S 15 KR 129/20 ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 15 KR 129/20 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vom 31.01.2020 wird abgelehnt.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I. Streitig ist die Versorgung des Antragstellers mit Cannabis. Der im Jahre 1997 geborene Antragsteller leidet insbesondere unter ungeklärten Synkopen.

Gemäß der Akte der Antragsgegnerin klagte der Kläger nach einem Unfall beim Schlittenfahren am 15.01.2008 seit dem 18.01.2008 über Rücken- und Beinschmerzen. Im September 2013 wurde eine milde Aortenklappeninsuffizienz bei funktionellen Thoraxschmerzen diagnostiziert. Im November 2013 kam der Antragsteller erneut in stationäre Behandlung bei diagnostizierten Palpitationen des Herzens und Aortenklappeninsuffizienz. Eine Kontrolle im Juli 2014 ergab einen guten Allgemeinzustand bei nicht mehr auftretenden Palpitationen. Die Aortenklappeninsuffizienz wird als geringgradig bezeichnet. Im Oktober 2014 kam es zu einem Schwindelereignis mit anschließenden anhaltenden stechenden Schmerzen in der linken Brust, sodass erneut eine Vorstellung im Klinikum C. notwendig wurde. Im Januar 2017 wurde eine erneute stationäre Behandlung notwendig wegen der Verdachtsdiagnose einer orthostatischen Synkope. Die Ärzte konnten ein mögliches Kopftrauma aufgrund eines unbeobachteten Sturzes nicht abschließend ausschließen. Die Entlassung erfolgte gegen ärztlichen Rat. Diagnostiziert wurden eine orthostatische Synkope (am ehesten bei unzureichender Trinkmenge) und ein unklares Kopftrauma. In der Anamnese schilderte der Antragsteller einen Treppensturz auf dem Weg zur Arbeit. Ihm sei schwindlig und schwarz vor Augen geworden und er habe für ca. 5 Sekunden das Bewusstsein verloren. Vorstellig wurde der Antragsteller sodann vom 24.03.2017 bis zum 29.03.2017 in der kardiologischen Ambulanz des Klinikums D ... Hier wird erstmals ein Zustand nach zweimaliger Synkope erfasst. Als Differenzialdiagnose wird eine kardioneurogene Synkope mit Rhythmusstörung dokumentiert. Die Pumpfunktion des Herzens sei normal, es bestehe eine Aortenklappeninsuffizienz Grad I-II. Das Belastungs-EKG sei regelrecht. Weitere Untersuchungen erfolgten vom 26.04.2017 bis zum 28.04.2017 stationär im Klinikum D., wobei hier bereits ein Zustand nach viermaliger Synkope dokumentiert ist. Die geringgradige primäre Aortenklappeninsuffizienz werde nicht als ursächlich für die Beschwerden des Antragstellers angesehen. Es erfolgte eine neurologische Synkopenabklärung, welche insgesamt unauffällig war. In einer durchgeführten Kipptischuntersuchung wurde eine auffällig erhöhte Herzfrequenzvariabilität mit sprunghaften Frequenzänderungen zwischen 80 und 110 Schlägen pro Minute erkannt. Der Antragsteller war während der Untersuchung unruhig mit verstärkter Atmung mit unruhigen Beinen und etwa 5 Minuten Schwindel, ohne dass sich eine Synkope ereignete. Die untersuchenden Ärzte gehen von einem erhöhten Stresslevel aus, welches neurokardiogene Synkopen begünstigen würde. Der Antragsteller solle auf regelmäßige Nahrungsaufnahme achten, ausreichend trinken bei mäßigem Ausdauertraining und Entspannungstechniken üben. Zudem wurde eine Medikation mit Bisoprolol (einem Betablocker) empfohlen. Der Klettersport sollte aus ärztlicher Sicht nicht weiter ausgeübt werden.

Am 22.08.2017 wurde der Antragsteller vom Rettungsdienst am Boden liegend vorgefunden, nachdem er zuvor kollabierte. Er verspürte ein Kribbeln am ganzen Körper bei schneller Atmung und Hyperventilation und berichtete von psychischem Stress in Arbeit und Familie. Die Hyperventilation wurde durch Rückatmung durchbrochen.

Im Befundbericht des behandelnden Kardiologen vom 19.12.2017 wird berichtet, dass es beim Kläger im Jahre 2017 zu zwölf synkopalen Ereignissen mit sekundenlanger Bewusstlosigkeit und teils mit Verletzungen gekommen sei. Ansonsten bestehe im Alltag normale Belastungsfähigkeit ohne Beschwerdesymptomatik.

Erneut kam es im Februar 2018 zu drei synkopalen Ereignissen während der Diagnostik mittels Event-Recorder (Arztbrief des Klinikum E. vom 08.03.2018). Bei den teils präsynkopalen, teils synkopalen Zuständen würde es sich am ehesten um ein angedeutetes posturales Tachykardiesyndrom (POTS) handeln. Aufgrund der weiterhin auftretenden synkopalen Zustände sollte auf eine aktive Teilnahme am Straßenverkehr verzichtet werden.

Im April 2014 stürzte der Antragsteller aufgrund einer Synkope im Bad und schlug mit dem Hinterkopf gegen eine Waschbeckenkante auf. Anschließend stürzte er erneut aus dem Gehen heraus auf den Hinterkopf aufgrund einer Synkope (Befundbericht der zentralen Notaufnahme des Klinikums E.). Danach wurde der Kläger erneut vom 18.04.2018 bis zum 20.04.2018 im Krankenhaus F. stationär aufgenommen mit der Verdachtsdiagnose einer chronisch entzündlichen ZNS-Erkrankung. Die Befunde waren insoweit unauffällig. Bei Kraft-und Koordinationsübungen kam es schnell zu einer Ermüdung der Beine.

Am 21.05.2018 stellte der behandelnde Allgemeinmediziner G. für die Antragsgegnerin ein Attest (Blatt 51 der Akte der Antragsgegnerin) aus, wonach der Antragsteller unter einer bisher diagnostisch nicht erklärbaren Neigung zu Synkopen leiden würde. Der Antragsteller falle ohne vorherige Warnzeichen plötzlich bewusstlos um und könne sich erhebliche Verletzungen zu ziehen. Aus Zufall habe der Antragsteller herausbekommen, dass er zu Zeiten, in denen er Cannabis rauche, keine Synkopen mehr habe. Er habe daher den Arzt gebeten, für ihn eine dreimonatige Versuchsbehandlung mit Bedrocan 0,5 g pro Tag zu beantragen. Dr. G. äußerte die Auffassung, dass nach endgültigen Ausschluss einer Epilepsie ein Behandlungsversuch mit Cannabis unternommen werden sollte. Der Antragsteller sollte in den drei Monaten tagebuchmäßig sein Befinden und insbesondere das Auftreten von Synkopen genau dokumentieren. Nach den drei Monaten sollte erneut entschieden werden, ob die Behandlung fortgesetzt werde.

Mit Aktenvermerk vom 19.06.2018 (Blatt 53 der Akte der Antragsgegnerin) wird dargelegt, dass der Fall einer falschen elektronischen Akte zugeordnet gewesen sei und daher erst am 22.06.2018 durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) begutachtet werden könne.

Eine entsprechende Beauftragung erfolgte seitens der Adressgegnerin am 19.06.2018 unter Zusendung der bekannten Befundberichte (Blatt 102 der Akte der Antragsgegnerin). Der MDK führte am 19.06.2018 (Blatt 103 der Akte der Antragsgegnerin) aus, dass die Verordnung von Cannabinoiden zur Therapie von Synkopen bisher ungeklärter Ursache medizinisch nicht nachvollziehbar sei. Es werde eine psychosomatische Therapie, gegebenenfalls eine Psychotherapie mit körperlicher Konditionierung empfohlen. Eine schwerwiegende Erkrankung würde nicht vorliegen. Allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen würden zur Verfügung stehen. Eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome würde nicht bestehen. Daher sei nicht nachvollziehbar, dass das Arzneimittel eingesetzt werden soll.

Mit Bescheid vom 25.06.2018 (Blatt 107 der Akte der Antragsgegnerin) wurde die aufgrund des Ablaufs der Bearbeitungsfrist eingetretene fiktive Genehmigung des Antrags auf Versorgung mit dem Arzneimittel Bedrocan nach § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) aufgehoben. Ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass die beantragte Leistung in Anspruch genommen werden könne, sei alleine aufgrund des Ablaufs der Bearbeitungsfrist am 15.06.2016 nicht entstanden. Es seien daher keine Gesichtspunkte feststellbar, die ein Festhalten an der Genehmigungsfiktion rechtfertigen könnten. Der Antrag auf die Versorgung mit Cannabisblüten müsse abgelehnt werden, da die Verordnung von Cannabis zur Therapie von Synkopen aus bisher ungeklärter Ursache medizinisch nicht nachvollziehbar sei.

Mit weiterem Bescheid vom 25.06.2018 (Blatt 109 der Akte der Antragsgegnerin), der sich auf einen Antrag auf Versorgung mit Cannabisblüten mit Posteingang 22.06.2018 bezieht (in der Akte der Antragsgegnerin nicht enthalten), wird dieser ebenfalls aus den im anderen Bescheid gleichen Datums genannten Gründen abgelehnt.

Die Mutter des Antragstellers wandte sich per E-Mail an die Antragsgegnerin und verwies auf die verzweifelte Situation. Die Familie würde in Sorge leben, dass dem Antragsteller Schlimmeres aufgrund der Stürze zustoßen würde. Cannabis würde die ungeklärten Schmerzen und die Synkopen unterdrücken. Der Mutter des Antragstellers wurde sodann von der Antragsgegnerin telefonisch mitgeteilt, dass als einmalige Ausnahme die Versorgung mit Bedrocan für vier Wochen erfolgen werde, ohne dass sich der Antragsteller auf diese Ausnahmeentscheidung berufen könne (Blatt 114 f. der Akte der Antraggegnerin).

Mit Bescheid vom 28.06.2018 (Blatt 118 der Akte der Antragsgegnerin) wurde dem Kläger aufgrund des Antrags vom 25.05.2018 die Versorgung mit Bedrocan für den Zeitraum vom 27.06.2018 bis zum 26.07.2018 bewilligt. Hierbei würde es sich um eine Einzelfallentscheidung ohne präjudizierende Wirkung handeln. Eine nochmalige Kostenübernahme scheide in Zukunft aus. Der behandelnde Arzt könne eine Verordnung des Cannabis-haltigen Arzneimittels auf einem Betäubungsmittelrezept vornehmen. Dieses könne anschließend direkt in der Apotheke eingelöst werden. Die Kostenübernahmeerklärung gelte ausschließlich für die ambulante Versorgung und für Verordnungen, die durch einen Arzt mit Kassenzulassung erfolge.

Mit Bescheid vom 28.06.2018 (Bl. 119 der Akte der Antragsgegnerin) wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass dem Widerspruch abgeholfen worden sei und der Bescheid vom 25.06.2018 aufgehoben werde.

Der Antragsteller wurde vom 11.07.2018 bis zum 17.07.2018 erneut stationär im s. Epilepsiezentrum R. behandelt. In der Anamnese wird von seit anderthalb Jahren auftretenden synkopenartigen Anfallszuständen berichtet. Diese würden täglich bis zu dreimal auftreten. Vorher würde der Antragsteller brennende Muskelschmerzen an den Innenseiten der Extremitäten bemerken, die 2 Minuten bis 5 Stunden andauern könnten. Hinzu komme ein Kribbelgefühl von den Armen aufsteigend. Dann bekomme der Antragsteller nichts mehr mit, stürze und sei nach wenigen Sekunden wieder vollständig orientiert. Er habe eine retrograde Amnesie für die letzten 5 Sekunden vor dem Anfall. Mehrfach seien Gehirnerschütterungen oder Sehnendehnungen die Folgen der Stürze gewesen. Der Antragsteller konsumiere seit einem Jahr Cannabis, da damit die Schmerzen verschwinden würden und auch die Anfälle nicht mehr auftreten würden. Vor einem Monat sei dem Antragsteller Cannabis medizinisch verordnet worden. Die konsumierte Menge sei ungefähr 1 g pro Tag. Zur Aufnahme in die Klinik habe er Cannabis abgesetzt.

In der Sozialanamnese berichtet der Antragsteller von Mobbing-Erfahrungen in der zehnten Klasse und im zweiten und dritten Lehrjahr während einer Ausbildung zum Schuhfertiger. Nachdem er zwischenzeitlich zu seiner Freundin gezogen sei, sei er im März 2018 wieder in das Elternhaus gezogen. Der jüngere Bruder leide an einer Autismusspektrumstörung.

Im Verlauf der Behandlung gab der Antragsteller eine Zunahme der Schmerzsymptomatik aufgrund des Absetzens der Cannabis-Medikation an, die auch mit Voltaren und Novaminsulfon nicht behoben werden konnte. Eine zunehmende Reizbarkeit wurde von der Klinik im Sinne einer Entzugssymptomatik bei Cannabisabhängigkeit gewertet. Der Klinik gelang es, eine Synkope im Video-EEG-Monitoring zu beobachten. Der Antragsteller habe von vielen belastenden psychosozialen Erfahrungen berichten können, von denen er aber angenommen habe, dass er sie in der Psychotherapie 2014 bereits erfolgreich bearbeitet habe. Die Auswertung der Anfallsvideos habe ergeben, dass es sich bei den Anfällen nicht um einen somatisch bedingten Anfallszustand handeln würde. In der Zusammenschau der Befunde würden die Anfälle als bewusstseinsnahe psychogene Anfälle eingeordnet werden. Für eine epileptische Genese fände sich kein Anhalt. Empfohlen werde eine erneute Psychotherapie, nicht aber die Behandlung mit Cannabis. Der Antragsteller erklärte, dass er mit dieser Diagnose bereits gerechnet habe. Er sei noch nie so lange in einem Krankenhaus geblieben, sondern habe sich bisher immer gegen ärztlichen Rat entlassen lassen. Er wolle eine neue Psychotherapie beginnen, aber auch ausschließen, dass eine Borreliose Ursache der Beschwerden sei. Als Entlassdiagnose wurde von der Klinik auch Cannabisabhängigkeit aufgenommen.

Dr. G. beantragte sodann am 18.02.2019 (Eingang am gleichen Tag, Blatt 126 der Akte der Antragsgegnerin) für den Antragsteller aufgrund ungeklärter Synkopen (mindestens fünfmal pro Tag) weiterhin Cannabis mit Vaporisator für ca. drei Monate. Deshalb werde noch einmal eine zeitlich begrenzte Therapie beantragt. Zugleich benötige er einen Sturzhelm zum täglichen Gebrauch. Derzeit erhalte der Antragsteller eine antibiotische intravenöse Therapie.

Dr. G. spezifizierte den Antrag am 25.02.2019, in dem er den Arztfragebogen zu Cannabinoiden (weitgehend unleserlich) ausfüllte. Danach solle das Cannabis (0,5 g im Vaporisator pro Tag) zur Behandlung der Synkopen eingesetzt werden. Als Behandlungsziel wird die Linderung der Symptome angegeben. Es bestehe ein Verdacht auf eine Borreliose, die mit Antibiotika behandelt würde. Bisher sei der Kläger mit Antiepileptika und Antidepressiva behandelt worden.

Mit Schreiben vom 26.02.2019 informierte die Antragsgegnerin darüber, dass sie den Antrag an den MDK weitergeleitet habe. Mit Stellungnahme vom 27.02.2019 wird seitens des MDK Berlin-Brandenburg wiederum auf eine psychotherapeutische Behandlungsmöglichkeit verwiesen. Eine schwerwiegende Erkrankung würde nicht vorliegen. Eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung stehe zur Verfügung.

Daraufhin wurde der Antrag mit Bescheid vom 28.02.2019 unter Verweis auf die Stellungnahme des MDK abgelehnt (Blatt 139 der Akte der Antragsgegnerin).

Nach Widerspruch vom 27.03.2019 wandte sich die Mutter des Klägers erneut mit E-Mail vom 24.06.2019 an die Antragsgegnerin. Der Leidensweg des Antragstellers müsse ein Ende haben. Mit Cannabis-Blüten würden die Schmerzen erträglicher werden und er würde nicht täglich bis zu zehnmal ohnmächtig werden. Beigefügt werden Privatrezepte vor allem über Nahrungsergänzungsmittel und Privatrezepte über Bedrocan (5 g verordnet am 07.06.2019,15 g verordnet am 19.06.2019, 10 g verordnet am 29.04.2019, 20 g verordnet am 04.06.2019,15 g verordnet am 29.05.2019, 30 g verordnet am 09.05.2019, 30 g verordnet am 17.05.2019, 30 g verordnet am 12.04.2019, 30 g verordnet am 19.03.2019, 30 g verordnet am 29.03.2019, 30 g verordnet am 09.02.2019, 30 g verordnet am 04.03.2019). Mit ärztlicher Bescheinigung vom 29.05.2019 wird dem Antragsteller eine Multiinfektion bescheinigt. Der Antragsteller habe gut auf Cannabis über einen Vaporisator reagiert. Weiter werden Rechnungen von privatärztlichen Behandlungen durch Dr. H. vorgelegt, der sich auf Zecken übertragene Erkrankungen spezialisiert hat. Im Endbefund des Labors vom 07.05.2019 wird dargelegt, dass eine Borrelieninfektion serologisch nicht nachgewiesen sei.

Mit Widerspruchsbegründung vom 09.07.2019 wird dargelegt, dass der Antragsteller unter einer chronischen Borreliose leiden würde. Bei ihm seien außerdem schwerwiegende Infektionen festgestellt worden. Auch sei eine Aortenklappeninsuffizienz diagnostiziert worden. Als Symptome seien Kopfschmerzen, Synkopen, Konzentrationsstörungen, ein chronisches Müdigkeitssyndrom und neuropathische Schmerzen festgestellt worden. Therapeutisch werde eine Langzeitantibiose in Zusammenspiel mit Mikronährstoffen und Nahrungsergänzungsmittel durchgeführt. Um die gravierenden Schmerzen beim Antragsteller abzumildern und sein Stresspotenzial abzusenken, werde Cannabis eingesetzt. Die Cannabis-Behandlung werde von Dr. G. verordnet, nachdem vorherige Behandlungsansätze unter anderem mit Tramadol und Novaminsulfon erfolglos geblieben seien. Der Antragsteller beruft sich auf eine Genehmigungsfiktion. Aufgrund seiner schweren Erkrankung habe er darauf vertrauen dürfen, dass er einen Anspruch auf Cannabisblüten als Medizin habe. Zudem sei dem Antragsteller Cannabis befristet bewilligt worden. Es bedürfe einer Genehmigung bei der ersten Verordnung, für eine weitere Genehmigung oder für Befristungen biete das Gesetz keinen Anhalt. Für die Behandlung von Cannabis als wirksames Mittel zur Bekämpfung von neuropathischen Schmerzen gebe es auch eine gewisse Evidenz. Entscheidend sei aber, dass die Genehmigungsfiktion aus 2008 fortwirken würde und dass die Befristung im stattgeben Bescheid rechtswidrig sei.

Am 04.07.2019 beauftragte die Antragsgegnerin erneut den MDK mit einer Würdigung. Dieser führte am 09.07.2019 aus, dass Cannabis zur Therapie unspezifischer Synkopen nicht indiziert sei. In Bezug auf die Schmerzproblematik werde auf eine multimodale, spezielle Schmerztherapie verwiesen. Mit sozialmedizinischem Gutachten vom 12.09.2019 führte der MDK Bayern sodann weiter aus, dass bei dem Antragsteller ein komplexes Erkrankungsbild mit deutlicher psychosomatischer Komponente vorliegen würden. Manifeste neurologische Erkrankungen seien im Rahmen der vorangegangenen Diagnostik ausgeschlossen worden. Unter Berücksichtigung der vorliegenden medizinischen Angaben seien neben einer ambulanten fachärztlichen psychosomatischen Mitbehandlung insbesondere ambulante psychotherapeutische Therapien zu empfehlen. Ein Verlaufsbefund über eine gegebenenfalls bereits durchgeführte oder laufende Psychotherapie sei nicht vorgelegt worden. Es sei nicht nachzuvollziehen, weshalb die medizinische Verordnung vom Cannabis als letzte aussichtsreiche Therapieoption gesehen werde und andere Behandlungsmöglichkeiten nicht infrage kommen würden, insbesondere vor dem Hintergrund der bekannten Cannabis-Abhängigkeit.

In der Zwischenzeit wurden weitere Privatrezepte über die Verordnung von Cannabispräparaten eingereicht (5 g verordnet am 07.06.2019, 15 g verordnet am 19.06.2019, 20 g verordnet am 14.06.2019, 40 g verordnet am 02.07.2019, 10 g verordnet am 05.07.2019).

Nach Anwaltswechsel ließ der Antragsteller am 28.10.2019 vortragen, dass der Bescheid vom 28.06.2018 keine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten habe, sodass die Jahresfrist gelten würde. Der Antrag vom 18.02.2019 (Zugang am selben Tag) sei somit als fristgerechter Widerspruch gegen die Befristung anzusehen. Die Genehmigungsfiktion aus dem Jahre 2018 wirke im Übrigen fort und werde durch die nachfolgenden Bescheide nicht beeinflusst.

Mit Widerspruchsbescheid vom 03.12.2019 wurde der Widerspruch vom 27.03.2019 gegen den Bescheid vom 28.02.2019 zurückgewiesen. Der Antragsteller habe am 18.02.2019 die Kostenübernahme für Cannabisblüten beantragt. Hierbei sei ein Attest von Dr. G. vom 18.02.2018 und eine abgerechnete Privatverordnung von Dr. G. vorgelegt worden. Insgesamt seien Kosten in Höhe von 472,41 EUR entstanden.

Die sozialmedizinischen Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung seien gemäß den Ausführungen des MDK nicht erfüllt. Auch habe der Antragsteller den gesetzlich vorgesehenen Beschaffungsweg nicht eingehalten. Ausweislich der eingereichten Rechnung vom 18.02.2019 habe sich der Antragsteller am 18.02.2019 mit Cannabisblüten versorgen lassen. Vor Bezug der Cannabisblüten habe der Antragsteller weder einen Antrag auf Kostenübernahme gestellt noch die Entscheidung der Antragsgegnerin abgewartet. Der erste ablehnende Leistungsbescheid sei auf den 28.02.2019 datiert. Ein Anspruch auf Kostenübernahme bestehe daher nicht.

Hiergegen richtet sich die Klage zum Sozialgericht München vom 18.12.2019. Der Antragsteller beruft sich auf die seiner Meinung nach eingetretene Genehmigungsfiktion. Die Lebensqualität sei ohne Versorgung mit Medizinalcannabis erheblich eingeschränkt. Eine analgetische Therapie habe keine Erfolge erbracht.

Am 31.01.2020 wurde zudem ein Antrag auf einstweiliger Rechtsschutz gestellt. Bezüglich des Anordnungsanspruchs werden die gleichen Argumente vorgetragen wie in der Klagebegründung. Ein Anordnungsgrund würde bestehen, da der Antragsteller laut anliegendem ärztlichen Attest auf die Versorgung mit Medizinalcannabis angewiesen sei. Eine Unterbrechung sei medizinisch nicht akzeptabel. Weder der Antragsteller selber noch seine Familie seien finanziell aufgrund der langjährigen Belastung in der Lage, die Kosten weiterhin zu übernehmen. Vorgelegt wird ein Attest der Cannabis-verordnenden Ärztin Dr. I., die ausführt, dass eine Schmerzmitteltherapie gegen die starken Muskel- und Kopfschmerzen nicht den gewünschten Erfolg gebracht hätte und daher Cannabis-Blüten zur Inhalation verordnet worden seien. Diese Medikation würde die Synkopen verhindern, welche sich durch stärker werdende Schmerzen ankündigen würden. Der Antragsteller werde mit einer Langzeitantibiose behandelt.

Mit Schreiben vom 17.12.2019 erklärte Antragsteller, dass er wegen dauernder Schmerzen in den Beinen bis zu zehn Mal täglich in Ohnmacht fallen würde. Durch das Cannabis habe er deutlich weniger Schmerzen und synkopiere nicht mehr, wenn er es regelmäßig nehmen würde.

Der Antragsteller beantragt: Die Antragsgegnerin wird im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, dem Antragsteller entsprechend ärztlicher Verordnung die Versorgung mit Cannabisblüten bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zum Aktenzeichen S 15 KR 3673/19 zu genehmigen.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzuweisen.

Sie verweist auf dem Widerspruchsbescheid und auf die Amtsermittlung durch die Einholung von gutachterlichen Stellungnahmen und Gutachten des MDK. Eine Genehmigungsfiktion könne sich allenfalls auf den am 21.05.2018 beantragten Therapieversuch erstrecken. Eine nachvollziehbare vertragsärztlich begründete Einschätzung sei nicht vorgelegt worden. Auch ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht. Es sei weder dargelegt noch anderweitig offenbar geworden, welche Nachteile dem Antragsteller drohen würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin sowie die Gerichtsakte des hiesigen Verfahrens sowie des Hauptsacheverfahrens S 15 KR 3673/19 Bezug genommen.

II. Der zulässige Antrag ist nicht begründet. Der Antragsteller hat im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes keinen Anspruch auf die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens mit dem verordneten Cannabis-Präparat zu versorgen.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Hierzu muss glaubhaft gemacht sein, dass das geltend gemachte Recht der Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin besteht (Anordnungsanspruch) und dass die Antragstellerin ohne den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung wesentliche Nachteile erleidet (Anordnungsgrund). Nach dem Sinn und Zweck des § 86b Abs. 2 SGG sollen mittels des dort geregelten Instrumentes des einstweiligen Rechtsschutzes irreparable Entscheidungen durch die Verwaltung und damit endgültige, vom Gericht nicht mehr zu korrigierende Umstände, verhindert werden. Demzufolge kann eine einstweilige Anordnung vor einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache nur erlangt werden, wenn ohne die begehrte Anordnung für den Antragsteller schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden und diese auch nicht durch die spätere Entscheidung in der Hauptsache beseitigt werden könnten. Zudem muss der Erfolg in der Hauptsache wahrscheinlich sein und diese darf nicht durch die einstweilige Anordnung erledigt oder vorweggenommen werden. Lässt also die im Eilverfahren durchgeführte Prüfung bereits erkennen, dass das vom Antragsteller behauptete Recht zu seinen Gunsten nicht besteht, so ist auch eine einstweilige Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 SGG nicht möglich, weil dann eine sicherungsfähige und sicherungswürdige Rechtsposition fehlt. Es gelten dabei die §§ 920, 921, 923, 926, 928-932, 938, 939 und 945 Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigung entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht beseitigt werden können, sind die Gerichte verpflichtet, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch zu prüfen, sondern abschließend, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.11.2007 - 1 BvR 2496/07 -, juris; Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -, juris). Ist eine abschließende Prüfung nicht möglich, ist eine Folgenabwägung durchzuführen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass in den Fällen, in denen ohne die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes weniger schwere Beeinträchtigungen zu erwarten sind, die summarische Prüfung eines Anordnungsanspruchs, also des Erfolgs in der Hauptsache, verfassungsrechtlich zulässig ist (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 27.07.2016 - 1 BvR 1241/16 -, juris).

1. Nach diesen Grundsätzen hat der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch.

a. Der Antragsteller kann sich nicht auf eine Genehmigungsfiktion aufgrund des Antrags vom 21.05.2018 (Bl. 51 der Akte der Antragsgegnerin) berufen. Eine Genehmigungsfiktion konnte nicht eintreten, da der Antrag den gesetzlichen Voraussetzungen nicht entsprochen hat.

Als hinreichend bestimmt hat das BSG (Entscheidung v. 11.07.2017 - B 1 KR 1/17 R - juris, Rn. 18 ff.) einen Antrag im Sinne von § 13 Abs. 3a SGB V angesehen, wenn der Antrag als fingierte Genehmigung einen vollstreckungsfähigen Verfügungssatz ergebe (vgl. hierzu auch Helbig in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl., § 13 SGB V (Stand: 04.02.2020), Rn. 73 1; ebenso: Knispel, GesR 2017, 749, 752).

Nach diesen Grundsätzen ist das Schreiben vom 21.05.2018 kein rechtswirksamer Antrag in diesem Sinne. In dem Attest vom 21.05.2018 führt Dr. G. zunächst aus, dass das Schreiben patientengetrieben ist, da der Antragsteller aus Zufall "herausbekommen habe, dass er nur zu Zeiten, in denen er Cannabis rauchte, keine Synkopen mehr hatte". Er habe sodann den Arzt gebeten, für ihn einen dreimonatigen Versuch mit Bedrocan 0,5 g pro Tag bei der zuständigen Krankenkasse zu beantragen. Sodann führt der Arzt aus: "Ich bin aber der Meinung, dass nach endgültigem Ausschluss einer Epilepsie ein Behandlungsversuch mit Cannabis unternommen werden sollte." Dr. G. hat somit selbst keine aktuelle Behandlungsbedürftigkeit mit Medizinalcannabis gesehen, sondern allenfalls nach Ausschluss einer Epilpsie, und somit einen aufschiebend bedingten Antrag (für den Fall des Ausschlusses einer Epilepsie) gestellt. In der Zeit bis zur Behandlung vom 11.07.2018 bis zum 17.07.2018 im s. Epilepsiezentrum R. wurde Epilepsie aber gerade noch nicht ausgeschlossen. Das Attest hat mithin keinen vollstreckbaren Inhalt und ist somit kein rechtswirksamer Antrag nach § 13 Abs. 3a SGB V. Eine Genehmigungsfiktion konnte nicht eintreten.

Daher braucht vorliegend nicht entschieden zu werden, ob die Genehmigung nach § 31 Abs. 6 S. 2 SGB V einen fiktionsfähigen Inhalt hat. Denn Gegenstand der Fiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V ist der "Antrag auf Leistungen", vorliegend wird aber nicht eine Leistung, sondern eine Genehmigung als Willenserklärung begehrt. Eine fiktive Genehmigung einer Genehmigung ist insoweit bezogen auf den Sinn und Zweck der Regelung (Leistungsgewährung nach Fristablauf) nicht überzeugend.

Der Aufhebungsbescheid vom 25.06.2018 (Blatt 107 der Akte der Antragsgegnerin), der wiederum selbst aufgehoben wurde, ging nach allem ins Leere. Auf seine Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit kommt es nicht an.

b. Der Antragsteller kann sich auch nicht auf den Bescheid vom 28.06.2018 (Blatt 118 der Akte der Antragsgegnerin) berufen. Dieser hat eine befristete Genehmigung ausgesprochen und ist bindend (§ 77 SGG) geworden. Zwar enthielt er keine Rechtsbehelfsbelehrung, so dass grundsätzlich von der Jahresfrist (§ 66 Abs. 2 SGG) ab Bekanntgabe (§ 37 Abs. 2 S. 1 SGB X) auszugehen ist. Der Antragsteller musste mithin bis zum 01.07.2019 Widerspruch eingelegt haben.

Der Antrag von Dr. G. vom 18.02.2019 ist indes nicht als Widerspruch auszulegen. Nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) wird alleine ein Neuantrag gestellt; dies ergibt sich aus dem Wortlaut: "Deshalb beantrage ich hiermit noch einmal eine zeitlich begrenzte Therapie." Auf den Bescheid vom 28.06.2018 wird nicht Bezug genommen, erst recht wird die Befristung nicht angegriffen. Erst die neue Prozessbevollmächtigte des Antragstellers wandte sich mit Schreiben vom 28.10.2019 gegen die vorgenommene Befristung. Zu diesem Zeitpunkt ist der Bescheid hingegen schon bindend (§ 77 SGG) geworden.

Unabhängig von der Bindungswirkung kann sich der Antragsteller nicht auf die Rechtswidrigkeit der Befristung im Bescheid vom 28.06.2018 berufen. Auch wenn von der Bedingungsfeindlichkeit der Genehmigung nach § 31 Abs. 6 SGB V ausgegangen wird, so würde eine isolierte Anfechtung der Befristung im Bescheid vom 28.06.2018 nicht dazu führen, dass der Antragsteller nunmehr eine unbefristete Genehmigung erhalten würde. Denn ob eine Anfechtungsklage zur isolierten Aufhebung der Nebenbestimmung führen kann, hängt davon ab, ob der begünstigende Verwaltungsakt ohne die Nebenbestimmung rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann. Steht die angefochtene Nebenbestimmung mit dem eigentlichen Inhalt des Verwaltungsaktes derart in einem Zusammenhang, dass sie die mit dem Verwaltungsakt ausgesprochene Rechtsgewährung inhaltlich einschränkt und dass nach Aufhebung der Nebenbestimmung der bestehenbleibende Teil des Verwaltungsaktes entgegen dem geltenden Recht eine uneingeschränkte Begünstigung enthielte, so schließt dies materiellrechtlich die isolierte Aufhebung aus, so dass die Klage dann abzuweisen ist (Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 32 SGB X (Stand: 03.02.2020), Rn. 123 unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, Urteil vom v. 17.02.1984 - 4 C 70/80 - juris Rn. 14).

Der der rechtswidrigen Befristung beraubte Verwaltungsakt vom 28.06.2018 wäre aber seinerseits rechtswidrig, da eine Genehmigung rechtswidrig wäre und mithin nicht zu erteilen war (hierzu ausführlich unter c.). Ein Antrag auf isolierte Anfechtung der Befristung (etwa im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens) könnte daher keinen Erfolg haben.

c. Gegenstand des Bescheids vom 28.02.2019 (und somit auch des Widerspruchsbescheids vom 03.12.2019) ist entgegen der missverständlichen Erläuterungen im Widerspruchsbescheid die Ablehnung der Genehmigung nach § 31 Abs. 6 SGB V und nicht die Erstattung der aufgewandten Kosten für Cannabis-Präparate. Auf die Einhaltung des Beschaffungswegs kommt es daher nicht an. Dies hat die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers im hiesigen und im Hauptsacheverfahren - bezogen auf den Klagegegenstand - hinreichend deutlich gemacht. Die Kammer folgt dieser Rechtsauffassung.

Die angegriffenen Bescheide sind in einer summarischen Überprüfung rechtlich nicht zu beanstanden. Sie beschweren den Antragsteller nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG.

§ 31 Abs. 6 SGB V bestimmt: Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn

1. eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung

a) nicht zur Verfügung steht oder b) im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann,

2. eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.

Die Leistung bedarf bei der ersten Verordnung für eine Versicherte oder einen Versicherten der nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnenden Genehmigung der Krankenkasse, die vor Beginn der Leistung zu erteilen ist.

Hinsichtlich des Vorliegens einer schwerwiegenden Erkrankung im Sinne des § 31 Abs. 6 S. 1 SGB V berief sich der Antragsteller zunächst auf die Synkopen, die durch den Konsum von Cannabis zurückgehen würden, und sodann im anhängigen Gerichtsverfahren auf die Schmerzproblematik, die in letzter Konsequenz zu Synkopen führen würde.

Die Voraussetzung einer "schwerwiegenden Erkrankung" im Sinne des § 31 Abs. 6 S. 1 SGB V ist jedenfalls zu bejahen, wenn eine Erkrankung vorliegt, die dem Grunde nach einen Anspruch aus § 2 Abs. 1a SGB V begründen kann. Darüber hinaus dürften jedoch auch solche Erkrankungen einen Leistungsanspruch begründen, die zu einer zulassungsüberschreitenden Anwendung berechtigen, also solche, die die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigen (vgl. zum KassKomm-Nolte, SGB V, § 31 Rn. 20 und 75 d). § 31 Abs. 6 SGB V kommt mithin in besonderen Fällen bei schwerwiegenden Erkrankungen unter den Voraussetzungen zum Zuge, dass die Krankheit lebensbedrohlich ist oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt ist.

Der MDK Bayern bejaht in seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 12.09.2019 das Vorliegen einer schwerwiegenden Erkrankung, so dass dieses Tatbestandsmerkmal zwischen den Beteiligten unstrittig erfüllt ist.

Allerdings verneint der MDK Bayern, dass eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht bzw. im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann. Die Kammer folgt dieser Einschätzung, da sie mit der gesamten Aktenlage kongruent ist.

Zum ersten ist zu statuieren, dass der behandelnde Arzt keine begründete Einschätzung abgegeben hat. Die hierauf bezogene Frage (Ziffer 8 des Fragebogens, Bl. 134 der Akte der Antragsgegnerin) wurde lakonisch mit "alles schon probiert" beantwortet. Dies steht aber im Widerspruch zur Aktenlage: Weder ist eine multimodale Schmerztherapie noch eine Behandlung in einer psychosomatischen Klinik noch eine Dokumentation der Psychotherapie vorhanden. Für die Kammer steht es aber aufgrund der überzeugenden Ausführungen im Befundbericht vom S. Epilepsiezentrum R. (Bl. 132 ff. der Akte der Antragsgegnerin) fest, dass eine psychogene Problematik besteht. Ausgeführt wird, dass eine Synkope mittels Video-EEG-Monitoring festgehalten wurde und diese bewusstseinsnah war. Auch wurde dokumentiert, dass der Antragsteller eigentlich immer eine vorzeitige Entlassung bei seinen diversen Klinikaufenthalten verlangte und er Cannabis-abhängig ist. Letzteres erscheint dem Gericht angesichts der enormen Mengen verschriebenen Cannabis, die sich nicht mit der von Dr. G. im Schreiben vom 21.05.2018 anvisierten Menge von 0,5 g pro Tag in Einklang bringen lassen, schlüssig, zumal die Klinik entsprechende Entzugserscheinungen beschrieben hat. Das Bayerische Landessozialgericht hat insoweit eine Cannabis-Abhängigkeit als Kontraindikation für eine Cannabis-Therapie angesehen (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 07. November 2019 - L 4 KR 397/19 B ER -, Rn. 37, juris).

Dem MDK Bayern ist damit vollumfänglich zuzustimmen, dass nicht nachvollziehbar ist, weshalb die medizinische Verordnung von Cannabis als letzte aussichtsreiche Therapieoption gesehen wird.

Schließlich ist auch eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsteller nimmt nach Aktenlage seit geraumer Zeit (ca. Juli 2017 gem. Bericht des Epilepsiezentrums R.) Cannabis-Präparate zu sich. Gleichwohl hat dies nicht zu einer objektiv nachvollziehbaren Minderung der Synkopen geführt, da auch im Zeitraum des Cannabiskonsums immer wieder aktenkundig Synkopen aufgetreten sind, die medizinisch und notfallmedizinisch behandelt werden mussten. Im zeitlichen Längsschnitt kam es zudem trotz Konsum von Cannabis zu einer anamnestisch höheren Synkopenhäufigkeit (zuletzt mit zehnmal pro Tag beziffert). Dies widerspricht ganz klar dem ursprünglichen Impetus des behandelnden Arztes, dass das begehrte Medikament der Verhinderung/Eindämmung der Synkopen dienen soll. In der Klagebegründung wird nunmehr auf eine im Vordergrund stehende Schmerzproblematik abgestellt, die wiederum aber unzureichend dokumentiert ist. Das diagnostizierte Multiinfektionssyndrom (Befundbericht von 29.05.2019 von Dr. H.) ist keine ICD-10-Diagnose und im Übrigen nicht gut dokumentiert, da serologisch eine Borrellien-Infektion gerade ausgeschlossen wurde.

Nach allem liegen die Voraussetzungen für eine Genehmigung einer Cannabis-Therapie nach der Überzeugung des Gerichts nicht vor.

2. Es kommt mithin nicht mehr darauf an, ob ein Anordnungsgrund gegeben ist. Ein solcher ist vorliegend aber ebenfalls nicht glaubhaft gemacht, da alleine auf die medizinische Notwendigkeit des weiteren Cannabis-Konsums abgestellt wird. Diese Notwendigkeit hingegen ist nach den obigen Ausführungen nach der Überzeugung des Gerichts nicht gegeben.

Nach allem ist der Antrag abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG in analoger Anwendung.
Rechtskraft
Aus
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