S 38 KA 511/17

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
38
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 38 KA 511/17
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
I. Zum Verhältnis Approbation und Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit

II. § 21 Abs. 1 Ärzte-ZV genügt auch den verfassungsrechtlichen Anforderungen von Art. 80 Abs. 1 Grundgesetz (GG).

III. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der „Geeignetheit“ zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit (§ 21 Ärzte-ZV) ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung.

IV. Die Sozialgerichte können ihren Entscheidungen auch Feststellungen anderer Behörden und Gerichte zu Grunde legen.

V. Liegt ein strafrechtliches Fehlverhalten, hier § 266 StGB (Untreue) vor, das grundsätzlich eine gröbliche Pflichtverletzung im Sinne von § 95 Abs. 6 S. 1 SGB V darstellt, ist auch unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und Art. 12 Grundgesetz (GG) die Motivlage des Vertragsarztes, zum Beispiel fehlende Bereicherungsabsicht, keine Honoraroptimierung, zu würdigen.
I. Die Klage wird vollumfänglich abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1). Im Übrigen sind die Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Gegenstand der zum Sozialgericht München eingelegten Klage ist der Bescheid des beklagten Berufungsausschusses vom 29.06.2017. Dieser lehnte wie vorher der Zulassungsausschuss den Antrag der klagenden Krankenkasse (Klägerin) auf Entzug der Zulassung des Beigeladenen zu 1 ab. Der Beklagte vertrat die Auffassung, der Beigeladene zu 1 sei nach wie vor im Sinne des § 21 Ärzte-Zulassungsverordnung (Ärzte-ZV) geeignet. Eine Patientengefährdung sei nicht ersichtlich. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei beachtet werden.

Der Beigeladene zu 1 litt zum Zeitpunkt der Entscheidung der Zulassungsgremien an schweren Erkrankungen, darunter Morbus Crohn, erstmals diagnostiziert im Januar 1987 und verbunden mit zahlreichen chirurgischen Eingriffen (Darmoperationen 1988, 1990, Dez. 2003 -Jan. 2004) und COPD (chronisch-obstruktive Lungenerkrankung), diagnostiziert im Januar 2013. Zur Frage der Geeignetheit wurden Gutachten eingeholt und zwar auf psychiatrischen und schmerztherapeutischen Gebiet. Darauf stützte sich die Entscheidung des Berufungsausschusses.

Vorausgegangen waren Entscheidungen anderer Gerichte. Darunter die Entscheidung des Amtsgerichts E-Stadt unter dem Aktenzeichen Az. Dem Beigeladenen zu 1 wurde die vorsätzliche unerlaubte Betäubungsmittelverschreibung in 21 tatmehrheitlichen Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Sichverschaffen von Betäubungsmitteln sowie Untreue vorgeworfen. Mit rechtskräftigem Strafurteil wurde er zu 100 Tagessätzen zu je 90 EUR verurteilt. Die Berufung zum Landgericht D-Stadt (Az), eingelegt vom Beigeladenen zu 1 wegen des Rechtsfolgenausspruchs, wurde verworfen.

Außerdem befassten sich das Bayerische Verwaltungsgericht D-Stadt (Az) und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (Az) mit der Frage, ob die Approbation zum Ruhen zu bringen sei, nachdem die Regierung von Oberbayern mit Bescheid vom 05.11.2015 das Ruhen der Approbation des Beigeladenen zu 1 als Arzt nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 S.1 Nr. 3 BÄO angeordnet hatte. Die Regierung von Oberbayern vertrat die Auffassung, der Beigeladene zu 1 sei zur Ausübung des Arztberufes gegenwärtig nicht uneingeschränkt geeignet. Sie bezog sich auf das Gutachten von Professor Dr. N. und Dr. med. S. vom 27.08.2015, in welchem die gesundheitliche Eignung bzw. die Berufsunfähigkeit nur unter bestimmten Voraussetzungen anerkannt wurde. Die Regierung von Oberbayern habe ihr Ermessen pflichtgemäß ausgeübt. Die Anordnung entspreche auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und verstoße nicht gegen Art. 12 Grundgesetz, weil die Maßnahme wegen des überragend wichtigen Gemeinschaftsguts des Schutzes der Gesundheit und des Lebens der einzelnen Patienten geboten sei. Der Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 05.11.2015 wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts D-Stadt aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12.01.2017 aufgehoben. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für das Ruhen der Approbation nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 S.1 Nr. 3 BÄO nicht vorlägen. Es könne offenbleiben, ob der Bescheid zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßig gewesen sei. Denn es handle sich hierbei anders als beispielsweise bei einer Anfechtung des Widerrufs der Approbation als Arzt bzw. der Apothekenbetriebserlaubnis um eine einem Dauerverwaltungsakt vergleichbare rechtliche Situation bzw. Struktur. Somit sei nicht nur die Sach-und Rechtslage im Zeitpunkt ihres Erlasses maßgeblich, sondern es seien vielmehr grundsätzlich auch Veränderungen der Sachlage bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz und Veränderungen der Rechtslage bis zum Ergehen der Revisionsentscheidung zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.01.1988 - Az 3 C 48.85; Kopp/ Schenke, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, Rn 43 f. zu § 113). Hierzu führte das Verwaltungsgericht wie folgt aus:

"Zum demnach maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung liegen aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme die Voraussetzungen für das angeordnete Ruhen der Approbation nicht (mehr) vor. Der Kläger ist zur Ausübung des ärztlichen Berufs in gesundheitlicher Hinsicht geeignet; die Voraussetzung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ist nicht nachträglich weggefallen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BÄO).

Beim Kläger liegt insbesondere keine Abhängigkeitssituation bzw. Suchterkrankung vor, die als solche bereits den Rückschluss auf eine fehlende Eignung oder Fähigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs rechtfertigen könnte (vgl. BayVGH, B.v. 15.11.2011 - 21 CS 11.2252). Dies ergibt sich aus der - in der mündlichen Verhandlung bestätigten - Diagnosestellung im schmerzmedizinischen Gutachten von Dr. med. T., Algesiologikum MVZ B-Stadt, Zentrum für Schmerzmedizin, vom 18.03.2016, wonach als Diagnosezustand nach Opioidfehlgebrauch und Zustand nach Opioidentzug gestellt und konstatiert wird, dass derzeit nicht von einer Abhängigkeitssituation auszugehen ist. Bestätigt wird dies durch die psychiatrisch-gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. N. und Dr. med. U., Klinikum der Universität B-Stadt, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 26.April 2016 und durch die mündlichen Erläuterungen der Gutachter in der mündlichen Verhandlung am 12.01.2017. Die Diagnosen, die vom Beklagten im Übrigen nicht infrage gestellt werden, sind in sich schlüssig und nachvollziehbar. Da danach eine Abhängigkeitssituation bzw. Suchterkrankung des Klägers nicht vorliegt, ist der Rückschluss auf eine fehlende Eignung oder Fähigkeit des Klägers zur Ausübung des ärztlichen Berufs insoweit jedenfalls nicht gerechtfertigt. Es besteht bei ihm nicht - wie bei einem suchterkrankten Arzt - die begründete Besorgnis, dass er seinen ärztlichen Pflichten nicht ordnungsgemäß nachkommen kann, weil er dazu psychisch oder physisch nicht in der Lage ist. Die weitere Ausübung des ärztlichen Berufs durch den Kläger ist folglich aus der Sicht der Sachverständigen unbedenklich und kann auch unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Gesundheitsinteresses und des Patientenschutzes verantwortet werden.

Beim Kläger ist die gesundheitliche Eignung zur Ausübung des Arztberufes auch nicht aufgrund der indizierten und auf einen längerfristigen Zeitraum angelegten transdermalen Opioidtherapie nachträglich weggefallen."

Ferner betonte das Verwaltungsgericht, die Sachverständigen hätten in der mündlichen Verhandlung am 12.01.2017 übereinstimmend mit Blick auf ihr jeweiliges Fachgebiet dargelegt, dass der Kläger nach langjährigem Opioidfehlgebrauch und zweimonatiger Opioidfreiheit im Juni/Juli 2015 nun unter einer kontrollierten transdermalen Opioidtherapie stehe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme könne der Kläger derzeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs als geeignet angesehen werden. Auch sei das Gericht aufgrund der Ausführungen der Gutachter zu deren Diagnosen, einheitlicher Bewertung und bislang durchgeführter und bis auf weiteres geplanter unangekündigter der Urinkontrollen überzeugt, dass der Kläger derzeit trotz bzw. gerade wegen der kontrollierten transdermalen Opioidtherapie gesundheitlich in der Lage sei, den Arztberuf auszuüben. Er genüge auch den besonderen gesundheitlichen Anforderungen des Arztberufes (§ 20 Heilberufe-Kammergesetz (HKaG). Für eine Patientengefährdung bei einer weiteren Ausübung des ärztlichen Berufs unter Anwendung einer Opioidtherapie gebe es keinerlei Anhaltspunkte. Diese seien auch nicht konkret greifbar und hätten sich auch im Rahmen der gerichtlichen Beweiserhebung nicht ergeben. Abschließend wies das Gericht darauf hin, die Approbationsbehörde könne dem Kläger zur Auflage machen, für einen bestimmten Zeitraum regelmäßig Befundberichte über Therapiefortschritte sowie fachärztliche Beobachtungen vorzulegen. Die Beklagte sei dadurch nicht gehindert - erforderlichenfalls - zu einem späteren Zeitpunkt die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, wenn begründete Zweifel an der gesundheitlichen Eignung des Klägers auftreten sollten.

Der Antrag der Regierung von Oberbayern auf Zulassung der Berufung wurde schließlich vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Az) abgelehnt. Es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Senat teile in vollem Umfang die im Urteil ausführlich begründete Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die Voraussetzungen für das angeordnete Ruhen der Approbation beim Kläger nicht (mehr) vorlägen. Der Kläger sei aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme zur Ausübung des ärztlichen Berufs in gesundheitlicher Hinsicht geeignet. Die Sachverständigen aus verschiedenen medizinischen Fachbereichen (Psychiatrie und Psychotherapie; Schmerztherapie) hätten übereinstimmend festgestellt, dass bei Durchführung der kontrollierten transdermalen Opioidtherapie beim Kläger nicht von einer Abhängigkeitssituation bzw. Suchterkrankung ausgegangen werden könne. Wie das Verwaltungsgericht festgestellt habe, hätten die Gutachter überzeugend, schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, wie und warum sie zu ihrer übereinstimmenden Überzeugung gekommen sein. Der Kläger könne den gesundheitlichen Anforderungen des Arztberufs unter der erforderlichen, kontrollierten und wirksamen transdermalen Opioidtherapie nach Überzeugung des Gerichts gerecht werden. Anhaltspunkte dafür, dass es bei einer weiteren Ausübung des ärztlichen Berufs unter Anwendung der Opioidtherapie zu Patientengefährdungen kommen könne, hätten sich im Rahmen der gerichtlichen Beweiserhebung nicht ergeben. Ein weiterer Aufklärungsbedarf sei nicht gegeben.

Gegen die hier streitgegenständliche Entscheidung des Berufungsausschusses legte die Klägerin Klage zum Sozialgericht München ein. Es wurde die Ansicht vertreten, der Beklagte habe gegen seine Amtsermittlungspflicht nach § 20 SGB X verstoßen. Die Bedingungen, dass der Beigeladene zu 1 keine BTM-Rezepte ausstelle, könnten nicht eingehalten werden. Es reiche eine abstrakte Gefährdungslage aus. Ferner sei eine grobe Verletzung vertragsärztlicher Pflichten darin zu sehen, dass ein hoher Schaden (19.000 EUR) entstanden sei. Dies sei nicht berücksichtigt worden. Auf die chronischen Erkrankungen beim Beigeladenen zu 1 und die Beeinträchtigungen, gegebenenfalls mit einer Suchterkrankung sei der Beklagte nicht eingegangen. Der Beigeladene zu 1 erhalte weiterhin Opiate (Norspan) verordnet. Auffällig seien auch Verordnungen von DHC (Dihydrocodein), einem Abkömmling des Alkaloids Morphin. Es gebe eigene Verordnungen des Beigeladenen zu 1 während eines Rehaaufenthalts am 09.01.2018 und 25.01.2018. Verordnet wurden jeweils Packungsgrößen N 3. Darüber hinaus sei sowohl der Ehefrau des Beigeladenen zu 1 als auch dessen Mutter DHC verordnet worden. Auch dies sei bisher nicht berücksichtigt worden. Ferner sei außer Acht gelassen worden, dass der Beigeladene zu 1 starke Psychopharmaka einnehme.

Auf das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht könne nur bedingt zurückgegriffen werden, da dieses einen früheren Zeitraum betreffen würde. Zum Aufenthalt des Beigeladenen zu 1 in der Reha-Klinik wurde auf den Reha-Vertrag hingewiesen. Es wurde eine Begutachtung durch Dr. F. vorgeschlagen.

In der mündlichen Verhandlung am 18.07.2018 wurde die Sach-und Rechtslage mit den Beteiligten besprochen. Die mündliche Verhandlung wurde vertagt. Am 12.11.2018 erging ein Beweisbeschluss zur Einvernahme von PD Dr. C. (behandelnder Schmerztherapeut am Uniklinikum C-Stadt) als sachverständigen Zeugen gemäß § 118 SGG in Verbindung mit § 414 ZPO zum Beweisthema "ärztliche Behandlung des Beigeladenen zu 1 durch den sachverständigen Zeugen".

Im Rahmen der weiteren mündlichen Verhandlung am 19.12.2018 übergab der Prozessbevollmächtigte des Beigeladenen zu 1 dem Gericht 20 Durchschläge und ein unbrauchbar gemachtes BTM-Rezept. Daraus ergebe sich, dass der Beigeladene zu 1 über keine BTM-Rezepte mehr verfüge.

Der sachverständige Zeuge PD Dr. C. erklärte, der Beigeladene zu 1 sei vom 22.05.2015 bis 05.06.2015 stationär aufgenommen gewesen. Das ursprüngliche Opiat Oxycodon in der Dosis von 280-320 mg sei ausgeschlichen worden. Stattdessen habe der Beigeladene zu 1 eine neue in der Schmerztherapie typische Medikation mit Norspan, Dulexitin und Quetiapin erhalten. Zu Norspan (Buprenorphin) wurde vorgetragen, es handle sich hierbei um die Substanz mit der geringsten Toleranz. Für den jeweiligen Patienten bestehe keine Möglichkeit, die Dosis zu verändern, die lediglich 10 % des vor Entzug eingenommenen Opiats Oxycodon entspreche. Die Einnahme von Quetiapin diene als eine Einschlafhilfe. Dulexitin sei aus schmerztherapeutischer Indikation heraus verordnet worden. Sowohl für die Verordnung von Quetiapin als auch für die Verordnung von Dulexitin gebe es keinen psychiatrischen Hintergrund. In Zusammenschau mit der Kombination sei hier die geringste Abhängigkeitspotenz zu erwarten. Der Beigeladene zu 1 stelle sich alle 7-8 Wochen in der Schmerzambulanz der Uniklinik C-Stadt vor. Dabei finde - wenn auch nicht an jedem Termin - eine Urinkontrolle zum Zwecke des Drogenscreenings statt. Die Kontrolle sei für den Beigeladenen zu 1 insofern unerwartet, als dieser vorher nicht wisse, ob im konkreten Termin eine Kontrolle stattfinde oder nicht. Auf die Frage der Vertreterin der Klägerin, ob er DHC verordnet hätte, wenn der Beigeladene zu 1 bei ihm über Magenschmerzen geklagt hätte, wurde dies von ihm verneint. In Beantwortung der Frage des Vertreters des Beklagten teilte der sachverständige Zeuge mit, der Beigeladene zu 1 sei über unerwünschte Nebenwirkungen der Medikation von Norspan informiert worden. In diesem Zusammenhang sei auch ein Opiatvertrag geschlossen worden. Norspan sei zum Zweck der Reduzierung der Schmerzen verordnet worden. Dadurch werde die soziale Kompetenz und die Kompetenz im Alltag nicht eingeschränkt, wie sich auch daraus ergebe, dass andere Berufsgruppen wie Waffen führende Polizisten, Busfahrer und Taxifahrer trotz Einnahme von Opiaten ihren Beruf ausübten.

Zusammenfassend erklärte der sachverständige Zeuge, er halte aus schmerztherapeutischer Sicht den Beigeladenen zu 1 für uneingeschränkt geeignet, an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen. Auch aus den Gesprächen mit dem Patienten und seiner Ehefrau, die bei den Behandlungsterminen zugegen gewesen sei, habe er den Eindruck gewonnen, dass der vertragsärztlichen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 nichts entgegenstehe. Die mündliche Verhandlung am 19.12.2018 wurde erneut vertagt und zunächst seitens des Gerichts erwogen, einen Schmerztherapeuten als Gutachter zu beauftragen.

Im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 19.12.2018 unterbreitete das Gericht den Beteiligten einen Vergleichsvorschlag (Schreiben des Gerichts vom 14.01.2019 und 07.02.2019), der nach Auffassung des Gerichts die unterschiedlichen Interessenlagen der Beteiligten berücksichtigte. Dieser Vergleichsvorschlag wurde jedoch aus unterschiedlichen Gründen nicht angenommen.

Der Beklagte bemerkte ergänzend zu der Einvernahme des sachverständigen Zeugen, dieser habe keinen relevanten Beitrag zur Klärung der Geeignetheit des Beigeladenen zu 1 leisten können. Es handle sich nämlich nicht um eine schmerztherapeutische Problemstellung, sondern vielmehr um eine psychiatrische Problemstellung, weshalb ein Psychiater hätte befragt werden müssen.

Die Klägerin führte zunächst unter Hinweis auf die Eigenverordnung und die Verordnungen für die Ehefrau des Beigeladenen zu 1 und dessen Mutter aus, sie halte insbesondere die Parallelverordnung von DHC und Norspan für problematisch, zumal DHC als codeinhaltiges Medikament Suchtverhalten aufweise. Aufgabe der Klägerin sei es auch, Patienten vor abstrakten Gefahren zu schützen. Auch die Klägerin gab zu verstehen, zur weiteren Sachverhaltsaufklärung sei nicht die Einholung eines schmerztherapeutischen Gutachtens, sondern eines psychiatrischen Gutachtens erforderlich.

Schließlich wies die Klägerin mit Schreiben vom 16.05.2019 auf einen Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG, Beschluss vom 13.02.2019, Az B 6 KA 14/18 B) hin, wonach es für die Eignung nach § 21 Ärzte-ZV auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ankomme. Das Gericht müsse nun entscheiden, ob der Sachverhalt durch die Gutachten, die in der Verwaltungsebene eingeholt/vorgelegt wurden, ausreichend ermittelt sei und eine Grundlage für die Beurteilung des Sach-und Rechtslage in Bezug auf die Rechtmäßigkeit des Bescheides des Beklagten biete.

Der Beklagte nahm zu der Frage, welcher Zeitpunkt für die Eignung maßgeblich ist, Stellung. Er zitierte aus mehreren Entscheidungen des Bundessozialgerichts, so aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 17.10.2012 (Az B 6 KA 49/11 R), mit der die vorausgegangene sog. "Wohlverhaltensrechtsprechung" aufgegeben wurde. Ferner wurden weitere Entscheidungen des Bundessozialgerichts (so z.B. BSG, Urteil vom 04.03.2019, Az B 6 KA 4/18 R), aber auch des Bundesverwaltungsgerichtes zum Approbationsentzug (so z.B. BVerwG, Urteil vom 26.09.2002, Az 3 C 37/01) und des Bundesverfassungsgerichts (so z.B. BVerfG, Urteil vom 10.12.2009, Az 1 BvR 3151/07) angeführt. Letztendlich kam der Beklagte zu dem Ergebnis, die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Widerruf der Approbation sei nicht ohne weiteres auf den Entzug der Zulassung zu vertragsärztlichen Tätigkeit zu übertragen. Denn die Rechtspositionen der Versicherten erforderten eine zeitnah erreichbare Schutzwirkung gegen Gefahren, "sollten sich solche während des Gerichtsverfahrens wegen Zulassungsentziehung ergeben oder bekannt werden". Eine rein rückschauende Sichtweise lasse eine nachvollziehbare Sachverhaltsbeurteilung jetzt - Jahre später - überhaupt nicht mehr zu und sei auch rechtlich nicht sachgerecht. Wenn auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung durchgehend abzustellen sein würde, wäre von vornherein ein nachvollziehbarer Erkenntnisgang im fachgerichtlichen Verfahren bei der Frage der gesundheitlichen Ungeeignetheit nicht durchführbar.

In der mündlichen Verhandlung am 19.02.2020 wurde die Sach-und Rechtslage mit den anwesenden Beteiligten erneut besprochen.

Der Prozessbevollmächtigte des Beigeladenen zu 1 machte nochmals auf die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts D-Stadt und das Gutachten von Professor Dr. N. aufmerksam. Das Verwaltungsgericht habe rechtskräftig zur Frage entschieden, ob die Approbation zum Ruhen zu bringen sei. Diese Entscheidung vom 12.01.2017 sei noch weitergehend als die hier streitgegenständliche Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit und decke auch den Zeitraum ab, der vom Beklagten zu beurteilen sei.

Die Klägerin betonte dagegen, von dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts D-Stadt gehe keine Bindungswirkung aus. Soweit auf den Zeitpunkt der Eignung abzustellen und laut dem Bundessozialgericht der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich sei, sei diese Entscheidung aus Sicht der Klägerin nicht unbedingt "glücklich". Denn die Frage der Geeignetheit sei eine Frage des "Seins", weshalb auf den aktuellen Zeitpunkt abzustellen sei. Der Beklagte hätte im Rahmen seiner Entscheidung auf verschiedene Gesichtspunkte näher eingehen müssen, nämlich auf die schon bestehenden Erkrankungen, darunter auch den in der Vergangenheit festgestellten chronischen Alkohol-Abusus. Insofern sei auf das Gutachten von Dr. N. kritisch zu hinterfragen war. Es hätte geklärt werden müssen, unter welchen Gesichtspunkten Oxycodon weiter genommen werden könnte. Soweit die Vermutung bestehe, dass der Beigeladene zu 1 zur bestehenden Medikation zusätzlich DHC einnehme, mache dies pharmakologisch keinen Sinn. Denn DHC besetze die Rezeptoren für Buprenorphin. Hinzu komme, dass nicht berücksichtigt worden sei, dass es aufgrund der Pflichtverletzung zu einem Schaden in Höhe von EUR 19.000.- gekommen sei. Im Übrigen werde es für problematisch gehalten, die Geeignetheit zur ärztlichen Tätigkeit von Bedingungen abhängig zu machen. Wenn vom Beigeladenen zu 1 verlangt werde, BTM-Rezepte zurückzugeben, was angeblich geschehen sei, bedeute dies, dass Patienten, die einer BTM-Medikation bedürften, nicht versorgt werden könnten.

Der Vertreter des Beklagten machte zum maßgeblichen Zeitpunkt der Geeignetheit zur vertragsärztlichen Tätigkeit geltend, das Bundessozialgericht beziehe sich des Öfteren auf Rechtsauffassungen des Bundesverwaltungsgerichts (BSG, Urteil vom 08.10.2019, B 1 A 3/19 R). Entscheidend müsse das materielle Recht sein. Zu hinterfragen sei auch die die Gültigkeit der Ärzte-ZV (§ 21). Es handle sich nicht um ein Gesetz, sondern lediglich um eine Rechtsverordnung. Ein Autofahrer müsse den Nachweis für die Geeignetheit führen. Schließlich gehe es um den Schutz vor abstrakten Gefahren.

In der mündlichen Verhandlung am 19.02.2020 stellte die Vertreterin der Klägerin den Antrag aus dem Schriftsatz vom 23.08.2017 (Ziffer 1 und 2). Hilfsweise wurde beantragt, den Bescheid des Beklagten aufzuheben, den Rechtsstreit an den Beklagten zurückzuverweisen und diesen zu verpflichten, über den Widerspruch der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Beklagte bat um Entscheidung nach Sach-und Rechtslage.

Der Prozessbevollmächtigte des Beigeladenen zu 1 beantragte, die Klage abzuweisen.

Die Prozessbevollmächtigte des Beigeladenen zu 2 stellte keinen Antrag.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Beklagtenakte, die beigezogenen Unterlagen des Amtsgerichts E-Stadt, des Bayerischen Verwaltungsgerichts D-Stadt und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. Im Übrigen wird auf den sonstigen Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie die Sitzungsniederschriften vom 18.07.2018, 19.12.2018 und 19.02.2020 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zum Sozialgericht München eingelegte Klage ist zulässig, erweist sich jedoch sowohl im Hauptantrag, als auch im Hilfsantrag als unbegründet. Es handelt sich um eine Anfechtungs-und Verpflichtungsklage nach § 54 SGG. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten, er möge dem Beigeladenen zu 1 die vertragsärztliche Zulassung entziehen.

Die Klägerin hat gegenüber dem beklagten Berufungsausschuss keinen Anspruch darauf, dass dieser seine Entscheidung vom 29.06.2017 aufhebt und dem Beigeladenen zu 1 seine vertragsärztliche Zulassung entzieht (Hauptantrag) bzw. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entscheidet.

Nach § 95 Abs. 6 S.1 SGB V in Verbindung mit § 21 Ärzte-ZV ist die Zulassung zu entziehen, wenn er aus gesundheitlichen oder sonstigen in der Person liegenden schwerwiegenden Gründen nicht nur vorübergehend unfähig ist, die vertragsärztliche Tätigkeit auszuüben. Die Entziehung der Zulassung nach § 95 Abs. 6 SGB V stellt eine schwerwiegende Sanktion und einen Eingriff in die Berufsausübung nach Art. 12 GG dar, der einem Eingriff in die Berufswahl nahekommt. Denn im Hinblick auf den generell hohen Anteil der Patienten, die gesetzlich versichert sind, sind die Auswirkungen einer Einziehung der vertragsärztlichen Zulassung erheblich, auch wenn grundsätzlich die Möglichkeit privatärztlicher Behandlung besteht, was voraussetzt, dass die Approbation nicht widerrufen wurde (BVerfG, Beschluss vom 26.09.2016, Az 1 BvR 1326/15; BVerfGE 11,30). Ein Eingriff in das Grundrecht ist nur zulässig, wenn dieser auf gesetzlicher Grundlage unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geschieht. Gemeinwohlbelange rechtfertigen grundsätzlich einen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG.

Dabei kann die Geltung von § 21 Ärzte-ZV nicht wirklich in Frage gestellt werden, wie dies vom Beklagten mehrfach ausgeführt wird. Der Beklagte meint offenbar, hier liege ein Verstoß gegen Art. 80 Abs. 1 GG vor. Danach können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden. § 95 Abs. 6 S. 1 SGB V regelt, dass die Zulassung zu entziehen ist, wenn ihre Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, der Vertragsarzt die vertragsärztliche Tätigkeit nicht aufnimmt oder nicht mehr ausübt oder seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt. § 95 Abs. 2 S. 4 SGB V verweist auf die Zulassungsverordnung, einer Rechtsverordnung des Bundesministers für Arbeit. Hintergrund für die Regelung in Art. 80 Abs. 1 GG und das darin enthaltene Konkretisierungsgebot ist, dass das Parlament als Legislative angehalten werden soll, die wesentlichen Vorschriften selbst zu erlassen und nicht auf die Exekutive zu delegieren. Allerdings sind an die hinreichende Bestimmtheit der Ermächtigung keine allzu strengen Anforderungen zu stellen. Es ist insbesondere nicht erforderlich, Inhalt, Zweck und Ausmaß im Gesetz ausdrücklich zu bestimmen. Vielmehr genügt, wenn sich aus den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (Entstehungsgeschichte, Sinn und Zweck der Regelung, Sachzusammenhang) die Konkretisierung ableiten lässt. Dies ist der Fall. Dafür spricht auch, dass die Obergerichte zahlreichen Entscheidungen § 21 Ärzte-ZV zugrunde gelegt haben und die Vorschrift unter verfassungsrechtlichen Aspekten nie angezweifelt wurde.

Bei sogenannten Vornahmeklagen kommt als Faustregel zur Anwendung, dass grundsätzlich maßgeblicher Zeitpunkt der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor der Tatsacheninstanz ist. Dies würde bedeuten, dass bis dahin Tatsachenänderungen bei der Entscheidung zu berücksichtigen sind. Bestimmt allerdings das materielle Recht einen anderen Zeitpunkt, ist für die Anwendung der Faustregel kein Raum (BSG, Urteil vom 08.10.2019, Az B 1 A 3/19 R).

So ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Zulassungsentziehung die Sach-und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich (BSG, Beschluss vom 13.02.2019, Az B 6 KA 14/18 R). Das Bundessozialgericht hat sich dabei im Wesentlichen der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts angeschlossen (BVerwG, Beschluss vom 27. 2010, Az 3 B 61/10). Bei der Frage der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Approbation stellt das Bundesverwaltungsgericht auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ab. Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, bei dem Widerruf der Approbation handle es sich um "einen auf den Abschluss des Verwaltungsverfahrens bezogenen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt", der eine Zäsur bilde. Inzwischen eingetretene Tatsachenänderungen könnten nur in einem Verfahren auf Wiedererteilung der Approbation Berücksichtigung finden. Ebenfalls auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens stellt der Bundesgerichtshof bei dem Widerruf der Zulassung zur Anwaltschaft ab (BGHZ 190,187). Diese nunmehrige Auffassung des Bundessozialgerichts steht auch im Zusammenhang mit der Aufgabe der bisherigen sog. "Wohlverhaltens-Rechtsprechung" (BSG, Urteil vom 17.10.2012, Az B 6 KA 49/11 R). Danach sind - anders als bisher - Umstände, die nach der Verwaltungsentscheidung eintreten, im gerichtlichen Verfahren nicht zu berücksichtigen. Vielmehr sind solche Umstände in einem Verfahren auf Wiederzulassung zu würdigen.

Nach Auffassung des Gerichts gibt es auch keinen zwingenden Grund, davon abzuweichen. Denn, wie das Bundessozialgericht ausführt, lassen sich für eine unterschiedliche Behandlung von Widerruf der Approbation und Zulassungsentziehung keine solchen zwingenden Gründe anführen (BSG, Urteil vom 17.10.2012, Az B6 KA 49/11 R). Sowohl die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit (§ 95 Abs. 6 SGB V i.V.m. § 21 Ärzte-ZV), als auch die Erteilung der Approbation (§ 3 Bundesärzteordnung) steht unter der Voraussetzung, dass eine Geeignetheit vorliegt; zum einen die Geeignetheit zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Tätigkeit und zum andern die Geeignetheit zur Ausübung des Arztberufs. Bei der "Geeignetheit" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der Auslegung zugänglich ist. Das Fehlen der Geeignetheit beruht auf Umständen in der Sphäre des Arztes. Es kann sich um gesundheitliche Umstände, aber auch sonstige in der Person des Arztes liegende Umstände handeln. Nur der Arzt, der als geeignet anzusehen ist, ist in der Lage, seinen Status auszufüllen bzw. seinen Beruf ordnungsgemäß auszuüben. Somit soll mit dem unbestimmten Begriff der "Geeignetheit" verhindert werden, dass ärztliche Leistungen von Personen erbracht werden, die ungeeignet sind. Deshalb dient das Kriterium der Geeignetheit sowohl im Zusammenhang mit dem Widerruf der Approbation, als auch mit der Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit primär dem Patientenschutz. Der Hinweis des Beklagten bzw. der Klägerin auf den Gesichtspunkt der abstrakten Patientengefährdung bei einer weiteren Zulassung des Beigeladenen zu 1 zur vertragsärztlichen Tätigkeit kann allein deshalb nicht zum Abstellen auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht führen, weil auch bei dem Widerruf der Approbation die "Geeignetheit" zu beurteilen ist, die letztendlich auch und insbesondere dem Patientenschutz dient. Zutreffend ist zwar, dass eine nachvollziehbare Sachverhaltsbeurteilung bei einer rückschauenden Sichtweise (Abstellen auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung) grundsätzlich erschwert, nicht jedoch wie der Beklagte ausführt, nicht mehr möglich ist. Zumindest in dem streitgegenständlichen Verfahren ist eine solche Erschwernis nicht erkennbar, da auf die Erkenntnisse in dem vorausgegangenen Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht D-Stadt, insbesondere auf die vorliegenden Gutachten und ärztlichen Stellungsnahmen zurückgegriffen werden kann, wovon auch der Beklagte Gebrauch gemacht hat. Soweit die Klägerin ausführt, die Frage der Geeignetheit sei eine Frage des "Seins", ergibt sich nach Auffassung des Gerichts hieraus auch keine Notwendigkeit, auf einen späteren Zeitpunkt abzustellen. Denn die "Geeignetheit" ist immer eine Momentaufnahme, die eine Stichtagsbetrachtung erforderlich macht. Das Vorhandensein der "Geeignetheit" kann sich bereits nach einer juristischen Sekunde ganz anders darstellen. Insofern könnte ein Vertragsarzt zur Ausübung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor der Tatsacheninstanz geeignet sein, kurz darauf bereits nicht mehr. Somit bleibt stets nur eine respektive Beurteilung der "Geeignetheit" übrig. Beschwerden von Patienten sind offensichtlich weder an die Klägerin, noch an die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns herangetragen worden.

Im Übrigen ist es der Klägerin, aber auch anderen Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns unbenommen, wollen sie einer Patientengefährdung vorbeugen, auch während des anhängigen gerichtlichen Verfahrens erneut einen Antrag auf Entzug der Zulassung bei den Zulassungsgremien zu stellen. In diesem neuen Verwaltungsverfahren können dann die aktuelle Eignung des Vertragsarztes überprüft werden und neue Tatsachen und Entwicklungen in die Entscheidung mit einfließen; im konkreten Fall beispielsweise der aktuelle Gesundheitszustand des Beigeladenen zu 1, auch, ob die aktuelle Medikation eine vertragsärztliche Tätigkeit ausschließt und zu einer Ungeeignetheit im Sinne von § 21 Ärzte-ZV führt. Sofern die kombinierte Einnahme aufgrund von Fremdverordnungen und/oder Eigenverordnungen von Medikamenten die Wirkweise eines oder mehrerer Medikamente erheblich verstärkt bzw. herabsetzt, mithin aus pharmakologischer Sicht problematisch erscheint und Einfluss auf die gesundheitliche Eignung hat, wäre auch dies zu berücksichtigen. So wäre die Kombination aus Buprenorphin und DHC über einen längeren Zeitraum, sofern sie überhaupt nachweisbar stattgefunden hat, durchaus als problematisch anzusehen.

In diesem Zusammenhang weist das Gericht allerdings darauf hin, dass von der Klägerin festgestellte Verordnungen von DHC zugunsten der Ehefrau und der Mutter des Beigeladenen zu 1 nicht dem Beigeladenen zu 1 zugeordnet werden können, geschweige denn unterstellt werden kann, der Beigeladene zu 1 habe diese DHC-Verordnungen neben seiner anderen Medikation selbst konsumiert. Denn - abgesehen von der datenschutzrechtlichen Problematik, die nicht zu vertiefen ist - handelt es sich um bloße Vermutungen der Klägerin, für die konkrete Nachweise fehlen.

Insofern kann dem Patientenschutz durch einen neuen Antrag auf Entzug der Zulassung Rechnung getragen werden.

Einer weiteren Begutachtung auf psychiatrischem Gebiet, wie von der Klägerin und dem Beklagten gefordert, bedarf es nicht. Denn eine aktuelle ambulante Begutachtung ist nicht entscheidungserheblich, da, wie bereits mehrfach betont, auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, also auf den 29.06.2017 abzustellen ist. Ebenfalls ist kein Gutachten oder eine ärztliche Stellungnahme - wie von der Klägerin gefordert -zur Frage einzuholen, unter welchen Gesichtspunkten Oxycodon weiter genommen werden könnte. Denn zum Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsausschusses kam dieses Opiat schon lange nicht mehr zum Einsatz. Soweit zu erwägen ist, ein Gutachten nach Aktenlage einzuholen, ergibt sich - wie bereits ausgeführt - bei rückschauender Sichtweise eine Erschwernis für eine nachvollziehbare Sachverhaltsbeurteilung. Hinzu kommt, dass die Gerichte zwar aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG) verpflichtet sind, von allen Ermittlungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen, die vernünftigerweise zur Verfügung stehen (BSG, Beschluss vom 13.02.2019, Az B 6 KA 14/18 B). Voraussetzung ist aber die Entscheidungserheblichkeit, die nach Auffassung des Gerichts im streitgegenständlichen Fall zu verneinen ist.

Denn das Sozialgericht München darf auf Feststellungen anderer Behörden oder auch Gerichte zurückgreifen (BSG, Beschluss vom 05.05.2010, Az B 6 KA 32/09 B), so auf die Entscheidungen des Amtsgerichts E-Stadt (Az), des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Az ), insbesondere aber auf die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts D-Stadt (Az). Dem Urteil des Amtsgerichts E-Stadt lag der Sachverhalt vom 04.10.2010 bis 19.11.2014 zu Grunde, der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts D-Stadt der Sachverhalt bis einschließlich 12.01.2017. Letzteres bezog sich auf mehrere Gutachten, die u.a. auf Veranlassung der Zulassungsgremien eingeholt wurden. In seinem fachpsychiatrischen Kurzgutachten vom 30.04.2015 äußerte sich Dr. O. im Rahmen der Frage, ob die Voraussetzungen für ein Ruhen der Approbation vorliegen, zur Geeignetheit des Beigeladenen zu 1 und kam zu dem Ergebnis, für das Ruhen der Approbation sprächen die bekannten Straftaten und die fortbestehende Morphinabhängigkeit bei Einnahme von Oxycodon, dagegen andererseits die weitgehend erhaltene Persönlichkeit des Beigeladenen zu 1, das Fehlen typischer Morphinistensymptomatik, die gut geführte Praxis und das soziale Umfeld. Im Gutachten von Prof. Dr. N. und Dr. S. wurde in Beantwortung der Gutachtensfragen auf Ersuchen des Beklagten ausgeführt, die Berufsfähigkeit des Beigeladenen zu 1 erscheine derzeit unter bestehender und weiterhin fortgesetzter Abstinenz bezüglich der Einnahme von Opioiden gegeben. Aus fachärztlich psychiatrischer Sicht sei trotz Vorliegen einer Abhängigkeit die Wiedereinnahme von Oxycodon möglich. Des Weiteren lag dem Bayerischen Verwaltungsgericht D-Stadt ein schmerztherapeutisches Gutachten auf Veranlassung des Zulassungsausschusses vom 27.02.2016 vor. Der Gutachter Dr. T. kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, es bestehe derzeit keine gedankliche Einengung auf einen zusätzlichen Gebrauch von Opioiden. Derzeit sei deshalb nicht von einer Abhängigkeitssituation auszugehen. Die Berufsfähigkeit des Beigeladenen zu 1 sei unter bestimmten, im einzelnen aufgeführten Bedingungen gegeben. Dazu gehöre auch, dass eine Eigenverordnung von Opioiden ausgeschlossen sei. Des Weiteren findet sich in den Akten eine gerichtlich angeforderte abschließende psychiatrisch-gutachterliche Stellungnahme von Professor Dr. N. und Dr. U. Darin wird mitgeteilt, es bestehe Übereinstimmung mit der Empfehlung von Dr. T. und der fachärztlichen Einschätzung von Privatdozent Dr. C ... Ferner wurde darauf hingewiesen, dass sich die vorausgehende Beurteilung im Gutachten vom 27.08.2015 nur auf Oxycodon bezogen habe.

In der mündlichen Verhandlung vom 12.01.2017 vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht D-Stadt erläuterten die Gutachter Professor Dr. N., Privatdozent Dr. C. und Dr. T. die Ergebnisse ihrer Begutachtungen. Professor Dr. N. betonte, bei der Durchführung der transdermalen Opioidtherapie könne nicht von einer Abhängigkeitssituation bzw. Suchterkrankung ausgegangen werden. Der Kläger im Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht D-Stadt und zugleich Beigeladener zu 1 im streitgegenständlichen Verfahren sei aus fachpsychiatrischer Sicht zur Ausübung seines Berufes uneingeschränkt geeignet. Privatdozent Dr. C. bestätigte aus schmerztherapeutischer Sicht die Feststellungen von Professor Dr. N. und erklärte darüber hinaus, dass mittlerweile fünf Urinkontrollen beim Kläger durchgeführt worden seien, die letzte am 07.12.2016. Es sei lediglich der Wirkstoff nachgewiesen worden, der bei der Therapie zur Anwendung komme. Dem schloss sich der Sachverständige Dr. T. an und erklärte ergänzend, unter den gegebenen Umständen und der guten Verträglichkeit des Wirkstoffes beim Kläger sei es möglich, die Therapie lange durchzuführen.

Auf der Grundlage dieser Gutachten und Aussagen der Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht D-Stadt kam das Gericht zu dem Ergebnis, der Kläger sei derzeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs als geeignet anzusehen. Die Gutachter hätten überzeugend, schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, wie und warum sie zu ihrer - übereinstimmenden - Überzeugung gekommen seien. Die ärztliche Tätigkeit in Diagnose und Therapie und die damit verbundenen Risiken bzw. Gefahren für Leib und Leben anvertraute Patienten verlangten vom behandelnden Arzt ein hinreichend hohes Maß an Konzentration und kognitiven Fähigkeiten, sowie körperliche und psychische Belastbarkeit. Diesen Anforderungen könne der Kläger unter dem medizinisch erforderlichen, kontrollierten und wirksamen transdermalen Opioide Therapie nach Überzeugung des Gerichts gerecht werden Anhaltspunkte dafür, dass es bei einer weiteren Ausübung des ärztlichen Berufes und der Anwendung dieser Opioidtherapie zu Patientengefährdungen kommen könne, sei nicht konkret greifbar und hätte sich auch im Rahmen der gerichtlichen Beweiserhebung nicht ergeben. Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts D-Stadt wurde schließlich vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Az ) bestätigt. Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung hatte keinen Erfolg. Denn es würden keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr 1 VwGO) bestehen. Wie das Verwaltungsgericht festgestellt habe, hätten die Gutachter überzeugend, schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, weshalb sie zu dem von Ihnen gefundenen Ergebnis gekommen sein. Eine weitere Aufklärung erübrige sich. Nach den Gutachten sei der Kläger zur Ausübung seines Berufes uneingeschränkt geeignet.

Auch die 38. Kammer des Sozialgerichts München hält die Gutachten einschließlich der ergänzenden Äußerungen der Gutachter in der mündlichen Verhandlung vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht D-Stadt, bestätigt durch die Aussage von PD Dr. C. in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht München am 19.12.2018 für überzeugend, schlüssig und nachvollziehbar.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts D-Stadt vom 12.01.2017 - dort war maßgeblicher Zeitpunkt die letzte mündliche Verhandlung vor der Tatsacheninstanz (Ruhen der Approbation als Dauerverwaltungsakt) - zeitlich in etwa mit dem der Entscheidung des beklagten Berufungsausschusses vom 29.06.2017 zusammenfällt. Somit liegt es nahe, auf Erkenntnisse im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht D-Stadt zurückzugreifen. Zwischen beiden Zeitpunkten hat sich auch, was die Tatsachen betrifft, nichts geändert. Wird die Approbation nicht erteilt, hat dies zur Folge, dass keine Arztregistereintragung erfolgen kann und somit auch keine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung. Wird umgekehrt die Approbation erteilt, besteht eine Bindungswirkung der Zulassungsgremien bzw. der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns insofern, als die statusbegründende Approbationserteilung durch die Landesbehörde von diesen im Hinblick auf die Arztregistereintragung nicht mehr angezweifelt und anders bewertet werden kann (BSG, Urteil vom 05.02.2003, Az B 6 KA 42/02 R). Bei einem Widerruf der Approbation entfallen die Voraussetzungen für die Eintragung ins Arztregister (§ 3 Ärzte-ZV) und damit für ein Weiterbestehen der Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit (§ 95 Abs. 2 S. 1 SGB V). Insofern besteht eine Verknüpfung von Approbation, Eintragung ins Arztregister und Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit. Daraus ergibt sich, dass der Status der Approbation, da er generell die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit ermöglicht und Grundvoraussetzung für die Erlangung weiterer statusbegründender Rechtspositionen ist, über den Status der vertragsärztlichen Zulassung hinausreicht, die ihrerseits bewirkt, auch ärztliche Leistungen an gesetzlich Versicherten zu Lasten der GKV zu erbringen. Auch wenn diese Verknüpfungen vorhanden sind, geht von den Entscheidungen der Verwaltungsgerichte zur Approbationserteilung, deren Bestand und zum Ruhen der Approbation keine Bindung aus, was die Frage der Geeignetheit des Vertragsarztes betrifft, sodass durchaus eine andere Beurteilung durch die Sozialgerichte möglich wäre. Nachdem Gegenstand des streitgegenständlichen sozialgerichtlichen Verfahrens der Entzug der Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit ist, während Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens das Ruhen der Approbation war, geht somit keine Bindungswirkung von der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts D-Stadt aus. Gleichwohl stellt die Entscheidung ein Indiz für die Geeignetheit des Beigeladenen zu 1 hinsichtlich der Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit dar. Die dort getroffenen Feststellungen sind jedenfalls auch für das sozialgerichtliche Verfahren verwertbar. Davon macht das Sozialgericht München Gebrauch.

Gestützt auf die Aussagen der Sachverständigen steht für das Gericht fest, dass die momentane auch schon im Juni/Juli 2017 bestehende Medikation aus Norspan, Dulexitin und Quetiapin eine typische Medikation in der Schmerztherapie darstellt. Dabei steht die Anwendung von Norspan im Vordergrund, das zur Schmerztherapie eingesetzt wird. Gegenüber der ursprünglichen Gabe von Oxycodon zur Schmerztherapie in einer Dosis (280mg-320 mg), die unter Abhängigkeits- und Suchtaspekten als kritisch anzusehen wäre, hat die transdermale Opioidtherapie entscheidende Vorteile; nämlich, dass es sich um die Substanz mit der geringsten Toleranz handelt, die Dosierung nur 10 % der ursprünglichen Dosis mit Oxycodon beträgt, das Abhängigkeitspotenzial wesentlich geringer ist, für den Patienten keine Möglichkeit besteht, die Dosis eigenmächtig zu verändern und die Anwendung über einen längeren Zeitraum möglich ist, ohne dass eine Abhängigkeitssituation entsteht. In Kombination mit Norspan werden vom Beigeladenen zu 1 Quetiapin und Dulexitin eingenommen. Quetiapin ist ein antipsychotischer und antidepressiver Wirkstoff aus der Gruppe der atypischen Neuroleptika, der zu Behandlung einer Schizophrenie, einer unipolaren Depression und einer bipolaren Störung eingesetzt wird. Als Off Label Use findet Quetiapin auch Anwendung gegen Schlafstörungen. Dulexitin in ist ein stimmungsaufhellender und schmerzlindernder Wirkstoff aus der Gruppe der SSNRI zur Behandlung von Depressionen, Schmerzen, Angststörungen und Belastungsinkontinenz. Es ist zwar einzuräumen, dass es sich hierbei um Psychopharmaka handelt, die aber hier beim Beigeladenen zu 1 nicht zu diesem Zweck (psychiatrischer Hintergrund) eingesetzt werden. So dient, wie der Sachverständige PD Dr. C. ausführt, die Einnahme von Quetiapin als Einschlafhilfe. Dulexitin sei wegen der schmerztherapeutischen Indikation verordnet worden. Nach § 21 S. 2 Ärzte-ZV wird insbesondere eine Ungeeignetheit zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit vermutet, wenn der Antragsteller innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Antragstellung, also bei einer erstmaligen Antragstellung auf Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit drogen-und alkoholabhängig war. Diese Vorschrift ist nach dem Wortlaut nicht auf den Fall anwendbar, dass nach der Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit eine Drogen- und Suchtabhängigkeit eintritt. Allein dadurch, dass Medikamente eingenommen werden, die Suchtpotenzial aufweisen, kann außerdem auf eine Drogensüchtigkeit nicht geschlossen werden.

Die Medikation beruht auf den Verordnungen des behandelnden Schmerztherapeuten PD Dr. C ... Eine eigenmächtige Änderung durch den Beigeladenen zu 1 im Wege von Eigenverordnungen von Opiaten - zum Beispiel Rückkehr zu Oxycodon - ist ausgeschlossen. Denn der Beigeladene zu 1 hat glaubhaft versichert und belegt, dass er BtM- Rezepte zurückgegeben hat. Damit ist er nicht in der Lage, für sich oder Dritte BtM-Rezepte auszustellen. In diesem Zusammenhang stellt sich allerdings die Frage, ob der Beigeladene zu 1 mit dieser Einschränkung überhaupt seine vertragsärztliche Tätigkeit ausüben kann, wenn er über keine BtM-Rezepte verfügt und von Verschreibungen von BtM nicht Gebrauch machen kann. Denn zur zentralen vertragsärztlichen Tätigkeit gehört auch das Verschreiben von Medikamenten als Ausdruck ausreichender beruflicher und persönlicher Handlungsfreiheit (BSG, Beschluss vom 07.08.2011, Az B 6 KA 18/11 B). Der Beigeladene zu 1 ist aber grundsätzlich, mit Ausnahme von Betäubungsmitteln, nicht gehindert, seinen Patienten Verordnungen auszustellen. Soweit es medizinisch indiziert ist, Patienten mit Medikamenten zu versorgen, die unter das BtMG fallen, sind solche Verordnungen durch andere Vertragsärzte unter den Voraussetzungen des BtMG kollegialiter vorzunehmen. Anders als in dem vorgenannten Verfahren vor dem Bundessozialgericht, bei dem die vertragsärztliche Tätigkeit nur in Anwesenheit eines anderen Vertragsarztes ermöglicht wurde, handelt es sich hier um eine vergleichsweise geringe Einschränkung, sodass die Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit durch den Beigeladenen zu 1 größtenteils eigenständig und eigenverantwortlich stattfinden kann.

Zugleich hat durch den am 13.11.2015 zwischen dem Beigeladenen zu 1 und der Schmerzambulanz am Universitätsklinikum C-Stadt abgeschlossenen Opioidvertrag eine Aufklärung über Risiken, Wirkweise und unerwünschte Wirkungen stattgefunden, abgesehen davon, dass davon auszugehen ist, dass dem Beigeladenen zu 1 als Arzt sowieso diese Umstände bekannt sind. Dadurch, dass die Verordnung des Opioids nur ein Arzt, in der Regel der Arzt, der diese Behandlung begonnen hat, in diesem Fall PD Dr. C. zuständig ist und ein Wechsel des Behandlers der ausführlichen Absprache bedarf und eine kontrollierte dermatologische Therapie durch PD Dr. C. im 7-8-wöchigen Abstand erfolgt, ist grundsätzlich gewährleistet, dass kein Opioid-Fehlgebrach bzw. Opioid-Mißbrauch durch den Beigeladenen zu 1 möglich ist. Im Übrigen wurde der den Opioidvertrag unterzeichnende Patient ausdrücklich darauf hingewiesen, dass wiederholte Verstöße gegen die dort genannten Regeln zur Beendigung der Opioidbehandlung führen.

Soweit die Klägerin die Effektivität des Drogenscreenings problematisiert - der Beigeladene zu 1 stellt sich alle 7-8 Wochen in der Schmerzambulanz der Uniklinik C-Stadt vor, wobei nicht an jedem Termin und unangekündigt eine Urinkontrolle stattfindet - ist einzuräumen, dass die Kontrolle für den Beigeladenen zu 1 nur bedingt unerwartet erfolgt, da er zumindest bei jedem Termin mit einer Untersuchung rechnen kann, auch wenn diese dann doch nicht stattfindet. Es ist jedoch nicht ersichtlich, wie das Drogenscreening effektiver und praktikabler in Verbindung mit den 7-8-wöchigen Untersuchungsintervallen gestaltet werden kann.

Zusammenfassend liegt keine Abhängigkeitssituation oder Suchterkrankung vor, die Rückschluss auf die fehlende Eignung oder Fähigkeit des Beigeladenen zu 1 zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit rechtfertigen könnte. Die Medikation zum Zeitpunkt der Entscheidung des beklagten Berufungsausschusses, bestehend aus der Kombination Norspan, Quetiapin und Dulexitin macht es möglich, dass der Beigeladene zu 1 trotz seiner schwerwiegenden Erkrankungen, insbesondere Morbus Crohn und COPD seinen Pflichten als Vertragsarzt nachkommen kann. In dem Zusammenhang soll nicht unerwähnt bleiben, dass nach den Ausführungen von PD Dr. C. in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht München am 19.12.2018 auch andere Berufsgruppen, von denen ein Gefährdungspotential für Dritte ausgeht, wie Waffen tragende Polizisten, Busfahrer und Taxifahrer trotz Einnahme von Opiaten ihren Beruf ausüben. Durch mehrere Sicherheitsmechanismen (Kontrollierte Opioid-Therapie; Drogenscreening; Opioidvertrag; eigenmächtiges Verschreiben von anderen Opioiden durch den Beigeladenen zu 1 ausgeschlossen) ist bestmöglich gewährleistet, dass weder ein Opiodmißbrauch, noch ein unzulässiger Beigebrauch von anderen Opioiden stattfindet und damit die Eignung des Beigeladenen zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Tätigkeit in Frage gestellt wird.

Die Klägerin moniert auch, der Beklagte habe sich nicht mit dem in der Vergangenheit festgestellten Alkohol-Abusus auseinandergesetzt. Dies könnte eventuell einen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht nach § 20 SGB X darstellen. Gerichte können aber auch solche Vorgänge berücksichtigen, die von den Zulassungsgremien nicht einbezogen wurden (BSG, Beschluss vom 05.05.2007, B 6 KA 32/09 B), sodass letztendlich ein etwaiger Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz keine Rolle spielt. In den Gutachten ist immer wieder die Rede von der Diagnose "Alkoholabhängigkeit" (ICD-10: F10.2); so im Gutachten von Professor Dr. N. vom 27.08.2015, in dem von einem Klinikaufenthalt in der P-Klinik (Zeitraum: 09.02.2010 bis 19.03.2010) berichtet wird. Ebenfalls spricht der Gutachter Dr. T. in seinem schmerztherapeutischen Gutachten vom 27.02.2016 von einem Zustand nach Alkoholabusus. Übereinstimmend wird aber ausgeführt, trotz gelegentlicher Rückfälle bestehe seit mehreren Jahren eine Alkoholabstinenz. Eine mögliche Alkoholabhängigkeit in früheren Jahren spielt für die Würdigung der Geeignetheit im Juni 2017 (Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsausschusses) keine Rolle.

Die Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit kann grundsätzlich auch auf eine gröbliche Pflichtverletzung gestützt werden. Auch damit hat sich der Beklagte nicht auseinandergesetzt. In diesem Fall besteht ebenfalls eine Ungeeignetheit zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit. Bei einem Verbrechen ist in der Regel eine gröbliche Pflichtverletzung von Pflichten anzunehmen (BSG, Beschluss vom 05.05.2010, Az B 6 KA 32/09 B). Der Beigeladene zu 1 wurde vom Amtsgericht E-Stadt wegen § 29 Absatz ein Ziffer 1, 6 B BTMG in Tateinheit mit § 266 StGB (Untreue) verurteilt. Beides sind Vergehen und keine Verbrechen, da das Mindestmaß des Strafrahmens nicht ein Jahr oder darüber beträgt. Insofern gilt die Vermutung nicht, dass eine gröbliche Pflichtverletzung anzunehmen ist. Es trifft zwar so, dass ein Schaden in nicht unbeträchtlicher Höhe entstanden ist. Aus dem Urteil des Amtsgerichts E-Stadt ergibt sich ein Schaden von ca. 9.000.- EUR zulasten der Klägerin und nicht von 19.000 EUR. Unabhängig davon, von welchem Betrag auszugehen ist, könnte die Schadenshöhe ausreichend für die Entziehung der Zulassung sein. Das vertragsärztliche System basiert auf gegenseitigem Vertrauen der Ärzte, der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenkassen. Das Vertrauen ist dann erheblich erschüttert und zerstört, wenn die Vermögensinteressen der am vertragsärztlichen System Beteiligten nicht beachtet, sondern vielmehr geschädigt werden (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 08.10.2003, Az L 11 KA 165/02). Ein Arzt, der fremdes Vermögen, hier Vermögen der Krankenkasse schädigt, missachtet das in ihn gesetzte Vertrauen.

Der Beigeladene zu 1 hat zwar ein Vermögensdelikt (§ 266 StGB) begangen. Allerdings müssen auch die Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit eingehalten sein. Dies bedeutet, der Entzug der Zulassung muss bei Abwägung des vom Vertragsarzt gesetzten Eingriffsanlasses im Verhältnis zur Eingriffstiefe angemessen sein (BSG, Urteil vom 21.03.2012, B 6 KA 22/11 R; BSG, Beschluss vom 11.2.2015, Az B 6 KA 37/15 B). Hier ist in den Abwägungsvorgang einzubeziehen, dass das Fehlverhalten des Beigeladenen zu 1 zwar über einen längeren Zeitraum (2010 bis 2013/2014) andauerte. Andererseits liegt abweichend vom Regelfall kein Fehlverhalten vor, mit dem sich der Beigeladene zu 1 bereichert hat bzw. mit dem er sein Honorar optimiert hat. In dem Zusammenhang kann bei Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht außer Acht gelassen werden, dass der Beigeladene zu 1 zum damaligen Zeitpunkt (Verordnungszeitraum 2010-2013) unter Suchtdruck stand, wie auch das Amtsgericht E-Stadt in seiner Entscheidung vom 06.11.2014 ausgeführt hat. Hinzu kommt auch, dass die Klägerin, wie ebenfalls in dem Urteil des Amtsgerichts E-Stadt ausgeführt wird, in sehr leichtsinniger Weise in Kenntnis des Suchtpotentials des Beigeladenen zu 1 ihm grundsätzlich die Möglichkeit der Selbstmedikation beließ. Von daher ist die Pflichtverletzung zu relativieren.

Unbeschadet dessen liegt es nahe, den Sachverhalt, der aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Amtsgerichts E-Stadt feststeht, zum Gegenstand eines Disziplinarverfahrens nach § 81 Abs. 5 SGB V in Verbindung mit § 18 der Satzung der KVB zu machen.

Auch die hilfsweise erhobene Klage auf Verpflichtung des Beklagten, erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden, ist unbegründet. Voraussetzung wäre, dass es sich um eine nicht gebundene Entscheidung handelt. § 96 Abs. 6 S. 1 SGB V stellt aber eine gebundene Entscheidung ("Die Zulassung ist zu entziehen ...") dar.

Aus den genannten Gründen war die Klage sowohl im Haupantrag, als auch im Hilfsantrag abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 VwGO.
Rechtskraft
Aus
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