkfähigkeits- und Konzentrationsstörungen, zu dem die medizinischen Hintergründe im Einzelnen trotz Einholens zahlreicher Gutachten nicht abschließend geklärt werden konnten. Weil strukturelle Ursachen der Beschwerden, insbesondere eine Hirnschädigung, nicht gesichert werden konnten, wurde die MdE im Berufungsurteil vom 23.4.2009 letztlich anhand der MdE-Erfahrungswerte bzw. Vorschläge für psychoreaktive Gesundheitsstörungen begründet. Der Kläger beklagt die unfallbedingten Beschwerden kontinuierlich seit dem Unfallgeschehen und durchgreifende Besserung. Die BfA hat im Jahre 2003 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf unbestimmte Zeit auf Grundlage eines Leistungsfalles vom 12.6.1997 anerkannt. Seine Beschäftigung als Außendienstmitarbeiter bei der Fa. H. konnte der Kläger wegen der Unfallfolgen nicht mehr aufnehmen. Im Ergebnis der Beweisaufnahme heben sich Schwere und Seltenheit der Erkrankung des Klägers vom Durchschnitt der Erkrankungen ab und beeinträchtigen seine Lebensqualität auf Dauer nachhaltig, was somit die Annahme einer schwerwiegenden Erkrankung begründet. 2. Im Fall des Klägers kann eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung der Heilbehandlung im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung des behandelnden D-Arztes Dipl.-Med. D. unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes des Klägers nicht zur Anwendung kommen (§ 31 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe b SGB V). Da Standardtherapien für die Heilbehandlung von chronischem Kopfschmerz allgemein zur Verfügung stehen, ist nach § 31 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 b) SGB V erforderlich, dass diese im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung des behandelnden Vertragsarztes und unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen sowie unter Berücksichtigung des Krankheitszustands des Versicherten nicht zur Anwendung kommen können. Dabei verweist schon die Gesetzesbegründung darauf, dass ein Versicherter nicht langjährig schwere Nebenwirkungen ertragen muss, bevor die Therapiealternative eines Cannabisarzneimittels genehmigt werden kann (Gesetzentwurf der Bundesregierung BT-Drucks. 18/8965 S 24). Mit der Einfügung des Buchst. b) im Gesetzgebungsverfahren sollte ausdrücklich klargestellt werden, dass auch dann von fehlenden Behandlungsalternativen auszugehen ist, wenn im konkreten Fall zwar abstrakt noch andere dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen in Erwägung gezogen werden können, der behandelnde Vertragsarzt im konkreten Fall aber zu der begründeten Einschätzung kommt, dass diese anderen Maßnahmen unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes des Versicherten nicht zur Anwendung kommen können (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks. 18/10902 S. 19 und Gesetzentwurf der Bundesregierung BT-Drucks. 18/8965 S. 24). Erforderlich ist insoweit eine Beurteilung des behandelnden Arztes unter Auseinandersetzung mit den individuellen Verhältnissen des Versicherten unter Abwägung der bisherigen Therapieversuche, der konkret zu erwartenden Nebenwirkungen der Standardtherapie und derjenigen der Cannabinoidtherapie (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, aaO, Rn. 28; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.10.2018 - L 11 KR 3114/18 ER-B -). Auf vorrangige psychotherapeutische Interventionen muss sich der Kläger im Hinblick auf seinen Krankheitszustand und sein subjektiv nach Überzeugung der Kammer (Vorsitzender) nicht mehr vermeidbares Krankheitsverständnis nicht vorrangig verweisen lassen. Das Gericht ist im vorliegenden Fall davon überzeugt, dass der Kläger für weitere psychotherapeutische Behandlung nicht vorwerfbar nicht zugänglich ist und damit solche auf nicht absehbare Zeit nicht erfolgversprechend ist. Dipl.-Psych. Ursula R. im Abschlussbericht Psychotherapeutenverfahren vom 18.10.2013 (Bl. 3322 d. VA) und Prof. Dr. S./Dr. Sch./Dipl.-Psych. G. im Bericht vom 3.5.2018 (Vl. 3946 d. VA) sind nachvollziehbar und übereinstimmend zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger ein rein somatisch orientiertes Schmerzverständnis vertritt und für ein anderes Grundverständnis seiner Erkrankung nicht zugänglich ist. Prof. Dr. S./Dr. Sch./Dipl.-Psych. G. führten dementsprechend vollkommen nachvollziehbar aus, dass bei der ausgeprägten und durch Zielkonflikte getriggerten somatischen Verharrung des Klägers von einem chronischen Beharrungszustand auszugehen ist, der nach ca. 20-jährigem Krankheitsverlauf auch durch willentliche Steuerbarkeit nur schwer zu überwinden sein werde. Insofern wurde die Durchführung einer interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie zwar als prinzipiell indiziert, aber in der Zusammenschau der bislang höchst umfangreichen, letztlich aber erfolglosen therapeutischen Bemühungen als nicht zielführend angesehen. Daher resultierten von dort aus auch keine speziellen schmerz- oder psychotherapeutischen Behandlungsempfehlungen. Soweit demgegenüber und davon abweichend auf physiotherapeutischem Gebiet Behandlungsempfehlungen ausgesprochen worden sind, überzeugt das ausgehend von dem Vorstehenden letztlich nicht. Auch hinsichtlich der faktischen Ablehnung von Psychotherapie kommt der ausgeprägten und durch Zielkonflikte getriggerten somatischen Verharrung des Klägers nach Überzeugung des Gerichts eine zentrale Rolle zu. Auch insoweit liegt letztlich ein chronischer Beharrungszustand auf der Hand, der dadurch gefördert wird, dass bis heute eine befriedigende medizinische Erklärung für die beklagten und als Unfallfolgen anerkannten chronischen Kopfschmerzen des Klägers mit Störungen der Konzentration und Merkfähigkeit nicht gefunden ist, so dass schon nicht positiv feststeht, dass das somatische Krankheitsverständnis des Klägers in letzter Konsequenz falsch ist. Stattdessen ist es nach den vorliegenden Gutachten, insbesondere demjenigen von Dr. K. nur (weit) weniger wahrscheinlich. Gegen eine mit Aussicht auf Erfolg zugängliche Psychotherapie sprechen auch die Verlaufsberichte der Dipl.-Psych. R. Sie hat eingehend dargelegt und begründet, dass die im Jahre 2013 die aufgenommene Psychotherapie nach insgesamt 11 Sitzungen nicht fortgeführt werden konnte, weil weitere Behandlungserfolge nicht zu erwarten waren. Die Therapie wurde in dem Gespräch am 11.10.2013 beendet, weil die Prognose nicht ausreichte, um weitere psychotherapeutische Erfolge zu erzielen. Zwar habe in der Schmerzambulanz und mit der Neurofeedbackmethode erreicht werden können, dass Opiate ausgeschlichen hätten werden können. Ein weitergehender Therapieerfolg sei aber nicht erreicht worden. Dementsprechend habe der Kläger bei der Therapeutin Erklärungen für die Chronifizierung seiner Schmerzen eingefordert, habe aber nicht dafür gewonnen werden können, z. B. eine systematische Selbstbeobachtung bezüglich seiner Beschwerden (Schmerztagebuch) durchzuführen. Während der Therapie habe er mehrfach versucht, die Therapeutin in Diskussionen zu verwickeln, wenn sie mit verhaltensanalytischen Fragen und dem sokratischen Dialog am Problemverständnis zu arbeiten suchte. Er habe so bei Einstellung zusammenfassend bemerkt: "Ich habe auch keine Produkte an Menschen verkauft, die sich nicht brauchten". Die Kammer (Vorsitzender) ist nach dem Beweisergebnis davon überzeugt, dass der Kläger sich in einem inzwischen Jahrzehnte langen Verharrungszustand hinsichtlich des allein somatischen Schmerzverständnisses befindet und für weiterführende erfolgversprechende Psychotherapie nicht zugänglich ist. Sie kann daher nach dem Beweisergebnis unter Berücksichtigung des individuellen Krankheitszustandes des Versicherten nicht zur Anwendung kommen. Etwas anderes ergibt sich letztlich auch nicht aus der Stellungnahme des Dipl.-Med. D. vom 30.11.2018. Es kann nach den Umständen des Falles nicht angenommen werden, dass Dipl.-Med. darin seine fachliche und prognostische Einschätzung vom 2.8.2018 grundlegend revidieren wollte. Soweit er mitgeteilt hat, dass er sich zur Zeit der Auffassung von Dr. Sch. anschließe, erfolgte das offenkundig unter der von der Beklagten so sinngemäß umschriebenen Voraussetzung, dass der Kläger im Jahre 2013 zugängliche und erfolgsversprechende Psychotherapie abgebrochen habe, was aber nach dem Gesagten so nicht zutrifft. 3. Nach Überzeugung der Kammer (Vorsitzender) besteht auch eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome des Klägers. Im Ausgangspunkt sind nach Sinn und Zweck des § 31 Abs. 6 SGB V an diesen Nachweis keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Dem behandelnden Vertragsarzt – im Bereich dem entsprechend der GUV D-Arzt (vgl. § 34 Abs. 3 SGB VII [D-Arztverfahren]) - wird in § 31 Abs. 6 SGB V eine Einschätzungsprärogative eingeräumt, die von der Krankenkasse und im Gerichtsverfahren nur sehr begrenzt auf inhaltliche Richtigkeit zu überprüfen ist. Die Gesetzmaterialien bestätigen dies. Der Ausschuss für Gesundheit hat dementsprechend formuliert (BT-Drucks. 18/10902 S. 20): "Die Versorgung von Versicherten mit schwerwiegenden Erkrankungen soll durch den Anspruch auf Versorgung mit Cannabis nach Satz 1 verbessert werden. Die Genehmigungsanträge bei der Erstverordnung der Leistung sind daher nur in begründeten Ausnahmefällen von der Krankenkasse abzulehnen. Damit wird auch der Bedeutung der Therapiehoheit des Vertragsarztes oder der Vertragsärztin Rechnung getragen." Für den Bereich der GUV gilt bei einem entsprechend begründeten Antrag des D-Arztes das Vorstehende entsprechend, so dass auch ihm eine Einschätzungsprorogative zukommt. Dem beantragenden Vertragsarzt bzw. D-Arzt muss dazu insbesondere kein Gutachten vorliegen, sondern er soll die Einschätzung eigenverantwortlich unter Abwägung der für und gegen die Versorgung im Einzelfall streitenden konkreten Umstände unter Berücksichtigung des individuellen Krankheitsbildes treffen. Ausreichend ist es dementsprechend, wenn er diese eigene Einschätzung abgibt und sie entsprechend begründet. Sofern sie gemessen hieran nachvollziehbar, schlüssig und in sich widerspruchsfrei ist, ist sie nach Sinn und Zweck der Regelung durch den Versicherungsträger hinzunehmen (vgl. LSG NRW, aaO, Rn. 31, 32, juris). Es kommt dann nicht darauf an, ob etwa ein Beratungsarzt zu einer anderen Einschätzung kommt, die ggfs. ebenso vertretbar ist, sondern nur darauf, ob sich die Einschätzung des behandelnden Arztes als nicht oder kaum vertretbar erweist. Vorstehendes zugrunde gelegt, erweist sich der Antrag des Dipl.-Med. D. vom 2.8.2018 nach dem Beweisergebnis und auch im Lichte der ablehnenden Einschätzung vom 24.8.2018 als nachvollziehbar und gut vertretbar begründet. Nach dem Antrag kommt der Versorgung mit medizinischem Cannabis (Sativex) unter Berücksichtigung des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft und der Erkrankung des Klägers eine nicht fern liegende Erfolgsaussicht zu (§ 31 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 SGB V). Durchgreifende Gründe, diese Abwägung aus medizinisch-wissenschaftlicher Sicht abweichend und den Antrag ablehnend vorzunehmen, ergeben sich weder aus den Stellungnahmen der Prof. Dr. S./Dr. Sch./Dipl.-Psych. G. noch aus der Ablehnungsbegründung der Beklagten. Ergänzend kann dazu auf die Internetveröffentlichung der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Fachausschuss der Bundesärztekammer, mit "Überblick über die Studienlage zum therapeutischen Einsatz von Cannabinoiden" auf der Internetseite (http://www.akdae.de/Stellungnahmen/Weitere/20160114.pdf) vom März 2015 verwiesen werden. Danach hat der Ausschuss Sucht und Drogen der Bundesärztekammer die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) am 22.01.2015 gebeten, Indikationen zu identifizieren, "für die wissenschaftliche Erkenntnisse eines möglichen Nutzens einer Therapie mit cannabinoidhaltigen Medikamenten bestehen". Cannabinoide seien eine heterogene Stoffgruppe, zu denen Hanfcannabinoide ("Medizinalhanf"), Cannabinoidmimetika aus anderen Pflanzen und synthetische Cannabinoide gehörten. Als Ergebnis wurde eingeschätzt, dass bei akuten Schmerzen Cannabinoide schlecht oder gar nicht wirksam zu sein schienen. Bei chronischen Schmerzen hingegen habe sich eine positive Wirkung bei der Mehrzahl der klinischen Studien (1;2;14–18) gezeigt. Deswegen sei bei chronischen und insbesondere neuropathischen Schmerzen ein Therapieversuch mit Cannabinoiden gerechtfertigt, wenn andere Therapiestrategien ohne Erfolg blieben (1;14). Da Cannabinoide gleichzeitig den Appetit stimulieren, die Stimmung aufhellen, die Übelkeit hemmen und den Schlaf fördern können, könne ihr Einsatz in der Palliativmedizin erwogen werden. Vorstehendes zugrunde gelegt, kann der Einschätzung von Dr. Sch. nicht gefolgt werden, wonach es nach den Empfehlungen der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft an einer Evidenz für den Einsatz von Cannaboiden im Falle des Klägers fehle. Denn dem lag nach den dortigen Ausführungen die Annahme zugrunde, dass bei ihm ein Anhalt für das Vorliegen einer sekundären Kopfschmerzerkrankung fehle, was in dieser Allgemeinheit auf Grundlage der zahlreich vorliegenden Gutachten wenig nachvollziehbar erscheint. Dass Dr. Sch. nach der ambulanten Behandlung des Klägers eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischem Faktoren (ICD-10: F 45.41) diagnostiziert hat, spricht eher dafür, dass eben somatische Anteile an der chronischen Kopfschmerzerkrankung des Klägers nicht auszuschließen sind, so dass zumindest Anteile sekundären Kopfschmerzes nicht fernliegend sind. Ohnehin sind nach dem Gesagten die medizinischen Hintergründe der Kopfschmerzerkrankung des Klägers bis heute trotz der erhobenen zahlreichen Gutachten nicht befriedigend geklärt, 4. Zuletzt ist dem Kläger, auch wenn es darauf im vorliegenden Hauptsacheverfahren nicht unmittelbar tragend ankommt, ein längeres Zuwarten auch unter dem Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht zuzumuten, zumal die mit der Entscheidung für die Beklagte verbunden Risiken verhältnismäßig überschaubar erscheinen. Sollte die probeweise Heilbehandlung mit Cannabis nicht den erwünschten Erfolg zeitigen, wird sie nicht fortzuführen sein.

Nach alledem war der Klage stattzugehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved