L 3 AS 765/19

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 20 AS 3780/16
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 765/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Wenn ein Fahrzeug überwiegend betrieblich genutzt wird, ist es nicht zu beanstanden, wenn sich ein als Selbständiger tätiger Leistungsberechtigter gegen die Beschädigung oder den Verlust des Fahrzeuges mit einer Fahrzeugvollversicherung absichert.
2. Zur Frage, ob die verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen betreffend der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassener Verwaltungsakte in Folge der technischen Entwicklungen überholt sind.
3. Die fehlende Namensangabe und Unterschrift bewirkt nicht die Nichtigkeit eines Bescheides im Sinne von § 40 Abs. 1 und 2 SGB X.
I. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 23. Mai 2019 und der Überprüfungsbescheid vom 19. Juli 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. September 2016 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, die Bescheide vom 24. Februar 2016 dahingehend abzuändern, dass dem Kläger Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe unter Anerkennung der Geschäftsversicherung in Höhe von 94,65 EUR sowie der Kraftfahrzeugversicherung in Höhe von 617,88 EUR als Betriebsausgaben im Rahmen der selbständigen Tätigkeit bewilligt werden. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens um die endgültige Festsetzung und Erstattung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für die Zeit vom 1. Juli 2014 bis zum 31. Dezember 2014.

Der 1974 geborene Kläger bezieht seit längerem in Bedarfsgemeinschaft mit der 1981 geborenen Z ... sowie der 2005 geborenen Tochter Y ... Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Im streitbefangenen Leistungszeitraum erzielte er Einkommen aus selbständiger Tätigkeit (EDV/Werbung) und seine Lebensgefährtin Erwerbseinkommen aus geringfügiger nichtselbständiger Tätigkeit sowie aus einem Arbeitsverhältnis beim Vitalzentrum S ...

Mit Bescheid vom 17. Juli 2014 bewilligte ihnen der Beklagte vorläufig Leistungen nach dem SGB II.

Am 28. November 2015 reichte der Kläger die Anlage EKS in Bezug auf seine Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit ein.

Der Beklagte erließ unter dem 24. Februar 2016 zwei Bescheide. Mit dem einen setzte er die Leistungen für die Zeit 1. Juli 2014 bis zum 31. Dezember 2014 endgültig fest. Hierbei erkannte er einen Betrag in Höhe von 94,65 EUR für eine Geschäftsversicherung (Objekt X ..., Feuer und Einbruchsdiebstahl) sowie in Höhe von 617,88 EUR für die Kraftfahrzeugversicherung des überwiegend betrieblich genutzten Fahrzeuges des Klägers (=168,22 EUR [Haftpflichtversicherung] + 351,00 EUR [Fahrzeugvollversicherung] + 98,66 EUR [Versicherungssteuer in Höhe von 19 %]) nicht an. Vom Kläger wurden die Geschäftsversicherung am 20. Dezember 2014 und die Kraftfahrzeugversicherung am 22. Dezember 2014 überwiesen. Mit dem zweiten Bescheid machte der Beklagte gegenüber dem Kläger die Erstattung von überzahlten Leistungen in Höhe von 792,65 EUR geltend. Beide Bescheide erhalten folgende Angabe: "Dieses Schreiben wurde maschinell erstellt und ist auch ohne Unterschrift wirksam." Beide Bescheide wurden bestandskräftig.

Am 26. April 2016 beantragte der Kläger die Überprüfung der Bescheide vom 24. Februar 2016 und rügte die Nichtberücksichtigung der Geschäfts- und Kraftfahrzeugversicherung. Mit Bescheid vom 19. Juli 2016 wies der Beklagte den Überprüfungsantrag zurück. Auch dieser Bescheid enthält die Bemerkung, dass er maschinell erstellt sei.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. September 2016 als unbegründet zurück. Die Kfz-Haftpflichtversicherung sei in vollem Umfang zu 1/12 (= 14,64 EUR) vom monatlichen Einkommen abgesetzt worden. Die Kaskoversicherung sei gesetzlich nicht vorgeschrieben und stelle, wie auch die Geschäftsversicherung, eine "private Versicherung" dar, für die lediglich die Versicherungspauschale von 30,00 EUR abzuziehen gewesen sei. Der Widerspruchsbescheid ist unterschrieben.

Hiergegen hat der Kläger persönlich am 7. Oktober 2016 Klage erhoben. Die Bescheide seien rechts- und verfassungswidrig. Gründe für die Rückzahlung bestünden nicht. Der Beklagte habe keinen Nachweis vorgelegt, aufgrund derer er zu hoheitlichen Maßnahmen berechtigt gewesen sei. Den Anforderungen von § 33 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) sei nicht Genüge getan. Den Anforderungen an die elektronische Signatur sei nicht entsprochen. Artikel 19 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) sei nicht beachtet worden.

Mit Gerichtsbescheid vom 23. Mai 2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig und würden den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen. Bedenken an der Befugnis des Beklagten, die Bescheide zu erlassen, bestünden nicht. Die Bescheide seien auch formwirksam ergangen. Einer Unterschrift des Sachbearbeiters habe es nicht bedurft, da sie mit Hilfe einer automatischen Einrichtung gemäß § 33 Abs. 5 Satz 1 SGB X erstellt worden seien. Der Bescheid sei in Papierform erlassen und an den Kläger übersandt worden, sodass es sich auch nicht um einen elektronischen Verwaltungsakt gehandelt habe. Schließlich sei auch das Zitiergebot nicht verletzt worden und die Ermittlung des anrechenbaren Einkommens sei nicht zu beanstanden.

Gegen den dem Kläger am 28. Mai 2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat W ..., auftretend unter der Bezeichnung Deutsche Juristen & Partner, Berufung eingelegt. Eine vom Kläger auf ihn ausgestellte Prozessvollmacht hat er im Verlauf des Verfahrens vorgelegt. Mit Beschluss vom 11. September 2019 hat der Senat ihn als Prozessbevollmächtigten des Klägers zurückgewiesen.

Die Berufung ist damit begründet worden, dass nicht zu erkennen sei, dass bisher noch nicht alle relevanten Kriterien im Gerichtsbescheid ihren Niederschlag gefunden hätten. Dies sei nun notwendigerweise in einer mündlichen Verhandlung zu klären.

Zur mündlichen Verhandlung ist W ... erschienen. Er hat eine neue, auf den 17. September 2019 datierte Prozessvollmacht vorgelegt. Im Schreiben vom 19. September 2019 hat er "Antrag auf Zulassung des frei gewählten Verteidigers unter Beachtung höherrangigen Rechts aus GG Art. 1 Abs. 1 und 3, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1, Art. 11 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 79 Abs. 3 und Art. 25 i. V. m. IP 66, EUMK, UN-MRK, Lissabonvertrag" gestellt. Er hat sich auf § 73 Abs. 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bezogen. Zur Begründung hat er vorgetragen: "Dies als beauftragtes Organ der Partei DPfW [Die Parteifreien Wähler] für seine Mitglieder, da eine zwangsweise Betreuung ausschließlich durch einen zugelassenen, an Kammerstatuten gebundenen Rechtsanwalt, entgegen den Grundrechten aus dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und BGB § 1896 Abs. 1a, abgelehnt wird. Ferner hat er Ablehnungsgesuche gegen die Richter in der anwesenden Senatsbesetzung gestellt.

W ... ist mit dem in der mündlichen Verhandlung verkündetet Beschluss als Bevollmächtigter des Klägers zurückgewiesen worden, weil der Zurückweisungsbeschluss vom 11. September 2019 fortwirke. Im Übrigen habe W ... nach wie nicht nachgewiesen, als Bevollmächtigter auftreten zu dürfen. Mit weiterem verkündeten Beschluss sind die Ablehnungsgesuche als unzulässig verworfen worden.

Einen Klageantrag hat der Kläger nicht gestellt.

Der Beklagte hat von einer Antragstellung abgesehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Gericht konnte trotz Ausbleibens des Klägers verhandeln und entscheiden, weil er hierauf in der Ladung hingewiesen worden ist (vgl. § 153 Abs. 1 i. V. m. § 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).

II. Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft.

1. Gemäß § 143 SGG findet die Berufung an das Landessozialgericht gegen die Urteile der Sozialgerichte statt, soweit sich aus den Vorschriften des Ersten Unterabschnitts zum Zweiten Abschnitt des Zweiten Teils des Sozialgerichtsgesetzes (§§ 143 bis 159 SGG) nichts anderes ergibt. Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Das gilt gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

Der nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG maßgebende Wert des Beschwerdegegenstands ist danach zu bestimmen, was das Sozialgericht dem Rechtsmittelführer versagt hat und was von diesem mit seinen Berufungsanträgen weiter verfolgt wird (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 27. Juni 2012 – L 3 AS 148/10 NZB – juris Rdnr. 3; Sächs. LSG, Urteil vom 14. März 2013 – L 3 AS 528/12NZS 2013, 480 = juris, jeweils Leitsatz 2; Sächs. LSG, Beschluss vom 4. April 2019 – L 3 AS 170/16 – juris Rdnr. 21; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG [12. Aufl., 2017], § 144 Rdnr. 14, m. w. N.; Groth, in: Krasney/Udsching, Handbuch des Sozialgerichtlichen Verfahrens [7. Aufl., 2016], Kapitel VIII Rdnr. 14). Maßgebender Zeitpunkt für die Bestimmung ist dabei die Einlegung der Berufung (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 8. Dezember 2014 – L 3 AS 939/14 B PKH – juris Rdnr. 9, m. w. N.; Leitherer, a. a. O., § 144 Rdnr. 19).

Vorliegend wandte sich der Kläger im Rahmen des Überprüfungsverfahrens gegen die mit den Bescheiden vom 24. Februar 2016 erfolgte endgültige Festsetzung der Leistungen für die Zeit vom 1. Juli 2014 bis zum 31. Dezember 2014 und die damit einhergehende Erstattungsforderung in Höhe von 792,65 EUR. Seine Klage blieb erfolglos. Der für die unbeschränkt eingelegte Berufung notwendige Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 750,00 EUR. Damit ist gegen den Gerichtsbescheid vom 23. Mai 2019 die Berufung statthaft. Dies wiederum hat zur Folge, dass der mit der Berufungsschrift zugleich gestellte Antrag auf mündliche Verhandlung nach § 105 Abs. 2 Satz 2 SGG nicht statthaft ist.

2. Die Berufung wurde auch formgerecht eingelegt. Zwar wurde die Berufung von W ... mit Schreiben vom 28. Juni 2019 eingelegt, ohne dass er entsprechend § 73 Abs. 6 Satz 1 SGG seine Prozessvollmacht schriftlich zu den Gerichtsakten eingereicht hätte. Sie wurde jedoch im laufenden Berufungsverfahren nachgereicht (vgl. § 73 Abs. 6 Satz 2 SGG), wodurch dieser Mangel geheilt wurde. Einer wirksamen Berufungseinlegung steht auch nicht entgegen, dass W ... mit Beschluss vom 11. September 2019 als Prozessbevollmächtigter des Klägers zurückgewiesen worden ist. Denn nach § 73 Abs. 3 Satz 2 SGG sind Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten bis zu dessen Zurückweisung wirksam.

III. Die Berufung des Klägers hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 23. Mai 2019 und der Überprüfungsbescheid vom 19. Juli 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. September 2016 sind rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Satz 1 SGG). Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts hat der Beklagte zu Unrecht den Überprüfungsantrag in Bezug auf die Bescheide vom 24. Februar 2016 abgelehnt hat.

1. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

Dies ist vorliegend der Fall. Die Bescheide vom 24. Februar 2016 sind rechtswidrig, da im Rahmen der endgültigen Leistungsbewilligung bei der Ermittlung der Betriebsausgaben im Rahmen der selbständigen Tätigkeit des Klägers die Geschäftsversicherung in Höhe von 94,65 EUR sowie der Kraftfahrzeugversicherung in Höhe von 617,88 EUR nicht als Betriebsausgaben anerkannt wurden.

Nach § 3 Abs. 2 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung – Alg II-V) sind zur Berechnung des Einkommens von den Betriebseinnahmen die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen.

Der Kläger hat nachgewiesen, dass es sich sowohl bei den Aufwendungen für die Kraftfahrzeugversicherung in Höhe von 617,88 EUR als auch bei den Aufwendungen in Höhe von 94,65 EUR für die Geschäftsversicherung um Betriebsausgaben im Sinne von § 3 Abs. 2 ALG II-V handelt.

Der Kläger nutzte sein Fahrzeug im streitbefangenen Zeitraum überwiegend betrieblich für die Ausübung seiner selbständigen Tätigkeit im Bereich EDV/Werbung. Er fuhr in dieser Zeit 8.149 km betrieblich und nur 2.167 km privat. Für die Ausübung seiner selbständigen Tätigkeit war er auf ein Fahrzeug angewiesen. Auf Grund des dem Gewerbezweck geschuldeten Bedarfs an einem Fahrzeug ist es nicht zu beanstanden, dass er sich gegen die Beschädigung oder den Verlust des Fahrzeuges mit einer Fahrzeugvollversicherung absicherte. Der Kläger hat durch Vorlage des Kontoauszuges nachgewiesen, dass die Betriebsausgabe am 22. Dezember 2014 und damit innerhalb des Bewilligungszeitraums angefallen ist.

Nichts anderes gilt für die Geschäftsversicherung. Diese sicherte die Gewerberäumlichkeiten gegen Feuer und Einbruchsdiebstahl ab und ist damit grundsätzlich als notwendige Betriebsausgabe anzuerkennen. Sinn einer solchen Versicherung ist die Absicherung des eigenem betrieblichen Inventars oder von Gegenstände oder Waren Dritter, die aufbewahrt werden, gegen die Gefahr des Verlustes und der Beschädigung. Der Kläger hat durch Vorlage des Kontoauszuges nachgewiesen, dass die Betriebsausgabe am 20. Dezember 2014 und damit innerhalb des streitigen Bewilligungszeitraums angefallen ist.

Im Übrigen bestehen keine Bedenken gegen die Richtigkeit der vom Beklagten vorgenommen Bedarfsberechnung.

2. Die formellen Einwendungen des Klägers gegen die Rechtmäßigkeit der Bescheide vom 24. Februar 2016 sind unbegründet.

a) Zweifel an der Berechtigung des Beklagten, die streitbefangenen Bescheide zu erlassen, bestehen nicht.

Träger der Leistungen nach dem SGB II sind nach Maßgabe von § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB II die Bundesagentur für Arbeit (Nummer 1) sowie die kommunale Träger, das heißt die kreisfreien Städte und Kreise (Nummer 2). Zur einheitlichen Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende bilden die Träger im Gebiet jedes kommunalen Trägers nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II eine gemeinsame Einrichtung (vgl. § 44b Abs. 1 Satz 1 SGB II), die die Aufgaben der Träger nach dem SGB II wahrnimmt (vgl. § 44b Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB II). Abweichend hiervon können kommunale Träger die Zulassung als Träger im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II beantragen (vgl. § 6a Abs. 2 bis 4 SGB II). Zugelassenen kommunalen Träger sind nach Maßgabe von § 6b Abs. 1 Satz 1 SGB II anstelle der Bundesagentur im Rahmen ihrer örtlichen Zuständigkeit Träger der Aufgaben nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II; sie haben insoweit die Rechte und Pflichten der Agentur für Arbeit (vgl. § 6b Abs. 1 Satz 2 SGB II). Der Landkreis Erzgebirgskreis ist gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung zur Zulassung von kommunalen Trägern als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Kommunalträger-Zulassungsverordnung – KomtrZV) in Verbindung mit der Anlage (zu § 1) ein zugelassener kommunaler Träger. Gemäß § 1 Abs. 4 der Landkreisordnung für den Freistaat Sachsen (Sächsische Landkreisordnung – SächsLKrO) ist das Landratsamt die Behörde des Landkreises. Eine Behörde ist grundsätzlich gemäß § 31 Satz 1 SGB X zum Erlass eines Verwaltungsaktes befugt.

Da der Kläger sowohl im Leistungszeitraum als auch zu den Zeitpunkten, in den der Beklagte die angefochtenen Bescheide erlassen hat, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in S ..., einer dem Landkreis Erzgebirgskreis angehörigen Stadt (vgl. § 2 Nr. 2 Buchst. b des Gesetzes zur Neugliederung des Gebietes der Landkreise des Freistaates Sachsen [Sächsisches Kreisgebietsneugliederungsgesetz – SächsKrGebNG] vom 29. Januar 2008 [SächsGVBl. S. 102] i. d. F. von Artikel 7 des Gesetzes vom 18. Dezember 2013 [SächsGVBl. S. 970] i. V. m. § 3 Nr. 20 Buchst. b des Sächsischen Gesetzes zur Kreisgebietsreform [Kreisgebietsreformgesetz – SächsKrGebRefG] vom 24. Juni 1993 [SächsGVBl. S. 549], zuletzt geändert durch Artikel 32 des Gesetzes vom 5. Mai 2004 [SächsGVBl. S. 148]), hatte, war der Beklagte örtlich zuständig (vgl. § 36 Abs. 1 SGB II).

b) Im Ergebnis unbeachtlich ist auch der Einwand, dass den Bescheiden vom 24. Februar 2016 über die endgültige Leistungsfestsetzung und die Erstattungsforderung jeweils die Unterschrift fehle. Auch der Überprüfungsbescheid ist, anders der Widerspruchsbescheid, nicht unterschrieben.

(1) Nach § 33 Abs. 3 Satz 1 SGB X muss ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wenn für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet wird, muss nach § 33 Abs. 3 Satz 2 SGB X auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Nach § 33 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 SGB X schließlich können bei einem Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, abweichend von § 33 Abs. 3 Satz 1 SGB X Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen. Bei einem elektronischen Verwaltungsakt muss auch das der Signatur zugrunde liegende Zertifikat nur die erlassende Behörde erkennen lassen (vgl. § 33 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 SGB X).

Vorliegend sind allein die Regelungen über einen schriftlichen oder mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen Verwaltungsakt maßgebend. Denn der Beklagte hat sich beim Erlass der verschiedenen, im vorliegenden Fall maßgebenden Verwaltungsakte nicht nach § 33 Abs. 3 Satz 2 SGB X in Verbindung mit § 36a Abs. 2 Satz 1 SGB X der elektronischen Form bedient.

(2) Fraglich ist, ob sich der Beklagte beim Erlass des Bescheides vom 24. Februar 2016 über die endgültige Leistungsfestsetzung, des Erstattungsbescheides vom 24. Februar 2016 und des Überprüfungsbescheides vom 19. Juli 2016 auf die Regelungen über einen mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassenen – nicht maschinell erstellten, wie der Beklagte in den Bescheiden formuliert hat – Veraltungsaktes stützen kann.

Eine Parallelregelung zu § 33 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 SGB X findet sich in § 37 Abs. 5 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG). In der Kommentierung hierzu wird teilweise die Auffassung vertreten, dass die Regelung überholt sei, weil sie den Problemen aus der Anfangszeit der Verwaltungsautomation, nämlich der begrenzten Speicherkapazität von Großrechenanlagen, habe Rechnung tragen sollen; es handle sich um "totes Recht" (vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz [9. Aufl. 2018], § 37 Rdnr. 130 ff.; vgl. zur rechtspolitischen Kritik: Schönenbroicher, in: Mann/Sennekamp/Uechtitz, VwVfG [2014]; § 37 Rdnr. 170; a. A. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG [19. Aufl. 2018], § 37 Rdnr. 38). In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung wird die Regelung in § 37 Abs. 5 Satz 1 VwVfG allerdings unter anderem auf Bescheide über eine Fehlbelegungsabgabe (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1993 – 8 C 57/91 – NJW 1993, 282 ff. = juris Rdnr. 14) oder Bescheide über die Heranziehung zu Rundfunkbeiträgen (vgl. Sächs. OVG, Beschluss vom 6. März 2015 – 3 B 305/14 – juris Rdnr. 9; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 21. November 2016 – 1 D 291/16NVwZ-RR 2017, 342 ff. = juris Rdnr. 4 ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 10. November 2015 – 27 K 7686/14 – juris Rdnr. 21) angewandt. Für den Bereich der Justizverwaltung und des Vollstreckungsrechtes wird der Regelung eine Geltung zum Beispiel für den Kostenansatz gemäß § 19 des Gerichtskostengesetzes (GKG) (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. April 2016 – juris Rdnr. 9) oder ein Vollstreckungsersuchen bezüglich eines Gerichtsvollzieherauftrages (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juni 2015 – I ZB 64/14 – juris Rdnr. 33 ff.) zuerkannt. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22. Januar 1993 verliert ein vermittels elektronischer Datenverarbeitung gefertigter, ohne Unterschrift und Namenswiedergabe gültiger Bescheid diese Eigenschaft erst dann, wenn nachträgliche manuelle Änderungen oder Hinzufügungen seine Prägung durch den Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung aus der Sicht des Adressaten aufheben. Dies sei bei nachträglichen manuellen Änderungen im Anschriftenfeld des Bescheides sowie des Beginns des Zahlungszeitraums noch nicht der Fall (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1993, a. a. O.). Entsprechend hat der Bundesfinanzhof auch zu § 119 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 der Abgabenordnung (AO) entschieden (vgl. BFH, Beschluss vom 4. Dezember 2013 – X B 155/12 – juris Rdnr. 3).

In der Kommentarliteratur zu § 33 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 SGB X werden die Vorbehalte aus der verwaltungsverfahrensrechtlichen Literatur überwiegend nicht geteilt (vgl. z. B. Littmann, in: Hauck/Noftz, SGB X [Stand: Erg.-Lfg. III/2019, Juni 2019], § 33 Rdnr. 22; Pattar, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X [2. Aufl., 2017], § 33 Rdnr. 90; vgl. auch: Siewert, in: Diering/Timme/Waschull [Hrsg.], Sozialgesetzbuch X [5. Aufl., 2019], § 33 Rdnr. 18; a. A. Engelmann, in: von Wulffen/Schütze, SGB X [8. Aufl., 2014], § 33 Rdnr. 37 [unter Bezugnahme auf Stelkens]).

(3) Die Frage, ob die Sonderreglung des § 33 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 SGB X auf die zwei Bescheide vom 24. Februar 2016 und den Überprüfungsbescheid vom 19. Juli 2016 Anwendung finden kann, kann aber vorliegend dahingestellt bleiben.

Denn auch bei einem unterstellten Formmangel bewirkt die fehlende Namensangabe und Unterschrift nicht die Nichtigkeit der Bescheid im Sinne von § 40 Abs. 1 und 2 SGB X (so auch BFH bzgl. Steuerbescheiden, z. B. BFH, Beschluss vom 25. März 2013 – I B 26/12 – juris Rdnr. 15; BFH, Beschluss vom 4. Dezember 2013 – X B 155/12 – juris Rdnr. 4). Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 nichtig ist, kann aber nach § 42 SGB X nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Dies ist hier nicht der Fall, weil es sich bei allen drei Bescheiden um gebundene Verwaltungsentscheidungen handelt. Dies gilt auch für den Überprüfungsbescheid, wie sich aus § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ("ist der Verwaltungsakt [ ] zurückzunehmen").

c) Schließlich liegt auch kein Verstoß gegen das in Artikel 19 Abs. 1 Satz 2 GG verankerte Zitiergebot vor.

Nach Artikel 19 Abs. 1 Satz 1 GG muss ein Gesetz, soweit nach dem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Nach Artikel 19 Abs. 1 Satz 2 GG muss das Gesetz außerdem das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen. Demzufolge findet das Zitiergebot aus Artikel 19 Abs. 1 Satz 2 GG nur Anwendung auf Grundrechte, die aufgrund ausdrücklicher Ermächtigung vom Gesetzgeber eingeschränkt werden dürfen (ständ. Rspr. des BVerfG s, vgl. z. B. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 1983 – 1 BvL 46/80, 1 BvL 47/80 [Prüfingenieur] – BVerfGE 64, 72 ff. = NJW 1983, 2869 ff. = juris Rdnr. 26; BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 – 1 BvR 668/04 [Telekommunikationsüberwachung] – BVerfGE 113, 348 ff. = NJW 2005, 2603 ff. = juris Rdnr. 87; BVerfG, Beschluss vom 12. Oktober 2011 – 2 BvR 236/08, 2 BvR 237/08, 2 BvR 422/08 [TKÜ-Neuregelung] – BVerfGE 129, 208 ff. = NJW 2012, 833 ff. = juris Rdnr. 177; ähnlich bereits BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 1970 – 2 BvR 531/68 [Zitiergebot] – BVerfGE 28, 36 ff. = NJW 1970, 1268. = juris Rdnr. 45).

Einen solchen Gesetzesvorbehalt hat das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Artikel 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Artikel 20 Abs. 1 GG nicht. Vielmehr ist dieses Grundrecht in seiner Eigenschaft als Gewährleistungsrecht dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat, wobei ihm ein Gestaltungsspielraum zusteht (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 [Hartz IV-Regelsatz , Hartz IV-Gesetz] – BVerfGE 125, 175 ff. = NJW 2010, 505 ff. = juris Rdnr. 133). Das SGB II unterliegt deshalb nicht dem Zitiergebot aus Artikel 19 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. Bay. LSG, Urteil vom 20. März 2019 – L 11 AS 904/18 – juris Rdnr. 30 [betr. Höhe des Arbeitsloengeldes II]; zuvor bereits SG Dortmund, Beschluss vom 13. Juli 2016 – S 32 AS 317/16 ER – juris Rdnr. 135 [betr. einen Minderungsbescheid]; SG Gießen, Beschluss vom 10. Oktober 2016 – S 27 AS 654/16 ER – ZFSH/SGB 2017, 123 ff. = juris Rdnr. 43 [betr. einen Minderungs- und Aufhebungsbescheid]).

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG im Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens der Parteien.

V. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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