S 56 KR 275/20 ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
56
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 56 KR 275/20 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Krankenkassen sind derzeit noch nicht verpflichtet, für Versicherte mit ruhendem Leistungsanspruch eine elektronische Gesundheitskarte auszustellen. Die Herausgabe von Berechtigungsscheinen verstößt in diesem Fall nicht gegen geltendes Recht (entgegen SG Wiesbaden, Urteil vom 31. Oktober 2018 – S 2 KR 241/17; entgegen Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Juli 2017 – L 9 KR 274 /17 B ER).
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Der bei der Antragsgegnerin freiwillig versicherte Antragsteller begehrt die Ausgabe einer elektronischen Gesundheitskarte (eGK) und den Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung zur Tilgung seiner Beitragsschulden.

Mit Bescheid vom 15. Mai 2012 hatte die Antragsgegnerin wegen Beitragsrückständen des Antragsgegners das Ruhen des Leistungsanspruchs festgestellt. Vollstreckungsversuche der Antragsgegnerin in den Jahren 2013 und 2015 waren nicht erfolgreich. Die Beitragsrückstände betragen aktuell mehr als 19.000,00 EUR.

Von Februar bis Oktober 2019 zahlte der Antragsteller monatlich je 30,00 EUR auf die Beitragsschulden. Mit E-Mail vom 5. September 2019 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass der Leistungsanspruch weiter ruhe. Die monatlichen Zahlungen seien im Verhältnis zum Rückstand zu gering, um eine Ratenzahlung in dieser Höhe bewilligen zu können. Hiergegen erhob der Antragsteller Widerspruch. Er teilte der Antragsgegnerin mit, dass sein Einkommen ihm nicht ermögliche, die geforderte Summe abzutragen. Er gehe einer Arbeit nach und sei nicht hilfebedürftig. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2019 übersandte die Antragsgegnerin dem Antragsteller ein Ratenzahlungsangebot mit der Auswahl, die Beitragsschulden in 3, 6 oder 12 Monatsraten abtragen zu können. Hierauf antwortete der Antragsteller nicht. Mit Schreiben vom 11. Februar 2020 übersandte die Antragsgegnerin dem Antragsteller einen "Nachweis der Anspruchsberechtigung bei Ruhen des Anspruchs gemäß § 16 Absatz 3a SGB V".

Am 12. Februar 2020 hat der Antragssteller beim Sozialgericht Berlin den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Von seiner Ärztin sei ihm eine Herzbehandlung geraten worden, er benötige hierfür eine eGK. Auf Fragen des Gerichts zur wirtschaftlichen Situation hat der Antragsteller nicht geantwortet.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller eine elektronische Gesundheitskarte auszustellen und mit ihm eine Zahlungsvereinbarung in Höhe von 30,00 EUR monatlich zum 3. des Monats zur Tilgung der Beitragsschulden abzuschließen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dem Antragsteller entstünden keine schweren und unzumutbaren Nachteile, wenn er die übersandten Anspruchsberechtigungsnachweise nutzt. Die technische Ausstattung der Leistungserbringer lasse derzeit kein Auslesen der eGK mit eingeschränkter Kennung für Versicherte mit ruhendem Leistungsanspruch zu. Daher könne dem Antragsteller eine eGK nicht ausgehändigt werden.

Das Gericht hat die Gesellschaft für Telematik um Auskunft gebeten, ob diese Aussage der Antragsgegnerin zutrifft und welche technischen Möglichkeiten derzeit bestehen, von der eGK die nach § 291 Abs. 2 S. 2 SGB V vorgesehenen Angaben zum Ruhen des Anspruchs auszulesen. Mit Schreiben vom 24. Februar 2020 hat die G. GmbH zu den gerichtlichen Fragen ausführlich Stellung genommen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Stellungnahme verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die von der Antragsgegnerin auszugsweise übersandte Verwaltungsakte Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg. Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung sind nicht erfüllt.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) voraus, dass die Voraussetzungen für einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht sind. Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn nach der Prüfung der materiellen Rechtslage überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Antragsteller mit seinem Begehren im hauptsächlichen Verwaltungs- oder Klageverfahren erfolgreich sein wird. Zum anderen muss eine gerichtliche Entscheidung deswegen dringend geboten sein, weil es dem Antragsteller wegen drohender schwerwiegender Nachteile nicht zuzumuten ist, den Ausgang eines Hauptverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund).

Die Anspruchsvoraussetzungen für den materiellen Anspruch sind glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken soll, überwiegend wahrscheinlich ist, vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch X (SGB X), mithin, wenn mehr für ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren als dagegen spricht.

Gemessen an diesen Anforderungen, fehlt es jeweils am Anordnungsanspruch. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht einen Anspruch auf Aushändigung einer eGK (dazu 1.) oder auf Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung zu monatlich 30 EUR (dazu 2.) zu haben.

1.
Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Ausstellung einer eGK während des Ruhens der Leistungen.

a.
Vorliegend ruht der Leistungsanspruch des Antragstellers. Die Antragsgegnerin hat das Ruhen bestandskräftig festgestellt, § 16 Abs. 3a SGB V. Das Ruhen dauert nach summarischer Prüfung weiter an. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen für eine Beendigung des Ruhens eingetreten sind. Das Ruhen endet nach § 16 Abs. 3a S. 2 SGB V, wenn alle rückständigen und die auf die Zeit des Ruhens entfallenden Beitragsanteile gezahlt sind. Ist eine wirksame Ratenzahlungsvereinbarung zu Stande gekommen, hat das Mitglied nach S. 3 der Vorschrift ab diesem Zeitpunkt wieder Anspruch auf Leistungen, solange die Raten vertragsgemäß entrichtet werden. Das Ruhen endet nach S. 4 der Vorschrift ferner, wenn Versicherte hilfebedürftig im Sinne des Zweiten oder Zwölften Buches sind oder werden.

Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Beiträge vollständig gezahlt wurden. Ferner ist bislang keine Ratenzahlungsvereinbarung zustande gekommen (zum fehlenden Anspruch sogleich) und hat der Antragsteller nicht vorgetragen oder glaubhaft gemacht, hilfebedürftig zu sein. Angaben zu seinen aktuellen Einkünften hat er nicht übersandt, er hat lediglich angegeben, dass die Einkünfte aus seinem Arbeitsverhältnis nicht ausreichen, die Schulden zu tilgen.

b.
Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Ausstellung einer eGK ist § 15 Abs. 6 i.V.m. § 291 Abs. 1 S. 1 SGB V. Nach § 15 Abs. 6 S. 1 SGB V erhält jeder Versicherte die elektronische Gesundheitskarte bei der erstmaligen Ausgabe und bei Beginn der Versicherung bei einer Krankenkasse sowie bei jeder weiteren, nicht vom Versicherten verschuldeten erneuten Ausgabe gebührenfrei. Die Krankenkassen haben nach § 15 Abs. 6 S. 2 SGB V einem Missbrauch der Karten durch geeignete Maßnahmen entgegenzuwirken. Nach § 291 Abs. 1 SGB V stellt die Krankenkasse für jeden Versicherten eine elektronische Gesundheitskarte aus. Diese dient dem Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung (Versicherungsnachweis) sowie der Abrechnung mit den Leistungserbringern.

Nach Überzeugung des Gerichts – und entgegen der wohl herrschenden Meinung – steht der Antragsgegnerin bei ruhendem Leistungsanspruch ein Zurückbehaltungsrecht zu, solange sie dem Antragsteller quartalsweise Berechtigungsscheine nach Muster 85 zum Nachweis des Versicherungsanspruchs für die Inanspruchnahme der trotz Ruhen bestehenden Ansprüche, z.B. auf Früherkennung und zur Behandlung bei akuter Erkrankung oder Schmerzuständen zur Verfügung stellt.

Zwar sieht § 291 Abs. 2a Satz 3 SGB V vor, dass die eGK – über die Pflichtangaben nach § 291 Abs. 2 Satz 1 SGB V hinaus – in den Fällen des § 16 Abs. 3a SGB V auch Angaben zum Ruhen des Anspruchs auf Leistungen enthalten kann. Entgegen der derzeit herrschenden Meinung (SG Wiesbaden, Urteil vom 31. Oktober 2018 – S 2 KR 241/17; Landessozialgericht [LSG] Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Juli 2017 – L 9 KR 274 /17 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.05.2014 - L 9 KR 112/14 B ER, BeckRS 2014, 69720; Beck OK/Scholz, Stand Dezember 2019, § 15 SGB V, Rd. 13; Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht/Leopold, Stand März 2017, § 291 Rn. 5) müssen die Krankenkassen jedoch nicht aufgrund dieser Vorschrift den Versicherten, deren Leistungsanspruch ruht, eine eGK aushändigen. Denn derzeit ermöglicht die eGK (immer) noch keine Feststellung der behandelnden Ärzte, Informationen über ein Ruhen des Leistungsanspruchs durch Nutzung der eGK zu erhalten. Die Verweigerung der Aushändigung der eGK ist derzeit die einzige Möglichkeit, einem möglichen Missbrauch der eGK vorzubeugen.

Die Ansicht der herrschenden Meinung basiert auf der Annahme, die Krankenkassen müssten und könnten Angaben zum eingeschränkten Leistungsanspruch auf der eGK speichern. Die eGK stelle nach § 291 SGB V i.V.m. § 15 Abs. X SGB V für die Versicherten einen Nachweis für die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen gegenüber den ärztlichen, zahnärztlichen und psychotherapeutischen Leistungserbringern dar und ermögliche diesen die Identifizierung des Patienten. Die Krankenkassen stünden in der Pflicht, einem Missbrauch der eGK durch geeignete Maßnahmen vorzubeugen, indem bei ruhenden Leistungsansprüchen eine entsprechende Kennzeichnung auf der elektronischen Gesundheitskarte angebracht wird (SG Wiesbaden, a.a.O., Rn. 13; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Juli 2017 – L 9 KR 274 /17 B ER, Rn. 4; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.05.2014 – L 9 KR 112/14 B ER). Für die von Krankenkassen bei ruhenden Leistungsansprüchen verwendeten Berechtigungsscheine auf der Grundlage von Muster 85 der Vereinbarung über Vordrucke für die vertragsärztliche Versorgung (Anlage 2 zum Bundesmantelvertrag-Ärzte) (juris: BMV-Ä) gebe es angesichts des Wortlauts von § 15 Abs. 2 SGB V keine parlamentsgesetzliche Grundlage (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Juli 2017 – L 9 KR 274/17 B ER –, juris).

Dem folgt das Gericht nach eigener Prüfung nicht. Denn die Annahme, die Krankenkassen könnten und müssten Angaben zum eingeschränkten Leistungsanspruch auf der eGK speichern, trifft nach summarischer Prüfung nicht zu.

aa.
Nach Mitteilung der G.GmbH hat die Gesellschaft für Telematik (§ 291b Abs. 7 S. 2 SGB V) am 21. März 2014 den Beschluss gefasst, dass das Datenfeld der eGK "Ruhender Leistungsanspruch", in welchem zu vermerken ist, in welchem Zeitraum für den versicherten kein Leistungsanspruch besteht, nicht zu befüllen ist. Der Beschluss lautet:

"Die Gesellschafterversammlung beschließt hinsichtlich der Befüllung und Interpretation des VSD-Schemas Version 5.2.0 folgende Vorgehensweise:

• Die Optionalen Elemente/Felder "Ruhender Leistungsanspruch" und werden von den Kassen nicht personalisiert, d.h. nicht in den Datensatz geschrieben.

• Die Inhalte der Felder , "Ruhender Leistungsanspruch" und werden bis zu einer anderweitigen Regelung im Bundesmantelvertrag der Ärzte nicht ausgewertet".

Die G.GmbH hat mitgeteilt, dass der Beschluss vom 21. März 2014 derzeit weiterhin gültig sei. Der Beschluss sei zu einer Zeit ergangen, in der die Datenfelder mangels Verfügbarkeit der Telematikinfrastruktur nicht durch die Krankenkassen "bei einem Stecken der eGK" beim Leistungserbringer aktualisiert werden konnten. Zwar sei der Ausstattungsgrad der Leistungserbringer mit der Telematikinfrastruktur gestiegen, eine Aufhebung der Regelung sei jedoch noch nicht beschlossen worden.

Die im Beschluss der Gesellschaft für Telematik benannte Voraussetzung für die Aufhebung der Regelung ist noch nicht eingetreten. Eine "anderweitige Regelung im Bundesmantelvertrag der Ärzte" (BMV-Ä) wurde nicht getroffen. Nach § 19 Abs. 3 S. 1 BMV-Ä in der Fassung vom 9. März 2020 ist der Leistungsanspruch von Versicherten, die ihrer Verpflichtung zur Beitragszahlung nicht nachkommen, eingeschränkt. Die Krankenkasse hat nach § 19 Abs. 3 S. 4 BMV-Ä die eGK einzuziehen. Zum Nachweis des eingeschränkten Anspruchs erhalten die Versicherten ein von der Krankenkasse ausgestelltes Vordruckmuster 85, § 19 Abs. 3 S. 5 BMV-Ä.

bb.
Der Beschluss und vertragliche Regelung im BMV-Ä verstoßen nicht gegen gesetzliche Bestimmungen. Denn nach § 291b Abs. 1 S. 1 HS 1 SGB V gilt: Die Beschlüsse der Gesellschaft für Telematik zu den Regelungen, dem Aufbau und dem Betrieb der Telematikinfrastruktur sind für die Leistungserbringer und Krankenkassen sowie ihre Verbände nach diesem Buch verbindlich. Soweit § 291 Abs. 2 S. 2 SGB V bestimmt, dass die eGK Angaben zum Ruhen des Leistungsanspruchs enthalten "kann", wird der Krankenkasse – entgegen der vorzitierten Gegenansicht – Ermessen dahin eingeräumt, dass sie einem Missbrauch der eGK im Falle ruhender Leistungsansprüche wahlweise durch eine entsprechende elektronische Kennzeichnung der eGK oder durch die Vorenthaltung einer eGK, kombiniert mit der Ausgabe der o.g. Berechtigungsscheine, begegnen kann (ebenso Sozialgericht Dresden, Beschluss vom 10. März 2014 - S 18 KR 87/14 ER). Mit dem verbindlichen Beschluss der Gesellschaft für Telematik haben die Krankenkassen ihr Ermessen dahin auszuüben, die eGK vorzuenthalten.

Dieser Ansicht steht auch § 15 Abs. 2 und 3 SGB V nicht entgegen. Zwar haben nach Abs. 2 Versicherte, die ärztliche, zahnärztliche oder psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nehmen, dem Arzt, Zahnarzt oder Psychotherapeuten vor Beginn der Behandlung ihre eGK zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen auszuhändigen. Nach Abs. 3 stellt die Krankenkasse für die Inanspruchnahme anderer Leistungen den Versicherten Berechtigungsscheine aus, soweit es zweckmäßig ist.

Vorliegend können Versicherte mit ruhendem Leistungsanspruch aufgrund der Regelung in § 16 Abs. 3a SGB V die ärztliche, zahnärztliche oder psychotherapeutische Behandlung nicht uneingeschränkt in Anspruch nehmen, sondern nur für Früherkennungsuntersuchungen und akute (Schmerz-)Behandlungen. Bei diesem eingeschränkten Sachleistungsanspruch handelt es sich daher um eine "andere Leistung" im Sinne des § 15 Abs. 3 SGB V, für welche das Gesetz gerade die Ausgabe von Berechtigungsscheinen vorsieht.

cc.
Derzeit kann die Antragsgegnerin einen Missbrauch der eGK nur durch Verweigerung der Herausgabe vermeiden. Denn nach Mitteilung der G.GmbH, an der zu zweifeln kein Anlass besteht, existiert derzeit für Leistungserbringer bei Nutzung der eGK eines Versicherten keine technische Möglichkeit, Informationen zum Ruhen des Leistungsanspruchs zu erhalten. Im Rahmen des sog. Versichertenstammdatenmanagements sei eine solche Möglichkeit nicht vorhanden, auch auf andere Weise könnten die Leistungserbringer bei Nutzung der eGK hierzu keine Informationen erlangen. Die eGKs der Versicherten mit ruhendem Leistungsanspruch würden derzeit von den Praxisverwaltungssystemen der Leistungserbringer als gültig anerkannt. Denn bei der Bewertung der "Gültigkeit" werde derzeit technisch der Inhalt des Feldes "Ruhender Leistungsanspruch" nicht herangezogen.

Die Krankenkasse trägt das Risiko einer unrechtmäßigen Vorlage einer eGK. Dies berechtigt sie – unabhängig davon, ob Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Nutzung durch den Antragsteller vorliegen – die Ausstellung einer eGK zu verweigern. Zum Risiko regelt beispielsweise § 17 Abs. 5 BMV-Zahnärzte in der Fassung vom 5. Februar 2019:

Für Kosten einer Behandlung, die auf Grund einer vorgelegten falschen eGK oder der unrechtmäßigen Vorlage der eGK statt des Gebrauchs des Leistungsnachweises gem. § 16 Absatz 3a SGB V bei Ruhen der Ansprüche erfolgte, haftet die Krankenkasse dem Vertragszahnarzt gegen Abtretung seines Vergütungsanspruches.

Entsprechendes gilt auch für ärztliche und andere Leistungserbringer.

Allein eine Sperrung der eGK käme zur Vermeidung von Missbrauch in Betracht, die Herausgabe einer gesperrten eGK wäre für den Antragsteller jedoch nutzlos, das entspricht auch nicht seinem Begehren.

c.
Der Antragsteller erleidet durch die Nutzung der Berechtigungsscheine auch keine schweren oder unzumutbaren Nachteile. Er erhält die ihm nach § 16 Abs. 3a SGB V eingeschränkt zustehenden Leistungen. Soweit die begehrte Herzbehandlung darunter fällt, ermöglicht der Berechtigungsschein den Bezug der Sachleistungen. Soweit die Behandlung nicht darunter fällt, ist der Antragsteller darauf zu verweisen, durch Offenlegung seiner Einkommens- und Vermögenssituation eine Ratenzahlungsvereinbarung mit der Antragstellerin zu schließen, um eine Beendigung des Ruhens des Leistungsanspruchs zu erreichen.

2.
Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, einen Anspruch auf Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung in Höhe von monatlich 30 EUR zur Tilgung der Beitragsschulden zu haben.

Nach § 16 Abs. 3a S. 3 SGB V endet das Ruhen des Leistungsanspruchs während eines Beitragsrückstandes bei Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung. Dadurch sollte ein zusätzlicher Anreiz für den Beitragsschuldner geschaffen werden, besondere Anstrengungen zur Tilgung von Beitragsrückständen zu unternehmen (Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht/Peters, Stand Dezember 2019, SGB V § 16 Rn. 25).

Eine Ratenzahlungsvereinbarung stellt zugleich eine Stundung der Rückzahlungspflicht dar. Hierzu regelt § 76 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch, dass der Versicherungsträger Ansprüche nur stunden darf, wenn die sofortige Einziehung mit erheblichen Härten für die Anspruchsgegner verbunden wäre und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet wird. Ob und in welchem Umfang die Einziehung für den Antragsteller eine Härte bedeutet und inwieweit diese für ihn erheblich wäre, hängt von den individuellen Einkommens- und Vermögensverhältnissen ab. Hierzu hat der Antragsteller jedoch keine Angaben gemacht.

Zwar dürfte die Antragsgegnerin verpflichtet sein, auch eine Ratenzahlungsvereinbarung zur Tilgung der Beitragsschulden abzuschließen, wenn die Tilgung länger als 12 Monate dauert oder der Schuldner aufgrund der eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten nur in geringem Umfang zur Tilgung in der Lage ist. Ein Anspruch auf Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung besteht jedoch nur, wenn die Einkommens- und Vermögensverhältnisse offengelegt werden. Hier hat sich der Antragsteller trotz Nachfrage nicht geäußert. Insoweit fehlt es an der Glaubhaftmachung eines Anspruchs auf Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung.

3.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG. Sie berücksichtigt das Unterliegen des Antragstellers.
Rechtskraft
Aus
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