S 38 KA 5087/19

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
38
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 38 KA 5087/19
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
I. Sowohl die Lage der Praxis, als auch der Patientenstamm, vorwiegend bestehend aus Ausländern/Migranten rechtfertigen keinen erhöhten Behandlungsbedarf (vgl. BSG SozR 3-2500, § 106, Nr. 49, S. 259; SG Hannover, Urteil vom 25.07.2018, Az S 35 KA 2/16; SG München, Urteil vom 25.10.2017, Az S 38 KA 5022/17). Dies schließt jedoch nicht aus, dass aufgrund der Herkunft der Patienten in Einzelfällen ein erhöhter Handlungsbedarf besteht, der aber von der Klägerin genauer darzulegen ist (zum Beispiel Schilderung des vorgefundenen Zahnstatus vor der Behandlung).

II. Bei welcher Punktzahl bzw. bei welchem Fallwert der kostenintensive Fall anfängt, ist eine Frage der Auslegung. Nachdem der durchschnittliche Fallwert der Vertragszahnärzte bei ca. € 100.—liegt, muss jedenfalls ein Fallwert von über € 500.—als signifikant und außergewöhnlich und damit kostenintensiv angesehen werden (vgl. kzvb TRANSPARENT 15 +16/2015).

III. Ist in einer Praxis eine relativ hohe Anzahl von kostenintensiven Fällen vorhanden, kann das sowohl auf unwirtschaftliches Behandlungsverhalten zurückzuführen sein, als auch auf einen hohen Behandlungsbedarf hindeuten. Ob darin eine Praxisbesonderheit zu sehen ist, bleibt einer Prüfung exemplarischer, aufwändiger Fälle vorbehalten, deren Anzahl so groß zu bemessen ist, dass der Beurteilung eine hinreichende Aussagekraft zukommt.
I. Der Bescheid des Beklagten vom 20.03.2019 zur Quartalsabrechnung mit der darin ausgesprochenen Vergütungsberichtigung in Höhe von 13.798,72 Euro wird aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, über den Widerspruch der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Gegenstand der zum Sozialgericht München eingelegten Klage war der Bescheid des Beschwerdeausschusses aus der Sitzung vom 20.03.2019. Dem Widerspruch der Klägerin wurde nicht stattgegeben. Der Regress für das Quartal 4/15 betrug 21 % der Gesamtabrechnung (entspricht 13.798,72 EUR). Der Beklagte nannte eine Fallwertüberschreitung in Höhe von 122 % und eine unterdurchschnittliche Fallzahl von -38 % an. Auffällig sei auch eine Überschreitung bei den systematischen PAR-Behandlungen bezogen auf die Praxisgröße in Höhe von 742 %. Es gebe auch hohe Überschreitungen bei der Schienentherapie (48 Schienen im Quartal 4/15). Festzustellen sei ferner eine Überschreitung bei den Kieferbruchleistungen in Höhe von 850 %.

Von der Klägerin seien 32 aufwändige Fälle mit einem Behandlungsaufwand von über 500 EUR vorgelegt worden. Der Beschwerdeausschuss habe diese Fälle gesichtet und sei zur Überzeugung gelangt, dass das Wirtschaftlichkeitsgebot nicht immer eingehalten wurde und "bei bestimmten Positionen wohl Überbewertungen vorlagen". Insbesondere sei folgendes festzustellen gewesen:

- Überbewertung der Zysten, chirurgischer Mehraufwand nicht dokumentiert, radiologisch nicht erkennbar. - Verbandsplatten nach GOÄ-Nr. 2700 ohne medizinische Notwendigkeit, teilweise mehrfach pro Kiefer - Cp teilweise nicht nachvollziehbar, gerade im Zusammenhang mit okklusalen Füllungen

Außerdem habe sich aus der Stellungnahme ergeben, dass durchgeführte Maßnahmen nach der Bema-Nr. 47a als Leistungen nach der Bema-Nr. 45 abgerechnet und in diesem Zusammenhang entfernte Zysten nach Bema-Nr. 56a zur Abrechnung gebracht wurden. Diese Abrechnungsweise führe dazu, dass sich gegenüber den eigentlich erbrachten Leistungen ein Mehraufwand in Höhe von 54 Punkten ergebe. Dem Wirtschaftlichkeitsgebot sei deshalb nicht in ausreichendem Maße Rechnung getragen worden. Hinzu komme das auch kostenintensive Fälle in jeder Zahnarztpraxis vorkämen. Deshalb könnten die schweren Fälle nicht vollständig, sondern nur zu 65 % anerkannt werden.

Im Anschluss daran wurde eine Neuberechnung durchgeführt, indem von der Gesamtabrechnung in Höhe von 79.044.- EUR 65 % der Aufwendungen für die 32 kostenintensiven Fälle (= EUR 14.253) in Abzug gebracht wurden (= EUR 64.791). Zugleich wurden die insgesamt abgerechneten Fälle (387) um 65 % der 32 kostenintensiven Fälle (= 21) reduziert (= 366). Der neu errechnete Fallwert (EUR 64.791: 366 = EUR 177 je Fall) im Verhältnis zum Landesdurchschnitt von EUR 92 mache eine Vergütungsberichtigung der Gesamtabrechnung in Höhe von 23 % erforderlich. Die Restüberschreitung liege immer noch bei 41 % und damit an der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis. Im Hinblick auf das Verböserungsverbot (reformatio in peius) bleibe aber die von der Prüfungsstelle beschlossene Vergütungsberichtigung in Höhe von 21 % bestehen.

Dagegen ließ die Klägerin Klage zum Sozialgericht München einlegen.

Zur Klagebegründung wurde zunächst auf die aus Sicht der Klägerseite bestehenden Praxisbesonderheiten hingewiesen. Zu berücksichtigen sei die Lage der Praxis nahe dem Hauptbahnhof A-Stadt in einem Stadtviertel mit hohem Ausländeranteil. Es handle sich überwiegend um Patienten aus osteuropäischen Ländern (auch türkischsprachiger Patientenstamm), bei denen ein wenig ausgeprägtes Mundpflegebewusstsein bestehe, die Mundhygiene mangelhaft sei und bei denen deshalb die konservierende Restaurierung im Vordergrund stehe. Typischerweise gebe es in dieser Patientengruppe besonders schwierige Behandlungs-und Sanierungsfälle (starker Kariesbefall; stark zerstörte Zähne; unvollständige Wurzelfüllungen). Auch die Lage der Praxis und die ausgedehnten Praxissprechzeiten (Behandlungsmöglichkeit auch an Samstagen) führe dazu, dass viele Neupatienten, darunter zahlreiche Schmerzpatienten die Praxis aufsuchten. Es komme auch zu keinem Verdünnereffekt, weil Patienten oft weitere Termine nicht wahrnähmen.

Im Verfahren seien umfangreiche Patientenlisten vorgelegt worden, die allerdings keine Berücksichtigung gefunden hätten.

Der angefochtene Bescheid lasse keine intellektuelle Auseinandersetzung erkennen. Insofern liege ein Begründungsdefizit nach § 35 SGB X vor. So sei nicht nachvollziehbar, warum nur 65 % der schweren Fälle (über 500 EUR) anerkannt wurden. Nicht ersichtlich sei auch, weshalb der Wert des offensichtlichen Missverhältnisses vom Beklagten auf 41 % festgesetzt wurde. Genauso wenig nachvollziehbar sei auch die Kürzungshöhe. Außerdem sei die Patientenverteilung eine andere als beim Fachgruppendurchschnitt. So gebe es mehr Mitgliederversicherte und Familienversicherte, aber weniger Rentnerversicherte.

Zum Verfahren äußerte sich die Beigeladene zu 1. Sie vertrat die Auffassung, auch nach ihrer Auffassung seien die Annahmen und Ausführungen des Beklagten zumindest teilweise nicht nachvollziehbar.

In der mündlichen Verhandlung am 05.03.2020 stellte die Prozessbevollmächtigte den Antrag aus dem Schriftsatz vom 03.06.2019.

Die übrigen anwesenden Beteiligten stellten keine Anträge.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung war die Beklagtenakte. Im Übrigen wird auf den sonstigen Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie die Sitzungsniederschrift vom 05.03.2020 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zum Sozialgericht München eingelegte Klage ist zulässig und auch begründet. Es handelt sich um eine kombinierte Anfechtungs- und Verbescheidungsklage nach § 54 SGG.

Rechtsgrundlage für die vom Beklagten vorgenommene Wirtschaftlichkeitsprüfung auf der Basis statistischer Durchschnittsprüfungen ist § 106 SGB V in Verbindung mit § 20 Abs. 6 der Prüfvereinbarung (Anlage 4a zum GV-Z). Danach kann eine Prüfung nach Durchschnittswerten mit dem Ergebnis einer Vergütungsberichtigung aufgrund einer Schätzung durchgeführt werden, wenn der Gesamtfallwert des geprüften Bema-Teiles oder der Einzelleistungswert des geprüften Vertragszahnarztes in einem offensichtlichen Missverhältnis zum Landesdurchschnitt steht.

Bei der statistischen Durchschnittsprüfung wird davon ausgegangen, dass die durchschnittlichen Abrechnungen der Fachgruppe die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise widerspiegeln. Werden die Werte der Fachgruppe vom zu prüfenden Vertragszahnarzt erheblich überschritten, wovon in der Regel bei einer Überschreitung in Höhe von 40-50 % beim Vergleich des Gesamtfallwertes und bei einer Überschreitung in Höhe von 100 % beim Vergleich einzelner Leistungen auszugehen ist, ist eine unwirtschaftliche Behandlungsweise zu vermuten.

Voraussetzung ist allerdings, dass eine Vergleichbarkeit gegeben ist. Weicht die Struktur der Praxis des geprüften Arztes sowohl hinsichtlich der Zusammensetzung des Patientenklientels, als auch hinsichtlich des ärztlichen Diagnose- und Behandlungsangebots von der Typik beim Durchschnitt der Fachgruppe signifikant ab (vgl. BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 50 S 264; Nr. 57 S 319ff; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 11), dann liegt eine Unvergleichbarkeit vor, die zur Bildung einer engeren Vergleichsgruppe veranlassen würde. Grundsätzlich ist aber bei der Gruppe der Zahnärzte von einer hohen Homogenität auszugehen, so dass weder eine Unvergleichbarkeit besteht, noch ein Spezialvergleich anzustellen ist.

In Anwendung dieser Grundsätze auf das streitgegenständliche Verfahren kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass der angefochtene Bescheid des Beklagten über die Wirtschaftlichkeitsprüfung der Gesamtabrechnung als rechtswidrig anzusehen ist.

Zunächst ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die Klägerin mit der Vergleichsgruppe der Zahnärzte verglichen. Auch wenn das Patientenklientel der klägerischen Praxis mit einem hohen Ausländeranteil/Migrantenanteil von dem einer durchschnittlichen Zahnarztpraxis abweicht, ist die A-Typik nicht so erheblich, dass bei grundsätzlicher Homogenität der Fachgruppe der Zahnärzte von einer Unvergleichbarkeit ausgegangen werden müsste.

Sofern Praxisbesonderheiten, die den Mehraufwand erklären könnten und/oder kausal-kompensatorische Einsparungen vorliegen, sind diese zu berücksichtigen. Die aufgrund der statistischen Wahrscheinlichkeitsaussage gewonnene Überzeugung und deren Beweiswert werden erschüttert, wenn besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende Umstände vorliegen, die für die Vergleichsgruppe untypisch sind. Generell ist dies bei einem anderen Patientenzuschnitt gegenüber der Regelpraxis oder bei einem speziellen Leistungsangebot, das auf der Qualifikation des Arztes beruht (besondere Untersuchungs-und Behandlungsmethoden), der Fall (vgl. BSGE 74, 70; SG Hannover, Urteil vom 25.07.2018, Az S 35 KA 2/16). Grundsätzlich besteht hier eine Darlegungs- und Feststellungslast des Arztes, da - abgesehen von allgemein bekannten oder bereits aus der Vergangenheit den Wirtschaftlichkeitsprüfungsgremien bekannten Umständen - nur der Vertragsarzt beurteilen kann, welche besondere Struktur seine Praxis aufweist.

Allein aus der Lage der Praxis (Nähe zum Hauptbahnhof A-Stadt) ergibt sich keine zu berücksichtigende A-Typik der Praxis, die als Praxisbesonderheit anzuerkennen wäre. Dies gilt grundsätzlich auch für den im Zentrum der Argumentation der Klägerseite stehenden Vortrag, der Patientenstamm setze sich in erheblichem Umfang aus Ausländern/Migranten, vorwiegend aus Patienten aus osteuropäischen Ländern (türkischsprachiger Patientenstamm) zusammen, bei denen ein wenig ausgeprägtes Mundpflegebewusstsein bestehe und die Mundhygiene mangelhaft sei. Die Sozialgerichte haben sich wiederholt mit einem solchen Vortrag befasst und übereinstimmend die Auffassung vertreten, hierdurch sei generell ein erhöhter, medizinisch indizierter Bedarf für die Erbringung (zahn-)ärztlicher Leistungen nicht gerechtfertigt, da kein Anhaltspunkt dafür bestehe, dass die Herkunft der Patienten einen erhöhten Behandlungsbedarf nach sich ziehe und im Regelfall von einer normalen zahnmedizinischen Versorgung auszugehen sei (BSG SozR 3-2500, § 106, Nr. 49, S. 259; SG Hannover, Urteil vom 25.07.2018, Az S 35 KA 2/16; SG A-Stadt, Urteil vom 25.10.2017, Az S 38 KA 5022/17). Dies schließt jedoch nicht aus, dass aufgrund der Herkunft in Einzelfällen ein erhöhter Handlungsbedarf besteht, der aber von der Klägerin genauer darzulegen ist (zum Beispiel Schilderung des vorgefundenen Zahnstatus vor der Behandlung). Eine solche substantiierte Darlegung durch die Klägerin hat jedoch nicht stattgefunden.

Auffällig ist allerdings, dass in der klägerischen Praxis gemessen an der unterdurchschnittlichen Fallzahl eine relativ hohe Anzahl von kostenintensiven Fällen vorhanden ist, was sich auch in der Gesamtvergütung mit der Überschreitung beim Fallwert von 122 % niederschlägt. Da kostenintensive Fälle sowohl auf unwirtschaftliches Behandlungsverhalten zurückzuführen sein können, als auch auf einen hohen Behandlungsbedarf hindeuten können, kann allein daraus nicht beurteilt werden, ob eine Praxisbesonderheit vorliegt oder nicht. Dies bleibt dann einer Prüfung exemplarischer, aufwändiger Fälle vorbehalten, deren Anzahl so groß zu bemessen ist, dass der Beurteilung eine hinreichende Aussagekraft zukommt.

Bei welcher Punktzahl bzw. bei welchem Fallwert der kostenintensive Fall anfängt, ist eine Frage der Auslegung. Tatsache ist, dass der Fallwert im Durchschnitt der Fachgruppe der Zahnärzte bei 100 EUR pro Fall liegt. Daraus schließen zu wollen, jeden Fall über 100 EUR als schweren Fall anzusehen, wäre sicherlich überzogen. Vielmehr muss es sich um eine signifikante und außergewöhnliche Abweichung handeln. Davon ist jedenfalls bei einem Fallwert von über 500 EUR auszugehen (vgl. kzvb TRANSPARENT 15 +16/2015).

Die Klägerin hat hier 32 kostenintensive Fälle (Behandlungsaufwand jeweils mehr als 500 EUR) mit einem Behandlungsaufwand von insgesamt 21.928.-EUR (Durchschnitt pro Fall: EUR 685.-) vorgelegt. wurden. Bei einer Gesamtfallzahl von 387 Fällen im Quartal sind damit über 8 % der Fälle (Gesamtfallzahl: 387) als kostenintensiv anzusehen. Diese 8 % der Fälle haben einen Anteil von ca. 28 % am Gesamthonorar von EUR 79.044.-. Dies zeigt, dass sie wesentlich zur Überschreitung des Gesamtfallwertes beigetragen haben. Im Vergleich dazu entfallen bei der Vergleichsgruppe der Zahnärzte 1,18 % bis 1,94 % auf einen Fallwert von 500 EUR und mehr (Zahlen aus dem Jahr 2013 in kzvb TRANSPARENT 15 + 16/2015). Dies bedeutet, die klägerische Praxis hat jeweils ca. das Vierfache der kostenintensiven Fälle der Vergleichsgruppe.

Laut dem Bescheid des Beschwerdeausschusses wurden diese (32) Fälle überprüft, jedoch nicht zur Gänze als Praxisbesonderheit anerkannt. Wenn im Hinblick darauf Abzüge gemacht werden, dass auch in anderen Praxen schwere Fälle vorhanden sind, ist dies grundsätzlich rechtlich nicht zu beanstanden. Dabei gehört aber die Berücksichtigung der Fallzahl zu einer intellektuellen Betrachtungsweise. Praxen, die eine überdurchschnittlich hohe Fallzahl aufweisen, haben eher die Möglichkeit, schwere, kostenintensive Fälle durch sog. Verdünnerfälle auszugleichen als unter dem Durchschnitt liegende Praxen mit relativ niedriger Fallzahl. Nachdem die klägerische Praxis mit 38 % deutlich unter der Fallzahl der Fachgruppe liegt, hat sie kaum die Möglichkeit, schwere, kostenintensive Fälle auszugleichen. Insofern lassen sich Abzüge mit dem Argument, es gebe auch in anderen Praxen kostenintensive Fälle nicht, zumindest aber nur in einem sehr geringen Umfang rechtfertigen.

Nicht nachvollziehbar ist ferner, warum der Beklagte lediglich 65 % der Fälle über EUR 500.- als Praxisbesonderheit anerkennt. Zur Begründung führt er aus, das Wirtschaftlichkeitsgebot sei nicht immer eingehalten worden. Insbesondere sei folgendes festzustellen gewesen:

- "Überbewertung der Zysten, chirurgischer Mehraufwand nicht dokumentiert, radiologisch nicht erkennbar. - Verbandsplatten nach GOÄ-Nr. 2700 ohne medizinische Notwendigkeit, teilweise mehrfach pro Kiefer - Cp teilweise nicht nachvollziehbar, gerade im Zusammenhang mit okklusalen Füllungen"

Außerdem habe sich aus der Stellungnahme ergeben, dass durchgeführte Maßnahmen nach der Bema-Nummer 47a als Leistungen nach der Bema-Nr. 45 abgerechnet und in diesem Zusammenhang entfernte Zysten nach Bema-Nummer 56a zur Abrechnung gebracht wurden. Diese Abrechnungsweise führe dazu, dass sich gegenüber den eigentlich erbrachten Leistungen ein Mehraufwand in Höhe von 54 Punkten ergebe.

Es handelt sich um pauschale Ausführungen, ohne dass wenigstens einzelne Beispielfälle genannt wurden, bei denen diese Feststellungen zutreffen. Der Klägerin ist damit verwehrt, sich konkret damit auseinanderzusetzen zu können. Ferner bleibt offen, wie der Beklagte zu prozentualen Abzug von 65 % gelangt. Insofern liegt in diesem Punkt ein Begründungsdefizit vor und damit ein Verstoß gegen § 35 SGB X.

Der Beklagte ist allerdings rechtlich nicht gehalten, in einem zu erlassenden Verwaltungsakt die Unwirtschaftlichkeit in jedem überprüften Fall darzustellen. Denn es handelt sich um eine statistische Durchschnittsprüfung und nicht um eine Einzelfallprüfung. Es ist als ausreichend anzusehen, wenn hier exemplarisch anhand 5 % der geprüften Fälle, mindestens jedoch bei drei Fällen eine Unwirtschaftlichkeit aufgezeigt würde. Die exemplarische Prüfung von Einzelfällen darf nicht verwechselt werden mit der Durchschnittsprüfung mit ergänzender Einzelfallbetrachtung. Hier wird die Einbeziehung von mindestens 20 % der Fallzahl, mindestens jedoch von 100 Fällen gefordert. Diese Prüfmethode gelangt jedoch nur dann zur Anwendung, wenn die Überschreitung in der Übergangszone liegt, was hier eindeutig nicht der Fall ist (vgl. BSG, Urteil vom 9.6.1982, Az 6 RKa 1/81). Welcher zusätzliche Abzug gerechtfertigt ist, bleibt der Prüfung durch den Beklagten vorbehalten (vgl. SG A-Stadt, Urteil vom 25.10.2017, Az S 38 KA 5022/17).

Zwischen den Beteiligten bestehen auch unterschiedliche Auffassungen zur Berechnung der Praxisbesonderheit. Insbesondere wird moniert, der Beklagte habe die insgesamt abgerechneten Fälle um 65 % der aufwändigen Fälle (65 % von 32 Fällen) auf 366 Fälle reduziert, was sich auf die Berechnung des Fallwertes (bereinigtes Gesamthonorar nach Abzug von 65 % des Honorars für die 32 aufwändigen Fälle auf EUR 64.791.-) ungünstig ausgewirkt habe. Der berechnete Fallwert in Höhe von EUR 177.- wurde dann in Relation zu dem Landesdurchschnitt in Höhe von EUR 92.- gesetzt, woraus sich eine Überschreitung in Höhe von 92 % ergab. Gegen diese Berechnungsweise bestehen grundsätzlich keine rechtlichen Bedenken. Dies kann aber nach Auffassung des Gerichts nur gelten, wenn es dadurch zu keinen erheblichen statistischen Verzerrungen kommt. Dies ist dann der Fall, wenn die Fallzahl der geprüften Praxis unterschritten wird. Hier unterschreitet die Klägerin die Fallzahl zunächst um 38 % (Landesdurchschnitt: 628,2; Praxis: 387). Die Berechnungsweise des Beklagten führt dazu, dass die Unterschreitung nunmehr 42 % (Landesdurchschnitt: 628,2; Praxis: 366) beträgt. Insofern bestehen auch diesbezüglich rechtliche Bedenken.

Was die Patientenverteilung betrifft, die von der der Vergleichsgruppe erheblich abweicht (Mitglieder und Familienversicherte überrepräsentiert; Rentner unterrepräsentiert), kann hieraus nicht auf eine Praxisbesonderheit geschlossen werden. Im Gegenteil! Üblicherweise spricht ein hoher Rentneranteil, der bei der klägerischen Praxis relativ gering ist, für einen höheren Behandlungsbedarf.

Für kompensatorische Einsparungen gibt es keinerlei Anhaltspunkte, wovon auch der Beklagte zutreffend ausgegangen ist.

Aus den genannten Gründen war zu entscheiden, wie geschehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Rechtskraft
Aus
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